Meinst Du mich, Gott? - Andrea Fux - E-Book

Meinst Du mich, Gott? E-Book

Andrea Fux

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Beschreibung

Ausgerechnet ich soll in ein Kloster eintreten? Frauen, die mit dem Gedanken spielen, einer klösterlichen Gemeinschaft beizutreten, steht ein intensiver Weg bevor. Es braucht Offenheit und Mut, um sich für die etwas »andere« Lebensweise zu öffnen. Dieses Buch begleitet Frauen auf den ersten Etappen ihres Weges. Geistliche Impulse regen an, tiefer zu hinterfragen. Authentische Stimmen von Ordensfrauen und solchen, die es werden wollen, beleuchten die Frage »Meinst Du mich, Gott?« aus persönlicher Sicht.  

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„... Dabei rate ich Ihnen: Hören Sie auf die innere Stimme; seien Sie bestrebt, mehr von innen heraus die Stimme Gottes als von aussen die Stimme eines Menschen zu vernehmen.“

Aus einem Brief von Bernhard von Clairvaux (1090-1153) an seinen Mitbruder, Papst Eugen III.

Andrea Fux / Monika Thumm

MEINST DU MICH, GOTT?

Frauen auf dem Weg ins Ordensleben

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2023

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Die Bibeltexte sind entnommen aus:

Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.

Die Texte in Kapitel 3, Freundschaft mit Jesus und Taufe als Fundament, sowie Kapitel 9.1, Biblische Texte für Dich, erschienen zuerst im folgenden Buch:

Thomas Fässler/Philipp Steiner, Himmelsstürmer. Berufungsguide zum Ordensleben, Verlag Herder 2021.

Wir danken dem S. Fischer Verlag für die Abdruckgenehmigung von „Noch bist du da“ (S. 25) von Rose Ausländer: Ausländer, Rose / Herausgegeben von Braun, Helmut; Gesammelte Werke, Ich höre das Herz des Oleanders © 1984, S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main

Umschlaggestaltung: Verlag Herder

Umschlagmotiv: Zürichsee © Kloster Mariazell

E-Book-Konvertierung: ZeroSoft SRL

ISBN Print 978-3-451-39314-3

ISBN E-Book 978-3-451-82979-6

INHALT

Vorwort von Sabine Rüthemann

Vorwort von P. Thomas Fässler und P. Philipp Steiner

1  Einleitung: Warum ein Buch für Frauen schreiben?

Erster Impuls: Wie ruft Gott Menschen? Damals – heute?

2  Selbstfindung und Sinnfindung

2.1 Selbstfindung – Wer bin ich?

2.2 Sinnfindung – Was will ich?

Zweiter Impuls: Die vielen Stimmen und die eine. Bist du es, Gott?

3  Freundschaft mit Jesus und Taufe als Fundament

3.1 Die Freundschaft mit Jesus im Zentrum

3.2 Taufe als gemeinsames Fundament

4  Die Berufung zum Ordensleben: was fasziniert, was abhält ...

4.1 Das Faszinierende

4.2 Widerstände

4.3 Die Gelübde: Verzicht oder ein Mehr an Freiheit?

Dritter Impuls: Wenn ich mich nur entscheiden könnte!

