Mein schottischer Held - Die Highlander-Lords: Zweiter Roman - Veronica Wolff - E-Book
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Mein schottischer Held - Die Highlander-Lords: Zweiter Roman E-Book

Veronica Wolff

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Beschreibung

Wer „Outlander“ mag, wird „Mein schottischer Held“ lieben: der zweite Roman der Highlander-Lords-Saga von Veronica Wolff jetzt als eBook bei dotbooks. Was für ein Mann! Die New Yorker Kunstexpertin Magda ist hingerissen, als sie zum ersten Mal das Porträt von James Graham sieht: Der legendäre erste Marquis von Montrose gehörte im 17. Jahrhundert zu den bekanntesten Kämpfern der schottischen Highlands. Hingebungsvoll nimmt sie sich der Restaurierung des Gemäldes an – und kann nicht fassen, dass sie sich plötzlich in der längst vergangenen Zeit wiederfindet … noch dazu im Schlafgemach des Marquis! Gegen ihren Willen verliebt sie sich in den ebenso charmanten wie willensstarken James, doch über ihrem Glück liegt ein Schatten: Magda weiß, dass ein dunkles Schicksal auf ihn wartet. Und nichts und niemand kann den unerbittlichen Lauf der Geschichte ändern … oder? Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Mein schottischer Held“ von Romance-Autorin Veronica Wolff verbindet den Schmelz eines großen historischen Liebesromans mit dem besonderen Zauber, den Zeitreisegeschichten entfalten. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 555

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Über dieses Buch:

Was für ein Mann! Die New Yorker Kunstexpertin Magda ist hingerissen, als sie zum ersten Mal das Porträt von James Graham sieht: Der legendäre erste Marquis von Montrose gehörte im 17. Jahrhundert zu den bekanntesten Kämpfern der schottischen Highlands. Hingebungsvoll nimmt sie sich der Restaurierung des Gemäldes an – und kann nicht fassen, dass sie sich plötzlich in der längst vergangenen Zeit wiederfindet … noch dazu im Schlafgemach des Marquis! Gegen ihren Willen verliebt sie sich in den ebenso charmanten wie willensstarken James, doch über ihrem Glück liegt ein Schatten: Magda weiß, dass ein dunkles Schicksal auf ihn wartet. Und nichts und niemand kann den unerbittlichen Lauf der Geschichte ändern … oder?

Über die Autorin:

Die preisgekrönte Bestsellerautorin Veronica Wolff hat bereits in Texas, auf Hawaii und in Indien gelebt, bevor sie sich mit ihrer Familie im nördlichen Kalifornien niederließ. Sie liebt Pizza mit Peperoni und Oliven, Snowboarding und die Vielseitigkeit des Romance-Genres, in dem sie sich historischen Liebesromanen und Zeitreisegeschichten ebenso widmet wie zeitgenössischen Themen und Büchern für junge Erwachsene.

Die Autorin im Internet: www.veronicawolff.com und www.facebook.com/VeronicaWolffFanPage

Bei venusbooks veröffentlichte Veronica Wolff zwei Romane ihrer Highlander-Lords-Saga, die unabhängig voneinander gelesen werden können: Mein schottischer Ritter und Mein schottischer Held.

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eBook-Neuausgabe Juni 2018

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel Sword of the Highlands bei The Berkley Publishing Group, a member of Penguin Group (USA) Inc.

Copyright © der Originalausgabe 2008 by Veronica Wolff

Copyright der deutschsprachigen Erstausgabe © 2009 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg

Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2018 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Die Übersetzung des Gedichtauszugs »Soll meine Feder ehren dich …« wurde entnommen aus Christoph Stempel, »Montrose – Wahrheit sucht keine Winkelzüge«, Norderstedt 2008

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Chirtsova Natalia und shutterstock/emperorcosar

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-95885-626-4

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

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Veronica Wolff

Mein schottischer Held

Roman

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Heinz Tophinke

venusbooks

Für meine Mutter,die sich um aufgeschürfte Knie ebenso kümmert wie um Romanhandlungen – und beides mit gleichem Nachdruck.

In liebendem Gedenken an meine teure Freundin Anna Livia Brawn.

Wer sein Los zu sehr fürchtetOder wessen Verdienste zu gering sind,Der wagt es nicht, das Risiko einzugehen,Alles zu gewinnen oder zu verlieren.

James Graham,fünfter Earl und erster Marquis von Montrose

Kapitel 1

Aus dem Spiegel im Badezimmer starrte Magda das Bild ihres Bruders an. Sie beugte sich nach vorn. Obwohl Peter erst seit einem Jahr tot war, fiel es ihr schwer, sich ihn vor ihrem inneren Auge vorzustellen. Wenn sie jedoch ihr Spiegelbild betrachtete, konnte sie sich sein Gesicht ins Gedächtnis rufen, sich an seine Züge nach und nach besser erinnern. Sie hatten einander sehr ähnlich gesehen, dieselbe breite Stirn, derselbe volle Mund. Und sein Haar konnte sie sich gut vorstellen: rot, aber um einiges heller als ihr eigenes, und glatt und glänzend wie Kupfer.

Magda trat vom Waschbecken zurück und richtete sich auf. Auch das war wie bei Pete – die aufrechte Haltung, passend zur aristokratischen Nase.

Das Klingeln des Telefons holte sie in die Gegenwart zurück. In letzter Zeit wurden Augenblicke wie dieser, in denen sie plötzlich den Kummer wieder spürte, seltener, doch wenn sie kamen, ließ sie den Schmerz mit all seiner Kraft zu. Sie wollte ihn herauslassen, immer wieder neu betrachten, sehen, wie er sich womöglich verändert hatte.

»Hey, Magda«, meldete sich Walters Stimme blechern vom Anrufbeantworter. »Bist du zu Hause? Na komm, geh dran, ich weiß doch, dass du da bist.«

Es entstand eine gespenstische Pause, und Magda hörte sich unwirsch »Ich komme ja schon!« murmeln, auch wenn ihr Chef sie natürlich nicht hören konnte. Sie lebte nun bereits geraume Zeit allein und ertappte sich ab und zu dabei, wie sie in ihrem Apartment vor sich selbst hingrummelte. Vermutlich war es das, was die Leute dann irgendwann dazu brachte, sich eine Katze anzuschaffen, mutmaßte sie.

»Hallo Walter.« Den Hörer zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt, griff sie im Badezimmer nach ihrer Haarbürste. »Ja, ich bin dran.«

In ihrer kleinen Wohnung in Manhattan stellte das altmodische, an der Küchenwand befestigte Telefon mit dem langen Korkenzieherkabel kein Problem dar, denn drei der vier Wände konnte sie auch mit dem Hörer am Ohr erreichen. Ihre Eltern ärgerten sich umsonst darüber, dass Magda in so einem winzigen Studio wohnte. Denn sie lebte gerne so bescheiden, auch wenn sie sich sagte, dass sie schon deshalb nicht ausziehen wollte, damit sie es ihrer reichen Familie irgendwie zeigen konnte.

»Ich brauche dich hier im Museum.« Walter war wie immer kurz angebunden. Sein starker Long-Island-Akzent und die von jahrzehntelangem Rauchen kratzige Stimme wollten nicht recht zu seiner hohen Position am Metropolitan Museum of Art passen.

»Das sagst du immer, Walter. Bitte. Heute ist Samstag.« Sie zog die Bürste durch ihr langes Haar. »Ich habe gestern zwölf Stunden geschuftet, falls du es schon vergessen haben solltest. Und entgegen anders lautenden Gerüchten habe ich durchaus ein Leben außerhalb des Museums.« Ihr Blick schweifte durch den Raum, fiel auf die Morgenzeitung, den Rest lauwarmen Kaffees in ihrer Tasse, den Stapel längst fälliger Bücher aus der Bibliothek und einen Haufen Wäsche für die Reinigung. »Mehr oder weniger zumindest.«

»Ja, das sagst du mir auch immer. Aber pass auf, wir haben eine anonyme Hinterlassenschaft reinbekommen, und es sind ein paar hervorragende Stücke dabei, die perfekt sind für die neue Ausstellung über Landschaftsmalerei. Ich brauche dich nur, damit du mir diese Wahnsinnsbilder reinigst, also sei doch so nett und bewege deinen hübschen Hintern hierher, so schnell es geht.«

»Aber Walter …«, protestierte Magda schwach. Wieder wanderte ihr Blick durch das Apartment. Plötzlich war Peter überall. Sie legte die Bürste beiseite, kauerte sich auf die kleine Couch und versuchte, ihren Bruder aus ihren Gedanken zu verdrängen. Doch sie konnte es sich so richtig vorstellen – wie er sich auf diese Couch lümmelte, einen seiner gemeinen Witze über die »scheußlichen« rosa und grünlichen Blumen darauf machte und sie seine Schuhe von den Polstern schob.

Sie drückte eines der seidenen Kissen an sich. »Walter, die Ausstellung über Landschaftsmalerei ist fertig. Da ist nicht mehr ein Zentimeter an Platz übrig. Außerdem dauert es Wochen, ein Gemälde zu restaurieren. Ich meine, du sprichst doch von Ölbildern, richtig?«

»Mach dir nicht so große Gedanken. Es sind alles Ölbilder, ja, aber sie wurden vor Kurzem erst restauriert. Du wirst also nicht mehr viel Arbeit damit haben.«

Sie war drauf und dran nachzugeben, doch dann dachte sie daran, dass sie sowieso immer die Letzte war, die das Museum abends verließ. Und die Einzige, die auch am Wochenende hinging. Seit Peters Tod hatte sie sich kopfüber in Arbeit gestürzt. Deshalb rief Walter bei derartigen Notfällen immer nur bei ihr an. Weil Magda die Einzige war, die darauf einging.

