Meine Wahrheit Digital 21006 – Online-Zeitschrift - Diverse - E-Book

Meine Wahrheit Digital 21006 – Online-Zeitschrift E-Book

Diverse

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Beschreibung

Packende Schicksale, aufregende Familiendramen und zu Herzen gehende Bekenntnisse: in diesem modernen Erlebnismagazin ist alles enthalten! Diese Online-Zeitschrift enthält: - Spätes Glück - Partnertausch - Im Zwiespalt - Der unsichtbare Hund - Intimes Bekenntnis - Betrogener Mann - Meine letzte Reise - So gemein - Wegen Facebook und Twitter - Verratene Liebe - Darf diese Liebe sein? - Verzweifelt und einsam

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Seitenzahl: 190

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Meine Wahrheit Digital

Reise-Tipp: Frühling im Allgäu

Spätes Glück

Partnertausch

Im Zwiespalt

Der unsichtbare Hund

Intimes Bekenntnis

Betrogener Mann

Meine letzte Reise

So gemein

Wegen Facebook und Twitter

Verratene Liebe

Darf diese Liebe sein?

Verzweifelt und einsam

Meine Wahrheit Digital – 21006 –

Meine Wahrheit Digital

Diverse

Reise-Tipp: Frühling im Allgäu

Die Zugspitze am Horizont, Enzian am Wegesrand

Im Herzen des Allgäus liegt der Luftkurort Nesselwang auf

fast 900 Höhenmetern, eingebettet in eine beeindruckende

Bergkulisse zwischen Seen, Wiesen und

Wäldern. Direkt vor der Haustür starten die

schönsten Wanderwege durch die unberührte

Voralpenlandschaft, dabei sind die Städte

Kempten, Füssen und Marktoberdorf nur

rund 20 Kilometer entfernt. Der Aufstieg

von Nesselwang zu den beiden Hausbergen

Alpspitze und Edelsberg lohnt sich,

denn das Panorama reicht bis zu den

höchsten Gipfeln Bayerns und Tirols, zur

Zugspitze und auch zum Schloss Neuschwanstein.

Es gibt aber auch einfache Touren, etwa

die sechs Kilometer kurze Runde zum Attlesee

und Kögelweiher: Auf breiten Wegen

durchs Naturschutzgebiet lässt sich sogar ein

Kinderwagen schieben. Unterwegs sind in geschützten

Feuchtbiotopen seltene Bergblumen wie Enzianund Orchideen sowie schillernde Libellen zu beobachten.

An Sommertagen ist der Höhepunkt der Tour dann ein

erfrischendes Bad im glasklaren Bergsee.

Größere Herausforderungen warten beispielsweise

auf einer sportlichen Tageswanderung

über die Reuterwanne: Auf gut elf Kilometern

sind 740 Höhenmeter zu bewältigen,

der Gipfel bietet mit 1.541 Metern eine

atemberaubende Aussicht. Der Aufstieg

führt fast ausschließlich über abwechslungsreiche

Bergpfade.

Fürs Wandern auf eigene Faust emp ehlt

sich die Nesselwanger Wanderkarte im

Taschenformat, in der die schönsten Touren

verzeichnet sind. Im Tourenportal unter

www.nesselwang.de sind weitere Themen- und

Fernwanderwege, Nordic-Walking-Strecken und

auch Mountainbike-Routen zu nden. Sie können

mitsamt Kartenausschnitt und Höhenprofil ausgedruckt

oder als GPS-Track heruntergeladen werden.

Spätes Glück

Hilde T. (72): »Liebe kennt kein Alter.«

Nachdem mein Mann völlig unerwartet an einem Herzinfarkt verstarb, verzog ich mich

in mein Schneckenhaus. Erst meine alte Schulfreundin Gerda holte mich zurück ins

Leben. Doch als ich einen netten Herrn kennenlernte, musste ich den Widerstand

meiner Tochter erleben.

Achtundvierzig Jahre war ich

mit meinem Benno verheiratet.

