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*Ausgezeichnet mit der Gold-Medaille der Gastronomischen Akademie Deutschlands 2023*
So schmeckt Bayerische Küche unverfälscht gut - Bayern 2.0
In seinem Buch erzählt Andreas Schinharl von den kulinarischen Streifzügen, auf denen er sich um die Zutaten für seine jährlich größte Herausforderung kümmert. Als Chef der Käfer Wiesn-Schänke ist es sein Anspruch, den Gästen der Münchner Feinschmecker-Institution jedes Jahr echte kulinarische Highlights aus Bayern zu servieren, die er ausschließlich mit regionalen Produkten zubereitet. Seine Philosophie, spannende Fakten und Hintergründe sowie die Einzigartigkeit der Lebensmittel und ihrer Geschichte vermittelt der Autor in sehr persönlicher Weise. Schlichte, traditionelle Speisen spielen in den über 80 Rezepten eine ebenso große Rolle, wie individuell komponierte Gerichte, die ihre bayerischen Wurzeln nicht verschweigen und von der Meisterschaft des Küchenchefs zeugen. Basis sind immer beste Grundzutaten, die je nach Saison natürlich frisch verarbeitet werden. Silvio Knezevic hat Menschen, Landschaften und Produkte kongenial fotografisch dokumentiert und seine Food-Fotos wecken den Appetit auf Bayern und seine einzigartigen Produkte.
Das große Format und die hochwertige Ausstattung machen dieses Buch zu einem Must-have für alle Bayern-Fans, Genussreisende, Kochbuchsammler, Hobbyköche und jeden, dem die Erhaltung der vielfältigen Kulturlandschaft und des (kulinarischen) Kulturerbes Bayerns am Herzen liegt. Es ist praktisches Rezeptbuch, Reise- und Kultursachbuch sowie dekoratives Coffetable-Book in einem.
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Seitenzahl: 237
Veröffentlichungsjahr: 2022
In Gedenken an meinen Vater Georg Schinharl.
Andreas Schinharl
Frank Schoch und Silvio Knezevic
© 2022 by Südwest Verlag,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81637 München
© Texte: Frank SchochAndreas Schinharl – Rezepte© Fotos: Silvio Knezevic
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Projektleitung: Eva M. Salzgeber
Redaktion: Antje Seidel, trans texas publishing services GmbH, Köln
Korrektorat: lesezeichen Verlagsdienste, Köln
Covergestaltung, Innenlayout, Satz: Jana Jacobs, München
Bildnachweis: Rezept- und People-Fotos: Silvio Knezevic, München
Illustrationen: iStockphoto
Herstellung: Elke Cramer
Reproduktion: Longo AG, Bozen
ISBN 978-3-641-25843-6V004
Vorwort Andreas Schinharl
Geleitwort Michael Käfer
Rezepte
Brotzeiten
Essiggemüsesalat mit Breznknödel, Krenschmand und Schweinekrustenchips
Restebrot vom Goaßbratl
Schwarzwurstsalat mit Rotwein-Senf-Dressing
Bayerisches Tatar mit Landei auf geröstetem Bauernbrot und hausgemachtem Essiggemüse
Gebackenes Bio-Wachsei mit Breznsalat, Gelbwurst und Bärlauchpesto
Wachsbohnensalat mit Bauernbrot
Suppen & Eintöpfe
Bergkräuter-Heu-Suppe mit Saiblingsnockerln und Safran
Weißfischsuppe mit jungem Wurzelgemüse und Erdäpfelbrot
Rindssuppe mit altbayerischer Milzwurst
Millirahmsuppe mit Kartoffelnockerln und Reherln
Rana-Eintopf mit Weißwürsten
Erbsensuppe mit Hackfleisch-Speck-Bete-Nockerl und Knoblauchchips
Feines ohne Fleisch
Spargelpommes grün-weiß mit Bärlauch-Mayonnaise
Kopfsalatherzen mit Tegernseer Bergkäse-Dressing, karamellisierten Äpfeln, Ribisel und Pumpernickel
Sellerie im Salzteig mit Schwarze-Nüsse-Vinaigrette
Brennnessel-Kaspressknödel
Omas Erdäpfelsterz mit eingemachten Radieserln und frittierten Radieserlblättern
Kässpätzle 2.0
Fischgerichte
Frittierter Wildfangfisch
Frittierte Lauben mit Zitronenmayonnaise und buntem Tomatensalat
Flussbarschfilet auf Roten und Gelben Beten mit Estragon-Sabayon und Salzzitronen
Stör-Speck-Roulade auf rahmigen Kaviarlinsen mit gelben Datteltomaten und Feigensenf
