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Seit 1973 betreibe ich Ahnenforschung. Dabei versuche ich, mehr über die Personen als nur die Daten zu erfahren, welche einen Stammbaum ausmachen. So sind für mich z.B. meine Großeltern mütterlicherseits mehr als nur zwei Personen mit ihren Daten auf dem Stammbaum. Prägendes in ihrem Leben ist auch für mich wichtig.
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Ahnenforschung ist mehr als nur ein Stammbaum
Unmittelbar nach meinem 35. Geburtstag am 22. August 1973 fuhren Ursula und ich mit unseren drei Töchtern zu meinem Bruder Ekkehard nach Rüdersdorf bei Berlin in der ehemaligen DDR. Ekkehard schenkte mir den Abstammungsnachweis meines Vaters, den er mit vielen Unterlagen nach dem Tod unseres Vaters mit übernommen hatte. Unser Vater musste 1933 den „großen Ariernachweis“ vorlegen, um seine Stelle bei der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF) des Kreises anzutreten. Das von den Nazis erlassene „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes“ schrieb vor, dass alle, welche ein Amt in einer staatlichen Stelle antreten wollten, einen Abstammungsnachweis seiner eigenen Vorfahren und die der Ehefrau zurück bis zum 1. Januar 1800 und wer ein Amt bei der SS antreten wollte, sogar bis 1. Januar 1750 vorlegen musste. Für einfache Angestellte genügte ein kleiner Ariernachweis, der nur bis zu den Urgroßeltern zurückreichte. Der große Ariernachweis war beim Rasse- und Siedlungshauptamt des Kreises zu beantragen und musste Namen, Geburts- und Sterbedatum, Wohnorte, Beruf und Religion aller Personen enthalten. Bei ungeklärten Familienverhältnissen z.B. bei unehelicher Geburt oder Verheiratung eines Vorfahren mit einem Ausländer entschied die Reichsstelle für Sippenforschung darüber, ob trotzdem ein Ariernachweis erteilt werden darf. Der Ariernachweis meines Vaters enthielt die Daten von insgesamt 59 Personen: seine Eltern (2), Großeltern (4), Urgroßeltern (8), Ur-Urgroßeltern (16), und von seiner Ehefrau die Eltern (2), Großeltern (3), Urgroßeltern (8) und Ur-Urgroßeltern (16). Der Ariernachweis seiner Ehefrau musste dem Rasse- und Siedlungshauptamt des Kreises vorgelegt werden, da eine Großmutter mütterlicherseits unehelich geboren war.
Die Schwiegermutter meines Vaters, also meine Großmutter mütterlicherseits, war eine geborene Himmler. Mein Vater legte großen Wert darauf, zu erfahren, ob ihre Ahnenreihe zu der des Reichsführers der SS Heinrich Himmler Verbindungslinien aufweist. Doch die Großmutter erhielt zur Enttäuschung meines Vaters vom Rasse- und Siedlungshauptamt des Kreises die schriftliche Mitteilung, dass sie nicht mit Heinrich Himmler verwandt sei. Die Großmutter meinte daraufhin, sie werde diesen Brief aufbewahren, „man weiß ja nie, wozu das einmal gut ist“. Und tatsächlich konnte sie nach der Kapitulation damit beweisen, dass sie nicht mit dem SS-Verbrecher Heinrich Himmler verwandt ist.
Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) war in der Nazi-Zeit anstelle der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmer-Verbände (Gewerkschaften) gebildet und diese verboten und deren Vermögen zugunsten der DAF eingezogen worden. Mein Vater war in der DAF zuständig für die Klärung arbeitsrechtlicher Belange in der Textilindustrie des Kreises, soweit sie nicht auf Reichsebene entschieden wurden, wie z.B. die Entlohnung.