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Das Medizinrecht gewann im Rahmen der Corona-Pandemie an Bedeutung. Es berührt neben dem Öffentlichen Recht auch das Zivil- sowie Strafrecht. Die fünfte, überarbeitete und erweiterte Auflage stellt die Querschnittsmaterie vor: Constanze Janda geht auf das Recht der gesetzlichen Krankenkassen, das ärztliche Berufsrecht und die Rechtsbeziehungen zwischen Ärzt:innen und Patient:innen ein. Auch das Vertragsarztrecht, die Leistungserbringung durch Krankenhäuser sowie die Versorgung mit Arzneimitteln und das Heil- und Hilfsmittelrecht stellt sie dar und beleuchtet das Arzthaftungsrecht und die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Ärzt:innen. Auch die aktuelle Gesetzgebung, etwa zum Digitale Versorgung-Gesetz, berücksichtigt sie neu in dieser Auflage.
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Seitenzahl: 651
utb 3341
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Prof. Dr. Constanze Janda ist Inhaberin des Lehrstuhls für Sozialrecht und Verwaltungswissenschaft an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.
Constanze Janda
5., überarbeitete und aktualisierte Auflage
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Autorinnenbild: © privat
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
5., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2022
4., überarbeitetet und erweiterte Auflage 2019
3., komplett überarbeitete und aktualisierte Auflage 2016
2., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2012
1. Auflage 2010
DOI: https://doi.org/10.36198/9783838558929
© UVK Verlag 2022
– ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.de
eMail: [email protected]
Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung
utb-Nr. 3341
ISBN 978-3-8252-5892-4 (Print)
ISBN 978-3-8385-5892-9 (ePDF)
ISBN 978-3-8463-5892-4 (ePub)
Vorwort zur 5. Auflage
Abkürzungsverzeichnis
1. Kapitel: Einführung
A. Begriff des Medizinrechts
B. Rechtsquellen des Medizinrechts
C. Historische Entwicklung des Medizinrechts
2. Kapitel: Das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung
A. Abgrenzung
I. Gesetzliche Krankenversicherung
II. Private Krankenversicherung
III. Beihilfe
IV. Sozialhilfe
B. Organisation der Krankenkassen
I. Die Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts
II. Das Prinzip der Selbstverwaltung
III. Organe der Krankenkassen
1. Verwaltungsrat
2. Vorstand
IV. Die Kassenarten
C. Die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung
I. Pflichtversicherung, § 5 SGB V
1. Gegen Entgelt beschäftigte und gleichgestellte Personen
2. Der Auffangtatbestand § 5 I Nr. 13 SGB V
a. Anderweitige Absicherung im Krankheitsfall
b. Ausgestaltung der Versicherungspflicht
c. Durchsetzung der Versicherungspflicht
II. Versicherungsfreiheit, §§ 6, 7 SGB V
III. Versicherungsbefreiung, § 8 SGB V
IV. Freiwillige Versicherung, § 9 SGB V
V. Familienversicherung, § 10 SGB V
D. Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung
I. Der Gesundheitsfonds als Sondervermögen der GKV
II. Beiträge
1. Abgrenzung zu anderen Abgabenarten
2. Einzug und Höhe der Beiträge
III. Bundeszuschuss, § 221 SGB V
IV. Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds an die Krankenkassen
1. Standardisierte Leistungsausgaben
2. Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich
a. Der Risikostrukturausgleich nach § 266 SGB V a. F.
b. Der „Morbi-RSA“ nach § 266 SGB V n. F.
3. Zuweisungen zur Finanzierung sonstiger Ausgaben, § 270 SGB V
V. Zusatzbeiträge der Krankenkassen
VI. Wahltarife
1. Die Tarife im Einzelnen
a. Selbstbehalttarif, § 53 I SGB V
b. Leistungsvermeidungstarif, § 53 II SGB V
c. Tarif für besondere Versorgungsformen, § 53 III SGB V
d. Kostenerstattungstarif, § 53 IV SGB V
e. Tarif für Arzneimittel besonderer Therapierichtungen, § 53 V SGB V
f. Krankengeld-Wahltarif, § 53 VI SGB V
2. Allgemeine Regeln für die Ausgestaltung der Wahltarife
E. Leistungsrecht
I. Versicherungsfall „Krankheit“
1. Subjektiver Krankheitsbegriff
2. Objektivierbare Definitionsansätze
a. Der Gesundheitsbegriff der WHO
b. Der Krankheitsbegriff in der Rechtsprechung
c. Einzelfälle
3. Selbst verursachte Krankheiten
II. Sicherstellung der Leistungserbringung
1. Sachleistungsprinzip
2. Kostenerstattungsprinzip
a. Wahl der Kostenerstattung, § 13 II SGB V
b. Systemversagen, § 13 III, IIIa SGB V
c. Inanspruchnahme von Leistungserbringern in der EU, § 13 IV-VI SGB V
aa. Europäisches koordinierendes Sozialrecht
bb. Kostenerstattung nach § 13 IV SGB V
III. Grundsätze der Leistungserbringung
IV. Die Beurteilung von Behandlungsmethoden
1. Der Gemeinsame Bundesausschuss, §§ 91 f. SGB V
2. Anerkennung neuer Heilmethoden durch den GBA
3. Ausnahmen vom Erlaubnisvorbehalt des § 135 SGB V
V. Der Leistungskatalog des SGB V
1. Krankengeld
2. Sach- und Dienstleistungen
3. Zuzahlungen
a. Höhe und Abrechnungsverfahren
b. Überforderungsschutz
3. Kapitel: Das ärztliche Berufsrecht
A. Rechtsgrundlagen
B. Zugang zum Arztberuf
I. Der Arztberuf als freier Beruf
II. Zulassung zur Berufsausübung – Die Approbation
1. Voraussetzungen der Approbation
2. Rücknahme, Widerruf und Ruhen der Approbation
III. Die Niederlassung
IV. Kooperative Formen der Leistungserbringung
1. Gemeinschaftspraxis
2. Praxisgemeinschaft
3. Praxisverbund
C. Standesorganisationen der Ärzte
I. Die Ärztekammern
1. Mitgliedschaft
2. Organe
3. Aufgaben
II. Die Bundesärztekammer
III. Sonstige berufsständische Verbände
D. Berufsständische Pflichten des Arztes
I. Heilauftrag
1. Behandlungspflicht
2. Privatautonomie
3. Notdienst
II. Fortbildungspflicht
III. Partnerschaft zwischen Arzt und Patient
1. Grundlagen
2. Aufklärungspflicht
3. Schweigepflicht
4. Dokumentationspflicht
IV. Kollegialität
V. Verbot berufswidriger Werbung
E. Berufsgerichtsbarkeit
I. Zuständigkeit der Berufsgerichte
II. Berufsgerichte und das Verbot der Doppelbestrafung
4. Kapitel: Die Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und Patienten
A. Der Behandlungsvertrag
I. Rechtsnatur des Behandlungsvertrags
II. Kontrahierungszwang
III. Zustandekommen des Behandlungsvertrags
1. Vertragsschluss bei Geschäftsunfähigen
2. Vertragsschluss bei beschränkt Geschäftsfähigen
B. Vertragliche Pflichten des Arztes
I. Informationspflichten
II. Behandlungspflicht
III. Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung
IV. Aufklärung und Einwilligung des Patienten
1. Arten der Aufklärung
2. Umfang der Aufklärungspflicht
3. Adressaten der Aufklärung
4. Art und Weise der Aufklärung
V. Dokumentationspflicht
VI. Schweigepflicht des Arztes
VII. Sonstige Pflichten des Arztes
C. Vertragliche Pflichten des Patienten
I. Pflicht zur Vergütung von Behandlungsleistungen
1. Geltungsbereich der GOÄ
2. Höhe der Vergütung
II. Mitwirkungspflicht (Compliance)
III. Sonstige Pflichten des Patienten
5. Kapitel: Vertragsarztrecht
A. Grundlagen
B. Die Kassenärztlichen Vereinigungen als Träger der vertragsärztlichen Versorgung
I. Organisation
II. Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen
III. Pflichtmitgliedschaft
C. Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern
I. Kollektivverträge
1. Bundesmantelvertrag, § 82 I SGB V
2. Gesamtverträge, § 83 SGB V
II. Einzelverträge
1. Hausarztzentrierte Versorgung, § 73b SGB V
2. Besondere Versorgung, § 140a SGB V
a. Vertragspartner
b. Anforderungen an die besondere Versorgung
c. Teilnahme an der besonderen Versorgung
3. Strukturierte Behandlungsprogramme, § 137f SGB V
III. Zusammenfassung: Kollektiv- und Einzelverträge in der GKV
D. Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung
I. Verfassungsmäßigkeit des Zulassungserfordernisses
II. Voraussetzungen der Zulassung
1. Einzelzulassung
2. Zulassung zur kooperativen Leistungserbringung
a. Gemeinschaftspraxis
b. Medizinisches Versorgungszentrum
3. Ermächtigung
III. Bedarfsplanung
1. Bedarfsregelung nach der RVO
2. Bedarfsgesteuerte Zulassung nach §§ 99 ff. SGB V
a. Unterversorgung, § 100 SGB V
b. Überversorgung, § 101 SGB V
IV. Rechtsfolgen der Zulassung
1. Vertragsarztsitz und Zweigpraxis
2. Pflicht zur vollzeitigen Berufsausübung
3. Präsenzpflicht
4. Besondere vertragsärztliche Behandlungspflicht
a. Recht zur Ablehnung von Patienten
b. Persönliche Leistungserbringung
c. Einhaltung der Fachgebietsgrenzen
5. Teilnahme am vertragsärztlichen Notdienst
6. Anstellungsrecht
V. Der berufliche Status des Vertragsarztes
VI. Ende der Zulassung
1. Ruhen der Zulassung, § 95 V SGB V
2. Entziehung der Zulassung, § 95 VI SGB V
3. Fristablauf, § 97 VII SGB V, § 19 IV Ärzte-ZV
4. Sonstige Beendigungsgründe, § 95 VII SGB V
E. Haus- und fachärztliche Versorgung
I. Hausärztliche Versorgung
II. Fachärztliche Versorgung
F. Vergütung der Vertragsärzte
I. Einheitlicher Bewertungsmaßstab
II. Euro-Gebührenordnung
III. Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung
IV. Honorarverteilung