Heutzutage trennen sich

Paare schon nach dem ersten kleinen

Streit. Aber in unserer Generation war

es üblich, das einmal gegebene

Versprechen nicht mehr zu brechen.

Natürlich gab es Höhen und Tiefen in

unserer Ehe. Die Zeit als Benno aufgrund

von Stress auf der Arbeit zu

viel Alkohol trank. Oder als er in seiner

Midlife-Krise mit der Mutter der

besten Freundin unserer Tochter

anbandelte. Damals hätte ich ihn am

liebsten vor die Tür gesetzt. Doch

wenn es drauf ankam, konnte ich

mich auf Benno verlassen. Ich weißnicht, ob ich ohne ihn meine

Krebserkrankung durchgestanden

hätte.

Die Zeit flog dahin und ehe wir uns

versahen, hatten wir die Siebzig überschritten.

In einem Jahr wollten wir

Goldene Hochzeit feiern. Ich steckte

schon mitten in den Vorbereitungen,

machte mir bereits Gedanken über die

passende Lokalität und wen wir alles

zu diesem Fest einladen sollten.

»Du weißt doch gar nicht, ob wir

diesen Tag noch erleben«, grummelte

Benno, wenn ich über meinen Notizen

grübelte. Ich nahm diesen Einwand

nicht sehr ernst. Klar, in unserem

Alter sollte man sich schon ab und an mit dem Tod auseinandersetzen. Aber

ich fühlte mich nicht anders als mit

Anfang fünfzig. Aber ging es Benno

genauso?

Zu Beginn unserer Rentenzeit bereisten

wir ferne Länder und genossen

die neu gewonnene Freiheit. In den

letzten zwei Jahren spürte ich jedoch,

dass Bennos Interesse dafür spürbar

nachließ. Selbst für Theater- und

Museumsbesuche in unserer Stadt

konnte ich ihn nicht mehr begeistern.

»Lass mal, zu Hause ist es doch

auch schön«, sagte er dann. Zunächst

maß ich dem keine Bedeutung bei.

Doch wenn ich ihn heimlich beobachtete,

fiel mir auf, wie seine Energie

immer mehr verloren ging. Ich hielt

dies für den natürlichen Alterungsprozess,

der bei dem einen eher und bei

dem anderen später einsetzte.

Benno war stets ein Frühaufsteher.

Jeden Morgen um sechs Uhr sprang er

aus dem Bett, während ich noch mindestens

eine Stunde liegen blieb.

Stand ich dann endlich auf, hatte mein

Mann bereits das Frühstück vorbereitet

und die Zeitung geholt. Auch an

jenem Morgen, der mein Leben verändern

sollte, vernahm ich im Halbschlaf,

wie Benno sich aus dem Bett

wühlte. Er beugte sich über mich und

gab mir einen Kuss auf die Wange.

Dann schnappte er sich ein Handtuch

aus dem Schrank und verließ unser

Schlafzimmer. Ich hörte das Plätschern

der Dusche und dämmerte

weg. Wie lange, weiß ich nicht mehr

genau. Das Wasser plätscherte immer

noch, als ich nach dem Wecker tastete.

Mit Erstaunen stellte ich fest, dass

es schon nach sieben Uhr war. Sollte

mein Mann über eine Stunde geduscht

haben? Ein merkwürdiges Gefühl

überkam mich. Schnell stand ich auf,

fuhr in die Pantoffeln und eilte ins

Badezimmer. Als ich die Tür aufmachte,

schlug mir Wasserdampf ent-die Beine meines Mannes. Mit einem

Schrei stürzte ich zu ihm. Benno lag

nackt auf den Fliesen und rührte sich

nicht. Ich drehte ihn um und sah, dass

seine Augen bereits gebrochen waren.

Trotzdem versuchte ich ihn wiederzubeleben.

Doch weder ein Mund-zu-

Mund-Beatmung noch eine Herzmassage

brachten ihn ins Leben zurück.

