Menschenseelen Teil 5 - Adam - - S. N. Stone - E-Book

Menschenseelen Teil 5 - Adam - E-Book

S. N. Stone

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Beschreibung

Das Schreiben eines Templers, verfasst während des 5. Kreuzzuges. Ein Tagebuch, mehr als 200 Jahre alt. Danjals Geheimnisse bleiben nicht länger gewahrt, aber welche Konsequenzen wird die Entdeckung der Wahrheit haben? Der letzte Teil der "Menschenseelen-Reihe", die Verknüpfung tatsächlich geschehener geschichtlicher Tragödien mit Mystery-Thrill von heute.

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S. N. Stone

Menschenseelen Teil 5 - Adam -

Adam

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

Epilog

Danksagungen

weitere Veröffentlichungen

Impressum neobooks

1. Kapitel

Das Summen des vibrierenden Handys holte ihn aus dem Schlaf. Es war noch dunkel und er wollte es ignorieren. So verstummte es, nur um kurz darauf erneut zu ertönen. Danjal tastete nach dem Smartphone auf dem Nachttisch. Es schwieg abermals. Auf dem Display konnte er die Mitteilung über vier verpasste Anrufe von Jenna ablesen.

In den vergangenen Wochen hatten sie keinerlei Kontakt gehabt. Er war gegangen und wusste noch nicht, wie er ihr Vertrauen zurückgewinnen konnte. Diesmal hatte es seine emotionalen Fähigkeiten überfordert. Und nun versuchte sie ihn zu erreichen.

Danjal stand auf. Eine der beiden jungen Frauen in seinem Bett drehte sich auf die andere Seite. Er öffnete die Glastür zum Balkon. Wie Gott ihn erschaffen hatte, er musste über diese Redensart grinsen, stand er da und schaute vom 51. Stockwerk dieses wahrlich imposanten Baus, auf Singapur.

Er tippte auf Rückruf und wartete, dass Jenna abnahm.

Jenna war nervös. Lange hatte sie mit sich gekämpft, bis sie zu dem Schluss gekommen war, dass sie Danjal zurückholen musste. Die Situation, ihre Situation hatte sich verändert. Etwas ging hier vor, das ihr Sorgen bereitete. Wenn sie überlegte, musste sie feststellen, dass es begonnen hatte, kurz, nachdem Danjal abgehauen war. Eigentlich kurz, nachdem sie in das Büro von Johannes Mehner gestürmt war.

„Sie war schwanger!“

Johannes schaute sie an.

„Lilith war schwanger, als sie aus dem Paradies geflohen ist. Sie war schwanger von Adam!“

Der Pfarrer wurde weiß im Gesicht, fand seine Fassung wieder und lächelte das Paar ihm gegenüber entschuldigend an. Er stand auf und kam zu ihr, um sie aus dem Zimmer zu schieben.

„Wir reden gleich. Gehen Sie zu Ellen in die Küche, ich komme, wenn ich fertig bin.“

„Aber Sie haben einen Denkfehler in Ihrer These. Wenn Danjal der Sohn Liliths und Adams ist, dann dürfte er nicht diese Stärke und Macht besitzen, die er besitzt. Adam war der erste Mensch, Lilith wurde erst zu einer Dämonin, nachdem sie geflohen war.“

„Danjal sagt, Jesus sei ein Abkömmling gewesen. Wie auch immer es im Nachhinein dargestellt wurde, es ist erwiesen, dass Adam, Eva und Lilith nicht die ersten Menschen waren. Auch ein Mann der Kirche sollte das mittlerweile akzeptieren können. Sie waren ebenfalls Abkömmlinge. Somit entstammt Danjal einer reinen, wenn auch inzestuösen, Linie. Er trägt nicht das Menschliche neben dem Dämonischen in sich, sondern das Göttliche.“

Mehner lachte auf. „Viel Göttliches habe ich in ihm nicht gesehen.“

„Er lebt die andere Seite aus. Sie dominiert in ihm. Das und die Loyalität zu seiner Mutter.“

„Und Sie denken Gott weiß das alles nicht?“

„Gott ist nicht so allmächtig, wie er dargestellt wird. Bereits die Sache mit Lilith ist ihm misslungen. Machen wir uns nichts vor, vor dem Christentum existierten weit mehr Glaubensrichtungen mit vielen Göttern. Und häufig gab es dort Anzeichen von der Fehlbarkeit des Göttlichen. Weshalb sollte der Gott der Christen eine Ausnahme darstellen.“

„Und wie erklären Sie es sich, dass Danjal durch Lilith nach seiner Auslöschung zurückgeholt werden kann, Abkömmlinge von Adam, Eva oder Jesus jedoch nicht, oder irgendein anderer Abkömmling reiner Linie, egal ob göttlich oder dämonisch?“

Jenna schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung. Vielleicht liegt es an der besonderen Konstellation seiner Abstammung.“

Der Pfarrer schwieg. Dann stand er auf, goss sich einen Drink ein und leerte das Glas in einem Zug.

„Jenna, wissen Sie eigentlich, was das bedeuten würde?“, flüsterte er.

Das Klingeln ihres Handys holte sie in die Gegenwart zurück.

„Hi.“

Seine Stimme zu hören tat gut.