V. Konsequenzen des Vergütungssystems für die Vertragsbeziehungen bei Kassenpatienten
6. Kapitel: Leistungserbringung durch Krankenhäuser
A. Das Krankenhaus im medizinischen Versorgungssystem
I. Rechtsquellen
II. Begriff des Krankenhauses
III. Typologie der Krankenhäuser
IV. Träger stationärer Einrichtungen
B. Krankenhausplanung und -finanzierung
I. Planung
1. Planungskriterien
2. Anspruch auf Aufnahme in den Krankenhausplan
II. Finanzierung
1. Investitionskosten
a. Begriff
b. Förderungsmodus
2. Betriebskosten
C. Organisation des Krankenhauses
I. Gliederung des Krankenhauses
II. Rechtsbeziehungen zwischen Arzt und Krankenhaus
III. Besonderheiten beim Chefarzt
1. Der Chefarzt als leitender Angestellter
2. Liquidationsrecht
IV. Exkurs: Arbeitszeit der Klinikärzte
D. Der Behandlungsvertrag
I. Kontrahierungszwang
II. Rechtsformen des Behandlungsvertrags im Krankenhaus
1. Totaler Krankenhausaufnahmevertrag
2. Gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag
E. Die stationäre Versorgung von gesetzlich versicherten Patienten
I. Zugelassene Leistungserbringer in der stationären Versorgung
1. Plankrankenhäuser
2. Vertragskrankenhäuser
3. Vernetzung von ambulanter und stationärer Versorgung
II. Der Anspruch auf stationäre Versorgung nach SGB V
1. Abgrenzung der stationären Behandlung
2. Nachrang der vollstationären Behandlung
3. Umfang des Anspruchs
III. Vergütung von Krankenhausleistungen durch die Krankenkassen
1. Vertragsschluss
2. Tagessätze und Fallpauschalen
7. Kapitel: Versorgung mit Arzneimitteln
A. Begriff des Arzneimittels
B. Genehmigungsvorbehalte im Arzneimittelrecht
I. Herstellungserlaubnis
II. Zulassung von Arzneimitteln
1. Europäisches Zulassungsverfahren
2. Dezentrales Zulassungsverfahren
3. Zulassung nach deutschem Recht
a. Zulassungsantrag, § 22 AMG
b. Verfahren
c. Anspruch auf Zulassung
d. Zulassung von Generika
e. Rücknahme, Widerruf, Ruhen und Erlöschen der Zulassung
III. Abgabe von Arzneimitteln
1. Abgabeverbote
2. Apothekenpflicht
3. Verschreibungspflicht
C. Rechtsstellung der Apotheker
I. Approbation
II. Apothekenerlaubnis
1. Erteilungsvoraussetzungen
2. Mehr- und Fremdbesitzverbot
III. Aufgaben des Apothekers
IV. Versandhandel als besondere Vertriebsform
D. Versorgung mit Arzneimitteln im Rahmen der GKV
I. Anspruch der Versicherten
1. Verordnungsfähigkeit und Zulassung
2. Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel
3. Ausschluss von Bagatell- und Lifestyle-Arzneimitteln
4. Off-Label-Use
5. Verordnungsfähigkeit nicht zugelassener Arzneimittel
II. Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Apotheken
III. Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den pharmazeutischen Unternehmen
E. Entgelte für Arzneimittel
I. Zulässige Preisspannen nach AMPreisV
II. Rabattpflichten nach SGB V
III. Bestimmung von Festbeträgen
1. Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Europarecht
2. Verfahren der Festbetragsbestimmung
3. Folge der Festbetragsregelung
4. Festbetragsfreiheit innovativer Arzneimittel
8. Kapitel: Heil- und Hilfsmittelrecht
A. Versorgung mit Heilmitteln
I. Berufsrecht
II. Heilmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung
1. Umfang des Anspruchs
2. Zulassung zur Leistungserbringung
a. Zulassungsvoraussetzungen
b. Versorgungsverträge
3. Rechtsbeziehungen bei der Leistungserbringung
B. Versorgung mit Hilfsmitteln
I. Berufsrecht
II. Hilfsmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung
1. Umfang des Anspruchs
a. Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens
b. Brillen und Kontaktlinsen
c. Leistungsausschluss nach § 34 IV SGB V
d. Hilfsmittelrichtlinie des GBA
2. Hilfsmittelverzeichnis
a. Aufnahme von Hilfsmitteln
b. Verbindlichkeit des Hilfsmittelverzeichnisses
III. Zulassung von Leistungserbringern zur Hilfsmittelversorgung
1. Vertragsschluss nach Ausschreibung gemäß § 127 I SGB V
2. Rahmenverträge nach § 127 II SGB V
3. Einzelverträge nach § 127 III SGB V
IV. Vergütung
V. Abgrenzung zur Hilfsmittelversorgung im Pflegeversicherungsrecht
C. Digitale Gesundheitsanwendungen
9. Kapitel: Arzthaftungsrecht
A. Allgemeines
B. Fehlverhalten des Arztes
I. Behandlungsfehler
1. Diagnosefehler
2. Therapiefehler
3. Übernahmeverschulden
4. Therapeutische Sicherheitsaufklärung
II. Aufklärungsfehler
III. Dokumentationsmängel
C. Sorgfaltsmaßstab
I. Objektiver Sorgfaltspflichtverstoß
II. Therapiefreiheit
D. Kausalität und Zurechnung
E. Besonderheiten bei der medizinischen Behandlung im Krankenhaus
I. Haftungstatbestände und Haftungsschuldner
II. Sorgfaltsmaßstab
III. Organisationsverschulden des Krankenhausträgers
1. Anforderungen an die Organisation
2. Arbeitsteilung und Haftung
3. Behandlung durch Ärzte in Ausbildung
IV. Aufklärungsfehler
F. Beweislastverteilung
I. Substantiierungspflichten des Patienten
II. Beweiserleichterung im Arzthaftpflichtprozess
1. Vermutung des Verschuldens
2. Voll beherrschbare Risiken
3. Grobe Behandlungsfehler
4. Beweislastverteilung bei Aufklärungsfehlern
5. Beweislastverteilung bei Dokumentationsfehlern
G. Umfang des Schadenersatzes
10. Kapitel: Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Ärzten
A. Abgrenzung von Arzthaftungsrecht und Arztstrafrecht
B. Die ärztliche Behandlung ohne/gegen den Willen des Patienten
I. Heilbehandlung als Körperverletzung
II. Kritik in der Literatur
1. Erfolgstheorie
2. Straffreiheit des regelgerechten Heileingriffs
III. Stellungnahme
IV. Die Einwilligung des Patienten
1. Aufklärung als Wirksamkeitsvoraussetzung
2. Stellvertretung
3. Die mutmaßliche Einwilligung
a. Patientenverfügung
b. Operationserweiterung
4. Die Bedeutung von Irrtümern
C. Strafrechtliche Bewertung von Behandlungsfehlern
I. Begriff des Behandlungsfehlers
II. Sorgfaltsmaßstab
III. Schuld
IV. Behandlungsfehler durch Unterlassen
D. Sterbehilfe als Straftat
I. Aktive Sterbehilfe
II. Indirekte Sterbehilfe
III. Behandlungsabbruch und -verzicht
1. Begriff und Voraussetzungen
2. Mutmaßlicher Wille
3. Behandlungsabbruch bei Betreuung
IV. Schutz vor Triage-Entscheidungen
E. Ärztliche Beteiligung am Suizid
I. Aktive Unterstützung der Selbsttötung
1. Abgrenzung zwischen Beihilfe zur Selbsttötung und Tötung auf Verlangen
2. Voraussetzungen der Tötung auf Verlangen
II. Hilfeleistungspflichten beim Suizid
1. Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung
2. Strafbarkeit wegen Tötungsdelikten durch Unterlassen
F. Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht
I. Anvertrauen eines Geheimnisses
II. Offenbaren eines Geheimnisses
III. Fehlende Befugnis zur Offenbarung
1. Einwilligung des Patienten
2. Mutmaßliche Einwilligung des Patienten
3. Gesetzliche Offenbarungspflichten
4. Offenbarung im Notstand nach § 34 StGB
Musterklausuren
Fall 1 (Bürgerliches Recht)
Fall 2 (Öffentliches Recht)
Fall 3 (Strafrecht)
Literatur
Sachwortverzeichnis
Seit Erscheinen der letzten Auflage des Lehrbuchs zum Medizinrecht scheinen alte Gewissheiten im Gesundheitswesen grundlegend erschüttert. Die Corona-Pandemie hat die Gesellschaft herausgefordert wie wenige Krisen zuvor. Das Gesundheitswesen drohte die Grenzen seiner Belastbarkeit zu erreichen; erhebliche Grundrechtseingriffe mit dem Ziel des Infektionsschutzes wurden verabschiedet. Es gab kontroverse Diskussionen um die Verpflichtung zum Tragen von Schutzmasken, zur Zulassung von Impfstoffen und deren Verteilung sowie um die Einführung einer Impfpflicht. Mit der Versorgung der an Corona Erkrankten sind auch die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen stark gestiegen – so stark, dass die Finanzierung der Krankenversicherung durch eine Erhöhung des Beitragssatzes gesichert werden muss. Trotz dieser existenziellen Krise sind die Grundfesten des Medizinrechts unverändert geblieben.
Der Gesetzgeber hat seit 2019 in schnellem Takt Neuregelungen eingeführt. Im Medizinrecht erweisen sich jedoch nur wenige als grundlegende Reform. Ein entscheidender Schritt wurde bereits vor der Pandemie mit dem Digitale Versorgung-Gesetz (DVG) gegangen, wodurch ein Ausbau der Telematik-Infrastruktur vorangebracht und die Inanspruchnahme digitaler Gesundheitsanwendungen ermöglicht werden sollte. Zum Jahresbeginn 2023 wird mit dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts die Rechtsprechung des BGH und des BVerwG zur Bestimmtheit von Patientenverfügungen umgesetzt und ein Vertretungsrecht von Ehegatten in gesundheitlichen Notfällen eingeführt.
In der Rechtsprechung sind vor allem die Entscheidungen zum assistierten Suizid sowie der sogenannte Triage-Beschluss des BVerfG zum Schutz von Menschen mit Behinderungen in einer Situation knapper intensivmedizinischer Kapazitäten hervorzuheben, die noch der Umsetzung durch den Gesetzgeber harren. In zahlreichen einzelnen Entscheidungen haben die oberen Gerichte das Krankenversicherungsrecht und auch das Arzthaftungsrecht geschärft.