Wie lange mochte er so dagelegen

haben? Ich hatte weder einen Hilferuf

noch das Geräusch eines stürzenden

Körpers bemerkt. Was sollte ich jetzt

tun? Die Polizei rufen, den Krankenwagen

oder gleich den Bestatter? Völlig

kopflos sprang ich auf und rannte

ins Wohnzimmer. Ich griff nach dem

Telefonhörer und wählte die Nummer

unserer Tochter. Es dauerte eine

Weile, bis sie den Hörer abnahm.

»Papa ist tot.« Ich merkte, wie

meine Tochter am anderen Ende der

Telefonleitung etwas Zeit brauchte,

um diese Nachricht zu verarbeiten.

Schließlich sagte sie, dass sie sofort

käme und beendete das Gespräch.

Jetzt erst bemerkte ich, dass ich vollkommen

durchnässt war. Ich zitterte am ganzen Körper.

Die Diagnose lautete Herzinfarkt.

Aber diese Nachricht

drang gar nicht richtig zu mir

durch. Ich war vollkommen gelähmt.

Die Welt um mich herum schien unter

einer Watteschicht verborgen. Meine

Tochter kümmerte sich um das

Erledigen sämtlicher Formalitäten,

den Besuch beim Bestatter, das

Aussuchen der Grabstelle. Obwohl

ich sonst ihre Art, alles an sich zu reißen,

nicht mochte, war ich jetzt dankbar

dafür. Ich konnte es immer noch

nicht fassen, dass mein Benno nicht

wiederkehren würde. Zwar war das

Bett neben mir leer und auch sein

Platz im Fernsehsessel, trotzdem

redete ich den ganzen lieben Tag mit

ihm und bat ihn bei Entscheidungen

um Hilfe.

Die Beerdigung lief für mich wie in

einem Film ab. Der Pfarrer fand anerkennende

Worte über meinen Ehemann.

Aber der Mann, den er da

schilderte, hatte mit meinem Benno

nur die Daten gemein. Was ihn auszeichnete,

konnte der junge Pfarrer

nicht im Geringsten nachvollziehen. Vielleicht war dies ein Generationsproblem.

Sabine, meine Tochter,

führte mich zu dem offenen Sarg, in

dem Benno aufgebahrt war. Ich begriff

nicht, dass der wächserne Körper

mein Mann war. Mir wurde schwindlig.

Ich griff nach einer Hand. Ich

brauchte eine Weile, bis ich erkannte,

dass es die Hand meiner Enkelin

Maike war und nicht die von Benno.

Hinterher erzählten mir Freunde und

Verwandte, was für eine würdevolle

Beerdigung es gewesen sei. Ich nickte

zustimmend, hatte jedoch die ganze

Zeit ein Gefühl der Leere.

Diese Empfindung ließ auch in den

folgenden Wochen nicht nach. Natürlich

bemühte sich meine Tochter sehr

um mich. Aber auch Sabine stand

noch unter Schock. Schließlich war

sie von klein auf ein Papakind. Während

ich mich immer wieder mit ihr heftig stritt, fand sie bei meinem

Mann ein verständnisvolles Ohr. Sie

brauchte ihn nur mit ihren dunklen

kullerrunden Augen anzusehen, und

schon wurde er schwach. Verbot ich

ihr den Diskobesuch, rannte sie zu

Benno, und nach nicht einmal fünf

Minuten bekam sie ihren Willen.

Wahrscheinlich waren wir uns zu ähnlich,

und deshalb flogen ständig die

Fetzen.

Erst als Maike zur Welt kam, verstanden

wir uns besser. Aber ein

inniges Mutter-Tochter-Verhältnis hatten wir nie. Trotzdem hatte sie

wohl jetzt das Gefühl, dass sie sich

um mich kümmern muss. Durch ihre

Doppelbelastung als Mutter und

erfolgreich Anwältin war dies

bestimmt nicht einfach für sie. Aber

als ich sie daraufhin ansprach, wehrte

sie immer ab. Doch eines Tages rückte

sie mit ihrer Vorstellung von meinem

Leben heraus. Inzwischen war ein

Vierteljahr vergangen. Sabine hatte

Apfelkuchen gebacken und wir

tranken gemeinsam Kaffee.