Doch der bohrende Schmerz und die Fassungslosigkeit, die sie nach dem Unfall gelähmt hatten, begannen nachzulassen. Es war, als sei ein wichtiger Teil von ihr taub geworden, wie ein abgestorbenes Glied, von dem sie zwar wusste, dass es zu ihr gehörte, das sie aber nicht bewegen konnte. Sie hatte angefangen, sich zu fragen, was das ständige Arbeiten eigentlich sollte. Warum sie sich immer so viel Mühe machte. »Nein, Walter.« Magda war über ihre vehemente Erwiderung selbst überrascht.

»Ach, nun komm schon, Kleine«, insistierte er. »Die Bilder sind doch schon prima in Schuss. Hol jetzt einfach dein Werkzeug, und dann treffen wir uns hier.«

Wieder sah sie sich um. Sie hatte gelernt, die Erinnerung an ihren Bruder zu verdrängen, doch heute Morgen waren die Gedanken unaufhaltsam wieder aufgetaucht. Da war er nun wieder: Sie konnte ihn fast sehen, wie er in ihrem Kühlschrank herumkramte. Oder seinen zu starken Kaffee machte und mit dem Kaffeesatz die Anrichte versaute, so dass sie hinter ihm herwischen musste. Sein Sommersprossengesicht, das sich zu einem entschuldigenden Grinsen verzog …

Die Aussicht auf ein weiteres langes, einsames Wochenende ängstigte Magda. Ein weiteres Wochenende, an dem sie zusah, wie die Minuten verstrichen, um sich schließlich am Montagmorgen wieder in ihre Arbeit zu flüchten.

»Also gut.« Sie versuchte nicht einmal, den Ton der Niederlage in ihrer Stimme zu verbergen. »Ich komme.«

»Du bist ein Schatz!« Walters Gönnerhaftigkeit hätte noch herablassender gewirkt, wenn er gleich nach Peters Tod nicht so sensibel gewesen wäre. Er hatte Magda behandelt wie der liebe Onkel, den sie nie gehabt hatte. Aber von liebenswürdig und vertraulich zu anmaßend und dünkelhaft war es oft nur ein kleiner Schritt.

»Dann sehen wir uns in … dreißig Minuten?«, fügte er hinzu.

»Dreißig!?« Magda ließ das Kissen in ihrem Arm kampfbereit in ihren Schoß plumpsen.

Ihr Chef schwieg. »Okay, Walter.« Innerlich fluchte sie auf ihn. Es war nicht das erste Mal, dass er einfach nichts sagte, um sie zu etwas zu bringen, das sie eigentlich gar nicht tun wollte. »Dann in dreißig Minuten.«

Vor sich hin murrend schlurfte Magda in ihre Miniküche. »Wir haben diese Ausstellung schon vor Wochen fertig gemacht. Was will dieser Typ eigentlich? Ich meine, er kann doch nicht erwarten, dass ich etwas in achtundvierzig Stunden zum Hängen fertig mache!«

Einen Augenblick lang stand sie da und ließ ihre Wut abflauen, dann knallte sie den Hörer auf die Gabel. Zorn lag in ihrer Stimme, als sie laut zu überlegen anfing. »Geht es um Schimmel, Verfärbungen, Firnis, Schmutz, abblätternde Farbe? Sind die Bilder auf Leinwand oder auf Holz gemalt? Und er soll sich gefälligst damit zufrieden geben, sie bloß gereinigt zu bekommen und nicht restauriert!« Bei diesem Gedanken bekam sie vor Schreck große Augen. Schon kleinste Ausbesserungen konnten Tage in Anspruch nehmen.

Früher hatte sie aus Ehrgeiz hart gearbeitet. Sie hatte den Anspruch gehabt, ein so großartiges Leben zu führen wie ihre Eltern. Allerdings hatte sie sich vorgenommen, dieses Ziel ausschließlich mit harter Arbeit zu erreichen und nicht mit Hilfe ihres Nachnamens oder ihres Vermögens.

Wäre sie nur mit Peter gefahren, an jenem Wochenende, an dem es passierte. Vielleicht hätte sie seinen Unfall verhindern und Peter irgendwie retten können. Aber stattdessen hatte sie gearbeitet, und auch jetzt klammerte sie sich an ihren Job, um die Verzweiflung abzuwehren. Die Tage mit routinemäßiger Aktivität zu füllen, war das Beste, um ihren Bruder aus ihren Gedanken zu verbannen.

Magda atmete tief durch, um sich zu sammeln, straffte die Schultern, warf das lange, rote Haar zurück und strich ihr schlichtes Baumwollkleid glatt. So zwängte sie ihren Schmerz tief in sich hinein und streifte sich ihre berufliche Rolle über wie den Schellack, den sie auf ihre Gemälde auftrug.

Sie schlüpfte in ihre Sandalen und war schon auf halbem Weg zur Tür hinaus, als plötzlich der Anflug eines Lächelns auf ihren Zügen erschien. Flugs ging sie noch einmal zurück in die Küche und erschien dann wieder an der Tür, einen Laib Brot unter den Arm geklemmt.

Das riesige Plakat täuschte Magda. Obwohl ihr Taxi noch einige Blocks vom Museum entfernt war, konnte man bereits die Ankündigung über dem Haupteingang sehen: Auf der Suche nach Arkadien. Idyllische Malerei des siebzehnten Jahrhunderts.

»Sie können hier anhalten.« Magda holte einen zerknitterten Zehn-Dollar-Schein aus ihrer Handtasche und hielt ihn dem Fahrer hin. »Den Rest gehe ich zu Fuß.«

Mit ihrem Werkzeugkasten und dem mittlerweile etwas zerknautschten Brot marschierte sie die Fifth Avenue hinunter, und allmählich verflog ihr Ärger über Walter und machte einer Freude auf die Schätze Platz, die sie im Museum erwarten würden.

Als Tochter reicher Eltern hatte sie sich den Luxus leisten können, Kunst zu studieren, doch gegen das damit verbundene Klischee hatte sie sich immer gesträubt. Schon früh hatte sie beschlossen, mehr sein zu wollen als das kleine reiche Mädchen, das sich mit teuren Antiquitäten auskannte, und dafür gesorgt, dass jeder sie für eine ernst zu nehmende Wissenschaftlerin hielt.

Zu Beginn ihrer Arbeit als wissenschaftliche Fachkraft für europäische Kunst hatten einige ihrer Kollegen die Nase gerümpft über das Mädchen, das seines berühmten Nachnamens wegen angestellt worden war. Welches Museum hätte schon einem Sprössling aus einer wohlhabenden und spendenfreudigen Familie Manhattans eine Absage erteilt? Und aus eben diesem Grund hatte Magdalen Deacon es sich zur Aufgabe gemacht, die Beste der Besten zu sein, wenn es um die Beurteilung und die Restaurierung alter Gemälde ging.

Sie benutzte einen Seiteneingang, um dem für Samstagvormittage typischen Besucherandrang zu entgehen. Die Hitze des Sommers in Manhattan war bedrückend genug; wenn Magda die Wahl hatte, dann mied sie Menschenansammlungen und Gedränge. Stattdessen genoss sie die Kühle, die in diesem kahlen, fensterlosen Seitenflur von der Klimaanlage verbreitet wurde, schaltete das Licht an und schritt eine Treppe hinunter in einen Korridor, in dem sich eine Restaurationswerkstatt an die nächste reihte. Während der Woche ging es hier geschäftig zu wie in einem Bienenstock. Hinter jeder Tür wurde konzentriert gearbeitet. Nun aber glich der Gang eher einem Tunnel, und die Fliesen, die während der regulären Arbeitszeit weiß glänzten, schimmerten nun grau im Licht einer einzigen Reihe summender Leuchtstoffröhren.

Als Magda den nur Mitarbeitern zugänglichen Bereich zum ersten Mal aufsuchte, war sie erstaunt gewesen über die unglaublich vielen Räume im »Bauch« des Museums. In einigen waren nicht zueinander passende Skulpturen zusammengestellt wie auf einem Flohmarkt für Millionäre, in anderen kam man sich vor wie im Tresorkeller einer Bank. Hier wurden unter klimatisch exakt kontrollierten Bedingungen in Schubladen Gemälde und Zeichnungen aufbewahrt. Ihr Lieblingsraum war jedoch das Bilderarchiv, wo Hunderte kostbarer Werke auf Ständern hingen, sodass man sie fast wie die Poster im Museumsladen durchsehen konnte.

»Vielen Dank, Kleine.« Walters Stimme ließ Magda aufschrecken. Dann musste sie ein wenig über sich selbst lächeln. Wenn sie von so viel Kunst umgeben war, hatte sie immer einen gewissen Hang zu einer etwas übertriebenen Fantasie. Die menschenleeren Räume und das trübe Licht verstärkten diese Tendenz eher noch.

»Kein Problem«, erwiderte sie und merkte, dass sie es auch tatsächlich so meinte. Nun, da sie schon einmal hier war, war es wirklich kein Problem mehr. Sie war sogar neugierig darauf, die Bilder zu sehen, deretwegen Walter sie hatte kommen lassen, um die Stücke für eine bereits fertige Ausstellung noch einer oberflächlichen Reinigung zu unterziehen.