Die nunmehr 5. Auflage nimmt diese Entwicklungen auf. Das Medizinrecht bleibt ein dynamisches Rechtsgebiet, dessen Studium – auch über die klassische juristische Ausbildung hinaus – viele spannende Tätigkeitsfelder eröffnet. Die Arbeit an einem solchen Lehrbuch ist ohne Unterstützung kaum zu bewältigen. Ich danke Alina Albering, Martina Dieterle, Milena Herbig, Helen Hermann, Xenia Lakmann, Mathieu Wagner und Christina Wieda für die tatkräftige Unterstützung bei der Aktualisierung des Manuskripts und für die Durchsicht der Druckfahnen. Über Hinweise aus dem Kreis der Leserinnen und Leser freue ich mich.
Speyer, im Juli 2022
Constanze Janda
Die Idee zu diesem Lehrbuch entstand im Rahmen der Vorlesung „Medizinrecht“, die ich seit 2006 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena halte. Die Studierenden standen immer wieder vor dem Problem, dass es keine geeignete Studienliteratur gibt. Zwar ist die medizinrechtliche Literatur zahlreich und umfassend. Für den Leser, der sich erstmals mit diesem Rechtsgebiet auseinandersetzt, ist sie jedoch häufig zu detailliert und setzt zu viel Fachwissen voraus.
Dieses Buch richtet sich nicht nur an Juristen, die sich mit den Grundlagen des Medizinrechts vertraut machen wollen. Auch Medizinern, Gesundheitsökonomen oder den Studierenden der Pflegewissenschaften soll es helfen, die rechtlichen Fallstricke des Arzt-Patienten-Verhältnisses, aber auch des Krankenversicherungsrechts zu durchdringen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer, an dessen Lehrstuhl ich seit langem tätig bin, hat mich in meiner Idee bestärkt und mich bei der Erarbeitung des Lehrbuchs mit seinem Fachwissen und seiner Erfahrung sehr unterstützt. Dafür sei ihm herzlich gedankt! Uta Preimesser von der UVK Verlagsgesellschaft war so freundlich, die Aufnahme des Buches in das Programm von UTB voranzubringen.
Ein besonderer Dank gebührt Julia Hubert und Florian Wilksch. Beide haben mit großer Mühe und Gründlichkeit das Manuskript durchgesehen und dadurch den studentischen Interessen an einem klar gegliederten und verständlich geschriebenen Lehrbuch den nötigen Raum verschafft.
Jena, 8. März 2010
Constanze Janda
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit habe ich in der Darstellung darauf verzichtet, Personen- und Berufsbezeichnungen in der weiblichen und männlichen Form zu verwenden. Die männlichen Begriffe schließen die weibliche Bezeichnung selbstverständlich ein.
A&R
Arzneimittel und Recht (Zeitschrift)
a. A.
andere Ansicht
AApprO
Approbationsordnung für Apotheker
ÄApprO
Approbationsordnung für Ärzte
Abb.
Abbildung
AbgrV
Verordnung über die Abgrenzung der im Pflegesatz nicht zu berücksichtigenden Investitionskosten von den pflegesatzfähigen Kosten der Krankenhäuser
ABl.
Amtsblatt der Europäischen Union
AEUV
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
a. F.
alte Fassung
AGG
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
AMG
Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln
AMNOG
Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz)
AMPreisV
Arzneimittelpreisverordnung
AMradV
Verordnung über radioaktive oder mit ionisierenden Strahlen behandelte Arzneimittel
AMuwV
Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung
AMVerkVO
Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel (Arzneimittelverkaufsverordnung)
AMVV
Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (Arzneimittelverschreibungsverordnung)
Anm.
Anmerkung
AOK
Allgemeine Ortskrankenkasse
ApBetrO
Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung)
ApoG
Gesetz über das Apothekenwesen (Apothekengesetz)
ArbZG
Arbeitszeitgesetz
Art.
Artikel
Ärzte-ZV
Zulassungsverordnung für Vertragsärzte
ASR
Anwalt/Anwältin im Sozialrecht (Zeitschrift)
AsylbLG
Asylbewerberleistungsgesetz
BAG
Bundesarbeitsgericht
BAGE
Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts
BÄK
Bundesärztekammer
BAnz
Bundesanzeiger
BÄO
Bundesärzteordnung
BApO
Bundes-Apothekerordnung
BArbBl.
Bundesarbeitsblatt
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BfArM
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BGHSt
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BKK
Betriebskrankenkasse
BMG
Bundesministerium für Gesundheit
BMV-Ä
Bundesmantelvertrag Ärzte
BPflV
Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze
BQFG
Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz)
BRAK
Bundesrechtsanwaltskammer
Breith.
Breithaupt. Sammlung von Entscheidungen aus dem Sozialrecht
BSG
Bundessozialgericht
BSGE
Entscheidungen des Bundessozialgerichts
BT-Drs.
Drucksachen des Deutschen Bundestages
BtMG
Betäubungsmittelgesetz
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
BVG
Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz)
bzw.
beziehungsweise
DÄ
Deutsches Ärzteblatt
DÄ PP
Deutsches Ärzteblatt für psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
DÄT
Deutscher Ärztetag
DDR
Deutsche Demokratische Republik
DMP
Disease Management Programmes (Strukturierte Behandlungsprogramme für chronische Krankheiten)
DÖV
Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)
DRG
diagnosis related groups
EBM
Einheitlicher Bewertungsmaßstab für Leistungen
EFZG
Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall
EG
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften
EGMR
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EMA
European Medicines Agency
EMEA
European Agency for the Evaluation of Medicines
EMRK
Europäische Menschenrechtskonvention
ErsK
Die Ersatzkasse (Zeitschrift)
EStG
Einkommenssteuergesetz
EU
Europäische Union
EuG
Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWR
Europäischer Wirtschaftsraum
f.
folgende(r)
ff.
fortfolgende
Fn.
Fußnote
FPR
Familie Partnerschaft Recht (Zeitschrift)
GBA
Gemeinsamer Bundesausschuss
GbR
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
GewArch
Gewerbearchiv (Zeitschrift)
GewO
Gewerbeordnung
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
GKV
Gesetzliche Krankenversicherung
GKV-FinG
Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung
GKV-FQWG
Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung
GKV-VSG
Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsstärkungsgesetz)
GKV-VStG
Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsstrukturgesetz)
GKV-WSG
Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung
GMG
Gesundheitsmodernisierungsgesetz – Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung
GOÄ
Gebührenordnung für Ärzte
GRG
Gesundheitsreformgesetz – Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen
GSG
Gesundheitsstrukturgesetz – Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung
GuP
Gesundheit und Pflege (Zeitschrift)
GVBl.
Gesetz- und Verordnungsblatt
HGB
Handelsgesetzbuch
HK-AKM
Rieger/Dahm/Katzenmeier/Steinhilper, Heidelberger Kommentar. Arztrecht. Krankenhausrecht. Medizinrecht.
h. M.
herrschende Meinung
HPG
Hospiz- und Palliativgesetz
HS
Halbsatz
HVVG
Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung
HwO
Handwerksordnung
i. d. R.
in der Regel
IfSG
Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen
IHK
Industrie- und Handelskammer
i. H. v.
in Höhe von
IKK
Innungskrankenkasse
IPwskR
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
IQWiG
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
i. S. v.
im Sinne von
IV
Integrierte Versorgung
i. V. m.
in Verbindung mit
jurisPK
Juris Praxis-Kommentar
jurisPR
Juris Praxis-Report
JZ
Juristenzeitung
KassKomm
Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht
KBV
Kassenärztliche Bundesvereinigung
KFPV
Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser
KG
Kommanditgesellschaft
KH
Das Krankenhaus (Zeitschrift)
KHG
Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze
KHEntgG
Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen
KHSG
Krankenhausstrukturgesetz
KSchG
Kündigungsschutzgesetz
KV
Kassenärztliche Vereinigung
KVHilfsmV
Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung
KZV
Kassenzahnärztliche Vereinigung
LÄK
Landesärztekammer
LFBG
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch
LogopG
Gesetz über den Beruf des Logopäden
LSG
Landessozialgericht
MBO
Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte
MedR
Medizinrecht (Zeitschrift)
MDK
Medizinischer Dienst der Krankenversicherung
MGV
Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung
MPG
Gesetz über Medizinprodukte
MPhG
Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie (Masseur- und Physiotherapeutengesetz)
m. w. N.
mit weiteren Nachweisen
MüKo
Münchener Kommentar
MVZ
Medizinisches Versorgungszentrum
n. F.
neue Fassung
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NJW-RR
Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport
NStZ
Neue Zeitschrift für Strafrecht
NStZ-RR
Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtsprechungsreport
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
NVwZ-RR
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
NZS
Neue Zeitschrift für Sozialrecht
oHG
Offene Handelsgesellschaft
PatG
Patentgesetz
PartGG
Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe
PharmR
Pharma-Recht (Zeitschrift)
PKV
Private Krankenversicherung
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RGSt
Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen
RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
RKEG
Gesetz über die religiöse Kindererziehung
Rn.
Randnummer
RL
Richtlinie
RLV
Regelleistungsvolumina
RSA
Risikostrukturausgleich
RVA
Reichsversicherungsamt
RVO
Reichsversicherungsordnung
s.
siehe
S.
Seite
SG
Sozialgericht
SGB IV
Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung
SGB V
Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Die Gesetzliche Krankenversicherung
SGG
Sozialgerichtsgesetz
Slg.
Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
SozR
Sozialrecht bearbeitet von den Richtern des Bundessozialgerichts (Loseblattsammlung)
SpiBuKK
Spitzenverband Bund der Krankenkassen
st. Rspr.
ständige Rechtsprechung
TFG
Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens
TPG
Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben
u. a.
unter anderem
VAG
Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen
VÄndG
Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz)
VersR
Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (Zeitschrift)
VGH
Verwaltungsgerichtshof
vgl.
vergleiche
VO
Verordnung
Vorbem.
Vorbemerkung
VSSR
Vierteljahresschrift für Sozialrecht
VVG
Gesetz über den Versicherungsvertrag
VwGO
Verwaltungsgerichtsordnung
WHO
World Health Organisation (Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen)
WRV
Weimarer Reichsverfassung
WzS
Wege zur Sozialversicherung (Zeitschrift)
ZESAR
Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht
ZfF
Zeitschrift für das Fürsorgewesen
ZfS
Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung
ZMGR
Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht
ZPO
Zivilprozessordnung
ZSR
Zeitschrift für Sozialreform
zzgl.
zuzüglich
Freuet euch, ihr Patienten, Der Arzt ist euch ins Bett gelegt!(Franz Kafka, Der Landarzt)
Orientierungsfragen
Was ist unter „Medizinrecht“ zu verstehen?