„Du hast versucht mich anzurufen?“

„Ja, Danjal bist du in Berlin?“

„Nein.“

„Kannst du bitte zurückkommen?“

Es dauerte einen Augenblick, bis er sprach. „Was ist los?“

„Ich weiß es nicht, irgendetwas stimmt hier nicht. Ich muss mit dir reden.“

„Das tust du gerade.“

„Nicht am Telefon.“

„So schlimm?“

„Ich denke schon.“

Er schwieg und Jen schloss kurz die Augen.

„Ich komme, aber ich bin weit weg. Ich muss mir einen Flug besorgen.“

„Ich warte“, sagte sie, „und danke“, fügte sie hinzu. Alles würde gut werden.

Danjal ging zurück in das Schlafzimmer der Suite und schaltete die Nachttischlampe ein. Nara seufzte und zog sich die Decke über den Kopf.

„Was machst du? Mach das Licht aus und komm zurück ins Bett.“

„Ich muss weg. Schlaf weiter. Ihr könnt das Zimmer so lange behalten, wie ihr mögt.“

Er holte die Reisetasche und packte seine Sachen.

***

Immer wieder warf Jenna einen Blick aus dem Fenster auf die Straße. Danjal hatte ihr gestern eine Nachricht geschickt, dass er um 23.55 Uhr einen Flug aus Singapur nehmen würde. Er hätte heute um 13.55 Uhr, nach einem Zwischenstopp in Frankfurt, in Tegel landen sollen. Mit einem Taxi wäre er zu ihr gekommen. Sie schaute auf die Uhr. Es war kurz nach fünf. Über das Internet hatte sie erfahren, dass der Flieger zwei Stunden Verspätung gehabt hatte. Nun musste er bald eintreffen.

„… und wenn wir es anders machen und Ihren Freund in Anspruch nehmen?“

Jen sah Johannes an. „Ja, das wäre eine Möglichkeit“, antwortete sie und wusste nicht genau, was der Pfarrer meinte.

„Gut, wollen Sie ihn anrufen?“

„Wen?“

„Ihren Kollegen, der, der so gut mit dem Computer umgehen kann.“

Jen nickte. „Ja natürlich, das werde ich.“ Sie lächelte und ihr Blick ging erneut hinaus auf die Straße. Ein Taxi hielt vor dem Pfarramt.

„Johannes, ich habe noch etwas zu erledigen und muss fort. Können wir morgen weiter reden? Ich werde Sven nachher anrufen.“

„Kein Problem, tun Sie das.“

Jen wollte das Büro verlassen, als er fragte: „Übrigens, waren Sie gestern bei Louisa?“

Sie blieb stehen und verdrehte die Augen, ohne, dass er es sehen konnte. Sie musste da hinaus, drehte sich aber zu ihm um. „Es geht ihr den Umständen entsprechend.“

Mehner seufzte. „Wir hätten mehr tun müssen.“

Wieder ein Blick zum Fenster. Danjal stand auf der Straße und unterhielt sich mit dem Fahrer.

„Es ist doch nicht zu spät. Sie ist sicher und wir können trotzdem für sie da sein.“

Jenna stürzte auf ihn zu, als er das Tor zum Pfarramt öffnete. Sie prallte gegen ihn und er grinste. „Na du hast es aber -“

Sie schob ihn Rückwärts zur Straße und legte einen Finger an die Lippen. „Drüben!“, flüsterte sie und packte ihn am Ärmel, um ihn mit sich zu ziehen.

„Was ist los?“, fragte er, als er seine Tasche abgestellt hatte und Jen in die Küche des Bauernwohnhauses folgte.

„Ich habe niemandem erzählt, dass du zurückkommst. Ich muss erst mit dir alleine reden.“

Danjal lehnte sich an die Arbeitsplatte und beobachtete Jen beim Teekochen.

„Du hast gesagt, es sei dringend und nun kochst du dir in aller Seelenruhe einen Tee?“

„Falls du es nicht merkst, ich schinde Zeit.“

Er musste lachen. „Und weshalb? Ist es so schwer für dich, dir und mir zu gestehen, dass du mich vermisst hast und es nur ein Vorwand war?“

Sein Lächeln erstarb, als er ihr ernstes Gesicht sah.

„Nein, ich schinde Zeit, weil ich glaube, dass ich Mist gebaut habe und nicht weiß, wie ich es dir erklären soll.“

„Ach, wenn es nur das ist, ich baue andauernd Mist.“

„Danjal, um ehrlich zu sein, liebe ich deine Art, aber hier ist deine Ironie nicht angebracht, denn es betrifft dich.“

Sie saßen einander am Esstisch gegenüber. Der Abstand hätte kaum größer sein können, aber es war Jen nur recht, ermöglichte es ihr auch Distanz zu dem Gespräch zu haben.

„Ich denke es gibt keine Worte mein Problem zu umschreiben. Ich habe unter Elias Nachlass Aufzeichnungen gefunden und sie bei mir behalten. Unter anderem stellt er sich immer wieder die Frage nach deiner Abstammung. Ich habe nicht begriffen warum. Bis zu unserem letzten Streit war es mir ein Rätsel. Danjal, ich weiß, dass du der Sohn Liliths und Adams bist. Deine Mutter trug dich in sich, als sie aus dem Paradies floh. Du bist Gottes Enkelsohn.“

Er sagte nichts, starrte sie nur an, eine ganze Weile. Jen wünschte sich eine Regung in seinem Gesicht ausmachen zu können. Zorn, Wut vielleicht Erleichterung oder sonst etwas, aber da war nichts.

