Wilburys Town - S. N. Stone - E-Book

Wilburys Town E-Book

S. N. Stone

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Beschreibung

Ein Jahr lang das aufregende Los Angeles und den Job beim angesagten InFame-Magazin gegen eine verschlafene Kleinstadt in Iowa tauschen? Ein wenig verlockender Gedanke, findet Eleanor Parker. Aber genau an diese Bedingung ist die freie Verfügbarkeit über das Erbe ihrer Grandma geknüpft, das sie überraschend annehmen soll. Und wie schwer kann es schon sein, sich mit ein paar Kleinstädtern abzugeben? Immerhin liegt bereits ein lukratives Angebot für die Hinterlassenschaft vor. Wie schnell Lenni der Anziehungskraft von Wilburys Town, das sie aus Kindheitstagen kennt, und dem Charme der Bewohner auch als erwachsene Frau erliegt, damit rechnet sie nicht. Doch dramatische Vorkommnisse bringen die Idylle des Städtchens am Mississippi River in Gefahr. Officer Jackson Miller, mit dem sie sich angefreundet hat, glaubt nicht mehr an Zufälle. Eleanor kommt der Wahrheit gefährlich nah und muss Entscheidungen treffen, die nicht nur auf ihre Zukunft Auswirkungen haben.

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Seitenzahl: 390

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1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel

Impressum neobooks

Wortzähler: 77811

Wilburys Town

von

S. N. Stone

1. Kapitel

»Ein Hoch auf Eleanor Parker, die uns verlassen wird, um sich in einer Kleinstadt ihrem Schicksal zu stellen. Umgeben von Mais, Weizen, Schweinen und Rindern, wird sie in den Kampf ziehen, gegen Hinterwäldler und provinzielle Enthaltsamkeit.« Harper stand auf dem Stuhl, hatte das Martiniglas erhoben und prostete ihr zu. »Lenni, in Gedanken sind wir bei dir und wir werden dich besuchen, darauf kannst du Gift nehmen!«

»Vergesst eure Gummistiefel und Flanellhemden nicht«, rief Lenni in die Runde und hob ebenfalls ihr Glas.

Die Mädels lachten und tranken und Harp setzte sich wieder.

»Mal im Ernst«, sagte sie, »du wirst mir fehlen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass du das machst.«

»Ich auch nicht. Aber ich komme ja wieder. Denkst du, ich würde euch, den Job und die Stadt für immer aufgeben? Niemals! Ich ziehe das durch, sollte ein Klacks sein und im Nu ist die Zeit rum und ihr habt mich zurück.«

»Und wir kommen dich besuchen!«

»Und ihr kommt mich besuchen, natürlich.«

»Dann lass uns feiern!« Harper zog sie auf die Tanzfläche und Eleanor genoss ein letztes Mal für lange Zeit die Atmosphäre ihres Lieblingsclubs.

***

Den über sechseinhalb stündigen Flug von Los Angeles zum La Crosse Regional Airport hatte Lenni fast komplett verschlafen. Auf ihrer Abschiedsparty war viel Alkohol geflossen und sie hatten bis in die Morgenstunden gefeiert.

Nach einem Glas Tomatensaft und einer Aspirin, hatte sie sich die Schlafmaske übergezogen und war durch die Flugbegleiterin kurz vor dem Landeanflug geweckt worden.

Nun steuerte sie den Mietwagen auf der Interstate 90 aus der Stadt heraus, über den Mississippi River und fuhr auf den Highway. Eine knappe Stunde Autofahrt lag vor ihr, ehe sie Wilburys Town erreichen würde. Endlose Weizen- und Maisfelder, grüne Wiesen, auf denen Rinder weideten, Kleinstädte, Farmen und Ranches auf der einen Seite, der Fluss auf der anderen, waren ihre Wegbegleiter. Das würde es auch sein, was sie in den nächsten zwölf Monaten zu sehen bekam. Anstatt in den Pazifischen Ozean würde sie die Füße in den Mississippi stecken müssen, und anstelle in einer Millionenmetropole am pulsierenden Leben teilzunehmen, würde sie in einem Kaff am Sonntag den Kirchenglocken lauschen.

Lenni seufzte und schaltete das Radio ein. Country Musik, was sonst?!

Sie parkte am Ende der kurzen Auffahrt, stieg aus und betrachtete das Haus. Mit seinem dunklen Dach, der hellen Fassade, der überdachten Veranda, der Bank, dem Tisch, den beiden Schaukelstühlen, den Blumenkästen, war es so typisch und kitschig, wie man es sich nur vorstellen konnte.

Lenni nahm das Gepäck aus dem Kofferraum und ging die drei Stufen zur Eingangstür hinauf. Gut, dass sie einen Großteil ihrer Sachen vorgeschickt hatte und wenn alles korrekt verlaufen war, sollten sie bereits angekommen sein.

Sie schloss auf und öffnete die Tür.

Staub tanzte in den Sonnenstrahlen, die durch das Fenster der Hintertür am anderen Ende des Eingangsbereichs fielen. Es roch ein bisschen abgestanden und trotzdem lag da auch etwas Vertrautes in der Luft. Lenni stellte die Taschen ab.

Zu ihrer Linken lag die Küche. Sie ging hinein und legte den Schlüssel auf den runden Holztisch, schob einen der Stühle zurecht und öffnete das Fenster über der alten Keramikspüle. Sie lehnte sich an die Arbeitsplatte und schloss die Augen. Der Duft von Apple Pie und Maisbrot, von Krautwickel und Caramel Corn huschte in ihre Gedanken. Schnell machte sie die Augen wieder auf.

Sie inspizierte die Vorratskammer und entdeckte Gläser mit eingewecktem Obst, Marmelade und Corn Relish. Der Kühlschrank war ausgeschaltet, leer und sauber. Sie steckte den Stecker in die Dose und mit einem leisen Brummen nahm er seinen Betrieb wieder auf. Sie warf einen kurzen Blick in den Vorraum, in dem auch die Waschmaschine und der Trockner standen, und ging ins Wohnzimmer.

Da war der große Tisch mit den vielen Stühlen, an dem die ganze Familie an den Feiertagen gegessen hatte. Die Flügeltür zur Veranda, die in den heißen Sommermonaten, weit geöffnet, die Brise von den Feldern und dem River ins Haus ließ, der Kamin, der in den kalten Monaten wohlige Wärme spendete. Der alte Ohrensessel, das Strickzeug in einem Korb daneben, der Quilt, unter dem Lenni so oft auf dem Sofa eingeschlafen war, während sie den Geschichten ihrer Grandma gelauscht hatte. Sie streifte über den Stoff und schluckte den Kloß in ihrem Hals runter.

Eigentlich hatte sie geplant, das große Schlafzimmer in der oberen Etage zu beziehen. Das King Size Bett und das angeschlossene Bad mit der gusseisernen Wanne hatte sie als Kind geliebt. Nun stand sie da und konnte es nicht. Das Zimmer gehörte ihrer Grandma. Hier hatte sie über 60 Jahre lang geschlafen, hatte es mit Grandpa geteilt, bis er bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen war. Hier war Lenni in stürmischen Herbstnächten unter die Decke ihrer Granny geschlüpft, um Schutz zu suchen, aber jede Nacht hier zu verbringen, das fühlte sich falsch an.