Aus welchen Rechtsquellen lassen sich Regelungen zum Medizinrecht ableiten?
Welche historischen Entwicklungslinien prägen das Medizinrecht?
Das Medizinrecht hat sich in der letzten Dekade als eigenständiges Rechtsgebiet etabliert. Die Auffassungen darüber, welche Materien ihm zuzuordnen sind, gehen jedoch weit auseinander. Eine exakte, feststehende Definition existiert nicht. Sie ist auch kaum möglich angesichts der Vielzahl der mit „Medizin“ verbundenen Personen und Tätigkeiten. Der Gehalt des Medizinrechts ist daher über die Beschreibung seines Gegenstands zu erschließen.
Der Begriff „Medizin“ evoziert zunächst das Bild des Arztes. Im Gesundheitswesen nimmt er eine zentrale Rolle ein: an ihn wendet sich der Kranke im Vertrauen auf sein umfassendes Wissen über den menschlichen Körper und in der Erwartung, Heilung, zumindest aber Linderung seiner Beschwerden zu finden. Dieses Vertrauen wie auch das unterschiedliche Wissen von Arzt und Patient machen die rechtliche Beziehung zwischen beiden zu einer besonderen. Das Recht muss klare Regeln aufstellen, welchen Anforderungen ein Arzt gerecht werden muss und welche Erwartungen der Patient erfüllt sehen kann. In seiner Ausprägung als Arztrecht sucht das Medizinrecht diese Fragen zu beantworten.1 Dieses umfasst alle Normen, die die ärztliche Berufsausübung tangieren.2 Neben den Anforderungen an Ausbildung und Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung „Arzt“ sind in diesem Kontext das Standesrecht und das Vertragsarztrecht relevant.
Diese Fragen berühren auch die Interessen des Patienten. Sie sind notwendig in Beziehung zum Arztrecht zu setzen: Verpflichtungen des Arztes begründen Ansprüche des Patienten, kann deren Verletzung für diesen doch erhebliche Folgen haben. Daher muss sich Medizinrecht mit dem Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Patient auseinandersetzen.3 Von Bedeutung sind die vertraglichen Beziehungen – von deren Zustandekommen über die Rechtsnatur bis hin zu den dadurch begründeten Rechten und Pflichten – und die Konsequenzen aus Vertragsverletzungen. Jene sind Gegenstand des Arzthaftungsrechts, welches durch umfassendes Richterrecht geprägt ist.4 Aber auch die strafrechtliche Relevanz ärztlichen Handelns ist von Bedeutung, bergen die Straftatbestände doch erhebliche Unsicherheit für die Ärzteschaft über die Zulässigkeit der von ihnen beabsichtigten Maßnahmen.5
Der Patient kann im Rahmen seiner Behandlung mit einer Vielzahl weiterer Leistungserbringer in Berührung kommen. Verordnet ihm der Arzt die Einnahme von Medikamenten, verbindet sich damit die Klärung des Arzneimittelbegriffs ebenso wie die Rechtsregeln für pharmazeutische Unternehmen oder Apotheker. Nimmt der Patient Heil- oder Hilfsmittel in Anspruch, sind diese gegeneinander abzugrenzen. Das Berufsrecht der Erbringer und Hersteller dieser Leistungen ist ebenfalls tangiert. Bei schweren Erkrankungen wird der Patient regelmäßig im Krankenhaus behandelt. Wie das Krankenhauswesen insgesamt organisiert und finanziert wird, ist in diesem Zusammenhang ebenso relevant wie die Ausgestaltung der Arbeitsabläufe in den einzelnen Einrichtungen. Für diese Leistungserbringer gelten wiederum Besonderheiten in ihrer rechtlichen Beziehung zum Patienten.
Schließlich und endlich stellt sich die Frage nach der Finanzierung all dieser Gesundheitsleistungen. Für die meisten Patienten – mehr als 90 % der Bevölkerung sind gesetzlich versichert – tragen die gesetzlichen Krankenkassen die Kostenlast. Die sozialrechtliche Einbettung der im Gesundheitswesen Tätigen ist daher zwingend, verbliebe diesen doch ohne die gesetzlich Versicherten nur ein geringes Tätigkeitsfeld.6
Der Gegenstand dieses Lehrbuchs lässt sich daher insoweit zusammenfassen, als unter Medizinrecht alle Rechtsfragen verstanden werden, die mit der Behandlung von Patienten7 zusammenhängen:
Beispiele
Wer ist in die Behandlung involviert? Was ist an den Patienten zu leisten? Wie und mit welchen Mitteln wird die Behandlung durchgeführt? Wer trägt die Kosten? Welche Folgen hat die medizinische Behandlung, namentlich wenn sie fehlschlägt?
Das Medizinrecht ist damit ein Querschnittsgebiet des Rechts. Es vereint öffentlichrechtliche sowie zivil- und strafrechtliche Aspekte und kann sich auch dem Einfluss des Europäischen Rechts nicht entziehen.8
Die mit dem Krankenversicherungsrecht verbundene sozialpolitische Dimension kann in diesem Buch allenfalls angedeutet werden.9 Gesundheitsreformen waren seit Bestehen der gesetzlichen Krankenversicherung auf der politischen Agenda. Sie werden es auch bleiben, geht doch mit jedem Regierungswechsel eine neue Akzentsetzung einher, die auf der Ebene der Gesetzgebung umzusetzen gesucht wird. Dies ist eine Besonderheit des Sozialrechts insgesamt: wie kaum ein anderes Rechtsgebiet ist dies von politischen Stimmungen und Zielsetzungen geprägt. Dies erklärt seinen stetigen Wandel, wenngleich die Grundpfeiler regelmäßig unangetastet bleiben.
Organtransplantation und Transfusion werden ebenso wenig behandelt wie der Schutz vor Seuchen und ansteckenden Krankheiten. Gleiches gilt für biomedizinische und medizinethische Fragestellungen.10 Die Diskussion solcher spezieller medizinisch-rechtlicher Probleme würde den Rahmen dieses Lehrbuchs sprengen.
1Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Auflage, München 2019 gilt insoweit als Standardwerk. Aus Sicht des Mediziners vgl. Dettmeyer, Medizin und Recht, Heidelberg 2006 sowie Ries/Schnieder/Althaus/Großbölting/Voß, Arztrecht, Heidelberg 2017.
2Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 1, Rn. 4.
3Diesen Fokus betonen Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, 7. Auflage, Berlin 2014.
4Die umfassendste Darstellung findet sich bei Martis/Winkhart-Martis Arzthaftungsrecht Fallgruppenkommentar, 6. Auflage, Köln 2022; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 8. Auflage, München 2022; vgl. auch die grundlegende Monografie von Katzenmeier, Arzthaftung, Tübingen 2002.
5Ulsenheimer/Gaede, Arztstrafrecht in der Praxis, 6. Auflage, Heidelberg 2020 behandelt diesen Aspekt umfassend.
6Dieser Aspekt wird auch bei Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, München 2018 ausführlich behandelt.
7Igl/Welti, Gesundheitsrecht, 3. Auflage, München 2018 stellen unter dem Begriff „Gesundheitsrecht“ auf alle Rechtsgebiete, die das Ziel der Wiederherstellung der Gesundheit zum Gegenstand haben, ab; ebenda Rn. 2.
8Insbesondere im Hinblick auf die Einführung eines Fachanwalts Medizinrecht finden sich umfassende Darstellungen nahezu aller involvierten Themen bei Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 4. Auflage, Bonn 2020; Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 3. Auflage, München 2020 sowie Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 4. Auflage, Neuwied 2019.
9Ausführlich beispielsweise Opielka, Sozialpolitik. Grundlagen und vergleichende Perspektiven, Reinbek 2004.
10Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, 7. Auflage, Berlin 2014 widmen sich auchdiesen Themen tiefgreifend.
So vielfältig wie die Definitionsansätze sind auch die Rechtsquellen des Medizinrechts.
Eines der wichtigsten völkerrechtlichen Instrumente ist der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) der Vereinten Nationen. In Art. 12 I des Pakts haben die Vertragsstaaten das „Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit“ anerkannt. Dieses besteht freilich nicht in der negativen Dimension als Recht auf Freiheit von Krankheit. Ein solches Recht wäre nicht erfüllbar, da von Zufällen und unvorhersehbaren Abläufen im menschlichen Organismus abhängig. Das im IPwskR verankerte Recht auf Gesundheit garantiert vielmehr die Freiheit, über seinen Körper und seine Gesundheit selbst und frei zu bestimmen. Dies schließt den Zugang zu einem funktionierenden System der Gesundheitsfürsorge ebenso ein wie das Recht, von Misshandlungen, Humanexperimenten oder medizinischen Behandlungen gegen seinen Willen verschont zu bleiben.11
Das Europäische Recht birgt eine Vielzahl von Regelungen mit gesundheitsrechtlichem Bezug. In Art. 151, 153 AEUV verpflichtet sich die EU, die Mitgliedstaaten bei der Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu unterstützen. Nach Art. 168 AEUV wird die Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus als Querschnittsaufgabe der Union verstanden.12 Die EU ergänzt daher die Politik der Mitgliedstaaten in Bezug auf
die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung;
die Bekämpfung, Erforschung und Verhütung von Krankheiten;
die Gesundheitserziehung;
die einheitliche Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für menschliche Organe und Substanzen und
Maßnahmen im Veterinärwesen, die die Gesundheit berühren.
Auch die Grundfreiheiten – sei es das Recht auf Freizügigkeit (Art. 45 AEUV), aber auch die Dienstleistungs- (Art. 56 AEUV) oder Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und die Freiheit des Warenverkehrs (Art. 34 AEUV) wirken sich auf das Gesundheitswesen aus, betreffen sie doch die Angehörigen der Heilberufe ebenso wie die Patienten. Diese sind berechtigt, medizinische Behandlungen im europäischen Ausland in Anspruch zu nehmen. Aber auch der Handel mit Arzneimitteln und Medizinproduktion innerhalb des Binnenmarktes ist gewährleistet.
