Meine Eltern werden alt - Peggy Elfmann - E-Book

Meine Eltern werden alt E-Book

Peggy Elfmann

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Beschreibung

Wie helfen wir unseren Eltern, wenn ihre Kräfte nachlassen? Peggy Elfmann liefert Ideen, die sich am Alltag mit alternden Eltern orientieren – für ein sensibles Miteinander

Manchmal kommen sie plötzlich, meist aber schleichen die Veränderungen im Schneckentempo heran, bis sie eines Tages unübersehbar werden: Die Eltern sind älter geworden und brauchen Hilfe. Warum kann Mutter den Geldautomaten nicht mehr bedienen? Kann Vater wirklich noch Auto fahren? Ist diese Vergesslichkeit normal oder steckt dahinter eine Demenz?
Kocht gemeinsam euer Lieblingsgericht. Singt ein Lied aus der Kindheit der Eltern. Aber auch: Sprecht über Pflegeheime. Peggy Elfmann schreibt darüber, wie erwachsene Kinder und ihre Eltern sich dem Thema Pflege nähern können, wie man den Eltern gut beisteht, sodass sie in Würde alt werden können, und wann die Zeit für eine Patientenverfügung gekommen ist. Sie beschreibt die emotionale Seite der hochpolitisierten Pflegedebatte und gibt so einen Ausblick, der von Fürsorge und Gemeinschaft geprägt ist.

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Seitenzahl: 255

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Das ist das Cover des Buches »Meine Eltern werden alt« von Peggy Elfmann

Über das Buch

Wie helfen wir unseren Eltern, wenn ihre Kräfte nachlassen? Peggy Elfmann liefert Ideen, die sich am Alltag mit alternden Eltern orientieren — für ein sensibles MiteinanderManchmal kommen sie plötzlich, meist aber schleichen die Veränderungen im Schneckentempo heran, bis sie eines Tages unübersehbar werden:Die Eltern sind älter geworden und brauchen Hilfe. Warum kann Mutter den Geldautomaten nicht mehr bedienen? Kann Vater wirklich noch Auto fahren? Ist diese Vergesslichkeit normal oder steckt dahinter eine Demenz?Kocht gemeinsam euer Lieblingsgericht. Singt ein Lied aus der Kindheit der Eltern. Aber auch: Sprecht über Pflegeheime. Peggy Elfmann schreibt darüber, wie erwachsene Kinder und ihre Eltern sich dem Thema Pflege nähern können, wie man den Eltern gut beisteht, sodass sie in Würde alt werden können, und wann die Zeit für eine Patientenverfügung gekommen ist. Sie beschreibt die emotionale Seite der hochpolitisierten Pflegedebatte und gibt so einen Ausblick, der von Fürsorge und Gemeinschaft geprägt ist.

Peggy Elfmann

Meine Eltern werden alt

50 Ideen für ein gutes Miteinander

hanserblau

Willkommen im Club

Vielleicht hast du dieses Buch in die Hand genommen, weil du bemerkt hast, dass manches nicht mehr so gut funktioniert wie sonst bei deinen Eltern. Dass sich deine Mutter beim Kochen oder Backen schwertut, obwohl es ihr immer leicht von der Hand gegangen ist. Dass das Badezimmer nicht mehr so sauber zu sein scheint, wie du es von deinen Eltern kennst. Dass neuerdings Mahnungen ins Haus flattern, obwohl dein Vater die Finanzen immer routiniert im Griff hatte. Vielleicht sorgst du dich auch, weil deine Mutter am Telefon immer wieder die gleichen Fragen stellt und verwirrt wirkt. Oder du spürst, dass sie sich zurückzieht und sich nicht mehr für dich und dein Leben interessiert. Irgendwie haben sich die Dinge und euer Miteinander verändert, und mitunter denkst du vielleicht: Meine Eltern werden alt.

Möglicherweise unterstützt du deine Eltern auch schon, übernimmst Aufgaben im Haushalt, und klar, wenn sie anrufen, hörst du ihnen zu und bist mit Rat und Tat zur Stelle. Aber habt ihr euch schon mal hingesetzt und über das Älterwerden gesprochen? Darüber, wie deine Eltern diese Phase in ihrem Leben gestalten wollen? Weißt du, was sie wollen oder was ihnen Sorgen bereitet? Welche Pläne und Träume sie für ihre weiteren, ihre letzten Lebensjahre haben — und welche Erwartungen, Hoffnungen, Wünsche oder Forderungen an dich?