Sie würde eines der Gästezimmer nehmen, das, was nach vorne, zum Vorgarten rausging. Wie oft hatte sie mit ihrer Cousine darum gestritten, obwohl das andere Zimmer sogar etwas größer war, hatten sie beide dieses bevorzugt. Es war das ehemalige Kinderzimmer ihres Dads.

Sie schleppte ihr Gepäck und die vorausgeschickten Kisten, die erfreulicherweise an der Treppe gestanden hatten, in den Raum, öffnete auch hier ein Fenster und setzte sich aufs Bett. Da war sie nun.

2. Kapitel

Eleanor packte ihre Sachen aus. Das war nicht mehr ihre Welt. Als Kind, ja, da war es schön gewesen, die Ferien hier zu verbringen, auf den alten Apfelbaum hinter dem Haus zu klettern, an den Mississippi zum Baden zu gehen oder mit Grandma zu backen und zu kochen. Damals vermittelte es Freiheit, die ihr Minneapolis so nicht hatte geben können. Mittlerweile war sie aber nicht mehr die kleine wilde Len, die über die gemähten, stoppeligen Felder tobte, sie war Eleanor, die in Los Angeles für das InFame-Magazin arbeitete.

Ihre Besuche waren, mit zunehmendem Alter, weniger geworden und irgendwann waren es nur noch die großen Familienfeste gewesen, die sie hergebracht hatten.

Nachdem sich ihre Eltern hatten scheiden lassen und sie mit ihrer Mom an die Westküste gezogen war, waren aus diesen wenigen Momenten gelegentliche Telefonate geworden. Die Differenzen ihrer Eltern hatten sich auf das Verhältnis ihrer Mom zur Familie ihres Dads ausgewirkt und damit auf die Besuche. Später, als Lenni alt genug gewesen war, selbst zu entscheiden, hatte sie einfach keine Zeit gehabt, herzukommen. Auch zur Beisetzung hatte sie es wegen eines wichtigen Termins nicht geschafft.

Umso erstaunter war sie gewesen, als sie das Schreiben eines Notars in ihrem Briefkasten gefunden hatte.

Die Kleidung hatte sie im Wandschrank und der Kommode verstaut, ein paar Bücher und Magazine auf dem Nachttisch und im Regal, die Kosmetikartikel waren im Gästebad und ihren Laptop stellte Lenni auf den Tisch am Fenster. Die letzten beiden Kisten würde sie später auspacken, jetzt musste sie eine Einkaufsliste schreiben.

Große Lust hatte sie nicht mehr, heute noch ins Stadtzentrum zu fahren, sie war müde. In Los Angeles würde sie einfach eine Pizza und ihre Besorgungen online bestellen und liefern lassen.

Mit dem Smartphone setzte sie sich auf die verschnörkelte Bank auf der Veranda und bereute es sofort, das Teil war dreckig. Es gab wahrscheinlich so einiges im und am Haus zu machen, nicht zu viel, nur das Nötigste. Sie rief die Notizfunktion ihres Telefons auf.

»Hallo?!«

Lenni blickte auf und verdrehte die Augen, Mrs. Norris, die Nachbarin, stand am Zaun und winkte.

»Augenblick, ich komme«, rief sie.

»Ich wollte doch mal nach dir schauen«, sagte die ältere Frau, die bereits das Grundstück betreten hatte. »Ich habe dich ankommen sehen. Jesus, bist du erwachsen geworden. Wie viele Jahre ist es her?« Nun stand sie vor ihr.

»Ein paar«, antwortete Lenni.

»Es müssen fast fünfzehn sein. Lass dich anschauen.« Agatha Norris musterte sie von unten bis oben. »Eine hübsche Frau bist du geworden, warst du natürlich schon immer, aber so elegant und chic. Ich habe dir Baked Macaroni and Cheese gemacht.« Sie hielt ihr eine Auflaufform entgegen.

»Dankeschön.« Lenni nahm sie. »Das ist sehr nett von Ihnen, Mrs. Norris.«

»Wie war der Flug? Die Autofahrt?«

»Angenehm, aber ermüdend, ich ...«

»Oh, das kann ich mir vorstellen. Wie lange warst du unterwegs? Acht Stunden? Sicher mehr.«

Lenni nickte und wollte antworten, aber Mrs. Norris sprach weiter.

»Du solltest den Auflauf reinbringen. Ich dachte, er ist genau das Richtige zum Abendessen, einfach ein paar Minuten in die Mikrowelle. Eine gute ehrliche Mahlzeit wärmt die Seele Liebes, weißt du?«

»Ich werde ihn sofort in die Küche stellen und nochmals vielen Dank.«

Die Frau legte die Hand auf ihren Arm und schob sie sanft Richtung Haus.

»Meine tiefe Anteilnahme zu deinem Verlust«, sagte sie, öffnete die Tür und hielt sie für Lenni auf, folgte ihr dann. »Auch für uns war es ein Schock, als wir von Mildreds Tod erfahren haben.«

Eleanor stellte den Auflauf in den Kühlschrank.

»Sie war nur für eine routinemäßige Untersuchung im Krankenhaus und dann kommt sie einfach nicht wieder.« Die Ältere schüttelte den Kopf und setzte sich an den Tisch. »Ich habe zu Bert gesagt: Siehst du, so schnell kann es gehen. Man muss jeden Tag genießen, als wäre es der letzte. Keiner weiß, was der Herr für uns plant.«

Lenni warf einen Blick auf die Uhr.

»Die Kisten hat Bert oben an die Treppe gestellt, ich denke, du hast sie schon entdeckt. Er fand, dass das einfacher für dich sein würde, als sie erst von der Poststation abholen zu müssen. Da wir uns sowieso ein bisschen um das Haus gekümmert haben, hat Mabel Bert Bescheid gesagt, als die Sachen angekommen sind.«

»Das ist sehr freundlich.«

»Deine Grandma fehlt uns«, sagte die Frau und erhob sich, »aber es ist schön, dass du hier bist. So ist wieder Leben im Haus.«

Das war ja alles wirklich furchtbar nett, aber Lenni war froh, als Mrs. Norris endlich ging und sie wieder ihre Ruhe hatte.

Einkaufen konnte sie nun vergessen, die Läden schlossen bald, hier war das anders als in der Großstadt. Blieb zur Not die kleine Tankstelle, wo sie Cracker mit Käsesoße aus der Flasche, nen Schokoriegel und ne Coke bekommen würde. Aber sie hatte doch den Auflauf und ihr fiel die fast volle Pepsi von der Herfahrt ein.

Wenn Lenni ehrlich war, war sie Agatha Norris gerade sehr dankbar. Die Baked Macaroni and Cheese waren hervorragend.

Sie saß am Tisch in der Küche, hatte eine Kerze angezündet, den Laptop vor sich stehen, aß und blätterte virtuell durch die heute erschienene Ausgabe des InFame-Magazins. Ein Jahr lang würde ihre Kolumne von jemand anderem geschrieben werden. Ein Jahr hatte sie sich freistellen lassen, um ihr Erbe anzutreten.

Was Grandma sich nur dabei gedacht hatte? Lenni hatte Haus und Grundstück geerbt, würde aber erst frei darüber verfügen können, wenn sie ein Jahr in Wilburys Town, mit allem Drum und Dran, in dem Haus, mit einem Job, gelebt hatte.

Sie hatte überlegt, auszuschlagen, auf dem Land zu leben, oh Gott nein! Dann hatte sie jedoch ein sehr lukratives Angebot in Aussicht gestellt bekommen. Sie würde die Zeit hier absitzen, die Kleinstädter und Farmer ein bisschen ignorieren und am Ende nach L. A. zurückkehren.