»Sie sind hier drinnen.«

Er ging die Dutzenden Schlüssel an seinem Gürtel durch. Das unterschied ihn von anderen Kuratoren, die normalerweise nicht Ketten mit dicken Schlüsselbunden herumtrugen, die eher an einen Hausmeister erinnerten. »Sie sind letzte Nacht per Kurier gekommen, eine anonyme Hinterlassenschaft. Alles Stücke aus Schottland, das ist doch ziemlich ungewöhnlich.«

Walter suchte nach dem Lichtschalter an der Wand. »Ehrlich gesagt ist mir ihre Herkunft schnurzegal«, fuhr er fort, »sie sind einfach nur perfekt für die Ausstellung. Denn die flämischen Gemälde kommen mir allmählich schon aus den Ohren raus, wohingegen wir, was Großbritannien angeht, eher mager bestückt sind. Ich sehe hier sogar ein paar schottische Highlands, und das ist für diese Zeit etwas völlig Neues.«

Das Licht ging an, und Magda stockte sofort der Atem. Auf dem Tisch lagen Dutzende von Landschaftsminiaturen, jede mit einem romantischen Panorama: Seestücke mit dem Himmel in satten Blautönen, bäuerliche Landschaftsidyllen mit Schäfchen, sturmumwölkte Burgen, purpurfarbene Moor- und Heidelandschaften, smaragdgrüne, regennasse Täler.

»Bekomm mir nicht gleich einen Herzinfarkt, Kleine. Ich will nicht, dass du die alle reinigst. Nur zwei, die ich unbedingt haben muss. Außerdem«, fügte er dann hinzu und nahm eines der kleinen Bilder in die Hand, »sehen sie aus, als seien sie vor nicht allzu langer Zeit schon einmal restauriert worden.« Er hielt das Stück waagrecht vor die Augen, drehte es unter dem Licht und suchte die Oberfläche nach Mängeln ab. »Diese hier .solltest du dir unter UV-Licht ansehen. Ansonsten dürfte eine oberflächliche Reinigung ausreichen.«

Doch Magda hörte ihm nicht zu. Es war auch nicht die Zahl der Gemälde gewesen, die ihren Atem hatte stocken lassen. Vielmehr hatte ein Porträt sie in seinen Bann gezogen, das sich durch seine Lebendigkeit deutlich von den konventionellen Landschaften abhob. Es lehnte an der Rückwand des Raums – ein lebensgroß von der Hüfte aufwärts dargestellter Mann vor einem undurchdringlich schwarz scheinenden Hintergrund. Nur das Gesicht der Figur war in Farbe ausgeführt, und seine Züge schienen geradezu aus dem Dunkel aufzusteigen. Ein weißer Streifen verlief schräg über die linke Körperseite, als werde der Mann von unten angeleuchtet, wie das Flackern einer Kerze durch das Dunkel des Bildes, das den Brustpanzer der Gestalt in stumpfem Grau aufscheinen ließ.

Er sah gut aus, wenn auch nicht perfekt. Die Gesichtszüge waren fein, nur die Nase schien etwas zu groß und verlieh ihm ein starkes, maskulines Aussehen. Braunes Haar hing locker bis auf die Schultern und ließ ihn weniger ordentlich aussehen, als es bei dieser Art von Gemälden normalerweise der Fall war, als habe der Maler sein Modell mitten in einer Bewegung festgehalten. Die schwarzen Augen waren auf den Betrachter gerichtet und so lebendig gemalt, als würde der Mann gleich in ein schalkhaftes Grinsen ausbrechen. Und er hatte ein Charisma, das auf Magda wirkte wie ein Magnet.

»Hast du Hunger?«

Magda fuhr zusammen und blickte Walter an, als sähe sie ihn zum ersten Mal. »Was?«

»Du bist wirklich wie ein zerstreuter Professor, Kleines.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf das Brot unter ihrem Arm. »Machst du eine Kohlenhydratdiät oder so was?«

»Das da?« Magda blickte nach unten und schien wieder in die Realität zurückzukommen. »Nun ja, wir haben so wenig Zeit, da dachte ich, ich bringe gleich eine meiner besten Mogeleien mit.«

»Du machst Diät?«

»Wie? Nein, natürlich nicht. Das ist ein Trick, den ich benutze, für das Bild. Teig reinigt besser als jedes Lösungsmittel. Du drückst ihn zu einem Pfropfen zusammen und …«

»Okay, was auch immer, ich verstehe schon. Jetzt mach dich einfach ran. Und vergiss den Mister Universum da drüben. Du interessierst dich ausschließlich für diese beiden.« Walter zeigte auf zwei Landschaftsbilder, die dieselbe Highland-Szene zu unterschiedlichen Tageszeiten darstellten. »So etwas sieht man wahrhaftig nicht alle Tage, zumindest nicht aus der Zeit vor dem Impressionismus.«

»Walter, warte.« Magda stellte sich ihrem Chefin den Weg, als er den Raum verlassen wollte. »Wer ist denn dieser Typ da?«, fragte sie, den Blick wieder auf das Porträt gerichtet.

Er seufzte ungeduldig. »Du wirst dich wohl nicht wirklich auf deine Arbeit konzentrieren, bis du das weißt, wie?«

»Hm?« Sie sah ihn verwirrt an. »Wie war das?« – »Mag«, brummte Walter kopfschüttelnd. »Was tue ich nicht alles für dich.« Er stellte seinen Aktenkoffer ab und sah einen Stapel Papiere durch. »Ah ja. Da ist …« Er zog einen kleinen, gelben Notizzettel aus dem Stapel und las vor: »James Graham, erster Marquis von Montrose.«

»In Schottland gab es Marquis?«

»Tja, sieht so aus.« Er sah ihr an, dass sie noch mehr Informationen von ihm erwartete, und so zählte er ihr die einschlägigen Fakten auf. »Hier ist es … Adeliger, siebzehntes Jahrhundert … schottisch … gründete eine Gruppe namens Covenanters … irgend etwas mit König und Religion … aha …« Walter schwieg einen Moment.

»Was?«, fragte sie sofort ungeduldig. »Was soll dieses ›aha‹, Walter?«

»Sieht aus, als hätte er dann die Seite gewechselt … führte eine Schar Highlander in die Schlacht … Na, das muss ja ein Anblick gewesen sein, was?«

Magda starrte wütend ins Leere.

»Okay, sehen wir mal weiter.« Er kam rasch zum Ende. »Gefangen genommen, ins Gefängnis geworfen und hingerichtet in Edinburgh.«

»Das ist ja grässlich!«, rief Magda.

Walter sah sie etwas verwundert an. »Ja, würde ich auch sagen. So viel also zu deinem Mister Universum. Da kann man nur froh sein, dass man nicht im Schottland des siebzehnten Jahrhunderts lebt, was?« Er schloss seinen Aktenkoffer. »Nun aber los mit deinem Wunderbrot oder was immer das ist, und reinige mir meine Bilder.«

Leise fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

Kapitel 2

Im Jahre 1638

»Aber was ist mit Yvette?« Tom zupfte am schweißfeuchten Ärmel seines Kameraden und bemühte sich, mit dessen langen Schritten mitzuhalten. »Sie war ein wunderschönes Mädchen, mit ihrer porzellanfarbenen Haut.«

»Jaja«, stimmte James gut gelaunt zu und verlangsamte seinen Schritt, als er bemerkte, dass sein Freund außer Atem war. »Wirklich ein hübsches Mädchen – wenn ich auf der Suche nach einer Frau zum Heiraten wäre.«

»Und dieser französische accent, James, ohlàlà!« Tom tupfte sich die geröteten Wangen mit einem Taschentuch ab. »Wenn ich nur eine Familie hätte, die darauf brennt, eine schöne Jungfrau mit einem Adelstitel für mich zu finden. Mensch, Mann«, setzte er hinzu, »mach … doch langsamer!«

Am Parliament Square angekommen, hielt James Graham abrupt an. Mit einer gewohnheitsmäßigen Geste schlug er den Saum seines Mantels nach hinten, um den Säbelkorb des Schwerts an seiner Seite offenzulegen. James war ein hochgewachsener Mann. Die Morgensonne warf scharfe Schatten auf sein Gesicht, während sein Blick über die Menge schweifte, die sich rasch hier einfand.

»Und mit diesem französischen Mantel, den du da trägst.« Tom stellte sich schwer atmend neben ihn. »Wie kannst du da so eine hübsche Französin nicht als Braut haben wollen?«

»Wenn du so bezaubert von ihr bist, solltest du sie vielleicht selbst heiraten.« James musterte seinen Freund mit einem schelmischen Funkeln in den Augen. »Yvette ist eine aufblühende Knospe, aber ich habe mich noch nicht an den Rosen satt gerochen, verstehst du?«

»James!«, schalt Tom. »Du Schuft!«

»Du findest mich taktlos?« James strahlte, und sein Gesicht ließ die ganze Ausstrahlung seiner Persönlichkeit erkennen. »Warte erst einmal, bis du hörst, was ich dem Mann des Königs zu sagen habe.«

Abrupt schritt er in die wachsende Menge hinein, die ihrer Wut inzwischen durch Geschrei und Gesänge freien Lauf ließ. Sie war zu einer einzigen, bebenden Masse geworden, die in die Mitte des Platzes drängte und das Schmettern der königlichen Fanfaren erstickte, die versuchten, den Lärm zu übertönen.