Ich meine jetzt nicht das Ziel für die nächste Urlaubsreise und ob es nun eine Wanderung auf dem Jakobsweg oder durch Schweden wird, sondern die langfristige Zukunft. Und zwar genau die Zukunft, die unsere Eltern eigentlich nicht möchten (und wir als Kinder auch nicht wirklich): Pflege benötigen und auf andere angewiesen sein. Hast du mit deiner Mutter und deinem Vater darüber geredet, ob sie in ein Pflegeheim ziehen möchten, und wenn ja, unter welchen Umständen? Weißt du, was ihnen in einer Pflegeeinrichtung wichtig wäre? Habt ihr geklärt, welches Familienmitglied in der Vorsorgevollmacht mit welchen Rechten betraut werden soll? Hast du dir schon einmal darüber Gedanken gemacht, welche Unterstützung du leisten möchtest und wie viel du tatsächlich bieten kannst? Hast du dich mit deinen Geschwistern, falls du welche hast, über diese Themen ausgetauscht und erfahren, wie ihre Sicht ist?

Du hast auf alles mit Ja geantwortet? Herzlichen Glückwunsch! Du bist auf einem guten Weg und könntest dieses Buch auch zur Seite legen (oder es deiner besten Freundin schenken). Oder du liest es und findest noch die eine oder andere Idee, die dir und deinen Eltern helfen kann. Da ist bestimmt etwas auch für euch dabei — und falls nicht, dann kann dir mein Buch das gute Gefühl geben, dass ihr euch so gut wie möglich mit diesem Thema auseinandergesetzt und euch vorbereitet habt. Vielleicht wollen es ja auch deine Eltern lesen? Oder deine Kinder?

Falls du nicht mit Ja geantwortet hast, tja, nun, dann … heiße ich dich herzlich willkommen im Club. Du befindest dich in guter Gesellschaft, mit so ziemlich allen erwachsenen Töchtern und Söhnen. Denn über unsere älter werdenden Eltern und das Pflegen fangen wir meist erst dann an zu reden, wenn wir längst mittendrin stecken. »Das Pflegen ist kein Thema bei uns, meine Eltern sind gesund«, höre ich oft von Freundinnen und Bekannten. Jedes Mal denke ich: »Doch, das ist ein Thema für euch! Genau jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, um anzufangen, darüber zu reden. Eben weil noch Zeit ist und man sich in Ruhe und ohne Druck und Zugzwang austauschen kann.«

Warum ich das so sicher weiß? Weil ich den Club sozusagen gegründet habe. Als Journalistin habe ich zwar kein Problem damit, meinen Gesprächspartnern in Interviews unangenehme Fragen zu stellen und sie hartnäckig zu wiederholen, bis ich eine Antwort bekomme. Aber in meiner eigenen Familie habe ich das nicht getan. Mit meinen Eltern über das Thema Pflege zu sprechen kam mir nie in den Sinn. Warum auch? Sie waren ja gesund, fit und aktiv, mitten im Leben. Pflege — das betraf andere Menschen, aber uns nicht. Warum sich an ein schwieriges Thema wagen, wo doch alles gerade so schön ist?

Als meine Mama vor 13 Jahren die Diagnose Alzheimer erhielt, wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, um über Pflegethemen zu sprechen. Wir hätten uns darüber austauschen sollen, welche kurz- und langfristige Unterstützung sich meine Eltern wünschen — und welche ich und auch mein Bruder leisten möchte und kann. Es hätte ein guter Anlass sein können, um darüber zu sprechen, wie man das Haus unserer Eltern barrierefrei umbauen kann, und dies in die Wege zu leiten. Oder wie sie mit den emotionalen Folgen der Erkrankung am besten umgehen können. Es wäre auch ein guter Moment gewesen, um nachzufragen, ob sie sich vorstellen könnten, in ein Pflegeheim zu ziehen. Doch plötzlich funktionierte das Reden nicht mehr. Ich wollte für meine Mama da sein und hatte gleichzeitig große Angst, sie zu verlieren. Wie hätte ich da über Pflegeheime sprechen können? Viel zu groß war meine Sorge, sie könnte denken, ich würde sie abschieben und mich nicht kümmern wollen. Nichts lag mir ferner als das.

Nicht nur ich, auch meine Eltern taten sich schwer. Mama fing an zu weinen, sobald wir über ihre Erkrankung sprachen. Papa machte sich Sorgen, traute sich aber kaum, diese zu äußern. »Es geht schon noch«, wurde sein Standardsatz, verbunden mit der Hoffnung, dass alles bleiben würde, wie es war. Wenn ich meinen Mut zusammennahm und doch mal nachfragte, sagte er: »Das hat noch Zeit.« Und ich glaubte es nur zu gern. Meine Fragen verschob ich auf »später«, ohne zu wissen, wann dieses Später sein würde.