Geräucherte Goldforelle mit Gurkenmarmelade, Brennnesselsalat und Dill-Meerrettich
Saiblingsmatjes mit gebackenen Erdäpfeln und Apfel-Gurken-Soße
Fleischgerichte mit Kalb & Rind
Sautiertes Kalbsherz mit Grünkohlsalat, Gewürzbirnen und Granatapfelsirup
Gefülltes Kalbskotelett mit Kletzen-Feigen-Füllung, Erdäpfelgugelhupf, Gelbe-Rüben-Püree und Senfrahmsoße
Kalbsbeuschel mit Hefeknödeln und Wurzelgemüse
Kalbsbriesstrudel mit Honigkrautfleckerln, Moosbeeren und Apfelessig-Kalbsrahmsoße
Gesottenes Fledermausstück mit Orangen-Meerrettich-Kompott, frittiertem Rosenkohl und Suppengrün
Nockerl vom Pinzgauer Ochsen mit geschmortem Blaukraut, Dunstapfel und rosa Beeren
Fleischgerichte mit Schwein
Goaßbratl mit Erdäpfelschnitz, Wurzelwerk und Biersoße
Saure Spanferkelleber mit Saubohnen, Gewürzäpfeln und gerupften Erdäpfeln
Gekochte Ohren vom Spanferkel, Chili-Kerbel-Gemüse-Salsa und Fladenbrot
Surhaxerl vom Spanferkel, geschmorter Apfel-Lauch und geröstete Knödel
Bayerisches Labskaus
Fleischgerichte mit Geflügel
Bauerngockel in der Schweinsblase mit Steinpilzen, Kräuterbutter, Safran und Nudelfetzen
Backente mit süßsaurem Kohlrabikraut und Traubenmayonnaise
Entenbratwurst in Erdäpfelbrotteig mit Senf-Sabayon auf Boskop-Blaukraut
Stubenküken mit Spargel, Kürbispfannkuchen und geschmorten Tomaten
Bioputen-Fleischpflanzerl in Specksoße mit Petersilienwurzelpüree und Röstschalotten
Ganze gefüllte Biopute
Fleischgerichte mit Ziege & Lamm
Ziegenkitzroulade mit grünem Spargel und Vitelotte-Kartoffeln
Bunter Bohneneintopf mit Lammbackerl und geselchtem Wammerl
Schnitzel vom Zickerl mit gebratenem Kopfsalat, Apfelbeer-Sabayon und Popcorn
Fleischgerichte mit Wild
Parasolpilzravioli in Kräuterpanade mit Rehfleischfüllung, Wildpreiselbeeren und Limetten-Orangen-Sauerrahm
Gebackene Hirschleberknödel mit Rahmwirsing und Hagebutten-Zwiebel-Marmelade
Gesottene Schulter von der Wildsau mit Rosenkohl und Pfefferkirschen
Gesurte Rehzunge, Bovist und Rotweinschalotten
Krautwickerl vom Wildfasan, Erdäpfelstampf und Tresterrahmsoße
Süßes & Nachspeisen
Urmilch-Kastanieneis mit Woidhoabern
Topfenknödel mit Butterbrösel und Mohn
Gerissene Buchteln mit Marillenröster und Vanillesoße
Serviettenknödel vom Kaiserschmarrn mit Zwetschgensoße
Eingelegter Gugelhupf mit Beerenkompott und Schlagsahne
Voglkiachl mit Rhabarberkompott und Bayerischer Creme
Grundrezepte
Limonaden
Marmeladen
Eingemachtes
Suppen & Brühen
Soßen
Extras
Produkte & Produzenten
Mehl und Brezn von Stefan Blum
Spargel und Erdbeeren von Hans & Benedikt Gänger
Zucht- und Donaufische von Katharina & Michael Mayer
Bayerwaldrind von Alfons Gierl & Sepp Scheßl
Lockinger Sau und Gockel von Florian Reiter
Bioputen von Simon, Barbara & Quirin Wallner
Ismaninger Kraut von Nikolaus Kraus
Jagd und Wildmetzgerei von Alfons »Ale« Jungmayer
Zuchthirsche von Erwin Mauerer
Biomilchprodukte von Markus Berl
Bierspezialitäten von Frank Müller
Andreas Schinharl
Vom Metzgerlehrling zum kulinarischen Weltenbummler
Über Partner auf neuen Wegen
Ein Gespräch über Kochen, Können und die Zeit
Meine Leidenschaft als Metzger
Über Zutaten, Einkauf und Qualitäten
Ganz privat: Lammgrillen im Garten
Ein Wort zum Würzen
Ganz privat: In die Schwammerl gehen
Über Anrichten und gemeinsames Genießen
Zeitgemäße bayerische Wirtshauskultur
Glossar
Register
Adressen
Dank
Andreas Schinharl
»Mit dem Einkauf fängt alles an.«
Eine Einstimmung
Grüß Gott, mein Name ist Andreas Schinharl. Ich bin gelernter Koch und Metzger aus Straubing in Niederbayern. Die letzten 15 Jahre war ich für Feinkost Käfer in ganz Europa kulinarisch unterwegs. Am sichtbarsten als Küchenchef der Käfer Wiesn-Schänke auf dem Münchner Oktoberfest. Dem Zelt, das eigentlich ein Blockhaus ist, und dem man nachsagt, eines der begehrtesten auf der ganzen Theresienwiese zu sein.