5  Die Ordensgemeinschaften von und für Frauen im deutschsprachigen Raum – Leben in Fülle

5.1 Benediktinisch-monastische Orden, ab dem 6. Jahrhundert

5.2 Kartäuser, ab dem 11. Jahrhundert

5.3 „Bettelorden“, ab dem 12. Jahrhundert

5.4 Gründungen ab dem 16. Jahrhundert

5.5 Neuere geistliche Gemeinschaften, gegründet ab dem frühen 20. Jahrhundert

5.6 Evangelische Gemeinschaften

Vierter Impuls: Miteinander für etwas Großes leben

6  Warum entscheiden sich Frauen fürs Ordensleben?

6.1 Ich führe mein Leben einfach weiter

6.2 Ich und Kloster?

6.3 Menschwerdung

6.4 Auf den Weg einlassen

6.5 Ich habe für mich die richtige Wahl getroffen

6.6 Auf der Suche nach gelungenem Leben

6.7 Der Herr zog mich still an sich und in mir wuchs die Liebe

6.8 Gott geht mit

Fünfter Impuls: Das äußere Abenteuer und das innere

7  Leben in einer Ordensgemeinschaft: Was heißt das tatsächlich?

7.1 Gemeinsam Gott suchen

7.2 Als Frauengemeinschaft unterwegs sein – in der Kirche

7.3 Persönliche Erfüllung finden

7.4 Tatkräftiges Wirken

7.5 Was finde ich im Ordensleben nicht?

7.6 Und wenn es die falsche Entscheidung war?

      FAQ Teil 1: 33 Fragen – persönlich beantwortet von Schwester Andrea

8  Konkrete Schritte zu einem Ordenseintritt und die Ausbildungszeit

8.1 Wie kann ich meine Gemeinschaft finden? Das Herz sprechen lassen ...

8.2 Kraftquellen für deine Suche

8.3 Der individuelle Weg ins Kloster

8.4 Der abenteuerliche Weg im Kloster: vom Eintritt bis zur Feierlichen Profess

      FAQ Teil 2: 44 Fragen zu Kloster, Glaube, Kirche

9  Und nun? „Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?“

9.1 Biblische Texte für dich

9.2 Weblinks für deine Suche

9.3 Weiterführende Literatur

Unser Schlusswort

Dank

Der Weg geht weiter

Über die Autorinnen

VORWORT VON SABINE RÜTHEMANN

Frauen auf dem Weg ins Ordensleben – als ich angefragt wurde, ein Vorwort für dieses Buch zu schreiben, war ich begeistert und habe gerne zugesagt. Aber es kam mir auch die Frage, was mich dazu befähigt, suchende Frauen zu motivieren und einzuladen, sich mit diesem Buch auf den Weg zu machen. Ich habe keine eigenen Erfahrungen im Ordensleben und war auch nie auf dem Weg dahin. Aber beruflich habe ich viele Kontakte zu Frauenklöstern, deren Engagement, deren Verbindlichkeit und Ausstrahlung mich immer wieder beeindrucken. So habe ich mich entschieden, meinen Außenblick auf das Klosterleben zu werfen.

Im Dorf meiner Kindheit erlebte ich Kapuzinerinnen. Meine erste Erinnerung an sie ist ein „leises Schaudern“ vor der gestaltlosen Stimme hinter der „Holztrülli“. Die unsichtbare Schwester nahm eine Bestellung auf, darauf erschienen wundersamerweise nach einer leichten Drehung der Holztrülli Hustensaft und ein süßes Nonnenchräpfli. Sehr selten sah man die Schwestern im Dorf. Aber wir wussten, dass die Kapuzinerinnen Tag und Nacht für Mensch und Tier im Tal beteten und dass die Schwestern für viele Rat und Hilfe hatten. Es war ein Grundgefühl, dass da oben auf dem Klosterhügel etwas Positives verlässlich für uns da war. Und doch schwang auch der Gedanke mit: Die Schwestern sind arm und eingesperrt hinter diesen hohen, weißen Mauern und opfern sich für andere auf. „Warum um Himmels willen geht jemand ins Kloster?“, fragte ich mich damals.

Heute hat sich mein Blick auf diese Frage längst deutlich geweitet. Einfach zu beantworten ist sie immer noch nicht. Grundsätzlich sind alle Menschen von Gott in die Welt gesandt, dazu berufen, an ihrem Ort und in ihrer Form das Evangelium zu leben, daran glaube ich als Christin. Aber was heißt das konkret? Was ist der Sinn meines Lebens, wo ist mein Ort und welche Form stimmt für mich? Wie kann ich mich bei den heutigen Zukunftsperspektiven entscheiden, eine Familie zu gründen? Oder wie tönt es, wenn Gott einen Menschen auf den Weg mit ihm ins Kloster ruft? Ein Leben für und mit anderen – wie kann ich da glücklich sein? Sinnfindung ist mehr als ein Trendwort unserer Zeit. Wir leben unser Leben und brauchen besonderen Mut und ein Stück Risikobereitschaft, wenn wir an Wegkreuzungen unseres Lebens ankommen, einen Schritt weiterzugehen, anstatt im Gewohnten zu bleiben. Ein definitiv sehr großer Schritt, eine weitreichende Entscheidung, ist der Eintritt in eine Ordensgemeinschaft.