Sie klappte den Laptop zu, blies die Kerze aus, spülte das Geschirr und löschte das Licht. Sie freute sich aufs Bett.

***

Ein Hahn! Ein verdammter Hahn krähte! Wie spät war es? Lenni tastete nach dem Smartphone auf dem Nachttisch. 5.20 Uhr, das war doch nicht sein Ernst?! Sie griff hinter sich und schob die Gardine zur Seite, Sonnenaufgang! Na wunderbar! Sie zog sich die Decke über den Kopf. Wie oft krähte so ein Vieh eigentlich? Hatte es sie als Kind auch gestört? Sie konnte sich nicht erinnern. Egal, jetzt nervte es sie! Eine gute und fette Hühnersuppe kam ihr in den Sinn.

Bis 6.00 Uhr hielt sie es im Bett aus, dann stand sie auf, konnte nicht mehr schlafen. Alles in ihr schrie nach einem großen Becher Soja-Latte.

In der Küche wurde ihr bewusst, dass sie dem Verlangen wohl nicht nachkommen konnte, nicht mal ein einfacher Kaffee würde es werden. Frühstück musste auch ausfallen, außer, sie machte sich über den Rest des Auflaufs her. Nein, sie würde jetzt duschen und sich anziehen und dann ins Stadtzentrum fahren und die Besorgungen erledigen. Eventuell gab es dort ja mittlerweile einen Coffee Shop, machten die sich nicht überall breit? Da würde sie sicher auch etwas Vernünftiges zu Essen bekommen.

Sie war aufbruchbereit, als es klopfte. Lenni rannte die Treppe hinunter und öffnete.

»Guten Morgen, Len.« Mrs. Norris strahlte sie an. »Ich wusste nicht, ob du gestern Zeit gefunden hast, Einkaufen zu fahren, und habe hier deshalb einen Laib selbstgebackenes Brot, ein paar frische Eier und Bacon von Matthew, also natürlich nicht von ihm«, sie kicherte, »sondern von einem seiner Schweine, für dich.« Sie drückte ihr einen Korb in den Arm.

»Wie hast du geschlafen, Liebes?«

»Gut und Dankeschön.«

»Sehr gerne. Wenn du was benötigst, oder irgendetwas ist, du kannst dich jederzeit mit allem an uns wenden.«

»Ach Mrs. Norris, da wäre eine Kleinigkeit.«

Die Ältere sah sie erwartungsvoll und mit diesem Lächeln, das sie immer begleitete, an.

»Wenn Sie mich bitte nicht mehr Len nennen würden?! Eleonore ist mir angenehmer.«

»Aber natürlich, Liebes. Ich verstehe schon, wenn du das nicht magst, ...« Sie neigte den Kopf ein wenig. »So, ich werde dich wieder alleine lassen. Vielleicht kommst du mal auf einen Kaffee rüber und erzählst ein bisschen, auch, wie es deiner Mom geht. Ich mochte sie immer sehr.«

Agatha stand in der Küche an der Spüle und wusch ab. Sie liebte es, dabei ab und zu durchs Fenster zu schauen. Das hatte nichts damit zu tun, dass sie neugierig war und die Nachbarn ausspionieren wollte, das wäre von der Veranda aus sowieso viel besser gegangen. Hier klebten die Häuser auch nicht aneinander, die Grundstücke waren großzügig, direkt im Zentrum von Wilburys Town war das schon ein bisschen anders. Nein, es hatte etwas damit zu tun, dass sie es genoss, das Grün und Bunt des Gartens in sich aufzunehmen, selbst, wenn sie im Haus war.

Len fuhr aus der Einfahrt. Agatha runzelte die Stirn. Das arme Ding. Der Verlust musste sie doll mitnehmen, auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ. Sie hatte sehr wohl mitbekommen, dass Len, Eleanor, verbesserte sie sich, ihr gegenüber distanziert war. Sie wählte dieses Wort bewusst, denn wirklich unfreundlich war das Mädchen nicht gewesen, eher abweisend. Nur empfand Agatha diese Bezeichnungen als zu negativ, bedachte man die Umstände, also hatte sie sich eben für distanziert entschieden.

Sie musste lächeln, sie lächelte gerne, viel lieber, als dass sie die Stirn runzelte, wenn sie an den Wildfang von damals dachte. Sie hatte immer geglaubt, Len würde eines Tages in die Gegend ziehen. Sie schien wie geschaffen für das Leben auf dem Land, anders als ihr Vater, mit dem Agatha aufgewachsen war und der so schnell er konnte, Wilburys den Rücken gekehrt hatte.

Später dann die Trennung, die Familienstreitigkeiten, sie seufzte, wie traurig es Mildred gemacht hatte. Es schien, als hätte es den Zusammenhalt der gesamten Familie zerstört.

Aber in Wilburys hielten sie zusammen, auf eine echte und herzliche Weise, manchmal ersetzte es die Familie.

Klatsch und Tratsch mit Mrs. Norris bei Kaffee und Kuchen; sicher nicht! Klatsch und Tratsch wenn, dann über die High Society von Los Angeles, aber bestimmt nicht über die Belange irgendwelcher Dörfler und schon gar nicht über ihre Familie. Eleanor fuhr aus der Einfahrt. Was hätte sie auch von ihrer Mom zu erzählen? Dass die, wieder glücklich vergeben, ihr Leben auf Oahu genoss? Dass sie den neuen Kerl nicht ausstehen konnte und deshalb den Kontakt auf ein Minimum reduziert hatte? Dass es ihrer Mom egal war, weil sie es gar nicht mitbekam, in ihrer rosaroten Blase?

Sie bog in die nächste Querstraße ein.

Matthew ›Matty‹ Norris, als Kinder hatten sie zusammen gespielt, war also unter die Schweinerancher gegangen. Sie lachte. Nun, jeder wie er es mochte.

Hoffentlich wussten nicht so viele der Einheimischen, dass sie da war. Lenni hatte keine Lust, von den Leuten angesprochen zu werden. Sie vermutete, dass diese Hoffnung vergebens war, hier kannte jeder jeden und kaum etwas blieb lange geheim.

Die Lebensmittel von Mrs. Norris hatte Eleanor weggestellt, ihr war nicht nach einem deftigen Frühstück, lieber ein Bagel mit Frischkäse und Lachs oder ein Müsli mit frischen Früchten.

Die Küche des Mittleren Westens war zwar nicht gerade für ihre Leichtigkeit bekannt, es gab gehaltvolle gute alte Hausmannskost, die von den Einwanderern aus Osteuropa, Deutschland und Russland beeinflusst wurde. Die Region, in der Wilburys Town lag, war jedoch auch das Zentrum des Obst- und Gemüseanbaus und so würde sie in irgendeiner Weise schon das Richtige finden.

Ihre erste Anlaufstelle war ›Pamela Sue’s Coffee & Sweets‹, ein Laden, den Lenni nicht kannte, und der von Kaffeespezialitäten, Kuchen, Torten bis hin zu Eis und Cookies alles anbot, auch belegte Bagels am Morgen.

Sie bestellte einen mit Pastrami, ohne Käse und ihre heißgeliebten Soja-Latte.

Vor dem Geschäft standen Tische und Stühle und das Wetter war schön, dennoch blieb sie drinnen. In der Nische an der Seite saß sie nicht so auf dem Präsentierteller.