Mein Beitrag dazu ist eine bayerische Küche, die den Genuss feiert und jede Zutat ehrt, auf ehrliche und möglichst unverfälschte Weise. Dafür setze ich alles und jeden in Bewegung, vor allem mich selbst. Ich liebe es, bemerkenswerte Zutaten zu entdecken – und ihre Macher. Ganz Bayern ist voll davon! Bemerkenswert heißt nicht teuer, aber gut heißt es immer. Und mag meine Wiesn-Küche auch detailverliebt sein, auf Teufel komm raus aufwendig oder gar kompliziert ist sie nicht. Warum auch?
Für meine Freunde oder die Familie mache ich oft ganz einfache Dinge. Keine Gangerl und dreierlei Soßerl und bunte Tupferl, nein, ein einfaches Huhn, ein schöner Fisch, und zu Feiern auch mal ein ganzes Lamm. Dafür reichen ein paar Ziegelsteine und ein Backofenrost. Und am Ende gewinnt immer der Geschmack, er ist es, der alle glücklich macht, nicht ich, der alte Messerjongleur. Deshalb ist mir das Produkt so wichtig. Mit dem Einkauf fängt alles an, der Einkauf ist der wichtigste Teil des Rezepts. Das Rezept ist nur ein Leitfaden, beim Einkauf aber: Bitte nicht pfuschen! Bei einem guten Produkt, einer guten Zutat ist der Geschmack ja schon da. Meine und Ihre Aufgabe ist es dann nur noch, ihn nicht zu verlieren. In diesem Buch begegnen Sie einigen meiner Partner und Lieferanten oder einfach nur guten Adressen. Manche begleiten mich schon seit Jahrzehnten, andere habe ich erst vor Kurzem entdeckt. Einige bewahren Traditionen, andere haben Traditionen wiederbelebt, und manche haben Traditionen aus meiner Sicht mutig und klug weiterentwickelt. Oft mit mir gemeinsam. Uns eint auch eine gewisse Unabhängigkeit vom Zeitgeist, denn der verhält sich eh in Wellen, das durften diejenigen, die länger im Geschäft sind, schon erleben. An all diesen Menschen aus meiner bayerischen Heimat schätze ich ihren sympathischen Eigensinn, ihre Tatkraft und Loyalität, und ihre Offenheit – nicht nur Profis wie mir gegenüber. Deshalb verspreche ich Ihnen, Sie können das auch: Menschen und Zutaten finden, die ihnen jedes Mal aufs Neue Vergnügen bereiten. Es muss dafür nicht München sein. Auch Straubing, wo ich herkomme, und seine Umgebung sind ein kulinarisches Paradies. Und viele bayerische Dörfer häufig auch.
Gehen Sie auf Entdeckungsreise und bauen Sie sich Ihr ganz eigenes Netz an Einkaufsquellen direkt auf den Höfen, in Fachgeschäften und auf Märkten auf. Dann beginnt der Spaß am Kochen schon beim ersten Gedanken daran. Und so soll es sein.
Kurz, machen Sie es mir nach und gehen Sie neue Wege: bei den Zutaten, bei der Zubereitung, beim ganzen Genuss. Sie werden Ihre Freude daran haben!
Herzlichst
Ihr
Michael Käfer
Die wichtigste Zutat ist der Mensch.
Ein Geleitwort
Als Andreas Schinharl 2006 zu Käfer kam, hat er uns schlagartig besser gemacht – kulinarisch und organisatorisch. Er kam aus der Schweiz von Reto Mathis, und das sagt schon viel. Bei Mathis auf der Corviglia in St. Moritz verdichtete sich in den Wintermonaten eine einmalige Mischung: Puristische Gerichte mit herausragend guten Zutaten, ständiger Trubel, wenig Raum, kaum Zeit, und das alles garniert mit einer gehörigen Prise Jetset.
Andreas hatte ich als Küchenchef für den VIP-Bereich des Berliner Olympiastadions während der Fußballweltmeisterschaft engagiert. Sein Ruf eilte ihm voraus, aber ich kannte ihn vorher nicht. Danach kam er ganz zu uns und legte sofort los: Mit unbändigem Ideenreichtum im Partyservice und ein Jahr später mit einer bodenständigen, geradezu knochentrockenen Pragmatik als Küchendirektor der Käfer Wiesn-Schänke, die mein Vater Gerd Käfer 1973 als Almhütte mit Originalhölzern eines alten Bauernhauses gegründet hatte. Seitdem sind wir immer weiter gewachsen und aus einem kleinen Haus mit 80 Plätzen wurden 1400 innen und 2000 im Gartenbereich. Hier die perfekte Küche aufzubauen, war eine riesige Herausforderung für alle Küchenchefs seit Beginn unserer Wiesnzeit. Heute gehen täglich bis zu 15.000 Gerichte über den Küchenpass.