Eines Tages merkte ich: Es ist zu spät. Mamas Krankheit war über die Monate und Jahre fortgeschritten. Da wäre viel Zeit zum Reden gewesen, aber wir hatten es lange nicht getan. Wir wollten festhalten an dem, was noch war. Wir sprachen vielleicht auch deshalb nicht darüber, weil mit den Themen gefühlt auch der endgültige Abschied verbunden war. Und doch mussten wir uns im Laufe der Jahre immer wieder verabschieden. Fertigkeiten und Fähigkeiten verschwanden und kamen nicht wieder zurück. Gewohnheiten und Rituale veränderten sich. Ich musste immer wieder loslassen, obwohl ich es nicht wollte. Ich erinnere mich an ein Telefonat mit meiner Mama, als mir dies schmerzhaft bewusst wurde. Vor der Erkrankung hatten wir oft telefoniert und uns ausgetauscht. Aber nach der Diagnose wurde es immer weniger. Irgendwann ging Mama nicht mehr ans Telefon, aber wir konnten noch miteinander reden. Das nahm immer mehr ab, und später sprach meist nur ich, und sie reagierte mit wenigen Worten. Doch dieses Mal murmelte Mama nicht mal mehr, Papa hielt ihr den Hörer hin, aber sie ging einfach weg. »Nie wieder werden wir telefonieren«, dachte ich, und nachdem ich aufgelegt hatte, brachen die Tränen aus mir hervor. Mir wurde schlagartig bewusst, dass wir uns nie wieder wirklich unterhalten würden — und dass wir verpasst hatten, vieles zu bereden. So hatte ich keine Ahnung, wie Mama zum Thema Pflegeheim stand. Ich wünschte, ich hätte nicht solche Angst gehabt, das Gespräch darüber zu beginnen — damals, als ich dachte, das sei kein Thema für uns.

Wie bei so vielen Angehörigen hat sich das Pflegen leise und langsam in mein Leben geschlichen. Es war nicht der Tag der Alzheimerdiagnose, der mich zur Pflegenden gemacht hat, sondern die jahrelangen Veränderungen. Im Laufe der vergangenen Jahre haben mein Bruder und ich mehr und mehr Verantwortung für Mama und auch für Papa übernommen und viele Aufgaben erledigt. Wir sind immer noch die Kinder unserer Eltern (und werden dies immer bleiben), aber doch hat sich etwas geändert: Bis dahin hatten unsere Eltern meist uns unterstützt, und wie selbstverständlich ging ich davon aus, dass dies so bleiben würde.

Doch nun waren wir es, die immer häufiger Rat und Hilfe gaben. Wir mussten Entscheidungen treffen, weil Mama es nicht mehr verstand und es Papa überforderte. Wir wollten das Beste für sie und wussten doch manchmal gar nicht, was das überhaupt ist. Unser größter Stolperstein war sicher, dass wir über viele Themen nie gesprochen hatten. War es wirklich richtig, was wir taten? Ich zweifelte oft und hätte für vieles gern die elterliche Erlaubnis gehabt. Selbst als klar war, dass wir Mama daheim nicht mehr so betreuen konnten, wie sie es brauchte, fühlte ich mich wie eine Verräterin, sie im Pflegeheim anzumelden. Ich hätte mir gewünscht, von ihr zu hören, dass es für sie okay gewesen wäre.

Oft hatte ich das Gefühl, dass wir mit unserem Handeln der Krankheit und den damit einhergehenden Veränderungen hinterherjagten. Wir fingen immer erst dann an, uns bestimmten Themen zu nähern, wenn die Herausforderungen längst unübersehbar waren. Umbauen oder nicht — diese Frage stand lange im Raum. Mama fiel es zunehmend schwerer, die Treppen im Haus zu gehen. »Das geht schon noch«, meinte Papa, der sich so schwer mit Veränderungen tat, auch zu diesem Punkt. Erst als es beinah eskalierte und gefährlich wurde, begannen wir den barrierefreien Umbau. Am Tag danach ärgerte ich mich, dass wir dies nicht schon vor Jahren getan hatten. Wir hätten uns und vor allem meiner Mama sehr viel Stress mit dem Treppengehen ersparen können.

Es ist beispielhaft: Wir wollen die Veränderungen durch das Alter nicht, aber sie lassen sich nicht aufhalten. Wir stehen vor Fragen, die so unangenehm sind, dass wir sie lieber verdrängen möchten, aber wir müssen eine Entscheidung fällen. Sie nicht anzugehen und weiter vor uns herzuschieben ist keine Alternative. Denn die Veränderungen kommen so oder so. Sie nicht zu thematisieren kann sie nicht aufhalten, wir machen es uns nur schwerer — und nehmen uns die Chance, möglichst viel selbst bestimmen und gestalten zu können.