Dann reagierte er. Er atmete tief durch und sprach: „Mir eine Geschichte auszudenken und es zu leugnen wäre vergebene Liebesmüh, oder?“

„Wenn du mich so fragst, dann ist die Antwort ja.“

Er nickte. „Gut, du hast recht. Ein Umstand, den ich und die, die noch davon wissen, bemüht sind zu verheimlichen.“

„Ich habe es Johannes erzählt.“

Danjals Augen wurden groß. „O. K., dann ist es jetzt wohl kein Geheimnis mehr.“

„Es tut mir leid. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Erst als sich die Dinge verändert haben, als sich Johannes verändert hat, wurde mir bewusst, dass es ein Fehler gewesen sein könnte.“

Danjal lachte auf. „Ja, das war es.“

„Aber was ist so schlimm daran? Ich begreife es nicht. Ich kann nicht glauben, dass niemand davon gewusst hat. Gott muss was gemerkt haben!“

„Wer sagt denn, dass er es nicht wusste? Er hat es genauso versucht geheim zu halten, wie Lilith oder ich oder Djinns.“

„Aus welchem Grund?“

„Ich bin ein Fehler, Jenna. Gottes zweiter Fehler. Lilith war sein erster. Und Fehler ist man bemüht zu korrigieren.“

„Aber du bist auch etwas Besonderes.“

„Sieht es Johannes genauso? Ihr glaubt euer Gott sei allmächtig und das Ansehen, das er dadurch genießt, verleiht ihm große Macht. Wenn euer Glaube erschüttert wird, verliert er an Einfluss und euer Glaube ist sowieso am Schwinden. Er hat sich bemüht Lilith zurückzuholen. Erst, indem er sie überreden wollte, dann indem er sie erpresst hat und Gewalt gegen sie und ihre Abkömmlinge angewandt hat. Es hat nichts gebracht. Er hat es auch bei mir probiert, erst mit Gesprächen und später ist er in dieses Spiel eingestiegen. Was glaubst du wäre los, wenn nun die Wahrheit bekannt werden würde?

Was glaubst du, wie viel Menschen oder Kreaturen mich lieber tot als lebendig sehen würden, aus den unterschiedlichsten Beweggründen? Mehr als die, die mich ebenso wie du, als etwas Besonderes sehen. Ich störe die Ordnung, ich störe sogar die, auf deren Seite ich stehe.“

„Aber wie sollten sie deinen Tod herbeiführen? Ganz gleich, was sie wünschten, du kommst zurück!“

„Du vergisst, dass ich lediglich von der Fähigkeit Liliths abhängig bin zurückkommen zu können, wenn eine Auserwählte mich tötet. Ich muss kurz raus, ich brauche Luft.“ Er ging in den Garten, sie blieb zurück.

„Und was hat Mehner getan? Wieso hat er sich verändert?“

Er war wieder da, setzte sich neben sie.

Jenna stellte ihre leere Tasse ab. „Erst war es nur ein Gefühl. Er verhielt sich sonderbar, hatte Geheimnisse. Kam ich in sein Büro, schloss er den Laptop oder schob Papiere beiseite, unterbrach Gespräche. Er ist häufig unterwegs, spricht aber nicht mehr darüber. Selbst Ellen ist es aufgefallen.

Er ist bemüht sich nichts anmerken zu lassen, aber er geht auf Distanz. Und dann vermisse ich etwas. Es ist ein ziemlich altes Buch. Eine Art Notizbuch oder Tagebuch eines französischen Schreibers, der einen Gelehrten während Napoleons Ägypten Feldzuges begleitet hat. Ich habe es bei Elias Sachen gefunden. Mein Französisch ist nicht das Beste und ich hatte es Johannes gezeigt und ihn gebeten mir bei der Übersetzung behilflich zu sein. Es enthält auch Zeichnungen von Hieroglyphen. Johannes hat Kontakte, daher glaubte ich, er könne damit etwas anfangen.

Er hat es sich genau angesehen, ich habe ihn beobachtet. Er war sehr interessiert, sagte dann aber, es stünde nichts Wichtiges drin. Nur ein Reisebericht. Maximal von historischer Bedeutung. Er wollte es einem Historiker geben. Seine gespielte Gleichgültigkeit hat mich verwundert und ich weiß, dass dieses Buch für Elias sehr wichtig war. Ich hatte eine Randnotiz gefunden, aus der hervorging, dass er es erst kurz bevor er getötet wurde, erhalten hatte. Dass er vermutete, dass es etwas Fundamentales enthält. Ich habe Johannes gesagt, dass ich gerne dabei wäre, wenn es der Historiker durchsieht und wieder mitgenommen. Nun ist das Buch weg, wie vom Erdboden verschluckt.“

„Und du denkst, Mehner hat es gestohlen.“

Jen nickte.