Es lohnte sich nicht, das Auto zu nehmen. Normalerweise fuhr sie auf den großen Parkplatz eines Supermarktes, stieg aus, erledigte die Einkäufe, ließ sich alles zum Wagen bringen, setzte sich wieder ins Auto und kehrte zu ihrem Apartment zurück. Besorgungen zu Fuß, in vielen unterschiedlichen Läden, waren nicht nötig.

In Wilburys gab es keinen so großen Supermarkt, es gab eigentlich nicht mal einen echten Supermarkt. Hier ging man zu den Robbinsons. Ihr Geschäft war eher ein Mom-and-Pop Store, auch wenn die Familie, die ihn seit Gründung der Stadt betrieb, behauptete, dass sie alles anböten, was man brauchte und was sie nicht hätten nicht benötigt werden würde.

Das war natürlich Schwachsinn, denn weshalb gab es noch einen Drugstore, einen Metzger, einen Backshop und dergleichen, wenn die Robbinsons doch alles hatten? Sie hatten eben nicht alles, aber eine Menge, musste Lenni feststellen, während sie sich im Laden umsah. Das Angebot war größer, die Räumlichkeiten moderner, die Angestellten jünger, als sie es in Erinnerung hatte. Der Mann an der Kasse hatte sie freundlich gegrüßt und wendete den Blick nicht von ihr ab, bis sie hinter einem Regal verschwand.

Grundnahrungsmittel und Getränke von den Robbinsons, Toilettenpapier, Küchenrolle, Putzmittel und ein paar andere Dinge aus dem Drugstore, Fleisch vom Metzger, Obst und Gemüse vom Verkaufsstand eines ortsansässigen Farmers und ein halbes Dutzend Cookies, die sie noch im Coffee & Sweets gekauft hatte, waren verstaut.

Lenni steckte sich die Bluetooth Wireless Kopfhörer in die Ohren, startete die Playlist ihres Smartphones und schob es in die Hosentasche. Sie zog Spülhandschuhe über, schnappte sich den vollen Eimer, gab Spülmittel ins Wasser und nahm Lappen und Trockentücher. Begleitet von Dua Lipa mit ›Don’t Start Now‹ begann sie ihre Putztour durch das Haus.

Sie ging von Zimmer zu Zimmer, lüftet gut durch, jagte Staub und Spinnweben davon, rückte ein paar Möbelstücke zurecht, hängte frische Handtücher in die Bäder und die Gästetoilette und saugte die Böden.

Die Bilderrahmen mit den Fotos ignorierte sie, fragte sich aber, wer Grannys Kleidung aussortiert hatte, denn Schrank und Kommode im großen Schlafzimmer waren leer, ebenso die Schränkchen im Bad. Ob ihr Dad hier gewesen war, oder ihre Tante? Vielleicht ihre Cousine? Die hatte ihr eine böse E-Mail geschickt, nachdem bekannt geworden war, dass Lenni das Haus erben würde. Von ihrem Dad hatte sie seit Jahren nichts gehört, das aber lag, wenn sie ehrlich war, an ihr. Zu viel war vorgefallen, zu oft hatte er sie vergessen, da hatten die kurzen Anrufe an ihren Geburtstagen auch nichts dran ändern können. Irgendwann war sie einfach nicht mehr ans Telefon gegangen, wenn sie gesehen hatte, dass er es war und letztlich hatte er es aufgegeben.

Als Letztes für heute nahm sie sich Tisch und Bank auf der Terrasse vor und schrubbte die beiden Schaukelstühle. Morgen würde sie sich den Dachboden, den Heizungsraum und den Schuppen anschauen, jetzt hatte sie wirklich keine Lust mehr.

Lenni briet sich ein Steak und bereitete einen Salat zu. Mit dem Essen und einem Bud setzte sie sich auf die Veranda. Sie schaute in den Himmel, der bereits eine rötliche Färbung annahm und atmete tief durch. Die Luft war viel klarer, viel reiner als in der Stadt, angenehm.

Das Fleisch war fantastisch und der Salat schmackhafter als der Abgepackte, den sie sonst immer kaufte.

Wenn sie sich um die Dinge im Haus gekümmert hatte, würde sie sich das Äußere anschauen. Augenscheinlich war alles gut in Schuss, aber sie war keine Expertin, was Dach, Fundament oder Fassade anging. Sie würde jemanden zu Rate ziehen müssen, der sich damit auskannte. Gab es nicht einen Tischler, dessen Werkstatt in einer Scheune nahe dem Güterbahnhof untergebracht war? Sie würde mal dort vorbeifahren.

3. Kapitel

Der Hahn hatte geschwiegen oder sie hatte einfach zu tief geschlafen und ihn überhört, jedenfalls wachte Lenni erst gegen halb acht auf. Vielleicht hatte ihn aber auch das Wetter abgeschreckt, der Himmel war wolkenverhangen und es regnete.

Sie brühte sich einen Kaffee und checkte ihre E-Mails. Ein Gruß von Harper, eine Mitteilung der Autovermietungsfirma, eine Nachricht ihrer Chefin, bezüglich des letzten Artikels.

Sie klappte den Laptop zu, stellte die Tasse weg und holte ihre Yogamatte.

Das war doch die kleine Parker, er hatte sie noch gar nicht willkommen geheißen. Aber was tat sie denn da? Bert lehnte sich mit den Unterarmen auf das Verandageländer. Sie stemmte den linken Fuß in die Innenseite des rechten Oberschenkels, hatte die Arme nach oben gestreckt und die Hände über dem Kopf aneinandergelegt. So stand sie ein paar Sekunden und wiederholte dann alles mit der anderen Seite. Anschließend drehte sie langsam den Oberkörper nach links, machte eine Art Ausfallschritt und streckte die Arme auf Schulterhöhe aus. Wieder verharrte sie für einen Moment. Ach, das war sicher dieses Yoda, von dem alle sprachen? Er würde seine Frau fragen, die kannte sich mit so was aus. Ihn interessierte son neumodischer Kram ja nicht.

»Hier sind sie.« Bert drehte sich zur Tür, Agatha wedelte mit einem Schlüsselbund.

»Sie waren im Wäschesack. Bestimmt hast du sie wieder mit deiner dreckigen Hose da reingeschmissen und dann sind sie aus der Tasche gerutscht.« Sie gab sie ihm. »Und nun beeil dich, du musst zur Arbeit.«

Er nahm die Schlüssel und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Was wäre ich nur ohne dich?« Er zwinkerte ihr zu.

»Verloren«, antwortete sie und lachte.

Er liebte ihr Lachen noch genauso, wie am ersten Tag, als sie sich im Flur der High School über den Weg gelaufen waren.

Wenn Lenni hier schon nicht ins Fitnessstudio gehen konnte, weil es keins gab, dann wollte sie wenigstens regelmäßig Yoga machen. Mal schauen, wie lange ihre guten Vorsätze anhielten, denn Sport war ein leidiges Übel für sie, nichts, was sie mit Hingabe vollzog.

Es hatte aufgehört zu regnen, und sie war geduscht und hatte gefrühstückt. Sie öffnete die Dachbodenluke, zog die Leiter herunter und stieg hinauf.