Mein Lebensentwurf liegt in meiner Partnerschaft und in meinem kirchlichen Beruf, trotzdem habe ich die verschiedenen Kapitel dieses Buches mit wachem Interesse, berührt und beeindruckt gelesen. Seltener als früher, aber auch heute noch, fragen sich Menschen, ob sie für ein Ordensleben berufen und geeignet sind. Das vorliegende Buch wird für diese Frauen bei der langen, herausfordernden Entscheidungsfindung eine gute Begleitung sein. Tragend und ermutigend ist das christliche Fundament, auf dem eine Ordensberufung aufgebaut wird. Offen und ehrlich zeigen die Autorinnen aber gleichzeitig auf, dass es eigene innere Widerstände zu überwinden gibt, dass Familie, Freundinnen und Freunde mit Unverständnis reagieren können. Das ist verständlich, denn was können heutige Menschen beispielsweise anfangen mit den Evangelischen Räten Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit? Nichts – oder viel, wenn ehrliches und vorurteilsloses Interesse Grundlage für die Auseinandersetzung ist! So können Impulse und Stichworte im Buch auch für Angehörige von (angehenden) Ordensleuten eine hilfreiche Unterstützung sein.

Ich möchte keine Inhalte wiederholen oder Kapitel aufzählen, sondern ein Stichwort aufgreifen, das mich in Begegnungen mit Ordensfrauen immer wieder angesprochen und nicht selten tief berührt hat: Freiheit.

Im Laufe meines Lebens hatte ich viele Begegnungen mit Ordensfrauen, die im persönlichen Erleben keine Armut und Enge verbreiteten, sondern großen Reichtum und innere Freiheit ausstrahlten; die fröhlich und glücklich wirkten – fest verankert im Hier und Jetzt, aber gleichzeitig offen für die Mysterien Gottes. Oft spürte ich in Gesprächen mit ihnen, dass der anfangs vielleicht noch leise Ruf des Herrn nicht als Einmischung Gottes in die persönliche Freiheit erlebt wurde. Dem Entscheid ging zwar meist ein Ringen, Zweifeln, manchmal auch Verzweiflung voraus, getroffen wurde er aber in großer persönlicher Freiheit: „Berufen in die Freiheit der Kinder Gottes“ (vgl. Römer Kapitel 8). Diese innere Freiheit geht einher mit der radikalen Absage an jeden eigenen Besitz – ein Faktum, das für viele Menschen unverständlich, aber auch in der säkularen Gesellschaft in der Lebensweise des Minimalismus (bis hin zum Frugalismus) bekannt ist. Die gemeinsame Erfahrung ist hier, dass das Leben mit leichtem Gepäck zur Freiheit führt. Je mehr Ballast ich abwerfen kann, umso mehr Raum schaffe ich in mir, auch für die Fragen der Menschen außerhalb meines direkten Umfeldes offen zu sein. Bischof Markus Büchel bezeichnet die Klöster in unserem Bistum als „Leuchttürme der Seelsorge“, so fasst er ihr Wirken nach außen mit einem sehr stimmigen Bild zusammen. Die Seelsorge der Ordensfrauen geschieht dabei oft im Stillen und ohne lauten Beifall: Genau das macht sie so wertvoll und unverzichtbar.

Wie in allen Lebensformen gibt es Höhen und Tiefen. Das verschweigen die Autorinnen nicht, aber sie ermutigen Frauen, sich auf den Weg zu machen und sich vorurteilslos mit ihrer eigenen Berufung auseinanderzusetzen, auf den Ruf Gottes zu vertrauen und sich frei für einen nächsten Schritt mit ihm und näher zu ihm zu entscheiden.

Ich wünsche mir, dass dieses Buch mit spirituellen Impulsen, Fakten und Lebenszeugnissen viele suchende Frauen erreicht und sie sich mit seiner Hilfe dem Ruf Gottes stellen können. Den Autorinnen danke ich an dieser Stelle ganz herzlich für ihre Initiative.

Sabine Rüthemann ist Kommunikationsbeauftragte im Bistum St. Gallen, Schweiz.

VORWORT VON P. THOMAS FÄSSLERUND P. PHILIPP STEINER

Als Christen dürfen wir darauf vertrauen, dass keine Situation gottlos ist. Schließlich hat uns Jesus Christus selbst versprochen: „Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Matthäus 28,20). Spätestens im Nachhinein können gerade herausfordernde Krisenzeiten, in denen wir so richtig durchgeschüttelt werden, besondere Gnadenzeiten sein, in denen Gott am Werk war – nicht um uns zu plagen, sondern um uns weiterzubringen. Denn Reifen und Wachsen ist nicht immer einfach. Vielmehr muss man in diesem Prozess oft umdenken, loslassen, umkehren.