*

Ich habe die letzten Tage hin- und

her überlegt. Aber das Beste wird

sein, wenn du zu uns ziehst. Dann

bist du nicht mehr so alleine.«

Natürlich traf ihr Angebot einen

wunden Punkt. Zwar fand ich mich inzwischen in meinem Alltag zurecht,

dagegen nahm mir die Einsamkeit die

Luft zum Atmen. Ich vermisste Bennos

schlurfenden Gang, sein leises

Schnarchen und sein falsches Singen

unter der Dusche. Jetzt war es nur

noch still in der Wohnung. Schon

wollte ich dem Plan meiner Tochter

zustimmen. Doch dann musste ich

daran denken, wie oft wir uns früher

gestritten hatten. Inzwischen war sie

erwachsen, aber ihre Dominanz hatte

sie nicht verloren. Alles musste immer

nach ihrem Kopf gehen. Sie würde versuchen, mein Leben zu bestimmen.

Das würde ich nicht ertragen.

»Dein Angebot ist ganz lieb«, sagte

ich schließlich zu ihr. »Aber wir würden

uns ständig in die Haare kriegen.

Ich will nicht unser gutes Verhältnis

zerstören.« Es brauchte ein paar

Sekunden, bis es aus meiner Tochter

herausbrach: Ich wäre doch gar nicht

in der Lage, alleine zu leben. Letztendlich

habe sich der Papa um alles

gekümmert. Ich würde schon sehen,

was ich von meiner Sturheit hätte. Ein

Schwall wütender Worte ergoss sich

über mich. Sie gab mir gar keine

Möglichkeit, ihr meine Argumente

darzulegen. Als sie fertig war, packte

sie ihren Apfelkuchen wieder ein und

verließ türenschlagend meine Wohnung.

*

Hinterher fragte ich mich, ob es

eine gute Idee war, ihr Angebot

auszuschlagen. Natürlich hätte

mich unterordnen müssen. Aber war

dies so schlimm? Nun war es zu spät.

Wochenlang sprach Sabine kein einziges

Wort mit mir. Danach besuchte sie

mich wieder, aber äußerst selten.

Unser Verhältnis hatte sich fast so

abgekühlt wie in den Zeiten ihrer

Pubertät. So versuchte ich zunächst,

mit meiner Trauer allein zurechtzukommen. Ich verschloss mich auch vor

unserem alten Freundeskreis. Zwar

realisierte langsam mein Kopf, dass

Benno nicht wiederkommen würde,

aber das machte es nicht besser. Wie

sollte ich dies einem befreundeten

Ehepaar erklären, das glücklicherweise

noch nicht in dieser Situation war.

Ehrlich gesagt, ich beneidete diese

Paare um ihr Glück der Zweisamkeit.

So reagierte ich harsch auf ihre mitleidsvollen

Bekundungen. Die Folge

war, dass sich meine Freunde immer

mehr von mir zurückzogen. Wer

wollte schon mit einer trauernden

Witwe zu tun haben, die um sich biss,

wenn man ihr zu nahe kam.

Nur Gerda ließ sich von meiner

abweisenden Art nicht beeindrucken.

Obwohl wir so verschieden waren,

hatte unsere Freundschaft seit der

Schulzeit gehalten. Gerda war eine

kleine, rundliche Person, die auch mit

Anfang siebzig die reinste Lebensfreude

ausstrahlte. Sie war insgesamt dreimal verheiratet, und auch jetzt

ließ sie nichts anbrennen, wie Benno

sich immer auszudrücken pflegte. Er

hatte Gerda nie gemocht.

Nach Bennos Tod wollte ich Gerda

ebenfalls nicht sehen. Immer wieder

hatte sie mich angerufen und gefragt,

ob wir nicht zusammen etwas unternehmen

könnten. Regelmäßig lehnte

ich dies ab. Doch meine Freundin ließ

sich nicht so leicht abwimmeln.