Etliche Kisten standen ordentlich gestapelt an der Seite, manche beschriftet: Weihnachten, Halloween, Ostern, Fotos, Porzellan, Kinder, andere nicht. Ein paar Möbelstücke und überflüssig gewordene Gebrauchsgegenstände; Stehlampe, Nachttisch, Körbe, Hocker, Küchenmaschine, gab es ebenfalls. Eleanor war versucht, die Kiste mit den Fotos zu öffnen, auch die mit der Aufschrift Kinder hätte sie interessiert, aber sie drehte sich um und kletterte die Leiter wieder hinunter. Das Dach schien in Ordnung und darum war es gegangen, nicht darum, irgendwelchen nostalgischen Momenten nachzujagen.

Die Heizungsanlage und der Warmwasserboiler sahen neu aus. Grandma hatte wohl kurz vor ihrem Tod noch investiert. Perfekt, je besser der Zustand des Hauses nebst Inventar, desto vorteilhafter.

Blieb die kleine Scheune hinter dem Haus. Als Kind war sie nie gerne hineingegangen. Lenni hatte immer vor den Spinnen Angst gehabt, die sie dort vermutete und vor dem Zwielicht, das an jener Stelle herrschte. Und ein wenig war von dieser Sorge geblieben, als sie nun das Vorhängeschloss öffnete und die beiden Tore aufzog.

Gartengeräte waren in Regalen untergebracht, ein Rasenmäher stand in der Ecke und eine grüne Plastikplane deckte etwas Großes ab. Was war das?

Lenni zog vorsichtig an der Plane. Als würde sich darunter ein Monster verstecken und sie angreifen, sobald es aufgedeckt war. Sie war echt ein Schisser.

Doch es war kein Monster, sondern ein alter, türkisfarbener Ford Pick-up und er stürzte sich auch nicht auf sie, stand nur da und blickte ihr mit seinen traurigen Scheinwerfern und rostigen Stellen entgegen. Sie umrundete den Wagen. An das Auto hatte sie gar nicht mehr gedacht, es einfach vergessen. Ob es noch fahrtüchtig war? Wo hatte Grandma die Schlüssel und gab es Papiere? Irgendwann würde sie ihren Mietwagen abgeben müssen, er war auf Dauer zu teuer, vielleicht konnte der Pick-up ihn ersetzen.

Die Fahrertür war nicht abgeschlossen und ließ sich quietschend öffnen. Eleanor setzte sich hinter das Lenkrad. Ein bisschen staubig, ein bisschen muffig war es im Inneren, aber das würde man beseitigen können. Sie schaute in das Handschuhfach, eine Tüte Bonbons, sicher schon hundert Jahre alt, sonst fand sie nichts, auch nicht in den Seitenfächern der Türen. Sie klappte die Sonnenblende runter und ein Schlüssel sowie eine Plastikhülle fielen ihr in den Schoß. Lenni nahm beides, ausreichend Benzin war im Tank. Sie steckte den Schlüssel ins Zündschloss, schob sich die Papiere in die Hosentasche und startete. Der Motor gab einen kläglichen Laut von sich und verstummte. Sie probierte es erneut und beim dritten Mal sprang er an und pustete dunkle, stinkende Wolken in den Schuppen. Er stotterte, raffte sich auf, nicht aus zu gehen, beruhigte sich und die Abgase nahmen eine helle Farbe an. Lenni hopste aus dem Wagen, schob die Plane an die Wand, öffnete die Tore bis zum Anschlag und stieg wieder ein. Sie stellte den Schalthebel auf Drive und gab vorsichtig Gas. Der alte Ford Pick-up setzte sich gemächlich in Bewegung.

Über die Main Street, raus aus Wilburys, auf den Highway, ein Stück an den Wiesen, Weiden und Feldern der Herfahrt vorbei, fuhr sie und bog dann auf die Oak Lane ab. Die würde sie in einem Bogen um die Stadt, wieder zum Mississippi River führen. Lenni hatte die Seitenscheibe heruntergekurbelt und der Wind zerrte an ihren Haaren. Die Sonne wärmte ihren Arm, den sie auf die Türkante gelegt hatte. Sie schaltete das Radio ein. Es knackte und rauschte, bis sie einen Sender gefunden hatte. Country-Musik, sie machte lauter und lächelte.

Der Wagen fuhr wie eine Biene, gluckerte aber komisch. Sie musste ihn in der Werkstatt einfach mal durchchecken lassen.

Die Oak Lane traf auf die River Road und Eleanor entschied, ihr zu folgen und am kleinen Fischereihafen von Wilburys Halt zu machen.

Der Fischfang spielte hier wirtschaftlich keine große Rolle, versorgte lediglich die Menschen der Stadt. Die Ware wurde von den Booten aus verkauft oder an die Kunden im Ort geliefert.

Lenni parkte und ging zum Wasser. Es lagen ein paar Fischer- und Privatboote an den Anlegestellen. Eigentlich liebte sie die Weite des Meeres, aber hier war es auch schön. Einen Moment lauschte sie den Geräuschen der Wellen, die gegen die Planken schlugen, den Seevögeln, die kreischend ihre Runden drehten. Sie beobachtete einen Mann, der ein Netz flickte und die Gäste auf der Terrasse des ›Fisherman’s Riverside‹. Es war Zeit für Lunch, warum nicht hier eine Kleinigkeit essen?

Sie betrat den Gastraum, grüßte den Mann hinter dem Tresen mit einem Kopfnicken und suchte sich einen Tisch. Als sie mal mit ihrem Dad hier gewesen war, hatte sie die Einrichtung als alt empfunden, heute wirkte der Shabby Chic gewollt und äußerst gemütlich auf sie.

Eleanor bestellte ein Bud und Fried Cod mit French Fries und Remoulade.

Die Bedienung brachte ihr das herrlich kalte Bier und kurz darauf das Essen.

Morgen würde sie den Mietwagen abgeben.

Sie schob sich ein Stück in Backteig frittierten Kabeljau in den Mund.

Sie brauchte ihn nur zur nächsten Tankstelle bringen und der Autovermietungsfirma den Standort mitteilen. Dann konnte sie auch gleich einen Termin zur Durchsicht des Pick-ups machen, die Werkstatt war nebenan.

Lenni tunkte ein weiteres Stück Fisch in die Remoulade. Die war echt gut, bestimmt selbstgemacht, nicht aus der Plastikflasche, wie bei ihrem Imbiss an der Ecke in Los Angeles.

Sie schaute aus dem Fenster. Manchmal konnte man einen der typischen Raddampfer sehen, der den Fluss befuhr. Granny hatte erzählt, dass sie früher sogar in Wilburys angelegt hatten. Damals hatte es, gar nicht weit vom Haus entfernt, einen Hafen gegeben, der dafür ausgelegt war. Sie hatten Menschen und Waren hin- und her transportiert. Eleanor war ein Mal mit solch einem Ding gefahren und es hatte ihr Angst gemacht. Die riesigen Schaufelräder, die ganze Mechanik, waren ihr unangenehm gewesen. Auch heute noch mochte sie es nicht, in einem Maschinenraum oder großen Heizungskeller oder etwas in der Art zu sein. Trotzdem war sie mit ihrer Cousine immer wieder zum Fluss gegangen und hatte sich mit ihr ans Ufer gesetzt, um die Dampfer zu beobachten, die heute fast ausschließlich für Flusskreuzfahrten genutzt wurden. Dabei hatten sie im Sommer Kirschen gegessen und versucht, die Steine so weit wie möglich ins Wasser zu spucken.