Ich weiß, wie herausfordernd es ist, solche Gespräche zu führen — für alle Beteiligten. Als Kind ist es schwierig, zu akzeptieren, dass die Eltern Hilfe benötigen, und beginnende Defizite anzusprechen. Als Eltern tut es weh, zu merken, dass manches nicht mehr klappt wie gewohnt und dass man von anderen zunehmend abhängig wird. Wenn Eltern älter werden, gleicht das für alle Beteiligten einem Balanceakt: Es braucht Kinder, die hinschauen, Mitgefühl aufbringen und taktvoll reden, und es braucht Eltern, die das Gewohnte los- und sich auf Neues einlassen. Das klingt so simpel und sagt sich schnell, doch das ist es nicht. Es erfordert viele Gespräche, Mut und Geduld. Spätestens wenn die eigenen Eltern alt und hilfebedürftig werden, verändern wir uns in der Rolle als Kind. Es ist ein Entwicklungsprozess, der zu Konflikten führen und mit Gefühlen wie Trauer, Angst oder Wut einhergehen kann. Die Rollen kehren sich nicht um: Deine Eltern bleiben immer deine Eltern und du immer ihr Kind. Aber als Kinder tragen wir nun auch Verantwortung für unsere Eltern — und genau das ist Pflegen.

Mit diesem Buch möchte ich dir auf deinem Weg bei der Begleitung deiner Eltern zur Seite stehen. Es hilft dir, das Thema frühzeitig anzugehen, und liefert dir dazu 50 Ideen. Du kannst sie nacheinander in einem Rutsch lesen, oder du pickst dir die heraus, die dich zum jetzigen Zeitpunkt besonders interessieren. Es sind allesamt Anregungen und Tipps, die ich durch Erfahrungen mit der Begleitung meiner Eltern sowie durch Gespräche mit anderen Angehörigen, Pflegenden und Fachleuten gesammelt habe. Seit Jahren widme ich mich als Journalistin den Themen Pflegen und Demenz und bin nimmermüde, auf die Rolle der Angehörigen hinzuweisen. Auf meinem Blog »Alzheimer und wir« sowie im Podcast »Leben. Lieben. Pflegen«, den ich für Desideria Care — einen Verein für Angehörige von Menschen mit Demenz — zusammen mit Familiencoach Anja Kälin mache, beschäftige ich mich damit.

Sich um die Eltern zu kümmern — das wird in unserer Gesellschaft erwartet. Viel mehr noch: Es wird eingefordert, und oft bleibt eigentlich keine Wahl, denn es fehlt an Angeboten für Pflegebedürftige und auch für pflegende Angehörige. Ja, viele Töchter — und auch Söhne — tun dies gern für ihre Eltern. Doch das Pflegen bringt viele an die eigenen Belastungsgrenzen — und das hat auch gesellschaftliche und politische Gründe. Pflegen, Betreuen und Kümmern, das findet meist in den Familien statt, nebenbei, ungesehen und unbezahlt. Vier von fünf Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut, in der Hälfte der Fälle nur von der Familie. Pflegende Angehörige werden auch als »der größte Pflegedienst der Nation« bezeichnet. Je nach Definition zählen dazu in Deutschland zwischen 5,3 und 8 Millionen Menschen. Auch in Österreich und der Schweiz zeigen sich ähnliche Entwicklungen. In Österreich widmen sich rund 950.000 Menschen der Pflege und Betreuung eines Angehörigen oder Bekannten, das ist jede zehnte Person; in der Schweiz betreuen laut Statistik rund 600.000 Personen ihnen Nahestehende (Schätzungen liegen deutlich höher). Es sind überall vor allem die Frauen in der Familie, die diese Aufgabe übernehmen. Auch hier variieren die Zahlen: von 60 bis 80 Prozent. Männer pflegen vor allem dann, wenn ihre Partnerinnen betroffen sind. Ist ein Elternteil pflegebedürftig, so kümmern sich meist die Töchter (oder Schwiegertöchter). Pflegen wird oft nebenbei erledigt, zusätzlich zur Berufstätigkeit und häufig auch aus der Ferne. Aber: Pflegen ist nichts, das man nebenbei tun kann.

Es fehlt an gesellschaftlicher und politischer Unterstützung — Pflegen ist und bleibt eine Familienaufgabe. Der Begriff Pflege wird oft gleichgesetzt mit der körperlichen Pflege, also etwa dem Unterstützen beim Waschen, Ankleiden und Essen, aber dazu gehört viel mehr: den Haushalt führen, einkaufen, kochen, putzen, Arzttermine organisieren, zum Arzt begleiten, Medikamente geben, Hilfsmittel recherchieren und besorgen … Du kannst die Liste gern ergänzen, sie scheint nie zu enden. Pflegen, das kann eine vorübergehende Aufgabe sein, etwa nach einem Unfall oder während der Genesung von einer heilbaren Krankheit, aber oft hat sie mit einer ernsthaften, zunehmenden Krankheit im Alter oder auch dem Alter selbst zu tun. Vielleicht lässt es sich auch in einem Satz sagen: Pflegen bedeutet, für eine andere Person zu sorgen. Und das fängt lange an vor dem, was gemeinhin mit Pflege verbunden wird. Wie genau ihr diese Phase ausgestaltet, kommt also auch auf euch als Familie an. Das Pflegen wird ein wenig leichter, wenn wir uns darauf vorbereiten und anfangen, darüber zu reden, in der Familie und mit anderen, und erste Maßnahmen umzusetzen.