Eines Mittags klingelte es Sturm.

Als ich die Tür öffnete, blickte ich in

Gerdas strahlendes rundes Gesicht.

»Ich will dich zurück ins Leben

holen!« Sie fiel gleich mit der Tür ins

Haus und knallte eine Flasche Sekt

auf den Tisch. Ich sah sie verdutzt an.

Im nächsten Moment fing sie an zu

lachen. Obwohl mir nicht danach zu

Mute war, konnte ich mich ihrer

ansteckenden Fröhlichkeit nicht entziehen

und stimmte mit ein. Das sei

doch schon mal ein guter Anfang,

erklärte Gerda zufrieden. Dann

musterte sie mich kritisch von der

Seite.

»Willst du den Rest deines Lebens

als schwarze Trauerkrähe herumlaufen?

Du hast noch bestimmt gut und

gerne fünfzehn Jahre vor dir. Genieße

die Zeit.« Sie nahm meine Hand,

zerrte mich zu meinem Kleiderschrank

und holte ein paar frische

Sommerkleider hervor. Sie forderte

mich auf, diese anzuprobieren. Als

ich mich dagegen sträubte, sagte sie,

dass Benno es bestimmt nicht gut

finden würde, wenn ich mich so in

mein Schneckenhaus verkrieche.

Wahrscheinlich war es diese

Bemerkung Gerdas, die mich dazu

brachte das erste Kleid anzuziehen.

Währenddessen ließ Gerda den Korken

der Sektflasche knallen. Mit

jedem Schluck des prickelnden

Getränks wurde ich lockerer. Ich

fand Spaß daran, mich vor Gerda zu

präsentieren. Diese bombardierte

mich mit Komplimenten, befand

allerdings: »Du brauchst dringend

ein paar neue Klamotten!«

Ich hatte kaum Zeit zu widersprechen,

denn Gerda bestellte flugs ein

Taxi, und ehe wir uns versahen,

waren wir im Zentrum der Stadt.

Gerda bummelte mit mir durch die

bekannten Boutiquen, und ich probierte

die verschiedensten Kleider

an. Schließlich entschieden wir uns

für zwei, die mir besonders gut standen Glücklich kam ich nach zwei

Stunden wieder zu Hause an. Ich sah

auf das große Porträtfoto von Benno.

Er lächelte.

*

Tatsächlich hätte ich ohne

Gerdas Hilfe nicht so leicht

den Schritt zurück ins Leben

geschafft. Immer wieder animierte

sie mich, etwas zu unternehmen.

Zunächst sträubte ich mich. Ich hatte

Angst vor dem Gerede der Nachbarn.

Ich wollte nicht als ›lustige Witwe‹

in Verruf geraten. Aber mit der Zeit

mochte ich die gemeinsamen

Nachmittage mit meiner Jugendfreundin

nicht mehr missen. Wir

bummelten durch die Stadt, trafen

uns im Café, gingen ins Kino oder

besuchten Ausstellungen.

Ich weiß nicht mehr, wer von uns

beiden zuerst diese Anzeige entdeckte.

Jedenfalls beugten wir uns

über die Annonce in einem Stadtmagazin

und mussten kichern. In dicken

Buchstaben stand da: ›Auch mit

Anfang siebzig kann das Leben noch

Spaß machen. Besuchen Sie unseren

Tanzkursus für die reifere Generation.‹

Gerda stieß mir in die Seite und

fragte: »Mischen wir noch einmal die

Männerwelt auf?«

»Na, zumindest den etwas reiferen

Teil davon«, erwiderte ich grinsend.

Lachend sahen wir uns schon über

das Parkett schweben, in den Armen

eines älteren Gentlemans.

