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Im Urlaub werden Bulldogge Robin Huth und seine Boxerfreundin Lara samt Wohnmobil entführt. Sie können fliehen, doch wo sind sie gelandet? Sie machen sich auf den Weg ins Ungewisse. Doch Robin kann, selbst in dieser Notlage, seine Berufung nicht vergessen und rettet etliche Hundemütter samt ihren Welpen aus einer illegalen Zuchtstätte. Während Familie Huth alles in Bewegung setzt um Robin und Lara zu finden, verstrickt sich der vierbeinige Retter in immer weitere gefährliche Abenteuer. Plötzlich völlig auf sich alleine gestellt, versucht er den Weg nach Hause zu finden.
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Seitenzahl: 296
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Liebe Leserin, lieber Leser
mit dem Erwerb dieses Romans haben sie einen kleinen Beitrag für Hunde geleistet, die kein so glückliches Hundeleben führen können.
Hunde, die gequält, ausgesetzt werden oder in Tötungsstationen ein trostloses Dasein führen.
Ich habe mich deshalb entschlossen den gesamten Erlös dieses Romans an Organisationen zu spenden, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Hunden in Not zu helfen.
Vielen Dank, auch im Namen der Hunde und viel Spaß beim Lesen des Romans
„Der einzig absolute Freund, den ein Mensch in dieser selbstsüchtigen Welt haben kann, der ihn nie verlässt, der sich nie undankbar oder betrügerisch verhält, ist sein Hund“
(Woody Allen)
Einleitung
Kapitel 1: Urlaub im Wohnmobil
Kapitel 2: Entführt
Kapitel 3: Einsam und verlassen
Kapitel 4: Der Hofhund
Kapitel 5: Auf der Suche nach der Stadt
Kapitel 6: Wie beschafft man eine Mahlzeit?
Kapitel 7: Noch mehr Hunde
Kapitel 8: Wir brauchen einen neuen Plan
Kapitel 9: . . . ein Bär
Kapitel 10: Lauter Neuigkeiten
Kapitel 11: Rettung in Sicht
Kapitel 12: Die letzte Nacht in der Hütte
Kapitel 13: Endlich raus aus der Hütte
Kapitel 14: In Quarantäne
Kapitel 15: Wer rettet den Bären?
Kapitel 16: Gefährliche Rettungsaktion
Kapitel 17: Lara erzählt
Kapitel 18: Wer bin ich?
Kapitel 19: Aufbruch ins Ungewisse
Kapitel 20: Zirkusleben
Kapitel 21: Geistesblitze
Kapitel 22: Feuerwerk mit Folgen
Kapitel 23: Fluchtpläne
Kapitel 24: Ein riskantes Vorhaben
Kapitel 25: Ein seltsamer Traum
Kapitel 26: Heimkehr
Kapitel 27: Zum guten Schluss…
Nachwort
Hallo Leute, vielleicht kennt ihr mich ja schon. Ich bin Robin, Robin Huth, eine englische Bulldogge und lebe, gemeinsam mit meiner großen Liebe Lara, einer weißen Boxerhündin, in der Familie Huth.
Während Lara meist bei Frauchen, die eine Tierheilpraxis betreibt zuhause ist, gehe ich mit Herrchen Felix zur Arbeit. Wir sind bei der Tierschutzorganisation „Menschen für Tiere in Not“, kurz MfTN beschäftigt und retten in oft aufregenden Einsätzen vernachlässigte und misshandelte Tiere.
Obwohl ich ein eher bescheidener Hund bin muss ich sagen, dass der Laden ohne mich nur halb so erfolgreich laufen würde. Ich habe sehr viele Freunde unter den Tieren und Menschen aber leider auch ein paar Feinde, von denen mir einige sogar schon nach dem Leben trachteten. Doch wie ihr euch selbst überzeugen könnt, ich lebe noch.
Um uns vom manchmal stressigen Alltag zu erholen, fuhr unsere ganze Familie in Urlaub. Doch von wegen Erholung, mein unglaubliches Abenteuer fing gerade erst an. Aber lest selbst…
Hallo, Leute, ich bin‘s wieder, euer Robin, Robin Huth. Ist eine Weile her, seit ich euch meine Geschichte erzählt habe. Seither ist viel geschehen. Wenn ihr mögt erzähl ich euch gerne, was Lara und mir Unglaubliches passiert ist:
Eigentlich fing alles ganz harmlos an, so wie fast alle unglaublichen Geschichten.
Wir waren zusammen im Urlaub, Tanja, Felix, klein Lotta, Lara und ich. Da wir nun eine richtige Familie mit Kleinkind sind, überlegten sich Tanja und Felix eine neue Art zu reisen. Sie mieteten ein Wohnmobil.
Lara und ich staunten nicht schlecht, als Felix mit dem unförmigen Wagen in die Hofeinfahrt einbog und vor dem Haus anhielt.
„Sieht aus wie ein LKW“ sagte ich zu Lara, die neben mir auf der Treppe stand und wie ich, neugierig das Auto betrachtete. „Ob das bequem ist?“
Ich hatte da meine Zweifel, ich kenne LKWs in dieser Größe von unseren Einsätzen bei MfTN. Sie werden gebraucht um die Boxen aufzunehmen, in denen die geretteten Tiere in ihre bessere Zukunft gebracht werden. Komfortabel sind sie nicht. Schon gar nicht für eine Familie mit Kind.