Aber Andreas Schinharl kannte das ja: ständiger Trubel, wenig Raum, kaum Zeit. Im heißen historischen Herzen unserer Wiesn-Schänke ging es zu wie im Taubenschlag, und damit meine ich nicht nur unsere überaus emsigen Kellnerinnen und Kellner. Es wurde auch ständig angeliefert, eingeräumt, ausgeräumt. Die Kühlhaustür war ständig in Bewegung, das konnte man besser machen. Und Andreas Schinharl machte es besser, mit seiner Erfahrung und einer Entscheidungsstärke, die er sich auch in vielen Jahren auf dem Straubinger Gäubodenvolksfest feingeschliffen hatte. Ein Beispiel: Er verlegte die Anlieferungen einfach gebündelt auf die Nachtstunden, dann, wenn man ziemlich entspannt auf die schlummernde Theresienwiese fahren kann – und er kartelte das mit jedem einzelnen Lieferanten aus. Ich mag die Stimmung in diesen besonderen Stunden, diese leicht müde aber vorfreudige Ruhe, und er mag sie auch. Denn er ist keiner, der das nur anweist, sondern er ist der, der jede Nacht persönlich auf seine Lieferanten wartet. Jede Wiesn-Nacht, 16 Tage lang, seit eineinhalb Jahrzehnten. Bei diesem Engagement werden Sie verstehen, dass ich es mit einem gewissen Amüsement registriere, wenn wieder einmal aufgeregte Gäste auf mich zustürmen, als wäre mir ein seltener Rassehund entlaufen. Dann wurde der Herr Schinharl in einer ruhigeren Minute in seiner Augustiner-Lieblingsbox gesichtet. Wie könnte ich es ihm verdenken?
Die Anlieferungen auf die Nacht zu konzentrieren, mag auf den ersten Blick ein marginaler Unterschied sein, tatsächlich ist es ein großer. Nun wird unsere Wiesn-Küche nie ein Zen-Tempel sein, aber unter der Obhut von Andreas Schinharl ist sie ein Ort leichtfüßiger Präzision. Das hat Folgen: Immer wieder erstaunt es mich, welch renommiertes Personal sich in unserer Oktoberfestküche tummelt. Kulinarische Führungskräfte erstklassiger Häuser aus ganz Europa rücken hier freiwillig ins zweite Glied, um eine Wiesn lang Abertausende Genießer glücklich zu machen. Ums Geld kann es ihnen nicht gehen, es scheint ihnen tatsächlich Freude zu machen. Diese Atmosphäre des Miteinanders entstehen und wachsen zu lassen, darin ist Andreas Schinharl ein zuweilen grantiger Meister.
Seine Qualität spürt man auch, wenn er als Food-hunter brilliert. Das Oktoberfest ist bei Käfer ja ein Ganzjahresjob und für Andreas Schinharl eine ständige Leidenschaft, für die er weite Wege geht, um genau die Zutaten und Produkte zu finden, die es seiner Meinung nach braucht. Oft wirken diese geradezu einfach, nicht selten bin ich skeptisch, aber der Erfolg gibt ihm immer recht. Es geht ja nicht darum, schnell mal Bayerns besten Käse zu entdecken oder den seltensten Donaufisch. Alles, was wir auf der Wiesn verwenden, muss zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge und in der richtigen Größe vorhanden sein. Und noch dazu in einer besonders guten, unverwechselbaren Qualität. Jedes Käfer Wiesn-Gericht unter Schinharls Ägide ist tatsächlich in jedem Detail maßgeschneidert, bis hin zum Brettl oder Teller und dessen Dekor. Ihm entgeht nichts, und er bekommt von seinen Lieferanten, Züchtern und Partnern alles genau so, wie er es möchte, weil er sie davon überzeugt hat. Dafür braucht es oft jahrelange Vorausplanung und viel gegenseitiges Vertrauen, sehr viel Vertrauen.
Man tritt ihm nicht zu nahe, wenn man ihn einen analogen Typen nennt. Denn die Bande, die er auf seine Weise knüpft, halten fester und länger, als das heutzutage üblich ist. Ich unterschreibe es Ihnen gern: Die wichtigsten Zutaten sind für Andreas Schinharl die Menschen, mit denen er arbeitet. Dafür hat er meinen größten Respekt.
Genießen Sie dieses Buch! Ich lege es Ihnen ans Herz.
Ihr
Für die Breznknödel
6 altbackene Brezn
1 Zwiebel, abgezogen und fein gehackt
20 g frisch gehackte Petersilie
Salz
Pfeffer
geriebene Muskatnuss
¼ l Milch
2 Bio-Eier
30 g Butterschmalz
Für die Schweinekrustenchips
1 kg Schweineschwarte
1 l Sonnenblumenöl
Salz
Für den Krenschmand
50 g Meerrettichwurzel, geschält
250 g Schmand
Salz
Pfeffer
Saft von 1 Bio-Zitrone
Essiggemüse (siehe
Grundrezept
)
Meerrettichwurzel zum Anrichten
Die Brezn in feine Scheiben schneiden und in eine große Schüssel geben. Die Zwiebel mit Petersilie, je 1 Prise Salz, Pfeffer und Muskat in einen kleinen Topf geben. Die Milch zugießen und aufkochen lassen. Über die Breznscheiben gießen und diese abgedeckt ziehen lassen. Etwas abkühlen lassen, dann die Eier zufügen und alles zu einer festen Masse vermengen. Die Breznmasse auf ein sauberes Geschirrtuch geben, damit zu einer Rolle formen und an den Enden fest abbinden. Die Rolle in einem Topf mit köchelndem Salzwasser etwa 15 Minuten garen. Herausnehmen und auskühlen lassen, dann die Rolle in etwa 5 mm dicke Scheiben schneiden.