Wieder packte Tom seinen Freund am Ärmel. »Achte darauf, was du sagst, James«, warnte er ihn. »Du bist hier nicht in deiner Burg, und diese Leute sind nicht deine Freunde. Sag das Falsche vor verständnislosen Ohren, und dein Schicksal ist besiegelt.«

»Ich bin nun einmal Schotte.« Plötzlich war James sehr ernst. »Und mein schottischer König hat sich zum König von England gemacht. Also, sag mir, Tom, wem gebe ich meine Loyalität, wenn mein Herrscher auf einem fetten Thron in London sitzt und von dort aus die Religion in Schottland ändern will?« Seine unbekümmerte Miene verhärtete sich und unterstrich noch die Leidenschaft in seinen Worten.

»Achtung, Achtung!«, brüllte der Ausrufer auf dem Podest des Mercat Cross und schwang dazu seine Schelle. Eine Hand an seinen federgeschmückten Dreispitz gelegt, beugte er sich über die Steinbrüstung, sichtlich erleichtert darüber, so hoch über den Köpfen der vielen Menschen zu sein.

Der Mercat Cross war ein belebter Marktplatz an der zur Burg von Edinburgh führenden Royal Mile. Seinen Namen hatte er von dem Kreuz, das den Platz, auf einem Podest aus Säulen und Bögen stehend, hoch überragte. Von diesem achteckigen Turm wurden die königlichen Proklamationen verkündet, und hier wurden auch die Feinde des Herrschers öffentlich exekutiert.

Der Ausrufer lehnte sich zurück, und mit einem letzten Schlag seiner Messingglocke begann er mit getragener, volltönender Stimme: »Charles, von Gottes Gnaden König von England, Schottland, Frankreich und Irland, Verteidiger des Glaubens …«

Erneut brandete der Zorn der Menge auf, der Ausrufer musste über wütendes Gebrüll hinweg fortfahren: »... verkündet hiermit, dass nur mehr das neue Book of Common Prayer Verwendung finde. Seine Majestät ordnet an, dass die Kirche von Schottland künftig ausschließlich mit diesem Buch den Gottesdienst feiere und andere Bücher mit sofortiger Wirkung nicht mehr zugelassen sind. Fortan soll kein Gebet mehr gesprochen werden ohne königliche Billigung.«

Nach dem erneuten Ertönen seiner Glocke erklärte er weiter: »Geistliche, die sich diesem Erlass nicht fügen, werden wegen Hochverrats bestraft. So verfügt von Seiner Majestät Charles dem Ersten, am einundzwanzigsten Tage des Februars im Jahr des Herrn sechzehnhundertachtunddreißig.«

Die Menge tobte und schleuderte verfaultes Gemüse auf den Ausrufer. »Papismus! Katholizismus! Pfaffentum!«, erscholl es allenthalben.

James stieß ein in der Nähe stehendes Fass um. Der Samt seines brandyfarbenen Mantels konnte das Spiel seiner Muskeln nicht verbergen. An Bizeps und Schultern straffte sich der Stoff, als er behände auf die Tonne sprang. Er zog sein Schwert aus der Scheide und schlug damit an das Fundament des Mercat Cross.

Einer Woge gleich ging ein Tuscheln durch die Menge, und das Geschrei erstarb zu einem gedämpften Murren.

»Guter Sir!« Verwirrung vorgebend, rief James noch lauter: »Ich bitte Euch um Verzeihung? Ja, hier unten, guter Mann.«

Er warf dem eingeschüchterten Ausrufer ein entwaffnendes Lächeln zu und fuhr mit kraftvoller Stimme, die der des Mannes nicht nachstand, fort: »Also, um das klarzustellen, mein guter Diener Seiner Majestät: Heißt das, dass Charles, von Gottes Gnaden König von England, Schottland, Frankreich etcetera, will, dass die Geistlichen ihren Schafen vorlesen, während von roten Samtkissen aus Pistolen auf sie angelegt sind?«

Die Menge, die im ersten Moment von dem unbekümmerten schottischen Edelmann fasziniert gewesen war, brach erneut in zorniges Gebrüll aus.

Wieder schollen Schreie wie »Papismus!« und »Katholische Verschwörung!« über den gesamten Platz.

Ein Betrunkener grölte: »Behalt dein verfluchtes englisches … Popenmessbuch, das ist nichts für die Schottische Kirche!«

»Jawohl!«, pflichtete eine andere raue Stimme bei. »Macht der Schottischen Kirche bloß keinen Ärger!«

Lachend steckte James sein Schwert in die Scheide zurück. »Da hört ihr es, Männer!«

»James!«, polterte Tom. Er grinste, obwohl er missbilligend den Kopf schüttelte, und stieß seinem Freund einen Ellbogen in die Wade. »James, komm hier herunter, ich bitte dich. Ich schwör’s dir, du wirst keine Ruhe haben, bis du einmal selbst drei Faden hoch über unseren Köpfen baumelst!«

»Ach was, Tom!« Er sprang von dem Fass herunter. »Mein Lieber, du schmeichelst mir ja geradezu! Aber der große Dramatiker hier bist du, nicht ich. Du hältst es wohl für möglich, dass ich beim nächsten Spektakel, mit dem der Hof öffentliche Demütigung und Schande verbreitet, den großen Helden spiele?!« Sein Freund verzog das Gesicht, doch James lachte nur.

»Na komm schon, Tom.« Er klopfte ihm auf die Schulter. Tom war inmitten der vielen Menschen mächtig ins Schwitzen gekommen. Ein feuchter Streifen lief über seinen Rücken und verfärbte den Stoff des eng sitzenden Mantels zwischen den Schultern.

Allmählich wurde der Lärm der Menge von der Betriebsamkeit des Marktgeschehens übertönt, und die Händler gingen wieder zu ihren Geschäften über. »Sieht ganz so aus, als könntest du eine Erfrischung vertragen, mein Guter. Ich treibe ein Pint für dich auf. Oder glaubst du«, fügte James hinzu, »der König hat in Schottland auch das Ale schon verboten?«

»Sssst!« Tom bedeutete ihm zu schweigen und schaute sich nervös um. »Du bringst mich noch ins Grab, James Graham. Falls du es schaffst, selbst lange genug am Leben zu bleiben.«

»Du nervst, Mann!«, rief James. »Ich bin ein Schotte mitten in Edinburgh! Mein König kann mich nicht hören, wenn er nirgendwo zu finden ist.«

»Still, sag ich dir! Die Männer des Königs sind überall, und ich habe keine Lust, neben dir am Galgen zu baumeln.« Toms fleischige Wangen erröteten, er schürzte in Gedanken versunken die Lippen, und der ansonsten gern zu einem Scherz aufgelegte junge Mann wurde sehr ernst.

James lachte laut. »Habe ich dich jetzt so verärgert!« Er zog den Freund an seine Seite. »Sehen wir zu, dass wir ein Pint finden, ja? Ich hätte gerne eine Erfrischung, bevor wir uns auf den Weg machen.«

»Und wohin bitte geht es?«, fragte Tom mit übertriebener Furcht.

»Zurück nach Hause zu mir, nach Montrose.« James ging mit raschem Schritt voraus, auf ein Wirtshaus an der Straßenecke zu. »Ich brauche noch etwas Zeit am Meer, bevor wir kämpfen.«

»Na gut, James.« Tom blieb unvermittelt stehen. Die Furcht, die in seiner Stimme mitschwang, strafte seine Worte Lügen. »Ich höre dir zu. Bevor wir gegen wen kämpfen?«

»Na, gegen wen schon?« James zog eine Braue nach oben, und ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. »Bevor wir gegen unseren König kämpfen, natürlich.«

Kapitel 3

Es war ein netter Spaziergang von der Bibliothek in der Achtundfünfzigsten Straße zum Museum, umgeben vom Tumult des Verkehrs auf der einen Seite und dem fröhlichen Geschrei von Kindern und dem Gedröhn von Ghettoblastern aus dem nahe gelegenen Central Park auf der anderen. Am frühen Morgen war eine leichte Brise aufgekommen, und Magda musste wieder einmal daran denken, wie sehr sie New York City liebte. Lange Spaziergänge durch den Lärm der Großstadt halfen immer gegen die schleichende Einsamkeit, die sie seit Peters Tod häufig spürte.

Das eher seltene Klingeln ihres Handys riss sie aus ihrer heiteren Stimmung. Sie sah die Nummer im Display, sammelte sich kurz, bevor sie das Gespräch entgegennahm. »Hallo, Dad.«

»Magdalen, meine Beste! Wie geht es meiner Kleinen?«

»Och, ganz gut so weit«, seufzte sie. »Ich …«

»Deine Mutter ist sehr sauer auf dich, das weißt du schon, ja?«

Von einem Augenblick auf den anderen hatte ihr Vater es wieder einmal geschafft, vom herzlichen Daddy zum sachlich-nüchternen Vater umzuschwenken, eine Fähigkeit, die er im Sitzungssaal sicher bestens einsetzen konnte. Skip Deacon, der seine Gegner mit plumper Vertraulichkeit dazu brachte, in ihrer Verteidigung nachlässig zu werden, und sie dann auf die Hörner nahm. Und verdammt, auch sie fiel immer wieder darauf herein.