Das Wettbewerbsrecht (Art. 101 ff. AEUV) wirkt sich insbesondere auf das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung aus, die aufgrund der hohen Zahl gesetzlich versicherter Patienten ein gewisses „Nachfragemonopol“ auf dem Gesundheitsmarkt innehat. Instrumente wie der Risikostrukturausgleich in der Krankenversicherung oder die Bestimmung von Festbeträgen für Arzneimittel oder Hilfsmittel sind daher am Primärrecht zu würdigen.
Im Sekundärrecht besteht mit der VO 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit13 ein gewichtiges Instrument, um die Ausübung der Freizügigkeit sozialrechtlich zu flankieren. Die Verordnung stellt sicher, dass niemand soziale Rechte einbüßt, wenn er die Grenzen seines Mitgliedstaats überschreitet. Sie ermöglicht die europaweite Inanspruchnahme von Leistungserbringern auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen.14
Zahlreiche Richtlinien beschäftigen sich mit Maßnahmen zum Gesundheitsschutz oder zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die namentlich im Arbeitszeitrecht unmittelbar dem Patientenschutz zugutekommen, da sie die Arbeitsbelastung der Krankenhausärzte beschränken.
Das Verfassungsrecht schützt mit der Achtung der Menschenwürde (Art. 1 I GG), der Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG), dem Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II GG) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V. m. 1 I GG) die Selbstbestimmung des Einzelnen, insbesondere auch als Patient. Aber auch die anderen Grundrechte – sei es die Freiheit von Wissenschaft und Forschung (Art. 5 I GG) oder die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) – sowie das in Art. 20 I GG verankerte Sozialstaatsprinzip waren und sind im medizinischen Sektor von fundamentaler Bedeutung.15
Die zahllosen einfachgesetzlichen Normen, die medizinrechtliche Fragen berühren: das SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung, das BGB für die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen Patient und Leistungserbringer, das StGB für die strafrechtliche Bewertung ärztlichen Handelns, das AMG über den Verkehr mit Arzneimitteln etc. spiegeln die enorme Vielfalt dieses Rechtsgebiets wieder. Parallel zu den bundesrechtlichen Vorgaben erlassen die Länder Gesetze über die in ihre Zuständigkeit fallenden Materien, beispielsweise zur Krankenhausplanung oder zu den berufsrechtlichen Vorgaben. Rechtsverordnungen – die Gebührenordnungen und Zulassungsverordnungen insbesondere – präzisieren das Krankenversicherungsrecht.
Aber auch untergesetzliche Normen, das Satzungsrecht der Krankenkassen und Ärztekammern oder die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses prägen das Medizinrecht, wenngleich sie in ihrem Rechtscharakter und ihrer Legitimität zuweilen Kritik ausgesetzt sind.16
11Ausführlich zu den sozialen Grundrechten aus dem IPwskR Bernsdorff, VSSR 2001, 1 (11); Jung, Das Recht auf Gesundheit, S. 64 f.
12Eingehend Igl in Igl/Welti, Gesundheitsrecht, § 6, Rn. 1 ff.
13vom 29.4.2004, ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1 ff.
14Ausführlich Eichenhofer, Sozialrecht der Europäischen Union, Rn. 848 ff.; Janda in jurisPK-SGB I, Art. 17 ff. VO 883/2004.
15Im Einzelnen Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 2, Rn. 1 ff.; Welti in Igl/Welti, Gesundheitsrecht, § 10, Rn. 2 ff.
16Grundlegend Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, Tübingen 2000.
Ursprünglich ist die Gesundheitsversorgung als reine Privatangelegenheit verstanden worden. Wer krank war, musste die ärztliche Behandlung aus eigenen Mitteln finanzieren. Unterstützung gab es allenfalls in Form von Almosen der Kirchen zugunsten der arbeitsunfähigen Armen. Diese Hilfen waren motiviert vom christlichen Gebot der Nächstenliebe.17
Sogenannte xenodochien waren die ersten Einrichtungen, die sich ab dem 3. Jahrhundert der Versorgung Armer und Kranker widmeten. Als Pilgerherbergen konzipiert, wurden sie aus kirchlichen Stiftungen finanziert und von den Bischöfen unter kaiserlicher Aufsicht verwaltet. Sie bilden den Ursprung für die Armenspitäler des späten Mittelalters.18
Die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall ging mit der Herausbildung der Zünfte, Innungen und Knappschaften auf diese über. Handelte es sich zunächst um Selbsthilfevereinigungen für die Handwerker, Gesellen oder Bergleute, wurden diese später durch landesherrliche Anordnung in Zwangsvereinigungen umgewandelt. Aus den Beiträgen der Mitglieder wurden Leistungen im Fall von Krankheit, Invalidität, Alter und Hinterbliebenenschaft geleistet. Für die medizinische Behandlung galt das Prinzip der Kostenerstattung, d. h. der Arzt konnte die Vergütung seiner Leistungen vom Patienten einfordern, der sich die Kosten sodann von seiner Kasse rückerstatten ließ.
Die Knappschaftskassen und Zunftbüchsen waren der Ursprung der heutigen Sozialversicherung.19 Die im SGB V noch vorzufindende Aufspaltung der Krankenkassenarten20 spiegelt diese frühen Anfänge wieder.
Mit dem Aufkommen der Städte in der Neuzeit wurde die Versorgung durch die Zünfte, Innungen und Knappschaften durch eine öffentliche, zunächst aus Spenden der Bürger finanzierte Armenfürsorge ergänzt. Auf Grundlage des Heimatprinzips kamen die Unterstützungsleistungen nur denjenigen zugute, die in der Stadt geboren waren und dort ihren Wohnsitz hatten. Die Leistungen waren gering und häufig an repressive Maßnahmen – Arbeitspflicht oder Unterbringung im Armenhaus – geknüpft.21
Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 hat die Armenfürsorge dem Staat überantwortet,22 aber kein spezifisches Krankenkassenrecht geschaffen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wurde erst im 19. Jahrhundert unternommen. Mit der industriellen Revolution und dem damit einhergehenden technologischen Fortschritt, dem Wandel von der Agrar- zur Industriegesellschaft und der Anonymisierung der Gesellschaft hatten die hergebrachten Solidarbeziehungen an Bedeutung und Wirkung verloren. Die gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen in der Massenproduktion minderten die Arbeitskraft, so dass sich einzelne Unternehmer zur Schaffung von Unterstützungskassen veranlasst sahen. Diese kamen für die Kosten medizinischer Behandlungen sowie für Arzneien und Kuren auf und wurden zu 1/3 von den Arbeitnehmern und zu 2/3 von den Arbeitgebern finanziert. 1845 wurde in der Preußischen Gewerbeordnung ein Versicherungszwang für diese Fabrikkrankenkassen – den Vorläufern der heutigen Betriebskrankenkassen – ermöglicht, der durch Anordnung der Gemeinden ausgelöst werden konnte. Gewerbetreibende und Unternehmer sollten Zuschüsse zu diesen Kassen leisten. Im Übrigen gab es keine Vorgaben zur Organisation und Finanzierung oder den zu gewährenden Leistungen.
In der Folge bildeten sich zahlreiche freiwillige Unterstützungskassen für einzelne Berufsgruppen, die in der Regel auf dem Gegenseitigkeitsprinzip – Solidarität der Beitragszahler für die hilfebedürftigen Mitglieder – basierten.23 Insgesamt existierten auf dem Gebiet des Deutschen Reiches ca. 20.000 solcher Kassen in unterschiedlicher Trägerschaft. Einige Kassen schlossen Verträge mit Ärzten, die als deren Angestellte die Mitglieder der Hilfskassen zu vergünstigten Konditionen behandelten. Eine Abkehr vom Kostenerstattungsprinzip ging damit jedoch nicht einher, der Honoraranspruch des Arztes richtete sich also weiterhin gegen den Patienten.
Ebenfalls in Preußen wurden 1852 erste Maßnahmen zur Organisation der Ärzteschaft ergriffen. Voraussetzung der Berufsausübung war danach die Approbation als Arzt, Wundarzt oder Geburtshelfer.
Eine grundlegende Neuordnung der sozialen Unterstützung wurde mit der „Kaiserlichen Botschaft“ vom 17.11.1881 eingeleitet. Kaiser Wilhelm I. erhob in einer von Bismarck verlesenen Rede vor dem Deutschen Reichstag die Forderung, „soziale Schäden“ auch durch positive Förderung zum Wohl der Arbeitnehmer zu beseitigen. Soziale Sicherheit solle als Staatsaufgabe neben die repressive Armenfürsorge treten. Deren Hauptzweck solle die wirtschaftliche Absicherung der Arbeitnehmerschaft sein. Das gewerbliche Krankenkassenwesen sei unter staatlichem Schutz und staatlicher Förderung fortzuentwickeln.24
Am 15.6.1883 wurde unter der Kanzlerschaft Otto von Bismarcks das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter25 verabschiedet. Dieses statuierte im Wesentlichen folgende Grundsätze:
eine Pflichtversicherung für Arbeitnehmer,
die Ausgestaltung der Krankenkassen als selbständige Körperschaften mit Selbstverwaltungsrecht. Die bereits vorhandenen Kassen, für die ein Versicherungszwang angeordnet war, bestanden fort. Sie wurden als Orts-, Betriebs-, Innungs- und Knappschaftskassen in das neue Krankenversicherungssystem inkorporiert,
die solidarische Finanzierung der Krankenversicherung durch Beiträge, die auf das Bruttoarbeitsentgelt erhoben und zu 1/3 von den Arbeitnehmern, zu 2/3 von den Arbeitgebern getragen wurden,
die Etablierung des Sachleistungsprinzips.26
Da das Gesetz keinerlei Regeln über die in Betracht kommenden Leistungserbringer in der neuen Krankenversicherung beinhaltete, blieb das Sachleistungsprinzip zunächst ohne Gehalt. Zwar bestanden bereits einige wenige Verträge zwischen einzelnen Kassen und Ärzten. Die weit überwiegende Zahl der Patienten war jedoch darauf angewiesen, sich selbst Leistungen zu verschaffen.
Der Leistungskatalog umfasste Geld- und Sachleistungen. Neben einer kostenfreien medizinischen Behandlung und der Versorgung von Schwangeren und Wöchnerinnen hatten die Versicherten Anspruch auf Arzneimittel, kleinere Hilfsmittel wie Brillen und Bruchbänder, freie Kur und Verpflegung in Krankenhäusern sowie Krankengeld, das ab dem dritten Tag der Erkrankung die Hälfte des üblichen Arbeitseinkommens ersetzte. Über diese Pflichtleistungen hinaus war es den Kassen unbenommen, weitere Leistungen anzubieten.