„War es ein braunes Buch?“

„Ja, in braunes Leder gebunden, woher weißt du das?“

„Mehner wusste schon vorher davon. Als wir das erste Mal im Pfarrhaus waren, habe ich die Kopie eines alten Schreibens gefunden. Es war in Hebräisch verfasst und enthielt Hieroglyphen. Am Rand war ein handschriftlicher Vermerk über ein braunes Buch.“

„Von wem war dieses Schreiben?“

Danjal zögerte, dann sagte er: „Es war der Brief eines Mitglieds des Ordens der Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem an einen anderen Bruder.“

„Die Templer?“

„Ja die Templer.“

„Was soll das alles?“

„Das kann ich dir nicht sagen.“

„Kannst oder willst du nicht?“

Danjal antwortete ihr nicht und ihr Verlangen erneut nachzufragen verschwand plötzlich.

Es war so ruhig, eigentlich zu ruhig, aber Louisa wollte sich nicht beklagen. Sie war hier, weil sie eben jene Ruhe gesucht hatte. Das Abendessen war beendet und sie hatte die Möglichkeit genutzt noch einmal in den Park zu gehen. Hier im Gras, mit Blick auf die vielen Blumenbeete empfand sie gar nichts. Die Medikamente, es lag an den Medikamenten, das wusste sie, so klar war sie noch im Kopf. Ihre Stimmen fehlten ihr. Nur ab und zu, ganz, ganz leise, ganz weit hinten machten sie sich bemerkbar. Wenigstens hörte sie so auch nichts anderes, aber die Albträume waren noch da. Wenn sie in der Nacht schweißgebadet aufwachte, ein Schreien unterdrückte, damit das Pflegepersonal nichts davon mitbekam, dann war ihr bewusst, dass etwas mit ihr nicht stimmte.

Bei Johannes und Ellen war es ihr gut gegangen. Mit Jenna als ihre Freundin und Danjal als ihren Aufpasser, als ihren Verbündeten, denn als genau das sah sie ihn, hatte sie sich nicht verrückt gefühlt. Bis, ja bis ER gegangen war. Kurz darauf war alles über ihr zusammengebrochen.

Langsam stand sie auf und ging zurück zum Haus. Louisa musste lachen. Es fühlte sich an, als würde sie auf Watte laufen oder schweben. Es musste schön sein, wirklich schweben oder gar fliegen zu können. Frei und ungebunden, überall hin, hinab schauend auf die Welt. Durch die Lüfte, immer höher in den Himmel hinein. Sie kicherte noch, als die Schwester hinter ihr die Tür schloss.

Johannes war froh, dass ER vor ihm saß. Nicht, weil er Danjal so furchtbar vermisst hatte, sondern weil sich alle Fragen nach seinem Aufenthaltsort somit geklärt hatten.

Auf Jennas Entdeckung hatte er nach Außen hin gelassen reagiert, sein Inneres jedoch war Achterbahn gefahren. Nicht die Achterbahnfahrt, die einem Freude bereitete und zum Jauchzen brachte, sondern jene, die einem Übelkeit verursachte und kotzen ließ.

Er hatte seine Gedanken sortieren, sich die Tragweite bewusst machen müssen. Und er war bei Weitem nicht fertig damit. Auch die Gespräche mit dem Ältesten der Arsaten hatten keine Ordnung gebracht, sondern weitere Fragen aufgeworfen. Johannes hoffte, dass ER bereit war, sie im Laufe der Zeit zu beantworten.

So saß er IHM gegenüber und konnte es nicht lassen, IHN ganz genau zu beobachten. Er wollte herausfinden, ob er Danjal nun mit anderen Augen sah. Ob er etwas in IHM sehen würde, das zuvor nicht aufgefallen war. Ob ER sich verändert hatte. Der Mann, der Unzähligen Tod und Verderben gebracht hatte. Der Mann, der etwas Göttliches in sich trug.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, begann er das Gespräch.

„Wie wäre es mit: Schön, dass du wieder hier bist?“

Johannes musste lächeln. „Gut, dass du wieder hier bist! Tja, du siehst mich befangen. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber damit … Es Jahrtausende geheim zu halten war sicher eine Anstrengung, die viele Verluste mit sich gebracht hat.“

„Eigentlich hielt es sich in Grenzen. Wer weiß, welche anderen Überraschungen noch auf mich warten. Scheint, als wolle jemand das Spiel vorantreiben.“

„Warst du es nicht, der ihr den entscheidenden Hinweis gegeben hat?“

„Vermutlich war es wirklich so. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie umgehend dafür gesorgt haben, dass so viele davon erfahren haben.“

„Das war etwas, was ich nicht für mich behalten konnte, das war ich der Welt schuldig.“

Danjal hob eine Augenbraue. „Waren Sie das?“

„Ich bin ein Jäger, ich bin als Jäger geboren und ich folge meiner Bestimmung. Und ich bin ein Mann der Kirche. Diese Entdeckung könnte alles verändern.“

„Das wird sie, aber es wird nicht allen gefallen.“

„Die Zahl derer, die sich deine endgültige Auslöschung wünschen, ist gestiegen. Aber auch die Zahl derer, die glauben, dass du etwas sehr Außergewöhnliches bist und dein Überleben als wichtig erachten.“