»Der gestrige Abend mit der Gala war wirklich ausnehmend schön«, fügte er hinzu, »wenngleich deine Anwesenheit sehr vermisst wurde.«

»Mmmhh … ach Gott.« Magda hatte die letzte Benefizveranstaltung ihrer Mutter vergessen. Umgehend setzten, wie üblich in solchen Situationen, Kopfschmerzen bei ihr ein. Sie rieb sich die Schläfen, konnte jedoch nicht umhin zu fragen: »Sag es mir, wofür hat Mom dieses Mal Geld gesammelt?«

»Magda, du weißt, wie sehr deine Mutter zum gesellschaftlichen Leben beiträgt.«

»Tut mir leid«, sagte sie. Sie wusste es in der Tat, hatte sie doch durchaus als Zuschauerin miterlebt, wie ihre Mutter zu Ruhm und Ehren gekommen war, während man sie, Magda, einer ganzen Reihe wenngleich wohlmeinender Kindermädchen überantwortet hatte. »Ich wurde in der Arbeit an einem Projekt beteiligt, von dem ich mich nicht losmachen konnte.«

»Deine Mutter und ich können nicht verstehen, weshalb du an dieser Stelle so festhältst. Wenn du unbedingt mit einem Museum zu tun haben willst, dann könntest du doch zusammen mit deiner Mutter im Aufsichtsrat sitzen. Du wirst niemals …«

»Ich weiß, ich weiß«, unterbrach sie. »Da unten im Museumskeller werde ich niemals einen netten Mann kennenlernen. Aber ich habe bereits gesagt, es tut mir leid, dass ich es vergessen habe.« In der Schule hatte sie schon mehr als genug Jungs »aus gutem Hause« kennengelernt, aus denen nach dem College karrierebewusste Geschäftsleute geworden waren. Aber bei keinem von ihnen hatte sie je anbeißen wollen, und inzwischen gab sich ihre Familie schon gar keine Mühe mehr, bei ihren Kuppeleiversuchen noch subtil zu sein.

»Das zu hören wird sie ja außerordentlich freuen. Ruf sie an und sag es ihr selbst.«

»Du meinst, ich soll tatsächlich darüber mit ihr reden?« Magdas Versuch, humorvoll zu sein, schlug fehl, und so fügte sie hinzu: »Wie wär’s stattdessen mit ein paar Blumen?«

»Ruf sie an, Magdalen«, beharrte er. »Wenngleich ein paar Blumen zusätzlich auch ganz nett wären. Und, bitte …«

»Ja?«, fragte sie beklommen.

»Vergiss nicht, im Juni geht es nach Saratoga!« Da war er plötzlich wieder, der herzliche Daddy. »Ich erwarte von dir nicht, dass du zu der Auktion ins Tipton kommst, aber zur Eröffnung möchte ich dein hübsches Gesichtchen in unserer Loge sehen.«

»Ihr habt doch nicht einmal ein Rennpferd.« Sie massierte sich die Schläfen und schloss die Augen. »Eure Faszination für den Rennsport ist mir unbegreiflich.«

»Nun sei nicht schon wieder schwierig, Kleine. Du weißt, dass deine Mutter den Sommer gerne am See verbringt, und viele ihrer Freundinnen haben ihre eigenen Logen.«

»Ich komme mit auf die Rennbahn.« Sie blieb stehen. Die Hand noch immer an der Stirn, fiel ihr Blick zufällig auf einen Straßenverkäufer, der mit indischen Motiven bedruckte Röcke und Halstücher feilbot. »Ich werde sogar einen von diesen lächerlichen Hüten tragen, aber ich weigere mich, zu eurem Haus am See mitzukommen.«

»Unserem Haus am See«, korrigierte er sie in vorwurfsvollem Ton. »Du magst es versuchen, aber du wirst nicht vergessen, dass du zur Familie gehörst. Saratoga eröffnet Ende des Monats, und wir erwarten, dass du dort wie auch danach am See erscheinst. Und dieses Jahr wirst du dich kleiden, wie es einer Tochter der Familie Deacon geziemt.« Wieder eine volle Kehrtwendung, wieder ganz der sachlich-nüchterne Vater.

Nach einem Moment angespannter Stille bat Magda: »Bitte, zwinge mich nicht, zum See zu kommen. Du weißt, dass ich es hasse.«

»Nun, wir müssen schließlich alle weitermachen. Deine Mutter und ich fühlen tagtäglich großen Schmerz, aber du weißt, dass Peter es auch gewollt hätte.«

»Weitermachen?«, platzte sie heraus. »Ich schaffe es kaum, den Sommer zu überstehen, und du meinst, ich soll einfach weitermachen?« Magda wusste, auch wenn sie anders trauerten als sie – tatsächlich machten sie ja alles anders als sie –, hatte Peters Tod ihren Eltern das Herz gebrochen. Aber dennoch hörte sie sich sagen: »Und ihr und eure Kumpel, ihr albert den ganzen Sommer über mit euren Booten herum …«

»Das ist jetzt mehr als genug!«, fuhr er sie an. »Du … du …« Er rang nach Worten und platzte schließlich heraus: »Versprich mir jetzt einfach nur, bei der Eröffnung da zu sein. Und jetzt geh und schicke deiner Mutter einen Strauß Blumen. Sie liebt zurzeit Pfingstrosen sehr.«

»In Ordnung, Dad.« Magda klappte das Handy zu, ehe er noch mehr sagen konnte.

Als Kind hatte sie ihren Vater vergöttert. Jeden Abend war er im Apartment der Familie in der Upper East Side erschienen, gerade um die Zeit, wenn sie ins Bett ging, um sie für eine Gutenachtumarmung und einen Kuss auf seinen Schoß zu setzen. Sie hatte intuitive Erinnerungen an diese Momente: wie ihre kleinen Finger am oberen Rand seiner gestärkten Hemdkragen entlang fuhren, wie sie das Näschen in das nach chemischer Reinigung riechende Jackett seines Anzugs steckte, wie sie mit ihrer Wange an der kühlen Seide seiner Krawatte hinaufstrich.

Magda verdrängte ihre Erinnerungen und ging weiter. Auf eine gewisse Weise liebte sie ihre Eltern, und sie liebten sie auf ihre eigene Art, aber das bedeutete lediglich, dass sie alle wussten, wie sie den anderen am besten verletzen konnten. Ansonsten waren sie einander ziemlich fremd.

Sie dankte Walter stumm dafür, dass er ihr an diesem Wochenende Arbeit aufgetragen hatte. Die immer gleiche Routine hatte etwas Besänftigendes. Barfuß und schweigend im Atelier herumzutapsen – nur mit einer Tasse Tee und ihrem Werkzeug als Gesellschaft – und sich in diesen Trott hineinzubegeben, das war, wie eine alte Strickjacke überzuziehen.

Dass sie die Veranstaltung gestern versäumt hatte, war natürlich ein Fauxpas gewesen, aber ihre Mutter stand so vielen Organisationen und Kommissionen vor und war Schirmherrin so vieler Benefizveranstaltungen, dass man diese Termine unmöglich alle im Kopf behalten konnte. Für solche Fehltritte mit ihren Eltern hatte Magda immer ihren Bruder gehabt, der die Welt dann wieder in Ordnung brachte. Ihre Schulzeit hatten sie beide im Internat verlebt, das war für alle das Beste gewesen. So hatte sich ihre Mutter ohne Komplikationen durch verschmierte Gesichter und vernachlässigte Gefühle von Kindern ihren zahllosen gesellschaftlichen Verpflichtungen widmen können, und Magda und Peter hatten sich ihre eigene, wenn auch etwas unkonventionelle, Mini-Familie zurechtgezimmert.

Aber nun war er eben fort, und das Einzige, was sie immer wieder ins Reich des Gewöhnlichen zurückbringen konnte, war ironischerweise ihre sehr ungewöhnliche Arbeit. Seit Peters Tod fühlte sie sich ziellos, als sei ein inneres Licht, das sie einst ausgefüllt und geleitet hatte, erloschen. Wenn sie jedoch in ihrem Arbeitszimmer war, ganz in ein Gemälde vertieft, dann fragte sie sich staunend, wie der Künstler all diese Emotionen in sein Werk hatte legen können, und dabei spürte sie wieder ihre Vitalität, stellte sich die Energie vor, die in diese Arbeit eingeflossen war, sinnierte darüber nach, ob der Künstler glücklich oder reserviert oder bewegt gewesen war, und staunte, dass hinter jedem Pinselstrich eine Absicht zu erkennen war, die dieser Mensch vor so langer Zeit verfolgt hatte. Dann konnte sie beinahe spüren, wie es sein würde, sich einer derart verzehrenden Leidenschaft hinzugeben, und sie erinnerte sich einen Augenblick daran, wie es gewesen war, sich voller Freude und Überschwang zu fühlen.

Sie hatte für die Landschaften den ganzen Samstag bis in den späten Abend hinein gebraucht, aber alles in allem war die Arbeit überraschend leicht gewesen. Mit etwas geschmolzenem Bienenwachs konnte sie ein leichtes Abbröckeln der Farbe am Rand von einem der Bilder beheben, und beim Reinigen des anderen kam sie ganz ohne Lösungsmittel aus. Walter hatte recht gehabt: Die Stücke waren bereits in einem fast einwandfreien Zustand gewesen. Jemand hatte sie vor nicht allzu langer Zeit schon restauriert und dabei ziemlich gute Arbeit geleistet. Der einzige Mangel, den sie fand, war etwas Reparaturkitt, der nur unter dem UV-Licht zu sehen war.