Mit diesem Buch möchte ich dir Stolpersteine sichtbar machen. Und vor allem möchte ich dir Mut machen und dir Zuversicht schenken. Ganz konkret unterstützen dich die Tipps dabei, miteinander gut zu kommunizieren und einander besser zu verstehen (Teil I). Die Basis für eine gute Beziehung liegt im Zuhören und Wertschätzen — und du erfährst, wie ihr als Familie dies machen könnt. Wenn die Eltern älter werden und Pflege benötigen, schauen wir sehr oft auf das, was nicht mehr geht, und betrauern die Verluste. Viel wirkungsvoller ist es jedoch, die Ressourcen zu suchen und diese zu nutzen und zusammen schöne Dinge zu erleben (Teil II). In diesem Buch gebe ich dir ein paar Ideen, welche das sein können. Hier kommt auch die Lebensgeschichte deiner Eltern ins Spiel. Im Austausch über ihre Biografie, ihre Kindheit und die Familie kannst du nicht nur mehr über sie erfahren, sondern auch über dich.

Du findest auch Erklärungen zu wichtigen Unterlagen, um die du und deine Eltern euch kümmern solltet (Teil III). Vielleicht hast du ja schon von der Vorsorgevollmacht oder der Patientenverfügung gehört. Aber worauf kommt es dabei an? Was solltet ihr bedenken? Einige Schritte drehen sich um praktische Veränderungen im Zuhause deiner Eltern, die es braucht, damit sie möglichst lange daheim wohnen können (Teil IV). Mit der Fürsorge für deine Eltern verändern sich deine Aufgaben und vermutlich auch deine Arbeitslast. Dazu kommt: Egal, wie gut du dich vorbereitest, Pflegen verlangt emotional enorm viel. Mitzuerleben, dass die Eltern schwächer und hilfloser werden, rückt oft Gedanken an das Sterben und den Tod näher. Meine Mama lebte zwölf Jahre mit Alzheimer, die Beschwerden nahmen stetig zu. Mir war klar, dass solch eine Krankheit lebensverkürzend ist, und doch konnte ich die Nachricht von ihrem Tod nicht glauben. Wie bitte soll man sich darauf vorbereiten, dass ein Mensch, der einen ein ganzes Leben begleitet hat, eines Tages nicht mehr da sein wird? Ich weiß es nicht — und habe in den vergangenen Monaten in der Trauer um meine Mama erlebt, wie groß das Loch sein kann, in das man fällt. Aber ich habe auch gemerkt: Es ist so wichtig, auf sich zu achten, und zwar von Anfang an. Selbstfürsorge fand ich oft überbewertet, »keine Zeit dafür«, dachte ich. Aber: Füreinander sorgen, das ist etwas, das vom Miteinander lebt. Wie willst du gut für jemanden sorgen, wenn du es nicht für dich selbst tun kannst? Deshalb findest du in diesem Buch Anregungen, die dir helfen, deine eigene Rolle zu finden, und die dich vor Überforderung schützen können (Teil V).

Ich kann dir leider kein Patentrezept liefern und keine Anleitung, die du als Blaupause nutzen kannst. Jede Pflegesituation unterscheidet sich in den Herausforderungen und Bedürfnissen und benötigt individuelle Lösungen. Das ist schon so, weil jeder Mensch in einer anderen Situation lebt, wir uns in unseren Lebenserfahrungen und unseren Persönlichkeiten unterscheiden. Auch Krankheiten verlaufen nicht nach einem festem Schema. Pflegen ist nichts, was du einmal planst und dann geradlinig in Angriff nimmst. Zum Pflegen gehören Flexibilität und Offenheit, aber auch Zeit und Mut, sich auf neue Wege einzulassen.

Ich möchte dir das Kümmern ein wenig leichter machen. Dieses Buch ist eine kleine Schatztruhe mit 50 Ideen, in verschiedenen Themenbereichen zusammengefasst. Manche wirst du vielleicht nur ein einziges Mal umsetzen, andere immer wieder. Manche wirken sofort, andere langfristig. Du meinst, du brauchst das noch nicht? Oder deine Eltern möchten sich nicht mit dem Thema beschäftigen? Sicher könnte ich dir sagen, wie mein Vater es lange getan hat: »Das hat noch Zeit.« Aber die Fakten sprechen eine andere Sprache: Die Wahrscheinlichkeit, im Alter pflegebedürftig zu werden, ist hoch, egal ob wir uns damit auseinandersetzen oder nicht. Abzuwarten nimmt dir wichtige Chancen. Je offener wir uns über das Pflegen austauschen, und je früher wir Veränderungen angehen, umso besser wird es gelingen, gute Lösungen für und mit unseren Eltern zu finden. Traut euch, sprecht darüber, probiert die ein oder andere Idee aus — und findet euren Weg.