„Ach, Robin“, seufzte Lara theatralisch neben mir und schaute mich mit einem Blick an, der mir sagte, dass ich gleich eine längere Erklärung zu hören bekäme.
Ich hockte mich schon mal auf meine Hinterkeulen, während sie zu reden begann: „Ein Wohnmobil ist so etwas wie ein Ferienhaus auf Rädern. Darin ist alles untergebracht, was man im Urlaub benötigt.“
Sie schwieg und lief an mir vorbei die Treppe runter. Ich schaute ihr verdattert nach. Was, sie war schon fertig mit ihrer Erklärung? Dazu hätte ich mich nicht hinsetzen brauchen.
Inzwischen war Felix ausgestiegen und hatte die Seitentür des Wohnmobils aufgemacht. Tanja, mit Lotta auf dem Arm, schaute neugierig ins Innere. Und Lara war bereits hineingehüpft. Typisch…
Ich beeilte mich ebenfalls zum Wohnmobil zu kommen, schließlich wollte ich die Besichtigung nicht verpassen. Felix ließ gerade eine kleine Treppe herunter, die unter der Tür befestigt war und Tanja stieg ins Auto.
Bevor Felix ihr folgen konnte war ich dort und wuchtete meinen Körper die drei Stufen hinauf. Dabei stieß ich Felix fast herunter, der ebenfalls gerade einsteigen wollte.
„Nana, Robin, nicht so stürmisch, wir fahren doch erst morgen früh los. Du brauchst nicht so zu rennen.“
Felix klang leicht verärgert und ich brummte eine Entschuldigung für den Rempler.
Das Innere des Wohnmobils sah tatsächlich aus wie eine kleine Wohnung, allerdings eine sehr kleine Wohnung. Jetzt, wo wir alle vier drin standen war kaum noch Platz. Ein Glück, dass Tanja Lotta auf dem Arm hielt, die Kleine hätte nicht auch noch zwischen uns stehen können.
Felix schien die Enge gar nicht zu bemerken, freudig fragte er: „Na, wie findet ihr es?“
Seltsamerweise fand auch Tanja alles prima. Sie setzte sich auf die kleine gepolsterte Bank an den winzigen Tisch und stellte Lotta neben sich. Lara kroch unter den Tisch um den Boden zu beschnüffeln. Jetzt, wo nur noch Felix und ich standen, war Platz. Wie wir in dieser Enge allerdings unseren Urlaub genießen sollten war mir ein Rätsel.
Am nächsten Morgen standen wir in aller Frühe auf um unsere Urlaubsfahrt anzutreten. Felix hatte noch am Abend alles ins Auto eingeräumt, was wir mitnehmen wollten. Es war jede Menge Kram, den er aus dem Haus schleppte und ich befürchtete das Schlimmste. Wenn er auch noch das viele Zeug mitnahm, würden wir noch weniger Platz haben. Es war mir ein Rätsel wo wir uns alle während der Fahrt aufhalten sollten.
Doch welch ein Wunder, als Lara und ich ins Auto durften war nichts von dem zu sehen, was Felix hereingeschleppt hatte. Nur unsere Hundekissen lagen da und Felix schickte uns darauf.
„Ihr bleibt gefälligst während der Fahrt auf euren Plätzen“, sagte er ungewohnt streng zu uns. „Herumlaufen könnt ihr, wenn wir anhalten und aussteigen.“
Nachdem Lara und ich brav auf unseren Plätzen lagen gab er jedem einen großen Kauknochen. „Damit ihr unterwegs eine Beschäftigung habt“, brummelte er versöhnlich und tätschelte uns. Dann verließ er den kleinen Raum und schloss die Tür hinter sich.
Kurz darauf öffneten sich die beiden vorderen Türen und er und Tanja stiegen ein. Zwischen ihren Sitzen befand sich ein kleinerer für Lotta. Tanja setzte die Kleine hinein und schnallte sie mit einem Gurt fest. Nachdem auch sie und Felix sich angeschnallt hatten, ging die Fahrt los.
Ich muss sagen es war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Eigentlich war der Urlaub im Wohnmobil sogar richtig toll.
An der Ostsee angekommen fuhren wir auf einen Campingplatz direkt am Meer. Irgendwie zauberte Felix ein Zelt an unser Wohnmobil in dem wir uns zusätzlich aufhalten konnten, wenn wir nicht am Strand waren. Von Enge war jetzt keine Spur mehr. Abends baute Felix dann die Einrichtung im Wohnmobil so um, dass da plötzlich für ihn, Tanja und Lotta ein Bett war. Lara und ich durften im Vorzelt schlafen.
Nach ein paar Tagen faulenzen am Strand fuhren wir weiter und hielten schließlich wieder auf einem anderen Campingplatz. Er lag an einem See, doch wir gingen diesmal nicht baden, sondern wandern. Natürlich nicht so weit, denn Lotta konnte noch nicht weit laufen und musste in einer Art Rucksack von Felix auf dem Rücken getragen werden. Mir war es auch lieber, nur kurze Strecken zu wandern, denn die Beine und die Figur einer Bulldogge sind nicht für langes Laufen gemacht.
Lara, die sehr gerne läuft, machte öfter abends noch eine Joggingrunde mit Tanja um den See, damit sie sich auspowern konnten. Felix und ich passten derweil auf Lotta auf und brachten schon mal den Grill zum Glühen, auf dem dann unser Abendessen gebraten wurde.