1892 erfolgte eine erste Neufassung des Krankenversicherungsgesetzes, die erstmals die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern einer Regelung unterwarf. Danach konnten die Krankenkassen durch Statut ihre Leistungspflicht bei medizinischen Behandlungen und der Versorgung mit Arzneimitteln oder Kuren auf bestimmte Leistungserbringer beschränken. Nahm ein Versicherter einen anderen Leistungserbringer in Anspruch, war die Kasse nicht zur Übernahme der Kosten verpflichtet. Die Reform brachte also eine Einschränkung der freien Arztwahl mit sich.27
In der Folge gründeten die Ärzte Interessenvereinigungen, um ein Gegengewicht zum „Nachfragemonopol“ der Krankenkassen zu schaffen. Der 1900 gegründete Leipziger Verband besteht noch heute als Hartmannbund fort. Zu den zentralen Forderungen der Ärzteschaft zählte die Zulassung aller Ärzte zu den Vertragswerken der Kassen, die statt in der Form von Einzelverträgen als Kollektivverträge abgeschlossen werden sollten. Die Behandlungs- und Verordnungsfreiheit sollte ebenso garantiert werden wie die Vergütung nach Einzelleistungen.28 Um ihrerseits gegen die erstarkenden Ärzteverbände bestehen zu können, schlossen sich daraufhin auch die Krankenkassen zu Verbänden zusammen.
Im Jahr 1911 wurde mit der Reichsversicherungsordnung (RVO) ein Gesetz geschaffen, das Invaliden-, Unfall- und Krankenversicherung integrierte. Das Reichsversicherungsamt (RVA) bildete die oberste Behörde für alle Versicherungszweige. Die Versicherungspflicht wurde auf die Angehörigen der Land- und Forstwirtschaft, Dienstboten und unständige Arbeiter ausgedehnt. Die gemeindlichen Krankenkassen wurden durch die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) abgelöst, deren Zuständigkeit ausschließlich nach den räumlichen Grenzen der Gemeinden statt, wie vormals, nach Berufsarten begründet wurde. Inhaltliche Änderungen des Leistungsgefüges der Krankenversicherung gingen mit dem Erlass der RVO jedoch nicht einher. Namentlich bestand das System der Einzelverträge zwischen Ärzten und Krankenkassen fort.29
1913 drohte der Hartmannbund daher einen Generalstreik der Ärzteschaft an, um seiner Forderung nach einem kollektiven Zulassungs- und Vergütungssystem Nachdruck zu verleihen – mit Erfolg: Am 23.12.1913 wurde mit dem „Berliner Abkommen“ die gemeinsame Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen begründet. Für die Zulassung zur Versorgung der Versicherten und die Ausgestaltung der Verträge waren nunmehr paritätisch besetzte Organe zuständig. Die Krankenkassen konnten also nicht mehr frei darüber entscheiden, welche Leistungserbringer sie in ihr Versorgungssystem einbeziehen wollten. Da das Abkommen jedoch inhaltlich unbestimmt blieb, wurde die Leistungserbringung faktisch weiterhin in Einzelverträgen ausgestaltet.
Das Berliner Abkommen wurde 1924 schließlich in Gesetzeskraft überführt. Die gemeinsame Selbstverwaltung wurde durch den Reichsausschuss institutionalisiert. Dieser war mit je fünf Ärzten und fünf Vertretern der Krankenkassen sowie drei Unparteiischen besetzt. Dem Ausschuss war die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung überantwortet. Er entschied über die Zulassungsordnung und erließ Richtlinien über die zwischen Ärzten und Kassen abzuschließenden Verträge. Diese sollten grundsätzlich in Form von Einzelverträgen ausgestaltet werden; der Abschluss von Kollektivverträgen wurde jedoch zugelassen.30
Durch Notverordnungen aus den Jahren 1931 und 1932 sind mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Organisationen geschaffen worden, in denen die für die Krankenkassen tätigen Ärzte Pflichtmitglieder waren. Diesen war nunmehr der Sicherstellungsauftrag für die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten überantwortet. Zudem wurde eine Zulassungssperre etabliert: es durften nicht mehr Ärzte zugelassen werden, als für die Versorgung der Versicherten notwendig waren. Das Vergütungssystem wurde auf Kopfpauschalen umgestellt. Jeder Arzt erhielt einen Festbetrag für jeden seiner Patienten. Dieser wurde nicht direkt von den Krankenkassen ausgekehrt, sondern als Gesamtvergütung an die Kassenärztlichen Vereinigungen gezahlt, die diese wiederum an die einzelnen Ärzte zu verteilen hatten.31
Im Nationalsozialismus wurde mit der Etablierung des „Führerprinzips“ die Selbstverwaltung in den Krankenkassen und den ärztlichen Organisationen abgeschafft. Der Reichsausschuss wurde entmachtet, die bestehenden Kollektivverträge durch einen reichseinheitlichen Vertrag ersetzt. Das Zulassungsverfahren wurde allein der Kassenärztlichen Vereinigung überantwortet; eine Beteiligung der Krankenkassen war nicht mehr vorgesehen. Gleiches galt für die Vergütung der ärztlichen Leistungen: auch hier wurde den Krankenkassen jedes Mitspracherecht genommen. Die rassistischen und antisemitischen Gesetze der nationalsozialistischen Gewaltherrscher begründeten zudem ein Berufsverbot für Juden, das sich auch auf die ärztliche Tätigkeit erstreckte, und schlossen diese aus der Sozialversicherung aus.
Die Leistungen der Krankenversicherung wurden – nicht zuletzt um der Loyalität der Bevölkerung Willen32 – ausgeweitet. Rentner wurden in die Krankenversicherung einbezogen. Krankenpflege wurde unbegrenzt geleistet; Mütter erhielten Einkommensersatzleistungen bei der Geburt eines Kindes. Organisatorisch bestand trotz der „Gleichschaltung“ weitgehend Kontinuität.33 Namentlich wurde keine Einheitskasse errichtet. Lediglich die Verwaltung wurde vereinfacht, indem den Krankenkassen die Verantwortlichkeit für den Beitragseinzug für sämtliche Zweige der Sozialversicherung übertragen wurde.
In der Nachkriegszeit wurde in der Sowjetischen Besatzungszone eine Einheitsversicherung etabliert. Diese vereinigte alle Versicherungsträger unter einem Dach. Das System wurde im Recht der 1949 gegründeten DDR fortgeführt und blieb bis zu deren Ende 1990 erhalten.
In den westlichen Besatzungszonen war zunächst die Einführung einer einheitlichen „Bürgerversicherung“ nach dem Vorbild William F. Beveridges34 diskutiert worden. Schließlich entschied man sich für die Fortführung des bis dahin bestehenden Sozialversicherungssystems unter Reaktivierung der Selbstverwaltung der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen, vgl. Art. 123 I GG. Den Verbänden der Krankenkassen wurde die Kompetenz zum Abschluss von Gesamtverträgen mit den Verbänden der Leistungserbringer eingeräumt.
Mit dem Gesetz über das Kassenarztrecht aus dem Jahr 1955 wurde den Kassenärztlichen Vereinigungen der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts eingeräumt. Die gemeinsame Selbstverwaltung zwischen Ärzten und Krankenkassen wurde neu begründet und mit der Einräumung des Sicherstellungsauftrags an diese wurde der nach den Verordnungen von 1931 und 1932 geltende Rechtszustand wiederhergestellt.35
Der Gesetzgeber nahm im weiteren Verlauf zunächst keine substanziellen Änderungen der medizin- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen vor. Die zahlreichen Gesundheitsreformen zielten vor allem auf die finanzielle Konsolidierung der Krankenversicherung. Zwar wurde die gesetzliche Krankenversicherung zunächst ausgedehnt, insbesondere durch eine Erhöhung der Pflichtversicherungsgrenzen sowie die Aufnahme weiterer Leistungen wie Früherkennung und Rehabilitation. Seit den 1970er Jahren konzentrierten sich die Reformbemühungen jedoch auf Maßnahmen zur Kostendämpfung.36
Da die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen im Verhältnis zu ihren Einnahmen weiterhin überdurchschnittlich anstiegen, versuchte der Gesetzgeber seit Beginn der 2000er Jahre durch strukturelle Veränderungen einerseits die finanzielle Basis der GKV zu stärken und andererseits den Interessen der Patienten zu mehr Gewicht zu verhelfen. Mit der Gesundheitsreform 2009 ist die Finanzierung der Krankenversicherung durch Einführung des Gesundheitsfonds37 umgestaltet und zugleich das Vergütungssystem der Vertragsärzte38 neu gefasst worden. Mit dem Versorgungsstrukturgesetz39 sucht der Gesetzgeber der drohenden Unterversorgung mit ambulanten Leistungen, insbesondere in ländlichen Regionen, zu begegnen. Mit dem Patientenrechtegesetz wurde das umfassende Richterrecht zum Arzt-Patienten-Verhältnis in das BGB inkorporiert. Im Juli 2015 ist das Versorgungsstärkungsgesetz40 in Kraft getreten, welches die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung mit Gesundheitsleistungen zum Gegenstand hat. Die Möglichkeiten zur Vernetzung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sind ausgeweitet worden. Auch eine an den Lebenswelten der Versicherten orientierte Prävention41 sowie die Verbesserung der Palliativ- und Hospizversorgung42 waren wichtige Anliegen des Gesetzgebers. 2016 ist das Krankenhauswesen gestärkt worden – durch eine Aufstockung des Personals, aber auch eine verbesserte Berücksichtigung von Qualitätssicherungsaspekten bei der Krankenhausplanung.43
In jüngerer Zeit hat der Gesetzgeber vor allem die Digitalisierung des Gesundheitswesens zu fördern gesucht. Die Debatte um die Einführung der elektronischen Patientenakte wird bereits seit Jahren geführt. Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz,44 das 2021 in Kraft getreten ist, soll den Versicherten ihre (freiwillige) Nutzung nunmehr auch tatsächlich ermöglicht werden; Vertragsärzte und Krankenhäuser sind zur Bereitstellung der erforderlichen Telematik-Infrastruktur verpflichtet. Versicherte haben überdies einen Anspruch auf digitale Gesundheitsanwendungen („App auf Rezept“, § 33a SGB V) und können über Videosprechstunden mit den Behandelnden in Kontakt treten; elektronische Verordnungen und elektronische Arztbriefe erleichtern den Datenaustausch.