Der Pick-up stand wieder in der Scheune und Lenni saß auf der Veranda mit einem Glas Eistee. Die Gaslaternen neben der Eingangstür brannten und die Zikaden zirpten. Sie nahm ihr Smartphone und rief Harper an.

»Und, wie geht es dir in der Einöde?«, fragte ihre Freundin. »Hast du schon eine Menge Bekanntschaften gemacht?«

»Grannys Nachbarin kommt ab und zu vorbei, ansonsten hab ich meine Ruhe.«

»Ach, das wird schon, warte mal ab, wenn das erste Dorffest stattfindet, kannst du dich vor neuen Freunden kaum retten.« Harp kicherte.

»Lass gut sein, ich bin nicht versessen darauf, groß Freundschaften zu schließen. Ich will die Zeit einfach rumkriegen und dann wieder nach Hause kommen. Warst du bei mir im Apartment?«

»Morgen, habs bisher nicht geschafft. Ich rette deine Grünpflanze und schaue in den Briefkasten. Du hättest dein Appartement untervermieten sollen.«

»Hätte ich, wollte ich aber nicht. Der Nachsendeantrag für die Post sollte bald reibungslos funktionieren, und wenn du Oskar zu dir holst, -«

»- dann brauche ich nicht ständig in deine Wohnung zu fahren, ich weiß, aber ab und zu werde ich trotzdem vorbeischauen. Nur um sicherzugehen, dass sich dort keine ungebetenen Gäste einnisten.«

»Solltest du doch auf jemanden treffen, knöpf ihm $ 2.000 ab, er soll sich dann wenigstens an der Miete beteiligen!«

»Jawohl Ma’am, das werde ich. Und Oskar wird ein Mal die Woche gegossen, Ma’am.«

»Donnerstags!«

»Sehr wohl!«

Sie lachten und als sie sich verabschiedet und Lenni aufgelegt hatte, wurde ihr schwer ums Herz. Sie vermisste ihre Freunde.

4. Kapitel

»Bring den Wagen morgen früh her, Mädchen, ich schau ihn mir an«, sagte Barry und wischte sich die ölverschmierten Hände an seiner Latzhose ab. »Wird so ne Stunde, vielleicht zwei dauern. Kannst hier warten, kriegst nen Kaffee, oder gehst nen bisschen in die Stadt.«

In der Werkstatt standen nicht nur Autos, es lagen auch allerlei elektrische Geräte in den Regalen und auf den Tischen, neben unzähligen Ersatzteilen und Autoreifen.

»Ich repariere alles, vom Traktor bis zum Toaster und das schon seit 42 Jahren«, sagte er, als er mitbekam, dass sie sich umschaute, und zwinkerte ihr zu.

Lenni lächelte. »Prima, dass Sie so schnell Zeit für mich haben.«

»Kein Problem.«

Den Mietwagen hatte sie abgegeben, aber wie sie jetzt von hier wegkommen sollte, ohne Auto, hatte sich Eleanor nicht überlegt. Sie stand an der Straße vor der Werkstatt und es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als zu Fuß zu gehen.

»Weißte nich, wie de nach Hause kommen sollst, Mädchen?« Barry steckte den Kopf aus dem Werkstatttor.

»Gibt es ein Taxi, das man rufen kann?«

Der Mechaniker kam zu ihr und schaute sich um.

»Hey Jackson!« Er pfiff einen Mann, etwa in ihrem Alter herbei, der aus dem Tankstellengebäude trat.

»Jacks, die Lady braucht ne Mitfahrgelegenheit, haste kurz nen Moment? Sie wohnt im Parker-Haus, ist die Enkelin von Mildred. Liegt doch fast auf deinem Weg, oder?«

»Fast«, antwortete der Mann und betrachtete Lenni.

Die verschränkte die Arme vor der Brust und musterte den Kerl ihrerseits. Es schien ihm unangenehm zu sein, denn er wendete den Blick ab und sagte: »Dann komm!«

Oh Gott! Hätte Lenni geahnt, dass sie in einem riesigen Traktor würde fahren müssen, hätte sie das Angebot abgelehnt, nun war es zu spät. Sie stand vor einem Gefährt, dessen Reifen größer als sie selbst waren, und ihr war ganz mulmig.

Dieser Jackson hielt ihr vom Fahrersitz aus die Tür auf und sie riss sich zusammen, kletterte recht unelegant die Stiegen hinauf und setzte sich auf den klappbaren Beifahrersitz.

Sich neben einen verschwitzten Farmer in dreckiger Jeans und zerschlissenem T-Shirt in ein Ungeheuer zu quetschen, um eine Spritztour zu machen, war nicht das Highlight ihrer nächtlichen Träume. Wenigstens war die Fahrerkabine sauber und erstaunlich modern, es hatte alles wenig mit diesen klassischen Traktoren zu tun, wie sie es kannte; es gab Hebel, Knöpfe, Tasten und einen Joystick.

Als der Kerl den Motor startete, krallte sich Lenni fest und schrie auf.

»Alles gut bei dir?«, fragte er.

Sie nickte.

»Keine Angst, ich bringe dich sicher nach Hause.«

Sie verzog das Gesicht. »Ich habe keine Angst, ich habe mich nur erschrocken!« Sie sah ihn an. »Was gibt es da zu grinsen?«

»Ach nichts, aber es wäre nett, wenn du den Griff an meinem Bein lockern würdest, damit wir loskönnen.«

Sie schaute auf ihre rechte Hand. Ihr wurde heiß und kalt und sie wusste, dass ihr die Röte ins Gesicht geschossen war. Sie ließ ihn los.

»Danke!«, sagte er und gab Gas.

Wie peinlich und saudoof sie sich verhalten hatte. Und sein blödes Grinsen hatte es nicht besser gemacht. Wie ein verängstigter Teenager hatte sie gequiekt.

Sie schmiss die Spaghetti in den Topf mit kochendem Wasser.

Und dann hatte sie sich an ihm festgehalten, an seinem Oberschenkel.

Eleanor rührte die Tomatensoße um.

Und dann hatte sie noch Probleme beim Aussteigen gehabt. Bert Norris war angerannt gekommen und hatte ihr geholfen, und Agatha hatte von der Veranda alles beobachtet. Und einen dummen Spruch von diesem Farmer hatte sie sich auch anhören müssen, glaubte sie zumindest, denn sie hatte ihn kaum verstanden, weil der Traktor so laut gewesen war. Jedenfalls hatte er so ausgesehen, als hätte er sich über sie lustig gemacht.

»Liebes«, hatte Mrs. Norris ihr zugerufen, »möchtest du auf einen Tee hereinkommen und dich von dem Schrecken erholen? Du bist ganz blass.«

Nein, sie hatte nicht gewollt, sie hatte sich einfach nur verkriechen wollen. Sie mochte so etwas nicht, solche Situationen waren ihr zuwider.

Lenni goss die Nudeln ab.

Jackson saß mit einem Bier auf der Veranda. Die Sonne ging über den Feldern unter. Aus dem Hausinneren drangen das Klappern von Töpfen und Geschirr und Gesprächsfetzen. Er grinste, als er an die Frau von vorhin dachte. Dass ein Traktor jemanden so aus der Fassung bringen konnte ... Gott war sie während der Fahrt angespannt gewesen. Es hatte ihm leidgetan, als sich ihr Fuß beim Aussteigen zwischen den Tritten verfangen hatte, aber er wäre nicht an ihr vorbeigekommen, um ihr zu helfen. Hatte sie deshalb so unfreundlich reagiert, als er ihr einen schönen Tag gewünscht und gesagt hatte, dass er sich freuen würde, sie unter anderen Umständen wiederzusehen? Glaubte sie, er hatte ihr nicht helfen wollen? Ohne sich zu verabschieden, war sie davongerauscht. Ein kleines Dankeschön wäre schon nett gewesen.