Ein paar Pinsel und ihr wunderbar unorthodoxer Laib Brot hatten für die leichte Oberflächenreinigung ausgereicht. Mit leichtem Druck über die Leinwand geriebene Teigbällchen hatten den Schmutz gut abgenommen. Das war ihr bester Trick, und sie hatte ihn nicht in der Schule gelernt, sondern vom Hausmeister der Familie Deacon. Danach war sie mit einem sauberen, weichen Pinsel darübergegangen, und schon waren die Bilder fertig gewesen.

Am Sonntag wollte sie eigentlich ausspannen und einige Besorgungen machen, doch dann hatte sie von dem geheimnisvollen Mann auf dem Porträt geträumt. Das auf der Leinwand fast schurkisch dargestellte Gesicht war in ihrem Traum lebendig geworden und hatte sich zu einem schelmischen Lächeln verzogen. In einem anderen Traum hatte sie das Gefühl gehabt, das seidig schimmernde braune Haar des Mannes weich unter ihren Fingern zu fühlen. Und immer wieder war sie in dieser Nacht aufgewacht, weil sie zu sehen meinte, wie das Funkeln dieser schwarzen Augen zu einem stumpfen Starren wurde angesichts des Todes am Galgen, der den Mann erwartete.

Sie war an jenem Morgen aufgewacht mit dem Gefühl, unbedingt noch einmal ins Museum zurückgehen zu müssen. Unbedingt noch einmal dieses seltsame Porträt betrachten zu müssen, bevor Walter es mitnahm und irgendwo einlagerte. Und so hatte sie sich mit einem Umweg über die Bibliothek, um ein Buch zur schottischen Geschichte zu besorgen, in ihr Arbeitszimmer aufgemacht, um den braunhaarigen Mister Universum noch einmal zu besuchen.

Unterwegs blätterte sie durch das Buch und stellte überrascht fest, dass James Graham tatsächlich eine berühmte Persönlichkeit seiner Zeit gewesen war. Ein Mann von Reichtum und Stand, der jedoch am Ende alles für sein Land geopfert hatte. Zudem hatte er sich als Dichter hervorgetan. Magda grübelte über ein paar seiner Zeilen nach, die nun auf eine tragische Weise weitblickend erschienen.

Um mir ewigen Ruhm zu erwerbenSollen große Werke und heroische TatenMein Schicksal befördern oder mich zu Fall bringen.

Eine grelle, laute Autohupe riss Magda aus ihren Gedanken. Sie blickte hoch und spürte gleichzeitig, wie sie am Kragen ihres Sommerkleids gepackt und nach hinten gezogen wurde.

»Mensch, passen Sie doch auf?« Der Mann ließ sie los und trat einen Schritt von ihr weg, als habe sie eine ansteckende Krankheit. Er hatte sie davon abgehalten, blindlings auf dem Fußgängerüberweg über die Straße zu laufen – beinahe wäre sie von einem heranbrausenden Taxi erfasst worden.

»Ich … ich …«

»Ja, wenn ich Sie wäre, würde ich mal wieder auf den Boden zurückkommen! Sie sind hier in New York, nicht bei einem Spaziergang am Strand, Lady, also passen Sie gefälligst auf, wo Sie hinlatschen!«

»Ja, ich …« Magda klopfte das Herz bis zum Hals. Errötend murmelte sie ein rasches Dankeschön und rannte über die Straße, sobald die Ampel auf Grün schaltete.

Die entnervende Intimität verengte ihre Brust und machte das Atmen schwer. Sie hatte das Porträt in den fensterlosen Arbeitsraum gebracht, um es gründlich unter ultraviolettem Licht zu untersuchen. Magda wusste nicht, wieso ein Gemälde, das einen längst Verstorbenen zeigte, sich von irgendeinem anderen Kunstwerk unterscheiden sollte, doch ihre Hand über dem Lichtschalter zitterte. Mit ihm allein in so einer kleinen, dunklen Kammer, seinem unerschrockenen Blick ausgesetzt, fühlte sie sich so verletzlich wie die Maus, die von der Katze verfolgt wurde.

Kopfschüttelnd schaltete sie das Licht aus und den UV-Stab an. Sofort erwachte das Bild mit einem unheimlichen Glühen zum Leben. Magda streifte ihre Sandalen ab und konzentrierte sich auf ihr Vorhaben.

Mit zusammengekniffenen Augen studierte sie die Oberfläche des Gemäldes. Sie suchte nach Anzeichen von Rissen, Löchern oder sogar alten Reparaturstellen, doch interessanterweise waren auch unter dem UV-Licht keine nennenswerten dunklen Flecken zu sehen. Lediglich Verfärbungen durch Schmutz und Ruß waren auszumachen, die den Firnis verdunkelt hatten und nun im UV-Licht blass gelbgrün glühten. Auch Staub, sichtbar als kleine, blau leuchtende Teilchen, war zu erkennen.

»Wo warst du die ganze Zeit?« Magda schaltete den UV-Stab aus und das Licht wieder an, ihr Blick strich noch einmal prüfend über das Porträt. »Nach all diesen Jahren nicht der geringste Schaden feststellbar.«

Sie studierte sein Gesicht, und das seltsame Gefühl, dass diese schwarzen, mandelförmigen Augen ihren Blick erwiderten, ließ sie erröten. Sein braunes Haar fiel zwar in Wellen bis auf die Schultern, doch soweit sie wusste, entsprach es nicht unbedingt der damaligen höfischen Mode, denn es spielte locker um das Gesicht und war auf der Stirn leicht zerzaust.

Und wenn man diesen Mund lange genug betrachtete, konnte man fast meinen, dass darauf gleich ein Lächeln entstehen würde.

Ohne zu überlegen verstieß Magda gegen eine der Grundregeln der Museumsarbeit und berührte den tiefschwarzen Hintergrund des Gemäldes mit der bloßen Hand – nur um sie mit einem heftigen Atemstoß und einem Gefühl, als sei sie verbrannt worden, sofort wieder zurückzuziehen.

Das Bild war kalt.

Vielleicht bin ich nur ein wenig unterkühlt, dachte sie sich und rieb die Hände aneinander. Auch wenn sie sich kühl anfühlen mochten, ein Gemälde konnte definitiv nicht von sich aus eine bestimmte Temperatur erzeugen.

Langsam senkte Magda beide Handflächen auf das Porträt, eine auf jeder Seite des Gesichts, und die Wirkung war so schockierend, dass ihr der Atem stockte.

Der schwarze Hintergrund war nicht einfach nur kalt – es war eine rohe, tote Kälte, die er ausstrahlte. Ein Schmerz kroch an ihren Unterarmen hoch, während sie versuchte herauszufinden, warum sie unter ihren Fingerspitzen immer mehr das Gefühl von nasser Farbe bekam. Vorsichtig bewegte sie die Hände über die Oberfläche.

Die typischen harten Unebenheiten eines Ölgemäldes fehlten. Stattdessen hatte Magda das Gefühl, als könnten ihre Hände in der Farbe versinken, wenn sie es zuließe, als würden sie die tintenschwarze Oberfläche eines Teichs durchdringen.

Das plötzliche Flimmern der Leuchtstoffröhre an der Decke war wie ein Echo des dumpfen Lauts, der in Magdas Hinterkopf begonnen hatte.

Wieder zog sie die Hände zurück, dieses Mal jedoch langsam, und ihr Blick traf dabei den des Mannes auf dem Porträt.

Der Drang, ihn zu berühren, überwältigte sie. Sie musste seine glatte Wange fühlen, die leicht geschwungene Augenbraue unter dem zerzausten Haar entlangstreichen. Fasziniert über das Bildnis gebeugt, streckte Magda erneut eine Hand danach aus.

Der dumpfe Laut in ihrem Kopf steigerte sich zu einem starken Dröhnen, als sie nur mit einer Fingerspitze sein Gesicht berührte.

Ein schwerer Seufzer löste sich aus ihrer Brust. Irgendwie hatte sie gewusst, dass es warm sein würde. Dass er nicht kalt sein würde wie der Hintergrund.

Ein Gefühl der Benommenheit ergriff Magda. Sie kämpfte darum, sich auf das Bild des Mannes zu konzentrieren, sie konnte nicht mehr anders. Zärtlich umfasste sie sein Gesicht, und wieder fühlte es sich nicht an, wie wenn man getrocknete Farbe auf einer Leinwand berührte. Ganz anders als das kalte Schwarz des Hintergrunds war sein Gesicht unter ihrer Hand warm und samtweich, wie von der Flamme der Kerze erwärmt.

Die Benommenheit nahm zu, sie verzehrte Magda, die die Hände nach vorn riss und versuchte, sich an das Bild zu klammern.

Dann rauschte ein Schwindel durch ihren Kopf wie ein übermächtiger Ventilator, und sie stürzte durch die kalte Schwärze.

Kapitel 4

»Oh!« Es war die raue Stimme eines Mannes.

Das dumpfe Geräusch ihres Aufpralls ließ Magda wieder zu Sinnen kommen. Sie kniete rittlings auf einem Mann, der im Bett lag. Ihre Hände stützten sich auf seine warme Brust, und er atmete in tiefen, gleichmäßigen Zügen, als würde er schlafen. Durch den dünnen Flanell seines Nachthemds spürte sie feine Haare.

»Einen schönen guten Abend …« Er sprach langsam, mit einem rollenden schottischen Akzent. Schatten tanzten im schwachen Licht einer Kerze, was den durchdringenden Blick seiner schwarzen Augen noch unterstrich. Sie spürte die Wärme seiner Hände durch ihr dünnes Kleid, als er sie leicht auf ihre Schenkel legte. »Du kleines Biest.«

Es war der Mann von dem Gemälde. Sie träumte schon wieder von James Graham.