Für die Schweinekrustenchips die Schwarte in reichlich Wasser weich kochen, abkühlen lassen und in etwa 2 x 2 cm große Stücke schneiden. Auf Küchenpapier trocknen lassen. Die Schwartenstücke auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen und im Backofen bei 75 °C (Ober- und Unterhitze) 12 Stunden trocknen.
Das Sonnenblumenöl in einem Topf auf 160 °C erhitzen. Die Schwartenstücke darin knusprig frittieren und auf Küchenpapier abtropfen lassen. Danach leicht salzen.
Für den Krenschmand den Meerrettich fein reiben und mit dem Schmand verrühren. Mit je 1 Prise Salz und Pfeffer sowie Zitronensaft abschmecken.
Das Butterschmalz in einer Pfanne zerlassen und die Knödelscheiben darin goldbraun braten. Auf Tellern kreisrund anrichten. Das Essiggemüse daraufgeben und die Chips darüberstreuen. Mit dem Krenschmand beträufeln und etwas Meerrettich darüberraspeln.
8 Sauerteigbrot-Scherzl
1 Knoblauchzehe, abgezogen
30 g Butter
250 g Reste vom Goaßbratl (oder Schweinebraten)
100 g Schmorgemüse von der Bratensoße
50 g Essiggurken (Gäuboden)
20 g Meerrettich, gerieben
20 g scharfer Senf (Mautner Senf)
4 hart gekochte Bio-Eier
Salz
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
2 Stangen Frühlingslauch, in feinen Ringen
Kresse zum Garnieren
1 Bund Radieschen, geputzt
Essiggurken
Die Brotscherzl mit dem Knoblauch einreiben, mit Butter bestreichen und im vorgeheizten Backofen bei 180 °C (Umluft) 3 Minuten aufbacken.
Die Bratenreste und das Schmorgemüse fein hacken.
Die Essiggurken in feine Würfel schneiden. Den Meerrettich und die Essiggurkenwürfel zum gehackten Fleisch und Schmorgemüse geben. Den Senf unterheben und mit 1 Prise Salz und Pfeffer abschmecken.
Den Aufstrich dick auf die Brotscheiben auftragen. Die Eier pellen, halbieren und auf den Aufstrich legen. Frühlingslauchringe und Kresse darüberstreuen und schwarzen Pfeffer darübermahlen. Radieschen und Essiggurken dazu reichen.
Für das Rotwein-Senf-Dressing
1 EL fein gewürfelte Schalotten
200 ml trockener Rotwein
100 ml roter Portwein
4 EL Rotweinessig
1 Stängel Thymian
1 Stängel Bohnenkraut
1 Eigelb
1 TL Dijonsenf
½ TL Salz
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
100 ml Sonnenblumenöl
Für den Schwarzwurstsalat
1 große Handvoll Friséesalat
1 Radicchio di Treviso
100 g Kartoffeln, geschält und in 5 mm dicke Würfel geschnitten
200 g Prinzessbohnen
100 g Perlzwiebeln, abgezogen
1 EL Olivenöl
½ TL Waldhonig
400 g Schwarzwurst, längs halbiert
50 g getrocknete Tomaten (siehe
Grundrezept
), klein geschnitten
1 Apfel (Boskop), geschält
1 Knoblauchzehe, abgezogen
1 Stängel Estragon
1 Stängel Kerbel
1 Stängel blühender Thymian
1 Prise gemahlener Kümmel
Meersalz
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
Eingemachte Tomaten (siehe
Grundrezept
)
Für das Rotwein-Senf-Dressing die Schalottenwürfel mit Rotwein, Portwein und Essig in einen kleinen Topf geben, Thymian und Bohnenkraut zufügen und auf die Hälfte einkochen. Den Sud abkühlen lassen und in eine Schüssel abseihen, dann Eigelb und Senf unterrühren. Mit Salz und Pfeffer würzen. Das Öl in dünnem Strahl mit dem Schneebesen einrühren, bis ein cremiges Dressing entsteht.
Für den Schwarzwurstsalat Friséesalatblätter und Radicchio waschen, trocken schleudern und klein zupfen. Kartoffelwürfel und geputzte Bohnen nacheinander in kochendem Salzwasser bissfest garen. Anschließend in Eiswasser abschrecken.
Die Perlzwiebeln im heißen Olivenöl in einer Pfanne auf mittlerer Stufe anbraten, anschließend den Honig zugeben und glacieren.
Die Schwarzwurst in dünne Scheiben schneiden. Die Bohnen der Länge nach halbieren und mit Kartoffelwürfeln, Perlzwiebeln, getrockneten Tomaten und Wurst in eine Schüssel geben. Mit einem Drittel des Rotwein-Senf-Dressings beträufeln und etwa 10 Minuten marinieren.
Den Apfel entkernen und fein raspeln. Zusammen mit gehacktem Knoblauch und den gewaschenen, zerzupften Kräutern zur Schwarzwurstmischung geben und gut unterheben. Mit Kümmel, Salz und Pfeffer abschmecken.