Es war ein richtig schöner, gemütlicher Urlaub. Auf dem Campingplatz gab es alles, was Menschen und Hunde im Urlaub benötigen. Das Wetter war wunderbar und wir waren jeden Tag im Freien. Manchmal besuchten wir eine nahe Hundewiese, damit Lara und ich mit anderen Hunden spielen konnten. Am Abend grillten wir Würstchen oder Fische und wir Hunde bekamen natürlich auch unsere Portion davon ab.
Die zwei Wochen Urlaub gingen wie im Flug vorüber. Dann packte Felix das Vorzelt wieder ab und verstaute es im Auto. Doch diesmal fuhren wir nicht auf einen neuen Campingplatz. Am nächsten Morgen ging es nach dem Frühstück wieder in Richtung Heimat.
Wie, um unseren Urlaub abzuschließen, schlug in der Nacht das Wetter um. Am Morgen war es trüb und regnerisch. Aus dem leichten Nieselregen wurde im Lauf des Vormittags schnell ein wahrer Wolkenbruch. Felix schimpfte leise vor sich hin, weil die Scheibenwischer kaum noch die Wassermassen bewältigten, die auf die Windschutzscheibe prasselten. Schließlich bog er entnervt in einen Rastplatz ein.
Vor uns waren schon mehr Autofahrer auf die Idee gekommen, das Ende des Wolkenbruchs auf dem Rastplatz abzuwarten. Wir mussten ziemlich weit nach hinten durchfahren, bis wir einen freien Parkplatz fanden.
„Wenn wir schon gezwungen sind, hier anzuhalten, so können wir auch gleich im Rasthof etwas essen“ schlug Tanja vor. „Es ist gleich Mittag und Lotta hat Hunger und braucht vermutlich eine frische Windel.“
Tatsächlich nörgelte Lotta schon eine Weile und zappelte unruhig in ihrem Kindersitz herum.
Felix blickte aus dem Fenster um die Wetterlage zu prüfen. „Der Regen scheint etwas nachzulassen“, brummte er zustimmend.
„Unter unseren Regenschirmen müssten wir einigermaßen trocken im Rasthof ankommen.“
Er drehte sich im Autositz zu uns herum. „Was ist mit euch Beiden? Wollt ihr mitkommen oder lieber im Wagen bleiben?“ „Also ich setze bei dem Wetter keinen Fuß vor die Tür“, murmelte Lara schläfrig und gähnte herzhaft. „Und im Rasthof zwischen vielen Menschen zu sitzen, mag ich gar nicht. Ich bleibe lieber hier.“
Ich hatte ebenfalls keine besondere Lust durch den Regen zu latschen, um dann unter einem Tisch in der Raststätte zu hocken. Deshalb rührte ich mich ebenfalls nicht und schloss demonstrativ die Augen.
„Na gut, dann bleibt eben hier. Bis wir zurück sind hat es hoffentlich aufgehört zu regnen, dann könnt ihr ja kurz zum Pinkeln raus.“
In Regenjacken gehüllt und mit Schirmen bewaffnet verließen unsere Menschen das Auto und wagten sich in das Regenwetter. Es klackte laut als Felix mit der Fernbedienung das Wohnmobil verschloss.
Lara räkelte sich auf ihrem Kissen, dann meinte sie. „Ich bin froh wenn wir wieder zu Hause sind. Urlaub ist ja ganz schön, aber mein Haus und mein Garten sind mir noch lieber.“ Ich brummte zustimmend, das war auch ganz meine Meinung. In Gedanken malte ich mir schon aus, wie ich den Garten genau inspizierte. In den zwei Wochen konnte dort allerhand geschehen sein. Außerdem freute ich mich darauf, meine Kumpels vom Verein wiederzusehen und von ihnen erzählt zu bekommen, was während meiner Abwesenheit geschehen ist. Denn leider machen Tierquäler keinen Urlaub und ich muss ja schließlich auf dem Laufenden bleiben.
Lara und ich dösten gemütlich vor uns hin, was eine der Lieblingsbeschäftigungen von Bulldoggen und Boxern ist. Wir ließen uns vom Regen, der wieder stärker aufs Dach des Wohnmobils platterde, in den Schlaf lullen. So überhörten wir beide das Schnappen des Schlosses und wurden erst wach als der Motor ansprang. Verwundert hoben wir die Köpfe, sollten wir nicht erst noch raus, bevor wir weiter fuhren?
Ein fremder Geruch stieg in unsere Nasen. Das waren nicht Felix, Tanja und Lotta, die da ins Auto gestiegen waren. Es waren zwei Männer, die uns völlig unbekannt waren.
Ehe Lara und ich noch begriffen was los war, fuhr das Wohnmobil schon los und das in einem Tempo, das Felix nie fahren würde.
„Hey, die klauen unser Wohnmobil!“
Meine schlaue Lara hatte die Lage schneller gecheckt als ich, doch dann fragte sie mich ratlos: „Was machen wir den jetzt?“ Ich schaute sie ebenso ratlos an. „Keine Ahnung…“
Inzwischen war das Wohnmobil auf die Autobahn gefahren und der Kerl am Steuer gab Gas. Wahrscheinlich wollte er möglichst schnell möglichst viel Abstand zum Rastplatz schaffen.
„Sollen wir die beiden Kerle angreifen?“ fragte ich Lara unsicher. Aber sie schüttelte nach kurzem Überlegen den Kopf.