„Auf beiden Seiten.“

Johannes nickte zustimmend. „Ja auf beiden Seiten. Ich bin keiner von denen, die dich unbedingt tot sehen wollen. Ich bin eher einer, der dich warnen möchte.“

„Ist eine Warnung vonnöten?“

„Nun, es ist egal, ob es einen Weg gibt dich endgültig auszulöschen oder nicht. Es gibt andere Personen, deren Existenz in Gefahr ist. Menschen, die dir etwas bedeuten. Um an dich heranzukommen, wird man einen Umweg über sie gehen.“

„Was Sie ebenfalls mitverschuldet haben.“

Johannes dachte nach und musste sich eingestehen, dass er recht hatte. „Ein unerfreulicher Nebeneffekt, das gebe ich zu. Letztendlich ist Jenna wohl doch etwas ganz Besonderes, sie hat dich verändert.“

„Oder auch nicht.“

Johannes wusste genau, dass Danjal, ebenso wie er selbst, jedem der gesagten Worte viel Aufmerksamkeit beimaß. Alles, was sie hier sprachen, war durchzogen von Andeutungen.

„Wie werden wir nun miteinander umgehen?“, fragte er.

Danjal zuckte mit den Schultern. „Wie vorher? Ich weiß es nicht. Lassen wir die Dinge geschehen.“

„Gut, dann soll es so sein.“

„Übrigens, Jenna hat mir von einem Notizbuch erzählt. Es ist verschwunden.“

„Du meinst dieses hier?“ Johannes griff in ein Fach seines Schreibtisches und holte es heraus. „Sie hat es bei mir liegen lassen.“ Er schob es zu ihm rüber. „Wir wollten es einem Kunsthistoriker übergeben.“

Danjal nahm es an sich. „Ich denke das hat Zeit.“

2. Kapitel

Mit dem Notizbuch in der Hand überquerte er die Straße und blieb auf dem ehemaligen Dorfanger, vor der Kirche, stehen. Er richtete seinen Blick hinauf, am Glockenturm entlang, endend im Himmel, der sich rötlich färbte. Vielleicht war es nicht schlecht, dass die Dinge ins Rollen gekommen waren. Aber er musste vorsichtiger sein, nicht nur um seinetwillen, nicht nur wegen Jenna.

Was stand in dem Buch? Was war so wichtig, dass Johannes es Jen gestohlen hatte, denn davon ging Danjal aus, was auch immer der Pfarrer behauptete. Welche Verbindung bestand zu dem Schreiben des Templers? Er hielt es in den Händen, nicht sicher, ob er es Jenna zurückgeben sollte. Er war überzeugt, dass Johannes und die Arsaten den Inhalt bereits kannten. Nun war es an ihm sich ebenfalls mit den Texten zu beschäftigen. Wenn seine Mutter recht hatte, dann war es eben nicht nur der überaus interessante Reisebericht eines Schreiberlings, dann war es viel mehr.

In den letzten Tagen hatte es geregnet. Heute war ein wunderschöner Tag gewesen und Jen saß im Garten, wartete auf Danjal und beobachtete, wie sich der Himmel veränderte, während die Sonne unterging.

Sie war froh, als er sich endlich zu ihr setzte, denn sie hatte Redebedarf.

„Und wie war es bei Mehner?“

„Nett wie immer. Wir haben ein kleines Pläuschchen gehalten, uns gegenseitig was vorgemacht und versteckte Drohungen ausgestoßen.“ Er sah sich um. „Wo ist eigentlich Louisa?“

Jen stellte ihr Glas auf dem Gartentisch ab und rutschte unbehaglich auf der Bank vor und zurück.

„Nicht hier“, antwortete sie.

„Das habe ich wohl mitbekommen.“

„Wieder in der Nervenklinik.“

„Was?! Warum?“

„Ihre Stimmen haben sie wahnsinnig gemacht. Alles hat sie wahnsinnig gemacht.“

„Was alles?“

„So wie ich ständig eine Bedrohung tief in meinem Inneren spüre, hat sie Dinge gehört. Es waren nicht nur ihre Stimmen, da ist noch mehr. Louisa wollte es nicht erklären, aber sie ist mehr als einmal zusammengebrochen, war abwesend, katatonisch.“

„Und da habt ihr sie ins Irrenhaus abgeschoben?“

„Sie ist auf eigenen Wunsch dorthin. Sie hat es nicht mehr ausgehalten.“

„Und ihr habt sie nicht aufgehalten?“

„Wie hätten wir gekonnt? Sie ist eine erwachsene Frau. Dort kann man ihr helfen, es ihr leichter machen.“

„War es für dich dort leichter?“

Jenna schluckte. Nein, es war eine der schlimmsten Zeit, die sie durchgemacht hatte. „Ich war aber nicht verrückt, als ich eingewiesen wurde. Ich war gesund.“

„Das ist sie auch. Sie ist nur anders. Man muss ihr helfen damit klarzukommen und sie nicht unter Drogen setzen, um es zu unterdrücken.“

„Hör auf auszuflippen! Das musst du gerade sagen, wer nennt sie denn die Irre? Und wie kann ich ihr helfen, wenn ich mir die Dinge nicht einmal selber erklären kann? Du wärst vielleicht der einzige gewesen, der das gekonnt hätte, aber du warst nicht da.“