Die Salatblätter auf Tellern anrichten und mit dem restlichen Dressing beträufeln. Den Schwarzwurstsalat und die eingemachten Tomaten darauf verteilen. Nach Belieben mit Kräutern garnieren.
Für den Sahnemeerrettich
10 g Meerrettich, frisch gerieben
Saft von ½ Bio-Zitrone
30 g Sahne, geschlagen
Salz
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
Für das Tatar
400 g Rindertatar
Zucker
50 g Ketchup
10 g mittelscharfer Senf
10 g süßer Senf
5 g Meerrettich, frisch gerieben
30 g Essiggurken, gehackt
1 Msp. sehr fein gehackte rote Chilischote
1 TL edelsüßes Paprikapulver
5 g Kapern
1 EL Olivenöl
Salz
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
1 Schalotte, abgezogen
3 EL Butterschmalz
4 Scheiben Bauernbrot
4 Bio-Landeier
4 Portionen Essiggemüse (siehe
Grundrezept
)
Den geriebenen Meerrettich mit dem Zitronensaft beträufeln, anschließend mit der Sahne vermischen. Mit 1 Prise Salz und Pfeffer abschmecken und kühl stellen.
Für das Tatar das Fleisch in einer Schüssel mit 1 Prise Zucker bestreuen und kurz ziehen lassen. Ketchup, beide Senfsorten, geriebenen Meerrettich, Essiggurken, Chilischote, Paprikapulver und Kapern mit Olivenöl, Salz, Pfeffer und etwas Zucker in der Küchenmaschine pürieren. Zum Fleisch geben und vermengen. Die Schalotte fein hacken und unter die Fleischmasse mischen.
In einer Pfanne die Hälfte vom Butterschmalz zerlassen und das Bauernbrot darin rösten. Auf Küchenpapier abtropfen lassen.
Aus dem Tatar vier gleich große Pflanzerl formen. Das übrige Butterschmalz in der Pfanne zerlassen und die Pflanzerl darin von beiden Seiten kurz scharf anbraten, dann beiseitestellen.
In derselben Pfanne die Eier zu Spiegeleiern braten. Mit Salz und Pfeffer bestreuen.
Die Tatarpflanzerl auf einen Teller oder ein Brett setzen, etwas Sahnemeerrettich daraufgeben und zusammen mit den Spiegeleiern und dem Essiggemüse anrichten. Das geröstete Bauernbrot dazu reichen.
Für die Wachseier
4 große Bio-Eier
20 ml Weißweinessig
Salz
50 g Mehl
100 ml Milch
100 g Kaisersemmelbrösel
100 g Butterschmalz
Für den Breznsalat
4 Brezn
50 g Butter
20 ml Olivenöl
100 Perlzwiebeln, abgezogen
1 TL brauner Zucker
40 ml weißer Aceto balsamico
100 ml lieblicher Weißwein
Salz
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
1 Stängel Thymian
½ junge Knoblauchknolle, abgezogen
100 g eingemachte Tomaten (siehe
Grundrezept
)
200 g Gelbwurst, in dünne Scheiben geschnitten
abgeriebene Schale von 1 Bio-Zitrone
Kräuter, Feldsalatblätter oder Blüten zum Garnieren
Für das Bärlauchpesto
50 g Bärlauch, klein geschnitten
40 ml Olivenöl
20 g karamellisierte Walnüsse (siehe
Grundrezept
)
Pfeffer aus der Mühle
Für die Wachseier 500 ml Wasser mit Essig und etwas Salz zum Kochen bringen. Mit einem Esslöffel einen Strudel rühren und ein aufgeschlagenes Ei mit dem Löffel langsam hineingeben. Etwa 3 Minuten pochieren. Mit einer Schaumkelle herausheben und beiseitelegen. Nach und nach alle Eier pochieren und erkalten lassen.
Für den Breznsalat die Brezn in schräge, etwa 5 mm dicke Scheiben schneiden. Die Butter in einer Pfanne zerlassen und die Breznstücke darin kross rösten. Auf Küchenpapier abtropfen lassen. Das Öl in der Pfanne erhitzen und die Perlzwiebeln darin glasig anschwitzen. Den brauen Zucker zugeben und leicht karamellisieren. Mit dem Essig ablöschen und mit dem Weißwein aufgießen, salzen und pfeffern. Den Thymian zugeben und alles einköcheln lassen. Die Perlzwiebeln mit etwas Sud in den Kühlschrank stellen. Den Knoblauch in feine Scheiben schneiden.
Für das Bärlauchpesto alle Zutaten in einen Mixbecher geben und mit dem Stabmixer zu einem Pesto pürieren.
Für die Wachseier Mehl, Milch und Semmelbrösel in separate tiefe Teller geben. Die pochierten Eier nacheinander zunächst im Mehl wenden, dann durch die Milch ziehen und schließlich in den Semmelbröseln wälzen. Das Butterschmalz in einer Pfanne zerlassen und die panierten Eier darin vorsichtig ausbacken.