„Zu gefährlich. Du weißt doch, dass Felix uns immer ermahnt hat ihn während der Fahrt nicht zu stören, damit er keinen Unfall baut. Wenn wir den Fahrer angreifen wird er erschrecken. Wer weiß was dabei passieren kann. Nein, das Beste ist wir warten ab, bis er anhält. Die zwei wissen nicht, dass wir da sind. Wir müssen uns so ruhig wie möglich verhalten, damit sie uns nicht bemerken.“
Ganz langsam und auf Lautlosigkeit bedacht, krochen wir unter die kleine Essecke. Dort wurden wir hoffentlich nicht entdeckt, falls einer der Männer nach hinten schauen sollte.
Doch die Beiden kamen gar nicht auf die Idee, dass sie nicht alleine im Auto waren. Sie unterhielten sich und lachten öfter auf, so als würden sie sich über den geglückten Diebstahl freuen. Verstehen konnten Lara und ich allerdings kein Wort, denn sie redeten in einer fremden Sprache.
Die Fahrt dauerte nicht sehr lange, dann bog das Wohnmobil in einen kleinen Rastplatz ein. Es fuhr plötzlich sehr langsam, dann ruckelte es und kurz darauf wurde es ziemlich dunkel. Das Auto blieb stehen und die Männer stiegen aus. Sie redeten mit einer dritten Person und lachten erneut. Dann hörte es sich an, als würden sie sich entfernen.
„Was geschieht denn jetzt?“, wisperte mir Lara ins Ohr. Sie klang nervös, was sofort auf mich abfärbte. Ich musste hecheln. „Sei still!“ wisperte Lara. „Wenn man dich hört…“
Doch ihre Sorge war unbegründet. Denn jetzt ging ein lautes Rattern los und wenige Sekunden später gab es einen lauten Knall und um uns war es plötzlich stockdunkel.
„Was ist denn jetzt los?“, fragte ich verstört, doch Lara gab keine Antwort.
Wir mussten nicht lange warten, dann ging erneut ein Motor los und wir wurden durchgerüttelt, als sich unser Wohnmobil bewegte. Doch es fuhr nicht, wie sollte es auch ohne Fahrer. Trotzdem bewegte es sich leicht.
Wir rätselten, was geschehen sein konnte, doch es fiel uns einfach nichts ein. Wir waren im Wohnmobil in völliger Dunkelheit gefangen. Das leichte Rütteln hörte nicht auf, es lullte uns schließlich in einen unruhigen Schlaf.
Wie lange es so ging, konnten wir später nicht nachvollziehen, es schien uns endlos. Irgendwann wurde das Rütteln intensiver und dann war es plötzlich vorbei.
„Na endlich, ich dachte schon, das hört nie mehr auf“, murmelte Lara matt. Ich dachte ebenso, mir war schrecklich flau im Magen. Kurz überlegte ich, dass es längst Zeit für Abendessen gewesen wäre, doch ich sprach es nicht aus.
Es blieb auch keine Zeit für Gedanken an Abendbrot, denn nun ratterte es erneut und langsam drang wieder etwas Licht in unser Gefängnis. Dann hörten wir schlurfende Schritte und das Klacken der Autotür. Einer der Kerle stieg ins Auto und ließ den Motor an, kurz danach rollte das Wohnmobil rückwärts, es gab einen Hopser und danach stand es wieder still.
Vorsichtig streckte ich den Kopf vor, ich musste einfach wissen, was da los war. Deshalb wagte ich mich so weit unter der Essecke vor, bis ich zwischen den Vordersitzen hindurch aus dem Frontfenster schauen konnte.
Direkt vor dem Wohnmobil stand ein riesiger LKW, dessen Laderaum offen war. Zwei eiserne Planken führten vom Boden bis zur Ladefläche.
„Wir sind samt Wohnmobil auf einen LKW verladen worden“, berichtete ich Lara aufgeregt. „Das erklärt natürlich einiges.“
Ich war richtig stolz darauf, dass ich Lara mal etwas erklären konnte, meist war es umgekehrt. Doch ich kannte mich mit LKWs bestens aus, bei meinen Einsätzen mit den Leuten von unserem Verein wurden sie öfter benötigt, um die geretteten Tiere abzutransportieren.
„Aha“, sagte Lara. „Ist ja interessant. Aber sag mir lieber, wie wir hier wieder rauskommen. Ich muss ganz dringend mal Pipi.“
Etwas beleidigt schaute ich zu ihr hin, doch sie hatte ja Recht. Wir mussten irgendwie hier rauskommen und zwar schnell. Bloß wie?
Die Lösung unseres Problems nahte kurz darauf in Gestalt von den drei Männern, die an unserer Entführung beteiligt waren. Sie steuerten zielstrebig auf die Tür zu, die in den Wohnbereich führte.
„Sobald sie die Tür aufgemacht haben, stürmen wir los und an ihnen vorbei“, hechelte ich Lara aufgeregt zu. „Wir müssen das Überraschungsmoment ausnützen, damit sie uns nicht aufhalten können. Achtung jetzt…“
Schon klackte das Schloss und die Tür schwang nach außen auf. Meine mutige Lara rannte aus dem Stand los und hechtete sich durch die Öffnung. Dabei rempelte sie den Mann an, der gerade einsteigen wollte. Er stieß einen lauten Schrei aus und fiel nach hinten um.
Lara war nicht mehr zu sehen und ich spurtete, so schnell mich meine kurzen Beine trugen hinter ihr her. Vor der Tür gab es ein wildes Durcheinander. Einer der Kerle lag auf dem Rücken am Boden und schaute ganz irre. Er wusste ganz offensichtlich nicht, wie ihm geschehen war. Ein anderer Mann beugte sich zu ihm herunter. Vermutlich um ihm aufzuhelfen.