Ich wünsche dir von Herzen alles Gute dafür!

Deine Peggy

50 Ideen

1. Schaut in die Zukunft — und sprecht über eure Wünsche

2. Stelle diese eine Frage — und höre einfach zu

3. Macht eine Gesundheits-Challenge — und geht zur Vorsorge

4. Beobachtet aufmerksam — und holt eine Diagnose

5. Führt Familienkonferenzen ein — und holt alle an einen Tisch

6. Tauscht mal die Plätze — und erlebt eine neue Perspektive

7. Verbringt Zeit miteinander — und geht auf Augenhöhe

8. Bildet Banden — und schafft ein Netzwerk aus Helfenden

9. Frage um Rat — und schenke ein gutes Gefühl

10. Mach ein Kompliment — und gib Wertschätzung

11. Packt eine Kiste — und legt Herzensgegenstände hinein

12. Kocht gemeinsam — und erfahre mehr über die Kindheit deiner Eltern

13. Veranstaltet einen Spielenachmittag — mit den alten Kinderspielen

14. Sammelt die Lieblingsmusik — und sorgt für Freude

15. Buddelt zusammen im Garten — und nutzt die Kraft der Natur

16. Zeichnet einen Familienstammbaum — und findet eure Wurzeln

17. Erkundet die Alltagsorte — und geht auf einen Kaffee ins Pflegeheim

18. Verreist gemeinsam — und entdeckt die Orte der Kindheit

19. Findet ein neues Hobby — und haltet das Gedächtnis fit

20. Leert ein Marmeladenglas — und füllt es mit feinen Momenten

21. Mach das Foto — und halte Erinnerungen fest

22. Findet Routinen — und freut euch aufeinander

23. Packt eine Reisetasche — und stellt sie in die Ecke

24. Macht einen Treppencheck — und findet Stolperfallen

25. Wandert nachts durchs Haus — und sorgt für Sicherheit

26. Geht mal ins Badezimmer — und zwar gemeinsam

27. Sorgt für ein Küchen-Update — und schafft Orientierung

28. Verschenke eine Fahrstunde — und testet die Fahrsicherheit

29. Fahrt Taxi, Bus oder Rad — und findet Alternativen zum Autofahren

30. Bringt Ordnung ins Chaos — mit einem Farbschema

31. Telefoniert übers Tablet — und erforscht die digitale Welt

32. Meldet euch in einem Sportverein an — und trainiert das Gehirn

33. Macht eine Modenschau — und sorgt für Ordnung im Kleiderschrank

34. Holt die Fußpflege nach Hause — und lernt, Hilfe anzunehmen

35. Setzt eine wirksame Vollmacht auf — auch deine eigene

36. Sorgt vor — mit einer Betreuungsverfügung

37. Stellt euch den großen Fragen — und setzt die Patientenverfügung auf

38. Wagt den Blick auf das Ende — und sprecht über eure Vorstellungen

39. Klärt die Finanzen — denn Pflegen kostet

40. Bereitet den Notfall vor — und sorgt für Sicherheit

41. Macht ein Medikamenten-Update — immer wieder

42. Sammelt Wichtiges an einem Ort — für eine gute Übersicht

43. Sei dein eigener Detektiv — und finde dein Warum

44. Erstellt sinnvolle To-do-Listen — und lernt abzugeben

45. Schreibe deine Not-to-do-Liste — und schaffe dir Zeit

46. Macht Fehler — und sprecht darüber

47. Schreibe einen Brief an dich — so wie einer guten Freundin

48. Schreibe einen Brief an deine Eltern — und lernt euch neu kennen

49. Suche dir Vorbilder und Verbündete — für deine eigene Bande

50. Setz dich ans Fenster — und schenke dir Zeit und Ruhe

I.

Gut miteinander in Kontakt bleiben

1. Schaut in die Zukunft — und sprecht über eure Wünsche

In jungen Jahren schmieden wir gern Zukunftspläne und scheuen uns auch nicht, unsere Wünsche anderen mitzuteilen. »Ich werde mal Zirkusartistin«, verkündet meine jüngste Tochter neuerdings voller Überzeugung. Seit Wochen übt sie den perfekten Radschlag im Wohnungsflur. Ihre Hände sind voller Schwielen vom Turnen und Schwingen auf der Kletterstange. Täglich spricht sie über ihren Wunsch und tut mit großer Begeisterung so einiges, um ihn wahr werden zu lassen. Vermutlich möchten du und deine Eltern genauso sehr Zirkusartistin werden wie ich — nämlich gar nicht —, und doch können wir uns von meinem Kind etwas abschauen: über Wünsche für die Zukunft zu sprechen, erste Schritte zu unternehmen und beharrlich dranzubleiben. Natürlich kann ich mir vorstellen, dass es deinen Eltern — und auch dir — deutlich schwerer fällt, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen. Alt werden, das möchten wir, aber alt sein und Unterstützung von anderen benötigen, das eher nicht. Pflegen, das hat in unserer Gesellschaft etwas Tabu- und Schambehaftetes, es bringt Bilder von hilflosen, gebrechlichen Menschen auf — und schürt oft die Angst vor dem Verlust der Selbstbestimmung, der Intimsphäre und auch der Würde sowie vor Schmerz und Leid. Wen es nicht persönlich betrifft, der umgeht das Thema, nach dem Motto »Wenn wir nicht darüber reden, wird es uns nicht treffen«.