„Weil du wolltest, dass ich gehe. Und ich nenne sie nur Irre, weil ich gemein bin.“

„Aber gesund ist sie wirklich nicht.“

„Weil sie die Dinge, die sie wahrnimmt, in ihren angeblichen Stimmen kompensiert. Das macht sie krank.“

„Danjal, sie hat es doch nie anders gelernt. Wenn es, wie du sagst, die Art ist, wie sie damit umgeht, dann ist es eben so. Und da wären wir wieder am Anfang der Diskussion, sie braucht jemanden, der ihr hilft nicht durchzudrehen.“

„Die Arsaten hätten ihr helfen können!“

„Mit denen hat sie schlecht Erfahrungen gemacht und auch, wenn Pater Sebastian nicht Brent ist, so hat sie keine großen Ambitionen sich ihnen anzuvertrauen. Sie sucht sich ihren Weg.“

„Das kann ich akzeptieren, aber ich akzeptiere nicht, dass sie sich einweisen lässt.“

Er stand auf. „Ich hole sie da raus!“

Jen legte ihm die Hand auf den Arm. „Setz dich, nicht jetzt. Wir gehen morgen zu ihr und dann kannst du sie überzeugen. Man wird sie entlassen, wenn sie es will.“

„Ich kann -“

„- Ich weiß, aber es würde ihr nichts bringen.“

Er öffnete die Hände, die er zu Fäusten geballt hatte, und setzte sich.

Jen lehnte ihren Kopf an seine Schulter. „Da sind so viele Fragen“, sagte sie.

„Ich weiß.“

„Wirst du sie beantworten?“

„Ja.“

***

Alles war grau und die blätterlosen Bäume reckten ihre dunklen toten Äste mahnend gen Himmel. Ein eisiger Wind wehte. Danjal schwebte rücklings über dem Abgrund. Kalte, teigige Hände griffen nach ihm. Es waren viele, wurden immer mehr. Sie zogen ihn mal in die eine, dann in die andere Richtung. Sie zerrten an ihm, wollten ihn, jeder für sich. Er kämpfte und wehrte sich, wollte sich nicht verlieren.„Wach auf ...“

„Wach auf!“

Jemand rüttelte ihn.

„Danjal! Wach auf!“

Er öffnete die Augen, es war mitten in der Nacht, er lag auf seiner Matratze, alles war gut, also schloss er sie wieder.

„Danjal verdammt! Da ist jemand im Garten, nun wach endlich auf!“

Es war Jenna.

„Was ist?“

„Da ist etwas im Garten.“

Er konnte es spüren.

„Du musst nachschauen, bitte!“

Danjal stand auf und zog sich seine Jeans über.

„Du bleibst hier, ich gehe alleine!“, sagte er.

Natürlich hörte sie nicht auf ihn. Als er durch die Terrassentür hinaustrat und sie wieder hinter sich schloss, konnte er Jenna neben dem Sofa stehen sehen.

Ein Dutzend gelb leuchtende Augen beobachteten ihn aus dem Dunkel heraus. Danjal stellte sich auf die Rasenfläche. Die Wesen lösten sich aus dem Schatten und kamen näher, langsam, ganz langsam. Wenige Schritte vor ihm blieben sie stehen. Das Nackenfell aufgerichtet, die Ohren angelegt und ihre Lefzen nach oben gezogen, lauerten sie. Ein tiefes Knurren drang aus ihren Kehlen. Der Mond kam hinter einer Wolke hervor und ließ die Welt silbern scheinen.

Er sah auf sie hinab, fixierte, eines nach dem anderen mit seinem Blick und sie wichen zurück. Das Knurren verstummte und die Wesen senkten ihre Köpfe. Ihre Körperhaltung entspannte sich und auf sein Zeichen hin, zogen sie sich in den Schatten zurück.

„Sie sind nicht weg.“ Jenna war zurück in Danjals Zimmer gehastet und hatte sich auf seine Matratze gesetzt.

„Nein sind sie nicht.“

„Aber -“

„Sie sind nicht hier, um uns zu schaden.“ Er hockte sich neben sie. „Du brauchst gar nicht so zu tun, als hättest du hier auf mich gewartet, ich weiß, dass du oben warst und alles mit angesehen hast.“

Ja und sie hatte das erste Mal Wesen gesehen, die der Hölle entsprungen und nicht menschenähnlich waren.

„Was sind sie?“, fragte Jen.

„Es sind Garme.“

„Garme?“

„Sie bewachen den Eingang nach Helheim.“

„Der Unterwelt in der nordischen Mythologie? Wie Zerberus bei den Griechen oder der Höllenhund bei uns?“

Danjal nickte. „Ist doch alles das Gleiche.“ Er machte eine abfällige Handbewegung.

„Danjal, weshalb verdammst du den Glauben und vor allem das Christentum so. Du bist im Prinzip Gottes Enkelsohn.“

Er sah sie an und in seinen hellgrauen Augen funkelte es.