Doch ich machte ihm einen Strich durch die Rechnung, indem ich mich von der Stufe abstieß und mich mit meinem vollen Gewicht auf ihn plumpsen ließ. Ich landete einigermaßen weich, doch der Kerl wurde durch mein Gewicht auf seinen Kumpan gedrückt. Beide landeten unsanft im Staub, während ich mich beeilte hinter Lara herzurennen, die gerade hinter einem baufälligen Gebäude verschwand. Im Vorbeirennen warf ich einen schnellen Blick auf den dritten Mann. Aber von ihm drohte keine Gefahr, er stand wie versteinert und schaute mit weit offenem Mund auf seine Freunde, die sich mühsam aus dem Staub aufrappelten.
Ich beeilte mich hinter Lara herzurennen, die nicht mehr zu sehen war. Das würde gerade noch fehlen, dass ich sie aus den Augen verlor. Vor Aufregung begann ich zu bellen. Doch als ich die Ecke der Hütte erreicht hatte, sah ich sie. Sie stand an einem Holzzaun und blickte mir ungeduldig entgegen.
Ein eisiger Schreck durchfuhr mich, als ich den Zaun sah. Wie sollten wir hier rauskommen? Erschrocken blickte ich zu Lara hin doch die hatte sich bereits umgedreht und lief zielstrebig auf eine Stelle zu, an der ein paar Latten fehlten.
„Anubis sei Dank“, murmelte ich, setzte meinen Körper wieder in Bewegung und sprang ebenfalls mit einem Satz über die untere Zaunlatte.
„Na, viel höher hätte die nicht sein dürfen“, hörte ich die spöttische Stimme meiner Gefährtin. Lara schien schon wieder guter Dinge, doch mir war mulmig zumute. Wo befanden wir uns? Und wie sollten wir jemals wieder nach Hause finden?
Ich schnüffelte in die Luft aber alles roch fremd. Langsam trottete ich hinter Lara her, die sich einen Weg durch das dichte Unkraut bahnte das hier wuchs. Ich hörte sie etwas murmeln, verstand aber nicht was sie sagte.
„Hä?“ machte ich und fügte hinzu: „Was hast du gesagt?“
„Zecken“, dehnte sie. „Ich sagte, hier gibt es vermutlich jede Menge Zecken. Du weißt, wie sehr ich diese ekligen blutsaugenden Biester hasse.“
„Also um ehrlich zu sein, sind Zecken momentan unser geringstes Problem“, wagte ich einzuwerfen. Ich kannte Laras Zeckenphobie und wusste aus Erfahrung, dass sie sich da richtig reinsteigern konnte. Deshalb versuchte ich sie zu beruhigen.
„Tanja hat uns doch heute Morgen erst Ledum gegeben. Und uns zusätzlich noch mit diesem grünen, stinkenden Zeug eingerieben. Das sollte ein paar Tage jede Zecke von uns abhalten. Aber sag mal…“
Wo ich gerade von Tanja sprach. Lara hatte doch diesen besonderen telepathischen Draht zu unserem Frauchen. Die Beiden unterhielten sich oft miteinander über diese Tierkommunikation. Mit mir versucht Tanja auch ab und zu über unsere Gedanken zu sprechen, doch so gut wie mit Lara klappt es bei mir nicht.
„Konntest du denn Tanja schon erreichen?“ wollte ich wissen denn ich wusste, dass Lara heute schon mehrmals versucht hatte mit unserem Frauchen zu kommunizieren. Aber aus irgendeinem Grund hatte es nicht geklappt.
Lara gab mir keine Antwort, denn sie war damit beschäftigt, ein dichtes Gebüsch zu durchdringen, das uns den Weg versperrte. Dazu benutzte sie ihr Gebiss um die Zweige auseinanderzureißen oder besonders störrische zu zerbeißen. Ich half ihr dabei und nach einer Weile hatten wir es geschafft. Vor uns lag eine Straße.
Wir schüttelten uns beide erst einmal gründlich, so dass aus unserem Fell all die darin hängenden Blätter, kleinen Zweige, Tannennadel und natürlich besonders die Zecken herausgeschleudert wurden. Dann setzten wir uns in das halbhohe Gras, das die Straße säumte.
Lara hatte meine Frage nicht vergessen und gab mir jetzt Antwort: „Nein, ich konnte Tanja noch nicht erreichen aber ich werde es später nochmals versuchen. Du weißt ja, es klappt am besten, wenn man Ruhe hat und das war ja die ganze Zeit nicht der Fall. Vermutlich sind Tanja und Felix ebenso aufgeregt wie wir. Ich werde es nochmal versuchen sobald wir einen Platz gefunden haben, wo wir schlafen können. Es wird schon langsam dunkel und ich möchte auf keinen Fall hier mitten im Niemandsland unter freiem Himmel nächtigen. Wer weiß, was es hier für Tiere gibt.“
„Naja, Bären und Wölfe wird es nicht geben“, versuchte ich sie zu beruhigen. Wobei ich mir selbst insgeheim Sorgen machte. Denn die Straße, die vor uns lag, schien aus dem Nichts zu kommen und auch ins Nichts zu führen. Besonders oft befahren wurde sie anscheinend auch nicht, denn so lange wir hier hockten, war noch kein Auto an uns vorbei gekommen.