»Möchtest du zum Dinner bleiben?«

Jackson drehte sich um. Seine Mom schaute aus dem Küchenfenster.

Warum nicht, seine Schwester und sein Neffe waren auch hier und er war gerne mit seiner Familie zusammen, die gemeinsamen Abendessen waren immer lustig. Er hätte sich wahrscheinlich einfach nur einen Burger im Grill reingezogen und sich dann in seinem kleinen Appartement über den Garagen vor den Fernseher gepackt. So war es besser. Er nickte, trank den letzten Schluck aus der Flasche und ging ins Haus.

***

Eleanor entschied sich gegen einen Kaffee bei Barry und ging ins Stadtzentrum. Sie spazierte die Straßen entlang und sah sich die Geschäfte an. Es gab sogar einen Souvenirshop. Sollte sich ein Tourist nach Wilburys verirren, fand er hier das passende Andenken an seinen Aufenthalt. Sicher gab es nichts Schöneres, als einen Maiskolben aus Porzellan oder einen Kerzenständer in Form eines Rindes. So etwas in der Vitrine hob das Ambiente.

Fairerweise musste Lenni gestehen, dass der Laden nicht nur solche Kuriositäten anbot, sondern tatsächlich richtig niedlich und nett war. Man konnte sinnvolle Präsente, Geschirr, Dekoartikel, Spielwaren und haufenweise Krimskrams erwerben. Sie hatte hier mit ihrer Grandma vor Ewigkeiten einen Ball gekauft, erinnerte sie sich und in dem Geschäft zu stöbern war ihr wie das Eintauchen in eine Wundertüte vorgekommen.

Die Inhaberin Joleen Jones, eine ältere Lady mit silbernem Haar, hatte sie in ein kurzes, freundliches Gespräch verwickelt und stand nun wieder hinter dem Tresen. Wenn sie nach L. A. zurückkehrte, so nahm sich Lenni vor, würde sie hier die Mitbringsel für ihre Freunde kaufen.

Der Großteil der Läden hatte sich entlang der Main Street, die direkt zum Wasser führte, und in der Nähe des Rathausplatzes angesiedelt, auf dem mittwochs und samstags ein Markt stattfand, sowie alle öffentlichen Feierlichkeiten, die in Wilburys begangen wurden. In den umliegenden Straßen gab es vereinzelt weitere Läden, den Friseur, die Bibliothek, die Poststation, die Polizei- und Feuerwehrwache, die Kirche, so wie das Gemeindezentrum, in dem Theateraufführungen, Kinovorstellungen und Tanz- und Bingoabende veranstaltet wurden.

Die lokale Zeitungsredaktion befand sich in einer Nebenstraße. Eleanor ging zufällig daran vorbei. Im Schaufenster des ›Wilburys Inquirer‹ hing ein Zettel: Mitarbeiter/in gesucht!

Sie blieb stehen. Sie brauchte einen Job. Abgesehen davon, dass es eine der Auflagen im Testament ihrer Grandma war, musste sie Geld verdienen. Es wuchs schließlich nicht auf Bäumen und auch wenn sie beim InFame-Magazin gut verdient hatte, so lebte sie dementsprechend, außerdem war Los Angeles ein teures Pflaster und sie hatte keine großen Ersparnisse.

Lenni öffnete die Tür und ein Glöckchen erklang. Eine Frau an einem hoffnungslos überfüllten Schreibtisch sah auf. Sie schaute über den Rand einer Lesebrille und fragte: »Ja bitte?«

»Ich bin auf Ihre Stellenausschreibung aufmerksam geworden.«

Die Frau runzelte die Stirn. »Den Zettel, meinen Sie?«

»Genau.« Lenni ging auf sie zu. »Ich bin interessiert, an dem Job.«

»So sind Sie das?«

»Für welches Tätigkeitsfeld suchen Sie denn jemanden?«

»Ich suche niemanden.« Die Frau widmete sich ihren Papieren.

»Aber weshalb die Jobanzeige im Schaufenster?«

Sie bekam keine Antwort.

Wie nett, dann eben nicht! Dann konnte sie ja wieder gehen. Sie öffnete die Tür.

»Mein Bruder hat den Wisch da hingehangen. Reden Sie mit ihm. Sie können dort drüben warten, er sollte gleich zurück sein.« Die Frau deutete mit einem Kopfnicken auf ein paar abgesessene Stühle.

Lenni ließ den Türknauf los und setzte sich.

»Ach herrje, der Regen hat eingesetzt und ich habe meinen Schirm vergessen.« Der Mann war zur Tür hereingefallen, zog seine nasse Jacke aus und hängte sie an den Kleiderständer neben dem Eingang, von dessen Haken sie drei Mal runterfiel, ehe er es schaffte, dass sie an Ort und Stelle blieb.

»O’Sullivan plant schon das Sommerfest, Ruth, kannst du dir das vorstellen?« Er stellte seine nasse Aktentasche auf den Schreibtisch der Frau. »Und das, obwohl wir doch noch eine Feierlichkeit davor haben.«

Die Frau nahm die Tasche vom Tisch.

»Julianna Ortega sagt auch, er solle sich erst mal auf das ›Start-of-Harvest‹ konzentrieren. Das wäre viel sinnvoller, immerhin steht nächsten Monat die Ernte an, aber nein, O’Sullivan lässt sich damit Zeit. Mabel hätte nie den Posten als Leiterin des Festkomitees aufgeben dürfen, sie hat das so gut gemacht und nur, weil O’Sullivan selbst nichts anbaut, muss er doch trotzdem an all die Farmer denken, denen das Fest wichtig ist.«

Er nahm seine Tasche und setzte sich an einen anderen Schreibtisch.

»Eine Schande, so viele, die sich darauf freuen. Das wird noch einen Eklat geben, wenn O’Sullivan sich nicht anstrengt. Stell dir nur vor, Ruth, wenn er sich keine Mühe gibt, nicht auszudenken.«

»Da ist jemand für dich«, sagte die Frau.

Der kleine rundliche Mann hörte auf, in seiner Tasche zu kramen, und schaute Lenni an.

»Ah ja, sehr gut, sehr gut, dass Sie da sind. Kommen Sie mit nach hinten, ich gebe Ihnen die Kartons. Es sind zwei, soll ich Ihnen beim Tragen helfen?«

»Sie ist wegen des Jobs hier!«, sagte die Frau.

»Wegen des Jobs? Noch besser, das freut mich. Kommen Sie ran, setzen Sie sich zu mir, dann können wir uns in Ruhe unterhalten. Kaffee?«

Lenni wechselte den Platz und nahm den Kaffee an.

»Ich habe mich Ihnen noch gar nicht vorgestellt: Jacob Bernstein.« Er hielt ihr seine Hand hin.

Lenni ergriff sie und sagte: »Eleanor Parker.«

»Eleanor, interessanter Name für eine so junge Frau.«

»Nach Eleanor Roosevelt, mein Dad hat einen Spleen für amerikanische Geschichte.«

»Ach wie wunderbar.« Jacob lächelte. »Nun Mrs. Parker, wir -«

Vom anderen Tisch kam ein Hüsteln. »- ich finde, unsere Zeitung braucht ein wenig frischen Wind. Ruth kann nicht mehr so, die Hüfte, Sie verstehen?« Ein weiteres Hüsteln.