Kurzentschlossen rief ich bei der

angegebenen Nummer an. Auf meine

Fragen, ob denn der Kurs auch etwas

für eine alleinstehende Witwe sei,

erklärte mir die freundliche Frauenstimme,

dass hier schon so mancher

sein Glück für den letzten Lebensabschnitt

gefunden habe. So weit sollte

es ja nicht kommen, trotzdem hatte

ich ein wenig Herzklopfen, als ich

zusammen mit Gerda eine Woche

später den Tanzsaal betrat. Es war

bestimmt dreißig Jahre her, dass ich

zum letzten Mal das Tanzbein

geschwungen hatte. In meiner Jugend

war ich eine leidenschaftliche Tänzerin.

Doch als ich Benno kennenlernte,

hörte dies schlagartig auf.

Mein Mann war ein ausgesprochener

Tanzmuffel. Die wenigen Male, die

wir zum Tanzen gingen, waren für

mich eine Qual. Benno war total unrhythmisch und trat mir ständig

auf die Füße.

*

Kaum hatten Gerda und ich den

Tanzsaal betreten, kam eine

Frau in den Vierzigern strahlend

auf uns zu und begrüßte uns als

Neuankömmlinge. Es war Melanie,

unsere Tanzlehrerin. Erleichtert stellte

ich fest, dass der Anteil der Frauen

und Männer doch ausgeglichen war.

Alle waren so in unserem Alter und

hatten sich herausgeputzt. Die Männer

trugen Anzug und die Frauen schicke

Kleider. Als Melanie zur ersten

Tanzrunde aufrief, musterten die älteren

Herren uns ältere Damen. Ich

fühlte mich mit einem Schlag in meine

Tanzschulzeit zurückversetzt. Die

Angst davor, als Einzige nicht auserwählt

zu werden, beschlich mich.

Dies erwies sich als vollkommen

überflüssig. Zwei Herren, der eine

etwas fülliger, der andere ein hochgewachsener

Mann mit graumelierten

Schläfen, steuerten direkt auf mich

zu. Letzterer erreichte mich als Erster

und bat um den Tanz. Ich war darüber

nicht unglücklich, denn der Herr war

durchaus attraktiv. Ich warf dem

Fülligeren eine entschuldigende Geste

zu und folgte dem Sieger bereitwillig

auf das Tanzparkett.

Herbert war ein hervorragender

Tänzer. Er schwebte mit mir geradezu

über das Parkett. Ich genoss es, in den

Armen dieses fremden Mannes zu

liegen. Natürlich tanzte ich an diesem

Abend nicht nur mit Herbert. Aber

war es nun bewusst oder unbewusst,

jedenfalls suchten und fanden wir uns

an diesem Abend immer wieder. Zwischen

uns gab es so eine gewisse

Schwingung. So wunderte es mich

nicht, als er im Anschluss der Tanzstunde

mich und Gerda fragte, ob wir

nicht Lust auf ein Gläschen Wein hätten,

beim Italiener gleich um die Ecke.

Eigentlich wollte ich ablehnen. Bennos

Tod lag gerade mal ein Jahr

zurück, und mich jetzt schon wieder

zu vergnügen, kam mir falsch vor.

»Gegen ein Gläschen Wein kann

niemand etwas haben«, erwiderte

Gerda, ehe ich etwas sagen konnte.

Mir blieb also nichts anderes übrig

und ging mit. Mein schlechtes Gewissen

verstummte bald. Es blieb nicht

nur bei dem einen Glas. Herbert konnte wunderbar pointiert erzählen und

nahm dabei sich und sein Alter nicht

so ganz ernst. Trotzdem erfuhr ich

auch etliches Privates über ihn. Er war

drei Jahre älter als ich. Früher besaß

er eine Tierarztpraxis, die nun sein

Sohn übernommen hatte. Seit Frau

war vor drei Jahren an Brustkrebs

gestorben. Zunächst habe ihn dies

völlig aus der Bahn geworfen. Doch

irgendwann wurde ihm klar, dass das

Leben zu kostbar sei, um es einfach

verstreichen zu lassen. Seitdem versuche

er, jeden Tag zu genießen. Seine

Worte trafen mich tief ins Herz. Herbert

hatte recht. Auch ich wollte mich

nicht mehr länger verkriechen.