Wir erleben zurzeit Krisen, wie wir sie als Gesellschaft schon lange nicht mehr erlebt haben. Da war etwa die COVID-Pandemie, die für uns alle eine einschneidende Erfahrung war. Ebenfalls aufgeschreckt hat uns ein neuer Krieg in relativer Nähe, der wirtschaftliche Herausforderungen mit sich bringen wird, deren Ausmaße wir heute noch kaum abschätzen können. Und nicht zu vergessen die ökologische Krise, die uns schon länger bedrängt. Alle drei Krisen sind fundamental, treffen sie doch wichtige Lebensbereiche. Und sie zeigen uns deutlich, dass wir an Grenzen kommen. Ihre Botschaft ist klar: So, wie wir bislang gelebt haben, kann es offensichtlich nicht weitergehen. Wir betreiben Raubbau an uns, unseren Mitmenschen und an der Natur. Es braucht ein Umdenken, neue Lösungen.

Die Krisen fordern nicht nur die Gesellschaft, ja die Weltgemeinschaft als Ganze heraus, sondern auch jede und jeden von uns ganz persönlich. Haben wir vielleicht noch vor wenigen Jahren eher gedankenlos dahingelebt, in der Meinung, dass es wohl auf immer so weitergeht, immer aufwärts, immer besser – so werden wir nun zu Antworten und Entscheidungen herausgefordert: „Wie soll es mit mir weitergehen?“, „Wie will ich eigentlich leben?“, „Was gibt meinem Leben Sinn?“, „Worauf will ich bauen?“, „Ja, wer bin ich eigentlich?“. Und plötzlich drängen sich mir auch die großen Fragen der Menschheit auf: „Woher komme ich eigentlich?“, „Wieso bin ich hier?“ und „Wohin gehe ich?“ Diese Fragen fordern uns existenziell heraus. Sie prägen unser Leben, die Art und Weise, wie wir leben. Weil sie uns zu Entscheidungen führen.

Seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden finden Menschen in einem Leben mit Gott Antworten auf diese Fragen. Dabei stellten einige von ihnen Gott und die Suche nach ihm gar ganz in den Mittelpunkt ihres Lebens. Dieses Buch wendet sich an Frauen, die sich überlegen, ob auch sie zu einem solchen Leben gerufen sind: „Meinst du mich, Gott?“ Dieser Titel macht deutlich: Es ist ein Buch, das zu einem Dialog einlädt – mit Gott, aber auch mit anderen Menschen. Denn Entscheidungen zu treffen, ist ja nicht einfach. So sind andere Menschen, an die man sich wenden kann und die einem als Vorbilder dienen, willkommene Wegbegleiter und Hilfen.

Wir freuen uns, dass nach unserem Buch „Himmelsstürmer“ (Herder 2021), einem Berufungsguide für Männer, nun auch ein Buch explizit für Frauen vorliegt. Denn die fundamentalen Fragen, welche die eingangs erwähnten Krisen aufwerfen, müssen gut begleitet sein, damit tragfähige Antworten gefunden werden. Dass dies nicht immer der Fall ist, zeigt die Tatsache, dass viele Menschen Orientierungslosigkeit und ein Gefühl von Sinnlosigkeit beschleicht. Das verwirrt und macht unruhig. Menschen, die Halt und festen Stand gefunden haben, kommt deshalb eine besondere Rolle zu. Nicht selten werden deshalb Ordensleute als Zeuginnen und Zeugen des Lebens bezeichnet, als Leuchten, die den Weg zu Antworten weisen, die in Jesus Christus ein konkretes Gesicht haben. Solche Menschen braucht es. Frauen und Männer, die hinstehen und voller Überzeugung sagen: Es gibt einen Sinn, allem gegenteiligen Anschein zum Trotz. Nichts ist sinnlos. Denn keine Situation ist gottlos. Schließlich ist Gott mit uns, alle Tage, bis zum Ende der Welt.

Wir hoffen, dass sich viele Frauen von den in diesem Buch enthaltenen Gedanken und Zeugnissen berühren lassen und in ihrem Herzen spüren dürfen: „Ja, Gott meint mich!“

Pater Thomas Fässler und Pater Philipp Steiner sind seit 2006 bzw. 2007 Benediktinermönche im Kloster Einsiedeln in der Schweiz und die Autoren des Pendants für Männer „Himmelsstürmer“, erschienen 2021.