„Ich will jedenfalls nicht im Freien übernachten.“ Lara klang kategorisch. Sie stand auf und ging nahe an den Straßenrand von wo aus sie lange erst in die eine, dann in die andere Richtung witterte.
„Wir laufen hier entlang“, bestimmte sie und lief auch gleich los. Ich trottete ihr hinterher. Da wir nicht wussten wo die nächsten menschlichen Behausungen waren war es schließlich egal, in welche Richtung wir uns hielten.
Immerhin hatte Lara den Weg eingeschlagen der leicht abwärts führte, anscheinend hatte sie auch keine Lust den Hügel hinauf zu latschen. Mein Magen knurrte und ich hatte Durst. Es regnete schon eine Weile nicht mehr, was uns gar nicht aufgefallen war. Endlich fanden wir eine Kuhle in der sich Regenwasser angesammelt hatte, es war klar und frisch. Wir tranken beide so viel wie nur ging, denn wir wussten ja nicht wann wir wieder Wasser finden würden.
Mir war zum Heulen zu Mute und vermutlich ging es Lara ebenso. Doch keiner traute sich es dem anderen zu gestehen. Deshalb trabten wir schweigend weiter bergab. Noch immer war uns kein Auto begegnet, die Gegend schien wirklich verlassen zu sein. Wo waren wir nur gelandet?
„Schau mal, da drüben ist ein Bauernhof oder etwas ähnliches“, unterbrach Lara meine trüben Überlegungen. Wir blieben stehen und starrten auf ein paar Dächer, die etwas entfernt über den Wiesen aufragten.
„Was meinst du, sind das Wohnhäuser oder alte Ställe und Scheunen?“ Lara klang ratlos. Sie witterte in die Richtung um vielleicht den Geruch von Menschen einzufangen.
„Ich meine ich rieche Rauch. Kannst du es nicht riechen?“
„Nö“, sagte ich. „Aber da ist doch Licht. Dann muss da auch jemand wohnen. Vielleicht sollten wir einfach mal hingehen?“ „Auf jeden Fall, vielleicht gibt man uns ja etwas zu fressen. Aber wir werden nirgends reingehen, hörst du! Einmal eingesperrt werden reicht mir.“
Ich brummte zustimmend, das war auch ganz meine Meinung.
Wir liefen los um die Straße zu überqueren, doch kaum hatte ich einen Fuß auf den Asphalt gesetzt, da donnerte etwas heran und ich sprang erschrocken zurück. Ein LKW brauste so dicht an mir vorüber, dass ich fast vom Luftzug mitgerissen wurde. Dann war das Ungetüm an mir vorbei.
„Das war vielleicht knapp, was?“ fragte ich Lara, doch ich erhielt keine Antwort. Ich schaute mich um aber sie war nicht da. War sie etwa…?
„Lara“, heulte ich auf so laut ich konnte. Hektisch schaute ich die Straße rauf und runter. In Sekundenbruchteilen lief eine Szene in meinem Kopf ab, in der Lara von dem LKW mitgerissen wurde. Noch einmal heulte ich los. „Lara!“
Ich schaute über die Straße und sah wie sich etwas Weißes aus dem Gras am Randstreifen aufrappelte. Dann schaute sie zu mir herüber, mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen.
„Ich bin hier, hier hüben.“ Ihre Stimme klang seltsam dünn. Doch immerhin konnte sie sprechen. Ich machte mich sofort auf den Weg über die Straße, jedoch nicht ohne vorher in beide Richtungen geschaut zu haben. Aber es war weit und breit kein Fahrzeug zu sehen. Ich spurtete los und stand dann neben meiner Gefährtin. Sie stand auf allen vier Beinen und schien nicht verletzt zu sein. Dennoch schnüffelte ich sie besorgt von vorn bis hinten ab. Blut konnte ich keines riechen, Anubis sei Dank.
„Ich bin in Ordnung, hab mich bloß furchtbar erschrocken, als dieses Ungetüm so nah an mir vorbeirauschte. Zum Glück hatte ich es schon halb über die Straße geschafft. Dann hat mich ein Windstoß erfasst und ich landete hier im Graben. Aber was ist mit dir, bist du auch ok?“
Ich erklärte ihr wie es mir ergangen war, dann meinte ich kopfschüttelnd: „Da kommt die ganze Zeit kein einziges Auto, und sobald wir loslaufen, werden wir beide fast überfahren. Ich denke, wir sollten uns schleunigst ein sicheres Lager für die Nacht suchen. Mein Bedarf an Abenteuern ist für heute gedeckt.“
„Na, wir wollten doch zu dem Bauernhof laufen. Vielleicht finden wir in einem der Ställe Unterschlupf, oder sogar was zum Fressen. Ich hab so einen Hunger.“
Sie klang schon wieder recht resolut so dass ich nicht widersprach, obwohl es mir nicht gerade gefiel was sie vorhatte. Wir liefen jetzt querfeldein, das war der kürzeste Weg zu dem Bauernhof. Auf dieser Straßenseite gab es Wiesen, die in Felder übergingen und dahinter lag der Hof. Als wir näherkamen konnten wir Ställe und Koppeln erkennen und dazwischen ein schäbiges Wohnhaus, aus dessen Schornstein Rauch quoll. Lara hatte also recht gehabt, als sie meinte Rauch zu riechen.
Plötzlich drang das Bellen eines Hundes in unsere Ohren und wir blieben erst einmal stehen um zu schauen, wo er war. Ich wusste von meinen Einsätzen mit unserer MfTN-Organisation, dass Wachhunde nicht immer freundlich zu ihren Artgenossen waren. Dem tiefen Bellen nach war es ein großer Hund, der den Bauernhof bewachte. Ich hatte keine Lust heute auch noch in eine Rauferei zu geraten.