Die Breznstücke in eine Schüssel geben, Perlzwiebeln und Knoblauch zugeben und vermengen. Auf einer Platte anrichten. Die gebackenen Eier darauflegen und die eingemachten Tomaten dazugeben. Die Gelbwurst ebenfalls anlegen. Zum Schluss den restlichen Perlzwiebelfond mit etwas Bärlauchpesto verrühren und alles damit nappieren. Den Zitronenabrieb darüberstreuen.
Die Eier mithilfe von zwei Gabeln in zwei Hälften aufreißen, damit das Eigelb ausläuft. Mit Kräutern, Salatblättern oder Blüten garnieren.
300 g Bohnenkerne aus etwa 600 g Saubohnen (alternativ weiße Bohnenkerne)
Salz
300 g Wachsbohnen
je 2 Stängel Bohnenkraut und Petersilie
2 Knoblauchzehen
50 g gemahlene Haselnusskerne
6 EL Haselnussöl (alternativ ein anderes Öl)
3 EL Rotweinessig
1 EL süßer Senf
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
150 g getrocknete Tomaten (siehe
Grundrezept
), klein gewürfelt
8 Cocktailtomaten, geviertelt
4 Scheiben Bauernbrot oder 4 Vinschgerl
frische Kräuter und Blüten
Die Bohnenkerne aus den Hülsen palen und in Salzwasser bissfest garen. In kaltem Wasser abschrecken. Anschließend die Kerne aus der Haut drücken.
Die Wachsbohnen putzen, die beiden Enden abschneiden und ebenso in kochendem Salzwasser bissfest garen. Anschließend in kaltem Wasser abschrecken. Eine Hälfte der Bohnen ganz lassen, die andere in etwa 1 cm lange Stücke schneiden.
Bohnenkraut, Petersilie und Knoblauch fein hacken und mit Haselnüssen, Öl, Essig und Senf verrühren. Zum Schluss mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Wachsbohnen, Bohnenkerne und Tomatenwürfel mischen, mit der Hälfte des Dressings vermengen und etwa 15 Minuten ziehen lassen.
Die Brotscheiben auf Teller legen (Vinschgerl vorher quer halbieren) und den Salat darauf anrichten. Die Tomatenviertel dazulegen und alles mit dem restlichen Dressing beträufeln. Mit frischen Kräutern und Blüten bestreut servieren.
»In den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs, als München ein staubiger Ort grauer Trauer war und die historische Altstadt zu 90 Prozent zerstört wurde, harrten die Müllergesellen in der Hofbräuhaus-Kunstmühle aus. Sie übernachteten sogar dort, um jeden kleinsten Schaden sofort reparieren zu können. Die Mühle musste weiterlaufen. Sie war die einzige, die standgehalten hat. Sie hielt München am Leben und ernährte die Stadt. Sie verstehen bestimmt, dass ich an diese Geschichte in letzter Zeit oft denken musste.«
Ort: Jakob Blum Hofbräuhaus-Kunstmühle, mitten in München
Eine Manufaktur-Mühle ist ein sehr filigranes Gebilde. Man fühlt sich wie im Inneren einer riesigen Kuckucksuhr. Eine verwunschene Welt mitten in München. Kein Wunder, dass an ihrer Spitze kein Koloss steht, sondern ein Feingeist. Stefan Blum sieht auf den ersten Blick eher aus wie ein Assessor, und das ist er auch. Der studierte Volljurist und Vater von sechs Kindern, gelegentlich ehrenamtlich als Arbeitsrichter engagiert, führte aber dann doch die Familientradition fort, die ihn schon in den Semesterferien nicht losließ – und heute gilt er als Münchens letzter Müller. Stefan Blum hat mir seine Geschichte erzählt und die Geschichte seiner Mühle. Beides könnte ich mir immer wieder anhören. Seine Produkte bekommen dadurch für mich einen zusätzlichen Wert, der über ihre außergewöhnliche Qualität hinausgeht. In der Kunstmühle, die rückwärtig an das Hofbräuhaus anschließt und 300 Jahre lang dessen Malz mahlte, als dort noch gebraut wurde, stellt Blum nämlich Mehle her, deren griffige Güte man heute kaum mehr findet: in Dutzenden Sorten und Ausmahlgraden. Und um zu zeigen, was sie können, baute er auch gleich noch eine Backstube dazu. Für einige der ambitioniertesten Gastronomen und besten Pizzaioli Münchens sind seine Mehle und Backwaren wie eine Leinwand für ihre Kunst. Für mich auch. Ein aussterbendes Handwerk im Herzen der Stadt? Nein! Stefan Blums jüngster Sohn steckt gerade in der Ausbildung zum Müller.
Getreide hatte ich schon als Kind immer vor Augen, denn ich bin in Straubing aufgewachsen, dort, wo die fruchtbaren, weiten Ebenen des Gäubodens auf die sanft wogenden Hügel des Bayerischen Waldes treffen – und damit es nicht knirscht, die Donau durchfließt. Der Gäuboden gilt als die Kornkammer Bayerns und Straubing als sein Herz. Ein Paradies, in dem ich noch heute verwurzelt bin.