»Du?« Ihre Stimme war vor Schreck nur ein hohes Quieken. Die Hände vor die Brust reißend, verharrte Magda reglos, obwohl ihr Herz zu zerspringen drohte. Ein Albtraum.

»Ja.« Seine Stimme war schlaftrunken, doch sein Körper schien unter den Decken zu Leben zu erwachen. »Ich bin es in der Tat.«

Sie versuchte, mit dem Pochen in ihrer Brust irgendwie fertig zu werden, indem sie sich sagte, dass dies nur ein Traum sei und Träume immer vorübergingen. Sie schnaufte tief, um ihre stolpernde Atmung besser in Gang zu bringen. Dies war schließlich nicht das erste Mal, dass sie einen Albtraum hatte. Tatsächlich passierte ihr das seit dem Tod ihres Bruders sogar ziemlich oft. Ihr Verstand kannte diese Geschichte: Man musste sich zusammennehmen und darauf konzentrieren, den Albtraum zu überstehen – wie eine Stromschnelle, die einen mitriss, bis man ihr Ende erreicht hatte.

Ihr Blick schoss in dem großen, rechteckigen Raum umher. Für einen Traum schien er außergewöhnlich real zu sein. Das Mobiliar war schlicht, aber durchaus luxuriös. Ein goldbraunes Federbett bedeckte die Matratze. Auf einem hölzernen Nachttisch mit einem mit goldenen Quasten verzierten Tischtuch stand ein Keramikkrug, in einer Ecke ein Schreibtisch mit einem dunkel gepolsterten Stuhl davor. An der gegenüberliegenden Wand hingen schwere, mit Lilienmustern bestickte Vorhänge, und das ferne Geräusch von Wellen ließ in Magda die Vorstellung entstehen, dass sich ihr, wenn sie diese Vorhänge öffnete, ein grandioser Blick auf das Meer bieten würde.

Sie konnte sich nicht erinnern, zu Bett gegangen zu sein. Wo war ich? Im Museum. Arbeiten. Was ist passiert?

James schüttelte die vom Schlaf zerzausten Haare aus dem Gesicht, und ein diabolisches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, als er Magda von oben bis unten begutachtete. »Aber sagt mir, meine Liebe, wer seid Ihr denn?« Seine Hände glitten ihre Beine hinauf und verschwanden einfach unter den Falten ihres Kleids, die Daumen wanderten streichelnd über die Innenseite ihrer Schenkel.

Ihre Muskeln spannten sich an. Das dicke Federbett gab unter dem Druck nach, und Magda spürte die feste Wärme seines Körpers zwischen ihren Beinen. Ein erotischer Traum? Ob sie sich ihm hingeben, ihn geschehen lassen, vielleicht sogar ihn genießen konnte? Sie versuchte, ihrem Verstand die Kontrolle zu geben, ihn bestimmen zu lassen, entweder den Traum richtig in Gang oder aber zu seinem Ende zu bringen.

Sie betrachtete das Gesicht des Mannes. Dasselbe, leicht zerzauste Haar. Schwarze Augen, die ihren Blick direkt erwiderten. Der Mund etwas voll, bemüht, sich nicht zu einem Lächeln zu verformen. Genau wie das Porträt. Offenbar war sie von ihm besessen. Kein Wunder, dass ihr Unbewusstes ihr eine Vision dieses Mannes vorgaukelte.

Sie war sehr benommen gewesen, es war ihr vorgekommen, als habe sich eine Kettensäge durch ihren Kopf gefressen. Manche Leute bekamen von der Arbeit mit ultraviolettem Licht böse Nebenwirkungen. Eine Art epileptischer Anfall also, ausgelöst durch UV-Licht. Manchmal hört man von so etwas.

»Noch immer hier, meine Liebe?«, fragte James und zwickte sie aufmunternd in den Oberschenkel. Er musterte sie, seine Augen funkelten im dämmrigen Licht der Kerze. Ein leichtes Zittern seiner Lippen verriet Verwunderung und Belustigung. Allein schon der Blick dieser Augen ließ zweifelsfrei erkennen, dass er der Mann war, den das Porträt zeigte. Magda musste gegen einen Impuls ankämpfen, ihm die Haare aus der Stirn zu streichen.

Wenngleich es durchaus einen Sinn ergab, wenn sie von diesem Mann träumte, hatte sie doch noch nie derart lebhaft von einer Person geträumt. Postkonvulsive Halluzination. Sie spürte, wie sie sich etwas entspannte. Wach jetzt auf.

Er zog eine Braue nach oben, als wollte er sie etwas fragen, schien es sich dann jedoch anders zu überlegen. Obwohl er weiterhin mit den Daumen Magdas Schenkel streichelte, schien er darauf zu warten, dass sie den nächsten Schritt tat.

Wach auf.

Sie konnte die Stille nicht mehr ertragen. »Ich weiß, wer du bist«, platzte sie heraus.

Ein Lächeln flammte in seinen Zügen auf wie das Licht einer neu entzündeten Kerze. »Aber natürlich, meine Liebe.« Er zwinkerte. »Alle Mädchen kennen mich, stimmt’s?«

»Du bist James Graham. Dies ist ein Traum.«

»Hm …« Er liebkoste ihre Schenkel mit neuem Eifer. »Es freut mich, dass Ihr es angenehm findet.«

»Nein, ich meine …« Sie schüttelte den Kopf. Zeit, jetzt aufzuwachen, also wirklich!

Der Raum war fast in Dunkel gehüllt, aber die Schatten dennoch alle so deutlich und detailliert. Sie war zu sehr in ihren Traum verstrickt. Wach auf! Noch einmal schüttelte sie den Kopf, heftig dieses Mal.

»Wo bin ich?« Panik lag jetzt in ihrer Stimme, sie sprang benommen von dem Bett herunter. »Wieso wache ich nicht auf?« Für einen Traum fühlte es sich alles viel zu real an. In ihren Fußsohlen und hinten die Beine hinauf spürte sie tausend Nadelstiche. Sie schlug sich auf die Schenkel, wartete einen Moment und zwickte sich fest in den Arm.

Magda wandte sich dem Mann zu. »Weck mich«, forderte sie ihn auf. »Ich gehöre nicht hierher. Wieso kann ich nicht aufwachen?« Sie stampfte mit den Füßen auf, ging mit schnellen Schritten einmal in dem Raum herum und blieb dann wie erstarrt stehen.

»Das da!« Sie lief zu einem Gemälde über dem offenen Kamin. Es war das Porträt. Ihr Porträt aus dem Museum. Und es war ganz eindeutig der hinter ihr auf dem Bett sitzende Mann, der darauf abgebildet war, mit denselben dunklen Augen, der etwas großen Nase und den zerzausten braunen Haaren. Das Blut wich aus ihren Händen und ihrem Kopf, ihre Fingerspitzen wurden eiskalt. Völlig verwirrt und außer sich strich sie wieder und wieder über das Bild. Doch die Leinwand hatte nicht die Energie, die sie bei dem Gemälde im Museum gespürt hatte. Es hatte die Temperatur des Raums, einfach wie ein Bild, das an der Wand hing.

War sie gekidnappt worden? War jemand in das Museum eingebrochen, hatte das Bild gestohlen und sie mitgenommen? Nur, Walter hatte doch gesagt, der Mann auf dem Gemälde sei längst gestorben … wann? Irgendwann im siebzehnten Jahrhundert?

»Moment mal.« Sie trat einen Schritt zurück. »Wie heißen Sie? Wer sind Sie?«

»Fangen wir jetzt wieder an?« Er ging auf sie zu, und sie zuckte zurück. Er blickte im Zimmer umher, als könne er dort eine Antwort finden, und dann wieder auf sie. »James, meine Liebe«, antwortete er langsam. »Immer noch James.«

»James Graham?«

»Jawohl.« Er neigte den Kopf, ein sonderbares Lächeln erhellte seine Züge.

»Der Marquis?«

»Eben der.«

Zögernd beugte sich Magda näher zu ihm, reckte den Hals, um ihn im Schein der Kerze genauer betrachten zu können. War er vielleicht ein Nachfahre? Ein entfernter Verwandter, der zufällig ganz gleich aussah? »Also so etwas wie ein Ururenkel des wirklichen James Graham?«

»Nein.« Geduld und Verwirrung dehnten das Wort, als er es aussprach. »Einfach nur James Graham. Der allererste und einzige Marquis von Montrose, zu Euren Diensten.« Er verbeugte sich leicht vor ihr. »Hör mir zu, meine Liebe«, sagte er beschwichtigend, »offenbar wandelst du gern im Schlaf umher.« Er legte ihr einen Arm um die Schultern und geleitete sie in Richtung Tür. »Daher könntest du jetzt doch einfach wieder zurück in dein Zimmer schlafwandeln, und niemand hat etwas gemerkt.«

»Ich habe kein Zimmer.« Das Pochen in ihrer Brust wurde schwächer, ihr Herzschlag wurde so flach wie ihr keuchender Atem und schließlich zu einem Schmerz, der sich in sie hineinbohrte wie ein Stahlnagel.