„Er hat nichts mit einem Großvater gemein! Aber ich verdamme das Christentum nicht, ich verdamme keine Glaubensrichtung, ganz im Gegenteil. Ich kämpfe nicht gegen Glauben oder Gläubige, ich kämpfe gegen denjenigen, der meiner Mutter, meiner Familie und mir Schlechtes getan hat. Ihm sind die Menschen wichtig, weil er von ihnen abhängig ist, also benutze ich sie, um ihm zu schaden.“

„Und ich sitze neben dir, werde bei dir schlafen, weil ich Angst habe alleine in meinem Bett zu liegen und nehme hin, dass du böse bist“, sagte Jena. „Ich schaue dich an und suche nach irgendetwas Göttlichem in dir, nach einem Leuchten oder etwas Ähnlichem. Das einzige, was ich immer wieder sehe, ist etwas, dass ich mit Menschlichkeit erklärt habe. Sie ist permanent sichtbar und lässt mich vergessen, was du alles getan hast. Sie macht mich blind und ich will es gar nicht anders.“

„Das Einteilen in Gut und Böse, hell und dunkel ist ein Phänomen, dass ich bei euch Menschen schon immer mit erstaunen beobachtet habe. Ihr betreibt es mit Hingabe, genau wie die Sache alles erklären zu wollen. In jedem steckt Gut und Böse und nicht alles kann man erklären. Es steht keine Logik dahinter. Du, ihr, seid viel zu unbedeutend um es zu sehen.“

„Unbedeutend?! Wir wollen die Welt einfach verstehen. Und behautest du nicht selbst von dir böse zu sein? Du müsstest doch zugeben, dass auch etwas Gutes in dir steckt, wenn du diese Einteilung nicht akzeptieren kannst.“

Müsste er, konnte er aber nicht. Ja seine Ansicht war wohl fehlerhaft, irgendwie.

„Jen, ich will mich nicht mit dir streiten und das Gespräch wird genau darauf hinauslaufen, wenn wir weiter reden. Aber ihr werdet die Welt nie verstehen, weil nichts nach festen Regeln geschieht. Und das zu begreifen unterscheidet uns.“

Er hatte recht, es würde in einem Streit enden.

„Das ist es auch, was Louisa verrückt erscheinen lässt; sie schaut dazwischen, zwischen die Existenzen. Sie erkennt die Komplexität und das Unvorhersehbare des Spiels und kann es nicht begreifen“, sagte er.

„Sollte ich nicht auch mehr erkennen, als ein normaler Mensch?“

„Das tust du doch. Du siehst, fühlst und kannst andere Dinge, aber du hinterfragst alles, stellst alles in Zweifel.“

„Ich bin Wissenschaftlerin!“

„Ja und? Lass uns aufhören bitte!“

Jen atmete tief ein und nickte. Und trotz allem wollte sie nicht in ihr Zimmer, sondern bei ihm schlafen. So verrückt das auch war.

***

Danjal war wochenlang verschwunden gewesen und mit ihm sein Auto. Heute Morgen war er kurz weg gewesen und mit dem Wagen zurückgekehrt. Jenna fragte sich, wie er all seine Geschäfte regelte, welche Kontakte er pflegte, wo er Dinge aufbewahrte, wo er seine Finger drin hatte.

Sie hatte die Zeit seiner Abwesenheit genutzt, Sven anzurufen. Vor einigen Tagen hatte der Älteste der Arsaten sie und Johannes um Unterstützung gebeten.

Ein unnatürlich schnell wachsendes Unternehmen, vor zwei Jahren in den USA gegründet, hatte nun eine Zweigniederlassung in Berlin eröffnet. Sie waren damit in jeder bedeutenden Großstadt vertreten. Bei Investoren und Geschäftspartnern des Unternehmens waren Auffälligkeiten bemerkt worden. Aggressionen, Mord und Gewalt griffen beängstigend und unerklärlich um sich.

Nachforschungen der Bruderschaft hatten den Inhaber als den Abkömmling eines Aeshma entlarvt. Sie benötigten die Hilfe einer Auserwählten zur Auslöschung.

Die Zusammenarbeit mit den Jägern der Arsaten war problematisch, viele misstrauten Jen wegen ihrer Verbindung zu Danjal. Daher hatten Pater Sebastian und Mehner sich geeinigt, dass Jenna und der Pfarrer unabhängig von der Bruderschaft agieren würden.

Es war schwer an Javid Bahar heranzukommen. Zwar liebte es der Persisch-Stämmige Amerikaner sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, umgab sich jedoch mit einer großen Anzahl von Leibwächtern, von denen nicht einer menschlich war. Seine diversen Aufenthaltsorte waren hervorragend gesichert.

Der Pfarrer hielt Kontakt zum Ältesten, sie tauschten sich aus, sprachen sich ab, aber Jenna und Johannes wussten, dass sie im Endeffekt alleine arbeiten mussten. Auf der Suche nach einer Schwachstelle im Sicherheitssystem Bahars, benötigten sie Svens Hilfe.

Wieder in der Klinik zu sein verursachte bei Jen ein übles Gefühl im Magen. Es war bedrückend, obwohl sie gestehen musste, dass alles nicht mehr so trostlos wirkte, wie in der Zeit, in der sie hier gewesen war.

Louisa wartete im Besucherraum auf sie. Hier hatte man für die Gäste und Patienten eine entspannte Atmosphäre schaffen wollen und es gab einen Zugang zum Park und zur Cafeteria.