Einen fundamentalen Einschnitt brachte die Corona-Pandemie mit sich. Seit ihrem Ausbruch im Winter 2020 gab es unzählige Regelungen, mit denen der Infektionsschutz der Bevölkerung sichergestellt und die sozialen Folgen der Pandemie abgemildert werden sollten.45 Die damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen werden Gerichte und Wissenschaft noch lange beschäftigten. Auch wenn das Gesundheitswesen insgesamt an die Kapazitätsgrenzen zu gelangen schien und nach Reform verlangte, blieben die Grundstrukturen des Medizinrechts unangetastet. Im SGB V gab es lediglich punktuelle Änderungen, mit denen etwa die Krankschreibung ohne unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt ermöglicht und die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder Verordnungen erheblich vereinfacht worden ist. Versicherte haben Anspruch auf Schutzimpfungen und auf Corona-Tests, der Anspruch auf Kinderkrankengeld wurde stark ausgeweitet. Mindereinnahmen von niedergelassenen Ärzten und von Krankenhäusern – diese kamen durch die generelle Kontaktvermeidung zustande, die auch Kontakte zu Behandelnden erfasste – wurden durch die Krankenkassen ausgeglichen.46 Sämtliche Maßnahmen erwiesen sich als Maßnahmen des Krisenmanagements, ohne den der Pandemie erstaunlich robust standhaltenden Sozial(versicherungs)staat als solchen umzugestalten. Lediglich einzelne Neuerungen wie etwa die Stärkung telemedizinischer Elemente, die aber bereits durch das Digitale-Versorgung-Gesetz angestoßen worden waren, werden wohl in der post-pandemischen Zeit erhalten bleiben.
Eine größere Änderung steht zum Jahresbeginn 2023 im Vormundschafts- und Betreuungsrecht an.47 Dieses wirkt sich im Medizinrecht bei der Entscheidung über die Behandlung von Menschen aus, die ihre Angelegenheiten nicht (mehr) eigenverantwortlich wahrnehmen können. Vormundschafts-, Pflegschafts- und Betreuungsrecht werden grundlegen neu geordnet. Materiell-rechtliche Umbrüche sind jedoch vor allem im Vormundschaftsrecht zu verzeichnen. Mit der Reform sollten auch die Vorgaben der UN-BRK 48 umgesetzt werden, um die größtmögliche Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung nach Art. 12 UN-BRK zu gewährleisten.49 Das Betreuungsrecht bleibt im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung inhaltlich unverändert, erhält aber eine neue Nummerierung im BGB. Neu hinzu kommt ein Vertretungsrecht von Ehegatten in gesundheitlichen Notfällen.50
Trotz der teilweise grundlegenden Neuregelungen in den letzten Jahrzehnten hat sich das seit Ende des 19. Jahrhunderts bestehende Bismarcksche System insgesamt bewährt und der Bundesrepublik ein modernes, funktionstüchtiges und leistungsfähiges Gesundheitswesen gesichert.
Kontrollfragen
1.Wie lässt sich der Begriff des Medizinrechts erschließen? Welche Rechtsgebiete sind tangiert?
2.Welchen Gehalt hat das Recht auf Gesundheit aus Art. 12 I IPwskR?
3.Welche gesundheitspolitischen Kompetenzen hat die Europäische Union?
4.Zeitigen die Grundfreiheiten des AEUV Auswirkungen auf das Gesundheitswesen?
5.Schildern Sie die Bedeutung der Bismarckschen Sozialgesetzgebung für die Krankenversicherung in der heutigen Form. Inwieweit ging damit eine Abkehr von den ursprünglichen Charakteristika der Gesundheitsversorgung einher?
17Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 18.
18Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter, Stuttgart 1970.
19Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 19.
20Vgl. dazu S. 47.
21Fischer, Armut in der Geschichte, S. 33; Stolleis, Geschichte des Sozialrechts in Deutschland, S. 17 f.
22Peters, Die Geschichte der sozialen Versicherung, S. 29.
23Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 29.
24Peters, Die Geschichte der sozialen Versicherung, S. 50.
25Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15.6.1883, RGBl. 9/1883, 73; ausführlich Stolleis, Geschichte des Sozialrechts in Deutschland, S. 76 ff.
26Dazu ausführlich S. 77f.
27Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 4, Rn. 6.
28Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 44; Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 4, Rn. 9.
29Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 4, Rn. 11.
30Stolleis, Geschichte des Sozialrechts in Deutschland, S. 79.
31Stolleis, Geschichte des Sozialrechts in Deutschland, S. 156.
32„Die Sozialpolitik war Teil des Kitts, der Staat und Gesellschaft im nationalsozialistischen Deutschland zusammenhielt.“, Schmidt, Sozialpolitik in Deutschland, S. 66 ff.
33Peters, Die Geschichte der sozialen Versicherung, S. 105 f.; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 47 f.
34Stolleis, Geschichte des Sozialrechts in Deutschland, S. 211.
35Stolleis, Geschichte des Sozialrechts in Deutschland, S. 286 ff.
36Schlenker in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band I, § 1, Rn. 86 ff.; Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 4, Rn. 26 ff.
37Eingehend auf S. 57.
38Dazu auf S. 193.
39GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl. I S. 2983.
40Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 16.07.2015, BGBl. I S. 1211.
41Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz) vom 17.07.2015, BGBl. I S. 1368.
42Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland vom 1.12.2015, BGBl. I S. 2114.
43Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz) vom 10.12.2015, BGBl. I S. 2229.
44Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (DVG) vom 09.12.2019, BGBl. I S. 2562. Dazu ausführlich Schulz, SGb 2020, 536.
45Siehe etwa die umfassende Darstellung bei Schlegel/Meßling/Bockholdt, COVID-19 - Corona-Gesetzgebung - Gesundheit und Soziales, 2. Auflage, München 2022.
46Vgl. die Übersicht bei Ekhart/Rath, NZS 2021, 417 (421 ff.).
47Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht vom 04.05.2021, BGBl. I S. 882.
48Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl. II, S. 1419.
49Vgl. BT-Drs. 19/24445.
50Dazu ausführlich auf S. 367 f.
Orientierungsfragen
Welche verschiedenen Systeme bieten eine Absicherung im Krankheitsfall? Wodurch unterscheiden sie sich?
Wie sind die gesetzlichen Krankenkassen verfasst?
Durch welche Tatbestände wird die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt?
Wie wird die gesetzliche Krankenversicherung finanziert?
Welche Wahlmöglichkeiten haben die Versicherten in der konkreten Ausgestaltung ihrer Kassenmitgliedschaft?
Wie ist der Leistungsfall der gesetzlichen Krankenversicherung definiert?
Welche Leistungen umfasst der Leistungskatalog des SGB V? Können im Einzelfall darüber hinausgehende Leistungen auf Kosten der Krankenkassen erbracht werden?
Welchem Modus folgt die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung?
Zu welchen Leistungen sind die Versicherten ihrerseits verpflichtet? Wie werden sie in diesem Zusammenhang vor finanziellen Härten geschützt?
Die wenigsten Patienten kommen selbst für die Kosten von Krankenbehandlungen, Medikamenten, Heil- oder Hilfsmitteln auf. In der Regel tragen die gesetzlichen oder privaten Krankenkassen, die Dienstherren der Beamten oder die Sozialhilfeträger diese Ausgaben. Weil etwa 90 % der Bevölkerung Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sind,1 entfällt der bedeutendste Anteil der Behandlungskosten auf die gesetzliche Krankenversicherung.
1Quelle: www.bmg.bund.de.
Die verschiedenen Systeme folgen in Finanzierung und Leistungserbringung grundlegend unterschiedlichen Regeln. Dementsprechend verschieden ist ihre Rechtsnatur.
Die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung wird regelmäßig durch Gesetz begründet. Die Tatbestände, die dieses öffentlich-rechtliche Mitgliedschaftsverhältnis zur Folge haben, sind im SGB V geregelt.
Die Leistungen werden nach dem Sachleistungsprinzip gewährt, d. h. die Versicherten erhalten die ärztliche Behandlung, Arzneimittel, Heil- und Hilfsmittel grundsätzlich unmittelbar und haben keine eigenen Aufwendungen zu tragen. Stattdessen werden die Leistungserbringer durch die Krankenkassen vergütet. Die Leistungen werden paritätisch aus den Beiträgen der Versicherten und der Arbeitgeber finanziert. Die Beitragshöhe bemisst sich nach deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, denn sie orientiert sich am Einkommen des Versicherten.
Personen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst sind – insbesondere Selbständige oder Arbeitnehmer mit Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze – sind in der Regel in einer privaten Krankenversicherung versichert.
Die Mitgliedschaft wird durch einen privatrechtlichen Versicherungsvertrag begründet. Im Grunde gilt also Vertragsfreiheit; diese ist jedoch im Rahmen des VVG eingeschränkt. Die Leistungen werden aus den Prämien der Versicherten finanziert, deren Höhe vor allem vom individuellen Risiko einer Erkrankung abhängt. Der Berechnung werden neben der Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung – ausgehend vom Gesundheitszustand des Versicherten, dessen Beruf oder Hobbys – auch die zu erwartende Höhe der Ausgaben zu ihrer Behandlung zugrunde gelegt. Für die Beitragshöhe sind ferner individuelle Vereinbarungen zwischen dem Versicherten und dem Versicherungsunternehmen von Bedeutung. So können der Leistungsumfang ausgehandelt oder Selbstbehalte vereinbart werden. Die Leistungen werden nach dem Kostenerstattungsprinzip erbracht: Der Versicherte beschafft sich Behandlungsleistungen zunächst auf eigene Kosten und lässt sich diese sodann von seiner Krankenversicherung erstatten.
Eine weitere Form der Absicherung im Krankheitsfall ist die Beihilfe. Sie wird den Beamten gewährt und gründet in deren öffentlich-rechtlichem Dienstverhältnis. Die Verpflichtung zur Leistung der Beihilfe leitet sich aus dem Alimentationsprinzip ab, welches den Dienstherrn zur Sicherstellung eines angemessenen Lebensunterhalts seiner Beamten verpflichtet. Das Alimentationsprinzip zählt zu den hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums i. S. v. Art. 33 V GG.