„Ach was, der tut uns schon nichts“, wiegelte Lara ab, als ich ihr meine Befürchtung kundtat. „Das ist ein Rüde, das hör ich an der Stimme. Den wickle ich um die Pfote.“
Ich verdrehte die Augen. Ja, so war sie meine Lara. Sie war sich sicher mit ihrem Charme könne sie jeden Hund, zumindest die männlichen, becircen. Nun ja, musste ich mir eingestehen, bisher war ihr das auch immer gelungen. Also folgte ich ihr mit einem leisen Seufzer.
Lara deutete mit dem Kopf in die Richtung, wo die Ställe aufhörten und ich folgte ihrem Blick.
„Da ist der Hund, dort neben dem zerfallenen Schuppen. Sieht so aus als sei er angebunden. Eigentlich dachte ich, das sei verboten. Hast du mir nicht mal sowas erzählt?“
Das hatte ich allerdings, denn als Hund der in einer Tierschutzorganisation arbeitet muss man sowas wissen. Ich wusste aber auch dass es immer noch Leute gab, die sich nicht daran hielten und ihre Hunde an Ketten oder in Zwingern hielten.
„Vielleicht sollten wir doch nicht hingehen“, versuchte ich Lara umzustimmen. Menschen die ihren Hund an der Kette hielten waren bestimmt nicht so freundlich, zwei dahergelaufenen Hunden eine Mahlzeit und ein trockenes Plätzchen für die Nacht anzubieten. Am Ende waren sie uns sogar feindlich gesinnt und jagten uns davon. Oder noch Schlimmeres…
„Ach papperlapapp, du bist heute ein richtiger Hasenfuß“, war Laras lakonische Antwort auf meine Befürchtungen. „Ich hab dir doch gesagt, wir gehen nirgends wo rein und kommen den Menschen auch nicht zu nahe. Was soll uns da schon passieren?“
Mir wäre eine ganze Menge eingefallen, doch ich hielt verstimmt die Schnauze. Meine Gefährtin war sowieso bereits weitergegangen, mir blieb nur ihr zu folgen.
Als wir näher kamen bemerkte uns der Kettenhund und fing zu bellen an. Er klang richtig böse und tobte an seiner Kette.
„Der macht ja alles rebellisch“, unkte ich. „Gleich werden seine Leute erscheinen und uns zum Teufel jagen. Ich sag dir, das wird nix mit einer Mahlzeit und einem Schlafplatz. Den Weg hätten wir uns sparen können.“
Wie zur Bestätigung flog die Tür des Bauernhauses auf und ein älterer Mann kam heraus. Er war einen misstrauischen Blick in die Runde, doch da wir uns schnell flach auf den Boden legten sah er uns nicht. Wütend hob er die Faust drohend in die Richtung seines Hundes und schrie ihn an. Woraufhin sich der Kettenhund duckte und den Kopf abwandte. Kein Zweifel, er hatte Angst vor seinem Besitzer. Was mir insgeheim meine Ahnung bestätigte, dass wir hier auf keinen Fall willkommen wären.
Selbst Lara neben mir schien nachdenklich zu werden. Doch anders als ich dachte kam ihr etwas anderes komisch vor.
„Hast du das mitbekommen?“ fragte sie mich, wartete aber keine Antwort ab. „Die Sprache klingt ganz anders als die bei uns zuhause. Ich habe kein Wort verstanden.“
„Nun, äh, ich auch nicht. Aber ich habe auch nicht so genau zugehört, was der Mann sagte. Sein Tonfall war jedenfalls unmissverständlich. Wir sollten von hier verschwinden, wenn der Hund dort erneut zu bellen anfängt, bekommt er vielleicht noch Prügel.“
Das wollte Lara natürlich auch nicht, dennoch gab sie nicht so schnell auf. „Ich lauf erst mal allein zu dem Hund“, schlug sie vor. „Er ist ein Rüde und wird mir schon nicht übel gesonnen sein. Sobald ich mit ihm gesprochen habe kommst du dann nach. Okay?“
Bevor ich antworten konnte rannte sie schon los, direkt auf den Hund zu. Er schaute ihr entgegen, bellte aber nicht. Dann war sie bei ihm und plänkelte ein paar Sekunden mit ihm herum, so dass er sich von ihrer Harmlosigkeit überzeugen konnte.
In mir keimte leise Eifersucht auf, obwohl ich wusste dass Lara nur mich liebt und kein Interesse an anderen Rüden hat. Immerhin ging ihre Taktik voll auf, der Kettenhund blieb ruhig, auch als ich zu den Beiden stieß.
Ich begrüßte den Artgenossen respektvoll, wie es sich gehört, wenn man das Revier eines fremden Hundes betritt. Auch wenn dieses Revier nur so groß war, wie die Kette reichte.
Der Hofhund war schon recht alt und entgegen seinem wütenden Gebell von vorher überglücklich, dass wir ihm Gesellschaft leisteten. Nach der Begrüßung zeigte er uns seinen Unterschlupf, der sich einem halb zerfallenen Bretterverschlag befand. Darin hatte er ein einfaches Strohbett und eine uralte, zerlumpte Decke.