»Na jedenfalls ist es an der Zeit, jemanden in die Redaktion zu holen, der einen neuen Blick auf die Geschehnisse in Wilburys wirft und es in Worte fasst. Haben Sie Erfahrung, was das Zeitungsgeschäft angeht? Nicht, dass es ausschlaggebend wäre, -«, Hüsteln, er schaute zu der Frau und runzelte die Stirn, »- aber ein wenig Ahnung von dem Metier ist ja nicht verkehrt.«

»Ich habe ein abgeschlossenes Journalismus Studium und für unterschiedliche Zeitungen und Magazine geschrieben. Zuletzt war ich beim InFame-Magazin in Los Angeles angestellt.« Sie verschwieg, dass sie das noch immer war, sich lediglich hatte freistellen lassen, und in weniger als einem Jahr wieder dort sein würde.

»Los Angeles und nun hier. Parker ..., Sie sind Mildred Parkers Enkeltochter. Entschuldigen Sie, dass ich es nicht bemerkt habe und mein Beileid. Millie war eine bemerkenswerte Frau.«

»Danke, ja, das war sie.« Lenni wollte nicht weiter darauf eingehen und war froh, dass sich Mr. Bernstein erhob.

»Kommen Sie«, sagte er, »ich zeige Ihnen unsere Räumlichkeiten.«

»Dort hinten werden wir Ihren Arbeitsplatz einrichten. Auf dem Schreibtisch liegt nur unwichtiger Plunder, den habe ich in Nullkommanichts entsorgt. Hier entlang.« Er ging voran. »Das ist unsere Kaffeeküche. Ruth und ich bewohnen zwar die Stockwerke über dem Geschäft, aber es ist angenehm, nicht für jede Tasse Kaffee oder Tee nach oben zu müssen. Hier ist das Archiv.« Er öffnete eine massive alte Tür und schaltete das Licht ein. Der Raum war fensterlos, kühl und ein Luftbefeuchter summte in der Ecke. Zahllose Zeitungen lagerten in Kisten in Regalen, die mit Jahreszahlen versehen waren.

»Der Wilburys Inquirer erscheint drei Mal die Woche: montags, mittwochs und freitags, ab und zu eine Sonderausgabe. Im Keller steht noch die alte Druckerpresse, aber sie zu betreiben, lohnt sich nicht mehr für uns. Wir schicken die Artikel bis spätestens 10 Uhr des Vorabends an die Druckerei in Decorah, am frühen Morgen werden die fertigen Exemplare geliefert. Um die Verteilung und die Zeitungsjungen und -mädchen kümmert sich Daniel. Ich mache Sie noch mit ihm bekannt. Eine Ausgabe wird archiviert. Das wird seit Bestehen des Inquirer gemacht, hier liegen über 150 Jahre Wilburys Town-Zeitungsgeschichte.« Er löschte das Licht, sie traten hinaus und Jacob verschloss die Tür sorgfältig.

»Natürlich haben wir mittlerweile auch ein Archiv auf dem Computer. Wenn ich Zeit habe, übertrage ich die alten Sachen dorthinein.«

»Das macht er auch, wenn er keine Zeit hat«, warf Ruth ein. Sie waren wieder im Hauptraum angelangt.

»Meine Schwester hält nicht viel davon, aber es ist nun mal eine Leidenschaft von mir. Hier hinten ist übrigens noch ein Raum, in dem wir das aufbewahren, was vorne nichts zu suchen hat.«

Eigentlich sah es dort nicht viel anders aus, als vorne, völlig chaotisch. Lenni schmunzelte, aber alles irgendwie sympathisch.

»Ruth kümmert sich in erster Linie um die Anzeigen und das ganze Organisatorische, ich bin unterwegs und schreibe die Artikel. Nun, Eleanor, ich hoffe, ich darf Sie so nennen, dann sehen wir uns am Montag um, sagen wir, 7 Uhr in der Früh?«

»Du hast sie nicht mal gefragt, ob sie überhaupt für uns arbeiten möchte und was sie verdienen wird, weiß sie auch nicht. Und was ist mit einem Vertrag? Referenzen?«

»Ich dachte, das würdest du eventuell übernehmen.« Er schaute Ruth mitleiderregend an. »Ja, ja, schieb es nur auf mich ab, aber gut, natürlich, ich kümmere mich drum, wie immer.«

»Eleanor, möchten Sie mit uns arbeiten?« Nun waren seine großen Augen auf sie gerichtet.

»Wenn alles passt, dann würde ich das gerne tun.«

»Prima, Montag stelle ich Ihnen noch Daniel vor und anschließend begleiten Sie mich, so lange, bis Sie alles kennen. Ihren Schreibtisch richte ich natürlich auch her. Ach, ich freue mich.«

Es passte alles. Lenni würde bei weitem weniger verdienen, als bisher, aber ausreichend. Wahrscheinlich würden die aufregendsten Artikel die, über entlaufene Schwein und vom Fensterbrett stibitzter Pie, mit Glück eine Barschlägerei, doch das war schon in Ordnung. Sie unterschrieb den Vertrag, den Ruth Bernstein ihr vorlegte, ließ noch ein Foto von sich machen und kehrte zur Werkstatt zurück.

»Na Mädchen, alles erledigt?«, fragte Barry. »Dein Wagen is fertig, war nichts Schlimmes. Übrigens, das Gluckern is ganz normal für das Modell, gehört dazu. Solltest dir vielleicht ma überlegen, ob de den Rost bearbeiten lässt, wäre schade drum. Wenn de was hast, komm zu mir, bin immer da.«

Sie dankte ihm, bezahlte die Rechnung und brachte den Pick-up nach Hause.

5. Kapitel

Das Wochenende war ereignislos verlaufen, wie nicht anders zu erwarten und Eleanor sehnte sich danach, feiern zu gehen, aber mit wem und wo? Sie vermisste das großstädtische Nachtleben. Nach der Arbeit ein leckeres Essen beim Chinesen zwei Blocks weiter, einen guten Cocktail in einer Bar, Tanzen im Club.

Samstag hatte sie im Haus gewerkelt und heute war der Garten an der Reihe gewesen. Sie hasste Gartenarbeit, aber die verwelkten Blüten hatten sie gestört und dann war eins zum anderen gekommen und ehe sie sich versah, war der Sonntag vorbei.

Nun lag sie im Bett, starrte an die Zimmerdecke und kam zu der Erkenntnis, dass Abwechslung durch einen Job gut war.

***

Auf dem Weg zum Inquirer holte sich Lenni eine Soja-Latte im Coffee & Sweets.

»Hey, schön, dass du wieder da bist«, sagte die Frau hinter dem Tresen und schäumte die Sojamilch auf. »Ich bin übrigens Pamela Sue Green, Pam. Das letzte Mal hatte ich keine Gelegenheit, mich dir vorzustellen. Du bist also nicht nur auf der Durchreise?«

»Ich bin für ein Jahr hier.«

»Was macht man denn genau ein Jahr in Wilburys?«

»Man kümmert sich um den Nachlass seiner Grandma.«

»Oh«, Pam schaute auf, »entschuldige, ich wollte nicht respektlos wirken, mein Beileid.«

»Kein Problem.«

»Und du bist?«

»Eleanor Parker.«