Auf dem Nachhauseweg, Herbert

hatte sich bereits von uns verabschiedet,

sah mich Gerda auf einmal an.

»Na, zwischen euch hat es ja mächtig

gefunkt.«

Entsetzt sah ich Gerda an und fragte

sie, wie sie darauf käme.

»Ich habe doch Augen im Kopf.

Jedenfalls freue ich mich für dich.«

Ich erklärte ihr, dass sie wohl nicht

ganz richtig im Kopf sei. Niemals hätte

ich die Absicht, nach Bennos Tod eine

neue Beziehung anzufangen. Gerda

nahm mich einfach in die Arme.

»Lass es zu, wenn es passiert. Es

gibt nichts Schöneres, als sich zu verlieben,

egal wie alt man ist.« Wenige

Augenblicke später verabschiedete sie

sich von mir. Als ich im Bett lag,

dachte ich über ihre Worte nach. Ein

Körnchen Wahrheit steckte wohl

darin. Tatsächlich gefiel mir Herbert

wirklich. Aber war es nicht absurd,

sich in meinem Alter noch einmal zu

verlieben? Schließlich war ich ja

keine siebzehn mehr.

*

Der Besuch des Tanzkurses

gehörte inzwischen für mich

zum Höhepunkt der Woche.

Mittlerweile tanzte ich nur noch mit

Herbert, und Melanie kürte uns zum

idealen Tanzpaar. Auch Gerda hatte

einen festen Tanzpartner gefunden.

Winfried, ein ehemaliger Winzer, der

genauso lebenslustig wie Gerda war.

Sie passten wirklich perfekt zusammen.

Derweil gehörte es zu unserer

wöchentlichen Routine, dass wir im

Anschluss ein Gläschen Wein trinken

gingen. Winfried kannte sich naturgemäß

da besonders gut aus. Ich liebtediese Abende, und mit Herbert kam ich

mir immer näher. Ich mochte seine

charmante Art, sein Lächeln. Wenn

sich unsere Blicke trafen, verspürte ich

dieses berühmte Kribbeln in der

Bauchgegend. Ich hätte es nicht für

möglich gehalten, dass ich dies noch

einmal erleben würde. Inzwischen

unternahmen wir bereits auch Sachen

ohne Gerda und Winfried. Wir gingen

gemeinsam ins Theater und ins

Museum. Herbert konnte wunderbar

Dinge erklären, und ich hörte ihm gerne

zu. Jedes Mal brachte er mich mit seinem

Auto nach Hause. Bevor ich dann

in meine Wohnung ging, umarmten wir

uns. Jedoch hatten wir uns bis jetzt noch

nie geküsst, ganz zu schweigen davon,

dass ich Herbert in meine Wohnung

gebeten hätte. Für den letzten Schritt

war ich noch nicht bereit.

*

Dass sich dies änderte, lag ausgerechnet

an meiner Tochter.

Herbert und ich hatten an einem

Samstagvormittag eine Matinee im

Museum besucht. Er brachte mich nach

Hause und wir verabschiedeten uns.

»Mutter!« Hinter meinem Rücken

hörte ich einen empörten Schrei. Ich

erkannte sofort die Stimme meiner

Tochter. Erschrocken fuhr ich herum

und blickte in ihre vor Zorn sprühenden

Augen. Obwohl ich mir keiner

Schuld bewusst war, fühlte ich mich

ertappt.

»Das ist Herbert, und das ist meine

Tochter Sabine«, stotterte ich etwas

verlegen. Meine Tochter würdigte

Herbert keines Blickes. Stattdessen

packte sie mich am Arm und zerrte

mich einige Meter von ihm weg.

»Wie soll ich das verstehen. Wer ist

dieser Kerl?«, zischte Sabine, dabei

bebte ihr Busen voller Wut.

»Herbert ist ein guter Freund, mit

dem ich ab und an einmal etwas

unternehme.«

»Ein guter Freund!« Ihre Stimme

überschlug sich fast vor Empörung.