Als meine Mama die Diagnose Alzheimer-Demenz erhielt, schien die Zeit stillzustehen. In den ersten Wochen danach haben wir uns immer wieder die bange Frage gestellt: »Wie soll es nun weitergehen?« Aber niemand wusste eine Antwort. Natürlich, wer sollte die auch haben bei einer fortschreitenden Erkrankung wie Alzheimer … Uns allen fiel es schwer, in Worte zu fassen, wie es uns mit dieser Diagnose ging, wie wir uns fühlten. Wir konnten kaum ernsthaft darüber reden, welche Möglichkeiten es gab: Wollten meine Eltern in jedem Fall zu zweit daheim wohnen bleiben? Könnte eine Betreuungskraft einziehen und sie versorgen? Wäre ein Pflegeheim eine gute Lösung oder betreutes Wohnen? Oder eher eine Demenz-WG? Inwieweit konnten mein Bruder und ich aus der Ferne, mit je gut 350 Kilometern Entfernung, helfen? Wäre ein Umzug zu einem von uns nicht besser? Und wann wäre dafür der beste Zeitpunkt?

Es ging uns damals vor allem darum, zu halten, was ist, und irgendwie den Schein zu wahren, nach außen und auch nach innen. Ja, Mama war an Demenz erkrankt, aber wir wollten es nicht wahrhaben. Wir wollten diese Krankheit nicht akzeptieren. Alles sollte bleiben, wie es ist, am besten für immer. Ein Wunsch, den du möglicherweise auch hast, aber wenn die Dinge anfangen, sich zu verändern, ist Stillstand weder möglich noch hilfreich. Die Diagnose Demenz machte mir Angst, weil ich damit schreckliches Vergessen, Einsamkeit im Pflegeheim und Sterben verband. Doch der Verlauf war, wie bei vielen Demenzerkrankungen, langsam. Die Krankheit schritt über viele Jahre voran, fast 13 waren es, bis meine Mama starb. Sie verlernte in dieser Zeit beinah alles, was uns sehr lange sehr traurig machte, aber wir lernten dazu. Wir konnten die Diagnose nicht ändern, doch vieles gestalten, damit es ihr gut ging.

Wenn die Eltern älter werden, wenn wir merken, dass etwas nicht mehr so gut funktioniert, sprechen wir viel über das Hier und Jetzt und bemängeln, dass es »nicht mehr wie früher« ist. Das ist normal, wir Kinder geraten dann in die sogenannte filiale Krise. Auch wenn wir längst erwachsen sind, zeigen die Beziehungen oft noch kindliche Muster. Werden die Eltern hilfebedürftig, und fangen wir als Kinder an, Verantwortung für sie zu übernehmen, ist das »ein Beziehungswandel, der im Idealfall in die filiale Reife mündet«, so schreiben es die Autorinnen Cornelia Kazis und Bettina Ugolini in ihrem Buch Alte Bande. Dieser Entwicklungsschritt sei der Abschied von der Kindheit und eine grundlegende Veränderung — und wie jede Veränderung kann diese verunsichern. Wir können nicht länger Kind sein, weil wir Verantwortung für unsere Eltern übernehmen, und wünschen uns doch oft, die kindliche Geborgenheit zu bewahren. Stattdessen heißt es: den Eltern auf Augenhöhe begegnen, ein erwachsenes Verhältnis zu ihnen entwickeln und die Muster der Kindheit hinter uns lassen. Diese Veränderung betrifft beide Parteien, und möglicherweise geht es dir mit deinen Eltern wie mir mit meinen.

Nach der Diagnose schritt die Demenz erst langsam voran, später immer schneller. Ich hatte es verpasst, mit Mama über so vieles zu sprechen, und nahm mir vor, dies mit Papa besser zu machen. Doch wenn ich ihn etwas fragte, wurde er wortkarg. Er wollte nicht darüber nachdenken, dass auch er mal krank werden könnte oder im Alter Hilfe benötigen würde. Von ähnlichen Erfahrungen berichten Freundinnen und Bekannte: über Hilfe im Alter und Pflegen, darüber möchten Eltern sich meist nicht unterhalten. »Das hat doch noch Zeit«, antwortete mein Papa immer, wenn ich mutig das Thema anschnitt. Er wirkte bisweilen verärgert, so als würde ich ihm nichts mehr zutrauen, und wehrte das Gespräch ab. Mir ging es darum, mich vorzubereiten und dem Ganzen offen zu nähern, er wollte nicht reden. Vielleicht machte es ihm Angst, denke ich heute. Und doch: Nicht zu reden hält Veränderungen ja nicht auf.