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EINLEITUNG: WARUM EIN BUCH FÜR FRAUEN SCHREIBEN?

„Was erwartet mich, wenn ich mich für ein Leben im Kloster, in einer christlichen Ordensgemeinschaft entscheide?“

Wir leben in einer Zeit der vielfältigen Möglichkeiten. Viele Grenzen und Beschränkungen der letzten Jahrhunderte haben sich aufgelöst. Eine Entscheidung treffen zu können, was ich mit meinem Leben anfangen möchte und wo es mich mit ganzem Herzen hinzieht, ist umso schwieriger geworden. Dies alles gilt für Männer, aber insbesondere auch für Frauen. Innerhalb der letzten Jahrzehnte haben sich Frauen ihr Recht erkämpft, selbstbestimmt und weitestgehend gleichberechtigt ihr Leben gestalten zu können. Traditionelle Rollenbilder verschmelzen immer mehr mit neuen Lebensentwürfen. Frauen bilden sich weiter, studieren, machen Karriere, bekommen Kinder, reisen … – oder eben nichts von all dem. Die wirtschaftliche Freiheit ist längst nicht mehr an eine Bindung zu einem Mann oder an einen definierten Ort gekoppelt. Damit kann im besten Sinne eine Freiheit des Geistes wachsen und Platz geschaffen werden, um seinem inneren Bedürfnis zu folgen, vielleicht sogar die eigene Berufung wahrzunehmen. Zugleich wächst die Verantwortung, eine Entscheidung zu treffen.

Frauen, die sich heute mit dem Thema beschäftigen, ins Kloster einzutreten, müssen sich oftmals in vielfacher Hinsicht auch nach außen rechtfertigen. Gerade weil sie oft gut ausgebildet sind und ein Leben voller Chancen vor sich haben: Wieso in ein Kloster gehen, wo es so viele andere Möglichkeiten der Lebensgestaltung gibt? Diese persönliche Entscheidung kann keiner Frau abgenommen werden; auch nicht das Ringen um dieselbe. Das vorliegende Buch versteht sich als Hilfestellung, eine Entscheidung treffen zu können. Letzten Endes steht nicht im Mittelpunkt, ob man respektive frau sich für ein Leben im Kloster entschieden hat, sondern ob es die richtige persönliche Entscheidung war. Erfüllung findet nur, wer sein Leben selbstbestimmt und selbstbewusst führen kann. Auferlegte Entscheidungen behindern ein Leben in innerer Freiheit.

In den Gesprächen und Kontakten mit Frauen, die sich bereits für ein Leben im Kloster entschieden haben, hat sich herauskristallisiert, dass es für die meisten ein Weg war, den zu gehen sie allein bewältigen mussten. Manche verspürten in früher Jugend „ein Ziehen“, hörten den Ruf. Andere führten ein Leben fernab von klösterlichen Regeln und Vorstellungen, bevor sie überhaupt in Kontakt mit der Idee kamen, ihr Leben in einer religiösen Gemeinschaft zu führen. Über ähnliche Erfahrungen berichten auch Männer, die den Weg ins Klosterleben gegangen sind. Was unterscheidet also den weiblichen Berufungsweg vom männlichen? Und was ist gleich oder zumindest ähnlich? Die Freundschaft mit Jesus und die Taufe als Fundament jeder Berufung bilden die Basis, welche für Frauen und Männer gilt. Auf dieser Basis können Fragen wachsen, in welcher Form ich meine persönliche Berufung als Christin und Christ leben möchte – und ob mich Gott in eine Ordensgemeinschaft ruft. Deshalb war von Beginn an klar, das Buch in Abstimmung mit dem „Himmelsstürmer“-Buch gestalten, welches sich explizit an Männer richtet. Die Texte im Kapitel 3 sowie die Meditationen zu Bibeltexten im Kapitel 9 durften wir aus dem Buch „Himmelsstürmer“ übernehmen. Mit Thomas Fässler, Philipp Steiner und ihrer Gemeinschaft verbindet uns einiges: der Jakobsweg, die Jugendbildung und auch viele Begegnungen bei uns am See oder im Kloster Einsiedeln.