»Nicht?« James nahm eine neue Wachskerze. Der frische Docht knisterte kurz, als er sie an der Kerze neben seinem Bett entzündete. Er betrachtete Magda von oben bis unten. »Du hast wirklich Angst, nicht wahr?«

Sie vergrub die Hände in ihrem Sommerkleid und nickte. »Ich habe einen Albtraum.«

»Beruhige dich, mein Hühnchen. Niemand wird dir etwas zuleide tun.« Er streckte eine Hand aus, als wolle er sie berühren, zögerte dann jedoch und zog die Hand wieder zurück. »Wie heißt du?«

»Magdalen … Magda.« Sein verständnisloser Blick ließ sie zaudern.

James legte den Kopf schief und lächelte kurz wegen ihres ungewöhnlichen Namens. »Nun, Magda, dann halte ich es für das Beste, wenn du erst einmal hier bleibst, und wenn es Tag wird, dann sehen wir weiter.«

»Aber … aber ich schlafe doch schon, oder nicht?« Inzwischen zitterte Magda am ganzen Körper, ihre Gliedmaßen fühlten sich kalt und blutleer an.

»Ja, das solltest du tun.« Er führte sie mit sanftem Druck zu seinem Bett.

Magda zuckte zurück, ein letztes Mal flackerten Panik und Verzweiflung in ihr auf. Die Angst nahm ihr den Atem, drückte tonnenschwer auf ihre Brust. »Ich … ich …«

»Du … du … musst dich ein wenig ausruhen«, meinte James lächelnd, legte fest einen Arm um sie und setzte sie auf die Bettkante.

»Komm jetzt, Hühnchen.« Seine markante männliche Stimme berührte sie, wenn er so zärtlich in der Dunkelheit murmelte. Magda fühlte, wie sie zerfloss und bereit war, sich an ihn zu lehnen. Das Adrenalin, das durch ihren Körper geflossen war, ließ sie erschöpft und aufgelöst zurück. So endet der Albtraum, dachte sie erleichtert. Dieser eigenartige Mann war ihr im Sinn gewesen, bevor sie kollabiert war, und nun war er ihr im Traum erschienen, hatte ihre wirren Gedanken beschwichtigt und sie in einen einer Ohnmacht nahen Schlaf versetzt.

Sie spürte die verlockende Wärme des Bettes und kroch willig unter die Decken wie ein Kind. Dort war noch seine Wärme spürbar. Ihr Körper erschauderte heftig, als sie sich hineinkuschelte. Jetzt erst bemerkte sie, wie durchgefroren sie war, wie sich die beißende Kälte in ihren Füßen zu einem bis in die Knochen reichenden Schmerz verwandelt hatte. Schlafen. Sie würde aus diesem Albtraum aufwachen. Aber erst einmal schlafen.

James starrte auf den weißen Fuß, der unter der Decke hervorschaute, und stellte sich vor, wie es sein würde, dieses lange, glatte Bein hinaufzugleiten.

Dann schüttelte er energisch den Kopf. Das Mädchen war ganz schön verängstigt gewesen. Jetzt war nicht die Zeit für heiße Fantasien. Aber dennoch ließ ihn das Gefühl dieser weichen, hellen Schenkel unter seinen Fingern nicht los. Immer wieder drängte sich die Vorstellung in seine Gedanken, seine Hände weiter hinauf wandern zu lassen, unter das Oberteil dieses dünnen Kleidchens, das so locker ihren Körper umspielte, dass es verlockende Blicke in ihr Dekolleté freigab.

Unentschlossen rutschte James auf seinem Stuhl herum. Er kannte sie nicht. Mit diesem eigenartigen Akzent konnte sie auch absolut nicht zu seinen Leuten gehören. Und dann dieses offenherzige Kleid, das sie trug. Der Stoff war schön, ein kräftiges Blau von der Farbe eines Lapislazuli, das sicher nicht leicht zu finden war.

Eine Freundin seiner Schwester vielleicht? Aber sie hatte so schrecklich verängstigt gewirkt, so, als fühlte sie sich hier ganz und gar fehl am Platz. Er hatte ihre Panik in ihren starren, verkrampften Beinen gespürt, in ihrem Blick gesehen, der im Zimmer umhergeirrt war wie bei einem in die Falle geratenen Tier.

Vielleicht war sie krank. Das war die wahrscheinlichste Erklärung. Ein Schlag auf den Kopf konnte eine derartige Desorientiertheit auslösen.

Aber da war die Sache mit ihren Habseligkeiten. Als er die Decken um sie herum feststeckte, hatte er in ihrer Tasche einen kleinen, harten Gegenstand bemerkt. Nun saß er ratlos da und drehte dieses Ding immer wieder in den Händen. Es war hart wie Stein und leuchtend rot, aber es bestand aus einem Material, das er noch nie gesehen hatte. An einem Ende hatte es eine silberne Umrandung mit einem Rädchen aus Metall darin. Dieses Rädchen warf Funken wie ein Feuerstein, wenn man es drehte, und James konnte sich nicht vorstellen, wozu es gedacht war.

Am meisten beunruhigte ihn jedoch ihr seltsames Armband. Es war hässlich und schwarz, offenbar eine Art Zauberding, mit dunklen Zahlen, die bedrohlich auf einem grauen Untergrund blitzten.

James beugte sich vor und starrte auf die Frau in seinem Bett, als könne ihm das einen Hinweis auf ihre Identität geben. Sie war zwar schlanker, als es seinem Geschmack entsprach, aber durchaus eine Schönheit, mit langen Haaren in der Farbe des Herbstlaubs. Als sich ihre breite, elegant geschwungene Braue angstvoll nach oben zog, hatte er gemeint, aus Mitleid mit der armen Kreatur müsse ihm gleich das Herz zerspringen.

Er war fasziniert von ihr. Sein unerschütterliches Wesen war eine Quelle seines Stolzes auf sich, doch diese Magdalen brachte ihn durcheinander, und er bemerkte, dass er dieses neue Gefühl zu genießen wusste.

Vielleicht lag es daran, dass er seiner Schwester schon immer sehr nahe gewesen war, oder auch an seinen vielen Liebschaften im Lauf der Jahre. Bis zu diesem Augenblick hatte James jedenfalls noch nicht viele Frauenzimmer getroffen, die ihm sonderlich geheimnisvoll erschienen wären.

Lächelnd schlug er die auf der Bettkante liegenden Füße übereinander. Eine Frau, die James Graham in Unruhe versetzen konnte, musste er in seiner Nähe behalten.

Kapitel 5

Magda rollte sich auf die Seite. Die Augen noch immer geschlossen, schob sie sich eines der vielen Kissen zwischen die Beine und vergrub sich noch tiefer in die Decken, unter denen schwach ein herber Geruch wahrnehmbar war. Sie zog die Decken höher über Schultern und Nacken, klemmte sich ein kühles Stück davon vor die Brust und genoss den Duft nach Wald und geheimnisvollen Gewürzen.

Den Duft eines Mannes.

Mit einem heftigen Einatmen riss sie die Augen auf.

»Ah, sie erwacht.«

Magda stützte sich blitzschnell auf einen Ellbogen. Der eisige Wind der Realität fegte die angenehme Benommenheit des Schlafes fort. Er. Noch immer er. Mit seinen schulterlangen, vom Schlafen zerzausten Haaren und einem blaugrünen Tartan, den er nachlässig unter seinem Nachthemd um sich gewickelt hatte.

Die Panik der letzten Nacht hatte sich tief bei ihr eingegraben. Ihr Körper erinnerte sich daran, und sofort schoss ihr das Adrenalin wieder so heftig ins Blut, dass ihre Hände zu zittern begannen und ihr Sehvermögen sich eintrübte. Sie spürte auch das Kältegefühl wiederkommen, ihr Gesicht wurde blass und die Fingerspitzen taub, als würde ihrem Körper das Blut entzogen.

Ihr Blick wanderte rasch im Raum umher. Dasselbe Zimmer wie in ihrem Traum. Der Mann hatte die Vorhänge aufgezogen, drei Fenster mit Rundbögen waren zu sehen. Sie waren schmal, aber sehr hoch, und die Morgensonne schimmerte auf dem Glas mit einem blendenden weißen Dunstschleier, der den Blick auf die dahinterliegende Welt verbarg. Die Meeresgeräusche, die sie letzte Nacht schon gehört hatte, waren nun sogar noch lauter und wurden gleichsam verstärkt von einem brackigen Geruch, der nicht unangenehm die Luft erfüllte.

»Sie?«, stieß sie hervor. Der Mann von dem Porträt. Bei Tageslicht sah er beileibe nicht schlechter aus. Der vordem im Schatten verborgene Körper mit den sehnigen Muskeln und der Haltung eines sprungbereiten Panthers war nun nicht mehr zu ignorieren. »Aber Sie …«

James musterte sie mit Augen, die weiter auseinander standen und irgendwie noch schwärzer waren als auf dem Gemälde, und Magda dachte nebenbei, dass ihm das Porträt nicht wirklich gerecht wurde.

»Ja, mein Mädchen«, sagte er leise lachend, »ich bin es immer noch, wenngleich ich mich erinnere, dass wir diesen Punkt bereits in aller Ausführlichkeit diskutiert haben, oder bist du wirklich und wahrhaftig schlafgewandelt?«

Er fixierte sie mit einem so entwaffnenden wie undurchschaubaren Blick und fügte leise hinzu: »Ich wusste, dass das Kleid zu den Augen passen würde.«

»K-kleid?«

»In der Tat«, sagte James, nun wieder ganz in seinem ritterlichen Ton. »Ich habe Euch ein etwas … angemesseneres