Das Mädchen war blass und wirkte nervös, lächelte aber, als sie Jenna sah und sprang auf, als Danjal hinter ihr den Raum betrat. Sie fiel ihm um den Hals und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Danjal blieb steif, nahm sie dann zaghaft in die Arme. Schließlich schob er sie ein Stück von sich weg und sagte leise: „Alles ist gut.“

Gemeinsam setzten sie sich an den Tisch.

„Sie haben mir zugeflüstert, dass du kommen würdest“, sagte Louisa und schaute sich scheu um. „Es ist schön, dass du mich besuchst.“

„Wir sind nicht hier, um dich zu besuchen, ich will, dass du mit uns kommst.“

Sie riss die Augen weit auf. „Was? Aber das kann ich nicht, es ist so laut überall, nur hier nicht.“

„Es ist hier leise, weil sie dich mit dieser Scheiße vollpumpen!“

„Aber es ist leise. Ich weiß nicht, was ich verbrochen habe, dass es so schlimm geworden ist.“

„Es liegt nicht an dir, es liegt an mir.“

„Kannst du machen, dass es aufhört?“

Danjal schüttelte den Kopf. „Du musst selbst dafür sorgen und es verstehen.“

Louisas Gesicht nahm einen verklärten Ausdruck an. „Ich verstehe es. Es ändert aber nichts.“

„Dann begreife endlich, dass du so, wie du bist, richtig bist! Du musst hier raus!“ Danjal stand auf.

Jenna schaute von einem zum anderen und er ging.

Das Mädchen und sie sprangen gleichzeitig hoch und eilten ihm hinterher. Eine Schwester stellte sich ihnen in den Weg. Erhobenen Fingers und mit geöffnetem Mund, setzte sie an etwas zu sagen, aber Jen ignorierte es und lief um sie herum, Louisa tat dasselbe.

Vor dem Büro des Klinikleiters Prof. Dr. Dr. Dr. Prof. med. dent. Richter, Jen war natürlich bewusst, dass nur die Hälfte davon auf dem Schild an seiner Bürotür stand, holten sie Danjal ein.

Ohne anzuklopfen, stürmte er rein, sie hinterher.

„Louisa ist auf eigenen Wunsch bei uns. Natürlich hat sie das Recht zu gehen, wenn sie möchte. Aber“, auf dieses aber hatte Jenna gewartet, „es obliegt unserer Pflicht zu prüfen, ob sie wieder in der Lage ist, ein selbstständiges Leben zu führen. Ob sie in der Lage ist auf sich aufzupassen.“

„Ich passe auf sie auf!“ Danjal hatte sich nicht gesetzt, obwohl Richter ihnen einen Stuhl angeboten hatte.

Der Professor lachte auf. „Wenn das so einfach wäre. Selbst, wenn Sie mir das versichern und selbst, wenn ich Ihnen Glauben schenke, ich habe Bestimmungen zu beachten, gesetzliche Grundlagen und Richtlinien. Wissen Sie“, der Kerl faltete die Hände und stützte sein Kinn darauf, „ich kenne die junge Dame. Sie ist nicht zum ersten Mal bei uns. Ihr Leben ist, sagen wir mal, durcheinandergeraten und geprägt von schweren Zusammenbrüchen. Schon die letzte Entlassung hätte nicht erfolgen dürfen. Dass Louisa zurückgekehrt ist, hat es bewiesen. Es läuft zurzeit ein Antrag bezüglich -“

„Können Sie aufhören mit dem ganzen Mist? Louisa kommt mit mir! Sie werden ihr die Entlassungspapiere ausstellen! Sie hat hier nichts mehr verloren!“

„Ich werde Bescheid geben, dass man ihre Entlassungspapiere fertig macht. Natürlich kann sie mit Ihnen gehen.“

Jenna hatte den Arzt nie gemocht, ihn von der ersten Minute an unsympathisch gefunden. Sein falsches, viel zu strahlendes Lächeln, die arrogante Art, die er dahinter zu verstecken suchte. Das herablassende Wissen, dass er besser als sie alle war, ohne es wirklich zu sein. So war es ihr eine Genugtuung, dass sie nun Louisa unterhaken konnte, um sie mitzunehmen, ganz gleich, was sie zuvor zu Danjal gesagt hatte.

„Aber ich weiß nicht, ob ich will.“ Louisa sträubte sich.

Danjal drehte sich um und kam die zwei Schritte zu ihnen zurück. Jen ließ ihren Arm los. Er stellte sich vor das Mädchen und schaute ihr tief in die Augen.

„Du willst es! Du musst es wollen! Du darfst nicht hier bleiben.“ Seine Stimme war ruhig aber bestimmend. „Louisa, bitte!“

„Aber ich muss meine Sachen noch holen.“

„Die brauchst du nicht. Ich kaufe dir alles neu.“

„Das geht nicht. Ich habe ein Kuscheltier, einen Stoffhund, er ist mir wichtig. Er ist das Einzige, was mir aus meiner Kindheit geblieben ist. Den kannst du mir nicht neu kaufen, den gibt es nicht mehr.“

Danjal schloss genervt die Augen.