Dann brach es aus ihr heraus: Dass

Benno gerade einmal ein Jahr unter

der Erde sei und ich mich schon mit

irgendwelchen fremden Kerlen

herumtreiben würde. Dabei sah sie

mich an, als wäre ich eine Hure. Ich

war fassungslos über die Worte meiner

Tochter und noch viel fassungsloser

über ihre Blicke. »Ich habe auch noch ein Leben nach

deinem Vater«, rief ich voller Wut.

Sabine musterte mich kalt. »Ich

weiß nicht mehr, ob du noch Herr

deiner Sinne bist. Jedenfalls scheint

dich dieser feine Herr ganz schön um

den Finger gewickelt zu haben. Ich

werde für dich einen Termin bei einem

Psychiater machen.« Dann wandte sie

sich von mir ab und stöckelte mit

ihren hochhackigen Schuhen in Richtung

ihres Wagens.

»Willst du mich etwa für verrückterklären lassen?«, schrie ich ihr hinterher.

Inzwischen hatte ich bereits

bemerkt, dass unsere Nachbarn neugierig

die Gardinen dezent beiseiteschoben.

Aber dies war mir egal.

Sollten sie glauben, was sie wollten.

Sabine drehte noch einmal den Kopf

zu mir um und antwortete mit kalter

Stimme: »Jedenfalls benimmst du

dich so!« Dann fuhr sie mit ihrem

modischen Schlitten davon.

Ich war bestimmt fünf Minuten wie

erstarrt. Meine Tochter hielt mich für

unzurechnungsfähig, bloß weil ich versuchte,

mein eigenes Leben zu führen.

Wahrscheinlich würde sie jetzt alles in

die Wege leiten, um mich zu entmündigen.

Auf einmal spürte ich, wie sich eine

zärtliche Hand auf meine Schulter legte.

»Geht es dir gut?« Es war Herberts

dunkle, beruhigende Stimme. Ich

schüttelte energisch den Kopf. Dann

drückte ich mich schluchzend an seine

Brust und meine Tränen purzelten nur

so über die Wangen.

»Was hab ich denn Unrechtes

getan?«, schluchzte ich. Herbert strich

mir immer wieder sanft über die Haare, so lange, bis ich mich ein

wenig beruhigt hatte. Ich sah furchtbar

aus. Meine Wimperntusche war

total verschmiert. Trotzdem nahm ich

meinen ganzen Mut zusammen und

fragte Herbert, ob er nicht mit hineinkommen

möchte. Ich konnte und

wollte jetzt nicht allein sein. Nicht

nachdem mich meine Tochter für verrückt

erklärt hatte.

Zum Glück hatte ich noch eine Flasche

Wein im Haus. Zunächst hatte

ich das Gefühl, ich müsste das Bild von Benno, welches auf dem Schreibtisch

stand, umdrehen. Doch Herbert

hielt mich davon ab.

»Jeder von uns hat sein Leben

gelebt.«

Der Wein lockerte mir die Zunge.

Ich erzählte Herbert von dem immer

recht komplizierten Verhältnis zu

meiner Tochter, mit all seinen Höhen

und Tiefen. »Aber dass sie mich jetzt

sogar für verrückt erklären will, ver

stehe ich nicht.« Ich brach sofort wieder

in Tränen aus. Herbert nahm mich

in seine Arme. Er vermutete, dass es

vielleicht ihre Art zu trauern sei. »Sie

hat wohl den Tod ihres geliebten

Vaters noch nicht verarbeitet. Jetzt

greift sie dich an, weil du in ihren

Augen das Andenken ihres Vaters

beschädigst.«

Das leuchtete mir ein. Obwohl es

nicht der Tatsache entsprach. Meine

Trauer um Benno hatte nichts mit meinen

Gefühlen für Herbert zu tun. Oder

machte ich mir etwas vor? Ich blickte

zu Herbert auf. Mich überkam ein

Gefühl der Geborgenheit, welches ich