Das Beihilferecht ist nicht einheitlich geregelt. Maßgeblich sind die Beihilfeverordnungen der jeweiligen Anstellungskörperschaften des Bundes oder der Länder. Auch für die Beihilfe gilt das Kostenerstattungsprinzip. Der Dienstherr übernimmt – abhängig vom Familienstand und Unterhaltspflichten gegenüber Kindern – indes nur einen Teil der Kosten. Die Beihilfeberechtigten schließen daher üblicherweise zusätzlich eine private Krankenversicherung ab, um die von der Beihilfe nicht getragenen Kosten abzudecken.
Schließlich kann eine Krankenbehandlung auch über die Sozialhilfe gewährt werden. Dies betrifft all jene Personen, die keinem der drei genannten Systeme zugeordnet sind und deren finanzielle Mittel nicht zureichen, um die Kosten selbst zu tragen. Ihnen soll mit der Sozialhilfe eine menschenwürdige Existenz und die Teilhabe am sozio-kulturellen Leben gesichert werden.
§ 48 SGB XII verweist für die Leistungserbringung auf die Grundsätze des SGB V. Die Bezieher von Sozialhilfe erhalten Leistungen bei Krankheit daher von einer gesetzlichen Krankenkasse nach dem Sachleistungsprinzip. Die Kasse lässt sich ihrerseits gemäß § 264 VII SGB V ihre Aufwendungen vom Sozialhilfeträger erstatten.
§ 4 I SGB V bestimmt, wie auch die allgemeine Regelung in § 29 SGB IV, dass die gesetzlichen Krankenkassen rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung sind.
Unter einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist eine mitgliedschaftlich verfasste Organisation zu verstehen, die in ihrem rechtlichen Bestand vom Wechsel ihrer Mitglieder unabhängig ist, eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt und aufgrund eines Hoheitsakts mit Rechtspersönlichkeit und Hoheitsbefugnissen ausgestattet ist.2 Die Willensbildung innerhalb der Körperschaft folgt demokratischen Grundsätzen.
Als Mitglieder der Krankenkassen gelten die versicherungspflichtigen und die freiwillig versicherten Personen. Der Wechsel eines Mitglieds in eine andere Kasse – der wegen des Wahlrechts in § 173 SGB V möglich ist – berührt den Fortbestand einer Krankenkasse nicht. Die Rechtsfähigkeit der Kassen – also die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein und die damit verbundene Parteifähigkeit, d. h. die Fähigkeit vor Gericht klagen, aber auch verklagt werden zu können – resultiert unmittelbar aus § 29 I SGB IV; eine spezielle Regelung im SGB V existiert nicht.3 Zu den gesetzlich eingeräumten Hoheitsbefugnissen zählen das Recht zum Erlass von Satzungen (§§ 194 ff. SGB V) und zur Erhebung von Beiträgen (§§ 220 ff. SGB V).
Die Krankenkassen erfüllen eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Ob sie als Behörde i. S. v. § 1 II SGB X einzustufen sind, ist umstritten. Es wird vertreten, dass die Sozialversicherungsträger selbst keine Behörden seien. Behörden seien vielmehr stets nur Teil einer juristischen Person.4 Dies belege auch § 31 III 1 SGB IV, wonach ausdrücklich die vertretungsberechtigten Organe der Sozialversicherungsträger als Behörden definiert werden. Auch nach Auffassung des BSG sind nicht die Sozialversicherungsträger selbst Behörden, sondern lediglich die Stellen, die „innerhalb der Organisation des Leistungsträgers nach dessen Geschäftsverteilung“ zur Erfüllung einer konkreten Aufgabe berufen sind.5 Indes ist der Behördenbegriff in der Rechtsprechung stets weit gefasst und funktional, d. h. bezogen auf das anwendbare Verfahrensrecht definiert worden.6 Es verstößt daher nicht gegen den Regelungsgehalt des § 31 III 1 SGB IV, die Behördeneigenschaft über die Organe hinaus auch auf den Sozialversicherungsträger selbst zu erstrecken.7
Das den Krankenkassen in §§ 29 I SGB IV, 4 I SGB V eingeräumte Selbstverwaltungsrecht ist wesentlich für die Bestimmung ihres rechtlichen Status. Es garantiert die eigenverantwortliche Mit- und Ausgestaltung der Sozialversicherung durch die Versicherten und die Arbeitgeber – unter weitgehender Freiheit von staatlichem Einfluss. Dieser beschränkt sich auf die Rechtsaufsicht, so dass für konkrete aufgabenbezogene Weisungen kein Raum ist, vgl. §§ 29 II, III, 87 I SGB IV. Das eigenverantwortliche Handeln der Kassen wird also allein durch den gesetzlichen Rahmen beschränkt. Die Selbstverwaltungskörperschaften haben ein subjektives Recht auf Einhaltung dieser Grenzen staatlicher Einflussnahme, das sie im Klagewege durchsetzen können.8
Das Recht zur Selbstverwaltung zeigt sich in der Satzungsautonomie. Das Selbstverwaltungsrecht der Krankenkassen war zunächst unbeschränkt, gingen diese doch aus freien Selbsthilfevereinen hervor, die ihr Binnenrecht ohne jeden staatlichen Rahmen setzen konnten. Heute sind der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung jedoch enge Grenzen gesetzt, die sich aus dem dichten Netz staatlicher Vorgaben für die gesetzliche Krankenversicherung ergeben. Den Krankenkassen verbleiben deshalb nur geringe materiell-rechtliche Spielräume zur Gestaltung des Versicherungsverhältnisses. Ihre Satzungsautonomie besteht gemäß § 194 II SGB V nur, soweit sie mit den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung im Einklang steht; Leistungen dürfen nur aufgrund gesetzlicher Ermächtigung in der Satzung vorgesehen werden.9 Dies entspricht dem allgemeinen Verbot der Zwecküberschreitung10 aus § 30 I SGB IV. Im Übrigen werden Art, Umfang, Höhe und Fälligkeit der Leistungen durch das SGB V vorgegeben. Auch der Kreis der Versicherten, die Aufgaben der Organe und die Finanzierung der Kassen einschließlich der Beitragshöhe sind gesetzlich vorgegeben. Die Satzungsautonomie umfasst vor allem Namen und Sitz der Krankenkasse, ihren Bezirk, die Festlegung von Zusatzbeiträgen zu ihrer Finanzierung sowie Bestimmungen über die Zahl der Vertreter in den Selbstverwaltungsorganen und deren Beschlussfassung, vgl. § 194 I SGB V. Im Leistungsrecht können die Krankenkassen nur Regelungen treffen, soweit diese nicht durch das SGB V bestimmt sind und soweit sie das Gesetz hierzu ermächtigt. Dies betrifft beispielsweise zusätzliche Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 II 4 SGB V), Haushaltshilfen (§ 38 II SGB V) oder der Prävention (§§ 20 I, 23 II 2 SGB V).
Zudem tragen die Krankenkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen die gemeinsame Selbstverwaltung. Im Unterschied zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung bezieht sich diese auf die Versorgung der Versicherten mit Gesundheitsleistungen, betrifft also das Zusammenwirken von Krankenkassen und Leistungserbringern, namentlich im Vertragsarztrecht. Dieses regelt – wiederum aufgrund gesetzlicher Ermächtigung – ausführlich und detailliert die Grundsätze der Leistungserbringung, Art und Vergütung medizinischer Leistungen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen.11 Diese Vertragswerke dienen dazu, die widerstreitenden Interessen zwischen den Leistungserbringern und den Krankenkassen als Kostenträgern im Interesse der ausreichenden und zweckmäßigen Versorgung der Versicherten auszugleichen. Den Krankenkassen ist damit die Rücksichtnahme auf diese Interessengruppen vorgegeben, was wiederum den Gehalt ihrer Autonomie schmälert.
Das BVerfG12 hat im Hinblick auf diese Beschränkungen festgestellt, dass die staatliche Rechtsaufsicht für die Selbstverwaltung der Krankenkassen keine untergeordnete Rolle spiele. Vielmehr seien die Kassen Teil der Staatsgewalt und nehmen Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung wahr. Der Vollzug der detaillierten Sozialgesetzgebung sei ihre elementare Pflicht. Ihre Selbstverwaltung sei daher nur funktional, bestehe sie doch lediglich in Form organisatorischer Selbständigkeit und hinsichtlich der Erledigung der ihnen übertragenen Aufgaben unter staatlicher Rechtsaufsicht.13
Das Selbstverwaltungsrecht wird durch die Versicherten und die Arbeitgeber ausgeübt, § 29 II SGB IV. Zu diesem Zweck richten die Krankenkassen einen Verwaltungsrat und einen Vorstand als Selbstverwaltungsorgane ein, § 31 IIIa SGB IV.
Der Verwaltungsrat ist Legislativ- und Kreationsorgan zugleich: zum einen erlässt er gemäß § 33 I, III SGB IV die Satzung. Zum anderen wählt er den Vorstand (§ 35a V 1 SGB IV) sowie den Geschäftsführer und dessen Vertreter (§§ 36 II, 33 III 2 SGB IV). Die maximal 60 Mitglieder des Verwaltungsrats setzen sich paritätisch14 aus Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeber zusammen, §§ 43 I 2, 44 I Nr. 1 SGB IV. Sie werden im Rahmen der Sozialversicherungswahlen nach §§ 45 ff. SGB IV von den Versicherten und den Arbeitgebern gewählt. Eine Amtszeit beläuft sich – ausgehend von der gesetzlich vorgesehenen Amtsdauer nach § 58 SGB IV – auf sechs Jahre. Bei den Sozialversicherungswahlen handelt es sich um eine Friedenswahl:15 die Kandidaten für die jeweiligen Vertretergruppen werden in Vorschlagslisten erfasst. Sie gelten auch ohne Abstimmung als gewählt, wenn nicht mehr Bewerber benannt werden, als Mitglieder zu wählen sind, § 46 II SGB IV.
Die Aufgaben des Verwaltungsrats sind in § 197 SGB V näher definiert. Neben dem Satzungserlass ist er für Entscheidungen mit grundsätzlicher Bedeutung für die Kasse zuständig. Das Gesetz definiert den Begriff der grundsätzlichen Bedeutung nicht. Einen Anhaltspunkt hierfür kann die Vergleichbarkeit mit einer der anderen in § 197 SGB V genannten Aufgaben bieten.16