Bei Stefan Blum im Rücken des Münchner Hofbräuhauses knirscht auch nichts. Alles läuft geschmeidig und bewusst langsam. Laut ist es schon, sehr laut, faszinierend aber auch. Schon auf dem Stadtmodell von 1570 ist die Mühle zu sehen. Heute sind die ältesten Mühlenteile, die acht Walzenstühle aus viel Holz und kräftigem Eisen, über 100 Jahre alt. Bis in die 1960er-Jahre wurden sie von Isarwasser angetrieben, aber mit dem Auflassen der Stadtbäche gaben viele Münchner Mühlen auf. Heute wird die Mühle mit Ökostrom betrieben, und der Verbrauch ist viel niedriger als bei neuen Maschinen. Lederriemen übertragen diese Kraft, weil ihre geschmeidige Flexibilität die Lager schont. Das ist wichtig, denn viele Ersatzteile gibt es nicht mehr, man muss sie folglich selbst bauen, und das machen Blum und seine Mannschaft auch. Die ganze Technik aus den verschiedenen Epochen greift ineinander wie ein Uhrwerk. Jedes Stück stammt aus der Zeit, als die Technik Blums Überzeugung nach das beste Ergebnis lieferte und noch das richtige menschliche Maß hatte.
Eine moderne Mühle am Stadtrand hätte auf den ersten Blick nur Vorteile. Sie wäre produktiver, leichter zu reparieren und viel stärker automatisiert. Man könnte sie auch viel einfacher beliefern und die schweren Mehlsäcke nach draußen verschicken als jetzt, wo sich Landwirte und Lieferwagen häufig frühmorgens durch die engen, vollgeparkten Gassen der Münchner Altstadt bis zur Neuturmstraße quetschen müssen. Aber diese Geschichte will Stefan Blum nicht erzählen, weil es nicht seine Geschichte ist. Seine Herangehensweise spricht ja für sich: Seine Mehle sind einzigartig, sie sind nicht kopierbar. Niemand kann so mahlen wie er. Und ich mag diese Sturheit, sie ist mir sehr nah, und sie wird Ihnen in diesem Buch noch öfter begegnen. Nennen wir sie freundlich: Eigensinn.
Wenn man schmecken will, was Stefan Blum will und kann, sollte man seine Brezn probieren. Eine Brezn wirkt lapidar, aber für das Oktoberfest ist sie elementar, wurde die Laugenbreze doch in München erfunden. 1839 war das, als der Münchner Bäcker Anton Nepomuk Pfannenbrenner das gewohnte Zuckerwasser mit Natronlauge verwechselte, die eigentlich zur Reinigung der Backbleche diente. So wurde die Laugenbreze geboren.
Die Wiesn war da gerade mal 29 Jahre alt, also noch ein junger Hüpfer und weit entfernt von der Rundumgaudi heutiger Ausprägung. Die Bavaria, die so erhaben über unser Käfer-Zelt wacht, war damals noch ein Gipsmodelltraum des Bildhauers Ludwig Schwanthaler. Großes Vergnügen war nur den allerhöchsten Honoratioren vergönnt: König Ludwig I. gab für die irische Tänzerin Lola Montez seinerzeit mehr Geld aus als für die 1844 eingeweihte Feldherrnhalle am Odeonsplatz. Erst 1880 floss Bier aus kleinen Buden auf dem Oktoberfest, ein Jahr später lockte erstmals der Duft einer Hendlbraterei. Und ein richtiges Festzelt, gleich ein mords Trumm mit 6000 Plätzen samt Blaskapelle, stand erst ab 1898 auf der Theresienwiese. Die Fläche, die er dafür brauchte, fünf Bierbudenplätze insgesamt, hatte sich der Nürnberger Wirt Georg Lang mittels fünf Strohmännern erschlichen. Amigos gab es also auch damals schon.
Eine gute Brezn ist für mich heute die Grundlage jedes Volksfestvergnügens, noch vor dem Bier und den großen Gerichten. Ein gutes Mehl, eine wirklich gute Laugenbreze sind für mich die Leinwand, auf die ich mein Bild vom weißblauen Wiesngenuss male. Die Brezn ist immer der Auftakt, mein Willkommensgruß, denn man sieht sie nicht nur, man riecht sie auch und spürt sie sogar, wenn man sie bricht, bevor man sie schmeckt. Da muss alles stimmen!
Es wird Sie jetzt nicht wundern, dass die Käfer-Brezn auf der Wiesn ständig frisch unter Stefan Blums Ägide gebacken werden. Ganz klar: Irgendeine Großbäckerei könnte uns mit dem kleinen Finger beliefern. Und günstiger ginge es wohl auch, aber Michael Käfer und ich haben im Laufe der Jahre Dutzende Brezen verglichen. Und machen das immer wieder mal. Doch die Blum-Brezn gewinnt immer. Sie schmeckt einfach in all ihren Facetten. Ja, es ist nur eine Laugenbreze. Kein Himalaya-Salz, kein Goldüberzug, kein Schnickschnack, nur eine Brezn. Nur gutes Mehl und Feingefühl, nicht mehr. Es gibt Menschen, die kommen nur dafür auf die Wiesn. Würde ich auch, doch ich bin ja schon da.
Andreas Schinharl
Mein Weg
Vom Metzgerlehrling zum kulinarischen Weltenbummler