„Nun ja, besser als im Freien zu schlafen“, bemerkte Lara leise zu mir als sie sich umsah. Sie rümpfte ein bisschen die Nase und fragte. „Aber reicht der Platz für uns drei?“
„Ach, wenn wir uns ein bisschen zusammenkuscheln wird es reichen“, meinte der Hund. Was Besseres hab ich nicht aber ich bin ganz zufrieden damit. Ich bin froh, dass mich mein Herr noch hier duldet. In meinem Alter ist das nicht selbstverständlich. Als ich als junger Hund hier herkam, gab es schon einen älteren Hofhund, der mich anlernte. Nachdem ich groß genug war, hat ihn der alte Bauer von der Kette genommen und vom Hof gejagt. Er strich noch einige Zeit hier herum, traute sich aber nicht mehr nahe heran. Er wurde immer magerer und eines Tages lag er morgens tot in der Einfahrt.“
Das ist ja schrecklich“, entfuhr es mir. Ich schaute ihn unsicher an. „Meinst du, man wird dich eines Tages auch fortjagen?“
„Ich weiß es nicht“, meinte er seltsam ungerührt.
„Wenn sie eines Tages einen jungen Hund herbringen, werden meine Tage wohl gezählt sein. Aber noch ist es nicht soweit…“ „Sag mal, zu essen gibt es hier wohl nichts für uns“, unterbrach Lara das Gespräch, bevor es zu empathisch wurde.
Der Hofhund lachte rau auf.
„Nein, tut mir Leid, damit kann ich euch nicht dienen. Es reicht immer gerade so, dass mir nicht ständig der Magen knurrt. Meine Leute sind der Meinung, ein satter Hund würde nicht richtig aufpassen. Zudem seid ihr bestimmt etwas Besseres gewohnt als eingeweichtes Brot und Essensreste.“
„Naja, Brot wär gar nicht so schlecht“, warf ich ein. „Das macht wenigstens satt. Ich habe so einen Hunger.“
Lara rümpfte erneut die Nase. Für sie war Brot nur dann akzeptabel, wenn es dick mit Leberwurst bestrichen war.
„Na, wenn ihr Brot fressen wollt, so kann ich euch einen Tipp geben. Davon liegt immer reichlich am Fenster des Schweinestalls, damit es trocknet. Die Frau arbeitet in einer Bäckerei und bringt am Wochenende immer das alte Brot mit, das nicht verkauft wurde. Es wird dann an die Schweine und Hühner verfüttert. Leider kann ich selbst nicht hin, da meine Kette nicht so weit reicht. Aber für euch dürfte das kein Problem sein.“
Der alte Hund leckte sich die Schnauze, bei dem Gedanken an eine zusätzliche Mahlzeit.
„Meinst du, wir können das holen, ohne gesehen zu werden?“ wollte ich wissen. Er nickte.
„Klar, ist ja gerade nebenan. Und das Fenster ist nicht besonders hoch, da kommt ihr hin ohne euch strecken zu müssen.“
Bevor Lara und ich uns zur Mission Brotklau aufmachten, checkten wir erst vorsichtig die Lage. Es war inzwischen dunkel geworden und nieselte auch wieder leicht. Ein Blick zu den Fenstern des Bauernhauses sagte uns jedoch, dass von dort keine Gefahr der Entdeckung drohte. Die Vorhänge waren alle zugezogen. Also schlichen Lara und ich los zum Schweinestall und fanden auch auf Anhieb das Brot auf besagtem Fenstersims. Dort lagen einige runde Laibe. Wir packten uns jeder einen und trugen ihn zu dem Unterschlupf. Dann schlich ich nochmals los um noch einen Laib zu stibitzen. Und während draußen der Himmel seine Schleusen öffnete, saßen wir trocken auf der alten Decke und taten uns an dem alten Brot gütlich.
Wenn man richtig hungrig war schmeckte es gar nicht mal so schlecht, das musste schließlich sogar Lara zugeben. Nach dem Mahl kuschelten wir alle drei näher zusammen. Der alte Kettenhund, der übrigens keinen Namen hatte, verbrachte die Nacht satt und zufrieden wie nie zuvor.
Es war noch nicht richtig hell als uns lautes Krähen weckte. Ich hob erschrocken den Kopf und Lara ebenso. Krähende Hähne gibt es bei uns nicht mehr, höchstens noch in Kleintierzuchtvereinen. Dieser Hahn war uns allerdings ganz nahe.
Das brachte uns schnell ins Bewusstsein zurüc, dass wir sehr, sehr weit von zu Hause weg waren.
Der alte Hofhund streckte sich ächzend und schaute uns an.
„Ihr müsst euch beeilen, wenn ihr dem Bauern nicht über den Weg laufen wollt. Er steht auf, sobald der Hahn kräht.“
Er blickte uns traurig an. „Ich habe mir lange überlegt ob ich mit euch gehen soll, doch ich fürchte ich bin zu alt um mich noch mal auf solch ein Abenteuer einzulassen. Wenn ich Glück habe darf ich auf dem Hof bleiben solange ich lebe, der junge Bauer ist nicht ganz so hartherzig wie es der alte war.“
Wir hatten ihm angeboten, dass er mit uns kommen könne, auf unserem Weg nach Hause. Es wäre ein leichtes gewesen sein Halsband, das aus einem alten Strick bestand, durchzubeißen. Dann wäre er frei gewesen. Allerdings konnten wir ihm nicht sagen wie weit wir laufen mussten, um wieder nach Hause zu kommen. Das wussten wir ja selbst nicht. Deshalb konnte ich seine Entscheidung verstehen.