Sicher, weder du noch deine Eltern können in die Zukunft schauen. Es gibt keine Glaskugel, die wir konsultieren können, die uns vorhersagt, was die Zukunft bringt, und uns am besten noch einen maßgeschneiderten Leitfaden mitgibt. Aber es hilft uns, wenn wir den Scheinwerfer unserer Aufmerksamkeit immer mal wieder umschwenken und nach vorn richten. Wenn wir nicht nur auf das blicken, was mal war, sondern auf das, was deine Eltern — und auch dich und deine Geschwister — erwarten könnte.

»Häufig kommt es zu Diskussionen und Streitereien, wenn Eltern pflegebedürftig werden. Einer der Hauptgründe ist, dass die Eltern nicht kommuniziert haben, wie sie es gern hätten«, sagte mir Prof. Sabine Engel, Professorin für Gerontologie, in einem Interview, das ich mit ihr für einen Artikel geführt habe. Den Kindern bleibe dann nichts übrig als Mutmaßungen, begleitet von unausgesprochenen und mitunter falschen Erwartungen und eigenen Erfahrungen. Ich behaupte mal: Die meisten Eltern sind sich dessen gar nicht bewusst. Sie haben ihre Wünsche und Erwartungen nicht aus Unwillen nicht kommuniziert, sondern weil sie diese selber nicht kennen. Weil sie Angst vor dem Thema haben, weil sie nicht alt werden wollen, weil sie doch noch fit und gesund sind … Vielleicht melden sich in solch einer sich verändernden Situation auch alte Verletzungen aus der Kindheit und schwierige Erfahrungen mit den Eltern zu Wort, treten ungelöste Konflikte und emotionale Prägungen zutage.

Bei der Frage nach der Zukunft und den Erwartungen geht es nicht nur um die deiner Eltern, es geht auch um deine eigenen. Die Muster unserer Kindheit spielen in der Pflege unserer Eltern eine große Rolle, viel mehr, als uns lieb oder gar bewusst ist. Wenn wir keine Informationen von unseren Eltern haben, dann greifen wir auf Bekanntes, Gegenwärtiges und Vermutungen zurück, um uns zu orientieren — und das kann auch auf Irrwege führen. Beispielsweise: Zu wissen, wie sehr die Mutter an ihrem Haus hängt, bringt die Tochter dazu, alles Mögliche zu versuchen, dass die Mama dort wohnen bleiben kann, auch wenn das für sie selbst heftige Einschränkungen bedeutet. Aber vielleicht hätte die Mutter nie gewollt, dass die Tochter ihren Beruf, ihren Kinderwunsch, ihren Freundeskreis aufgibt? Sicher ein Extrembeispiel, und doch zeigt es: Pflegen braucht Kompromisse, und diese lassen sich am besten gestalten, wenn sich die Beteiligten über Wünsche, Erwartungen und Grenzen austauschen.

Wie gehst du also so ein Gespräch richtig an? Nehmt euch Zeit, vielleicht auch nur zu zweit. Ehrliches Interesse ist eine gute Basis. Wenn ich mich an erste Gespräche mit meinen Eltern erinnere, nach der Diagnose, dann weiß ich rückblickend, dass ich diesen Rat oft nicht befolgt habe. »Also, Papa, wie sollen wir das jetzt machen?«, führte zu einem Gespräch, das eher wie ein Verhör anmutete als ein Austausch. Ich hatte Angst, war ungeduldig und wollte alles sofort geregelt haben, wollte eine schnelle und zuverlässige Lösung für unser »Problem«. Ich dachte, ich könnte mal eben mit meinem Papa das Thema Pflegeheim klären. Aber anstatt mir zu antworten, reagierte er abwehrend. Ich war genervt; unnötig zu sagen, dass ich auch danach keine Antwort hatte. Ich verstand, dass mein Papa selber keine Lösung hatte. Und vielleicht geht es deinen Eltern ähnlich: Sie wissen nicht, was sie sich für diese Zukunft wünschen, weil sie darüber nicht informiert sind und nicht darüber nachgedacht haben. Vielleicht verspüren sie auch eine gewisse Resignation nach vielen gelebten Jahren, vielleicht haben sich Lebensträume nicht erfüllt, sind sie einfach müde oder fürchten sich vor dem Tod. Vielleicht verdrängen sie den Gedanken aus anderen Gründen. Mein Papa wollte nicht darüber nachdenken, dass er selbst Pflege bräuchte, weil damit einherging, dass er sich nicht mehr um Mama kümmern könnte.