Andererseits, wenn wir als Frauen den Blick auf Selbst- und Sinnfindung werfen, wollen wir besonders auf die spezifisch weiblichen Aspekte aufmerksam machen. Außerdem zeigen wir die weiblichen Ordensgemeinschaften im deutschsprachigen Raum auf, sowie das Leben in einer Frauengemeinschaft. In unseren FAQs lenken wir den Fokus bewusst auch auf Themen, welche Frauen besonders interessieren könnten.

Wir haben „Meinst du mich, Gott?“ im Team geschrieben. Dieses besteht aus zwei erfahrenen Ordensfrauen und einer langjährigen Klostermitarbeiterin. Wenn die Familienmutter und Diplom-Pädagogin Daniela Scherrer nicht am Schreiben unseres Klosternewsletters ist, engagiert sie sich mit ihrem großen Erfahrungsschatz unter anderem in unserem Angebot „Auszeit für junge Menschen“. Die Teilnehmenden unseres klösterlichen Angebotes öffnen unsere Augen und Herzen für das Leben außerhalb unseres Klosters. Diesen Blick wollten wir ins Buch einfließen lassen. Dank dieses Angebotes begegnen wir Menschen, die manchmal ob der vielen Gestaltungsmöglichkeiten ihres Lebens die Orientierung verloren haben. Sie hoffen, dass die Nähe zum klösterlichen Leben und Glauben hilft, diese zurückzugewinnen. Bei manchen sind Parallelen zu finden zu denen, die auf der Suche nach einer Glaubensgemeinschaft sind: die Hoffnung, anzukommen und das eigene Leben sinnerfüllt gestalten zu können.

Mit unserem Buch laden wir die Leserinnen und Leser herzlich ein, sehr persönlichen Fragen auf den Grund zu gehen. Ist ein Leben in einer klösterlichen Gemeinschaft das richtige für mich? Wie lebe ich mein Frausein im Kloster? Welche Facetten christlichen Lebens leuchten in einer Ordensgemeinschaft besonders auf? Auf wessen Ruf antworte ich? Wie bringe ich mein ganz persönliches Charisma, meine vielseitigen Ausbildungen, meine Lebenserfahrungen in ein Leben im Kloster ein? Was hilft mir, mich fürs Ordensleben zu entscheiden? Was werde ich darin finden, was nicht? Wie sehen die konkreten Schritte aus, wenn ich mich fürs Ordensleben interessiere?

Kurze Impulse von Äbtissin Monika Thumm regen an, ungewohnte Gedankengänge aufzunehmen, frischen Wind in alte Klischees zu bringen und – geisterfüllt und mutig – neue Weichen zu stellen.

Die 77 Fragen, welche von uns beantwortet werden, stammen aus Begegnungen mit Gästen, Klosterschnupperinnen, Jugendlichen und persönlichen Kontakten. Durch die unmittelbare und lockere Art der Antworten erhalten die Leserinnen neue Einblicke ins oft unbekannte Ordensleben. Sowieso haben wir bewusst eine Sprache gewählt, die auch von Leserinnen verstanden werden kann, die bisher keinen oder nur wenig Kontakt zu religiösen oder gar theologischen Themen hatten. Unser Buch ist also kein theologisches Werk. Es kann Impulse geben, es kann bei der Entscheidungsfindung unterstützen, es kann dir helfen, deinen Weg zu finden. Wir möchten dich persönlich und direkt ansprechen.

„Meinst Du mich, Gott?“ erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es ist kein Sachbuch zum Thema „Berufung“. Es ist ein Werk, das sich in verschiedene Fragestellungen rund ums Ordensleben vertieft und durch persönliche Erfahrungen zum Nachdenken übers eigene Leben animiert. „Meinst du mich, Gott?“ kann als Ganzes gelesen werden. Für die schnelle Leserin ist es jedoch auch möglich, einzelne Kapitel oder Impulse zu lesen. Als Leserin darf ich mich intuitiv vom Inhaltsverzeichnis leiten und zu dem führen lassen, was mich besonders anspricht. Wir empfehlen dir: Nimm dir Zeit – besonders beim Lesen der Impulse. Vielleicht kannst du dich an einen Ort zurückziehen, der es dir leichter macht, deinen Gedanken und Gefühlen freien Lauf zu lassen. Die direkte Ansprache erleichtert einen Dialog mit dir und deinem Innern. Gib dir auch Zeit, eine Antwort zu finden, falls du auf der Suche nach einer solchen bist. Du darfst darauf vertrauen, dass die Frage „Meinst du mich, Gott?“ nicht unbeantwortet bleiben wird.