Merkwürdige Miniaturen - Klaus Brandenburg - E-Book

Merkwürdige Miniaturen E-Book

Klaus Brandenburg

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Beschreibung

Hoppelpoppel oder Kraut und Rüben oder Vermischtes, jedenfalls keine durchgehende Erzählung, nicht einmal ein Thema, von verschiedenen Seiten betrachtet. Shortest stories oder manchmal auch nur ein Gedanke, eine Sehnsucht, eine Erfahrung. Also bitte nicht hintereinander weg lesen! Aber wirklich wahre Geschichten und blasige Spinnereien, abwegige Gedanken, auch Proteste. Alle 39 Miniaturen aufgereiht in den vier Kapiteln - Nebenberufliche Erfahrungen - Ehrenamtliche Erläuterungen - Biografische Lächerlichkeiten - Unwirksame Anklagen. Und jede Miniatur mit einer Vignette des Autors versehen.

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Inhalt

Nebenberufliche Erfahrungen

Bibliothek: Rara

Die Gratulationscour

Pauls Witwe

Großes Theater

Beträchtlicher Aufwand

Sisyphos

Ebbe und Flut

Wie der Frühling nach L. kam

Der BH

Naturtheater

Murmeltiere

Die Buffchen

Ehrenamtliche Erläuterungen

Konsumentenprüfungen

Die Abschaffung einer Vorsilbe

Die Fälschungen des Herrn Dr. Lobicki

Blutende Szene

Forschungszirkel

Trans-Aktion

Das wirkliche Utopia

Ach, Ordnung

Bärenunglück

Biografische Lächerlichkeiten

Gedränge

Wanderungen auf dem Grat

Wo ich besser drauf wäre

Klaus allein auf der Welt

So fern die Jahre

Grausige Gedanken

Der Geist aus der Flasche

Meine Arbeit als Humorist

Der Papagei

Volltrottel

Unwirksame Anklagen

Liegestühle

Die Müllfahrer

Missverständnisse

Warten auf KI

So und so

Autorowdies

Schönes Märchen

Der Abschlepper

Bibliothek: Rara

Der Mann sieht aus: Haare nach vorn gekämmt, gerade abgeschnitten, Brille. Handbewegungen, wie der Satiriker sie einem Adligen zuschreibt. Ein protziger Ring.

Setzt sich, steht wieder auf, setzt sich auf einen anderen Platz, „seinen“ Platz. Guckt, schaut sich die Leute an, soweit er sehen kann. Schiebt seine Bücher zurecht. Steht auf, nimmt seine Armbanduhr, geht nach vorn und vergleicht sie mit der Saaluhr. Setzt sich im Bewusstsein, eine unabdingbare Vorbereitung beendet zu haben. Schiebt den Stoß der Bücher zurecht. Ein, zwei große Bücher unten, dann zwei Reihen, oben wieder ein, zwei Bücher quer. Beugt sich, prüft die Oberfläche: schief. Also muss er die breiten Bücher mit den schmalen vertauschen. Gerade. Halt, da liegt noch eins mit dem Buchrücken nach außen. Umdrehen. Blick von rechts und von links. Ausrichten der Kanten. Nur noch eine kleine Ungenauigkeit: oben liegen zwei Bücher, die kleinformatiger sind als die darunter. Korrektur, Ausrichtung. Endlich. Letzter Schub des ganzen Bücher-Baus, ausrichten an der Tischkante. Fertig.

Nun greift er zum Hefter und – steht auf. Vergleicht noch einmal die Uhren. Verschwindet aus der Deutschen Bücherei…

Die Gratulationscour

Sehr geehrter Herr Dr. Biermann, Sie wundern sich vielleicht, warum wir unsere Gratulationscour für Sie, unseren verdienten Mitarbeiter, hier in der Empfangshalle stattfinden lassen. Es ist nicht nur, weil wir nicht wussten, wie viele Mitarbeiter zu dieser Gratulation kommen werden. Aber wenn Sie sich umblicken, sehen Sie, dass es weit mehr Mitarbeiter sind, als zu Ihrer Arbeitsgruppe und den Kolleginnen und Kollegen, mit denen Sie immer wieder zu tun haben, gehören. (zustimmendes Gemurmel) Ich sehe sogar aus der inneren Verwaltung Gesichter, die Sie wahrscheinlich nicht von Namen kennen, deren Arbeit für Sie aber gleichfalls essentiell ist. Dafür möchte ich an dieser Stelle danken. Außerdem kennen Sie die hier herrschende Unsitte, dass zu einem Meeting um 9.00 auch noch 10 oder 20 Minuten später Mitarbeiter eintreffen. Da zum Beispiel, da haben wir gerade einen solche Fall: Spät, aber dennoch herzlich willkommen. (spöttischer Beifall)

Nein, es gibt noch einen gewichtigeren Grund, uns hier, fernab von Ihrem Arbeitsumfeld zu versammeln. Meine Damen und Herren, ich sag‘ es ganz offen und ohne Selbstmitleid: Mein Gehalt ist nur halb so groß wie das meines Vorgängers. Und den eingesparten Teil haben wir für Sie, Herr Dr. Biermann, und für Sie alle ausgegeben. Es ist Schluss mit den Thonet-Stühlen, wo Sie auf Sperrholz sitzen müssen. Während Sie sich hier in unserer Empfangshalle für mich versammelt haben – was ich ganz reizend finde, aber doch wohl auch Ihrer Neugier zuzuschreiben ist – während wir uns hier versammelt haben, werden gerade Ihre Schreibtischstühle ausgetauscht. Es sollen stylische Bürosessel sein, wie man sie noch nirgend vorfindet. Wir haben uns etwas Apartes einfallen lassen: Die Gestelle sind aus gut abgelagertem Rosenholz, manche auch aus Rebstöcken gefertigt. Gut, das sieht etwas Knorrig aus, aber es ist ein edles Holz und jeder Sessel ein Unikat. Sitz und Rückenlehne sind weder mit Seegras – kleiner Scherz: so etwas kennt vielleicht nur noch Ihre Schwiegermutter aus ihrer Matratze – noch mit dem zerbröselnden Schaumstoff gepolstert, sondern mit Eiderdaunen und Lavendel. Ja, meine Damen, nach einem harten Arbeitstag mögen Sie vielleicht müde sein, aber Sie duften nach Frankreichs violetten Feldern. (Überraschung, einiges Zungengeschnalze) Und, werden sich die Herren fragen, ist für uns jetzt vielleicht Veilchen oder Vergissmeinnicht reserviert? Nein, wir haben aus Nepal Moschuswolle kommen lassen und Sie werden am Abend etwas streng duften, aber ihre Frauen… Doch das möchte ich lieber Ihrer Phantasie anheimstellen. (anzügliches Gelächter) Und zum Jahreswechsel, wenn wir unser Unternehmen gemeinsam wieder auf Kurs gebracht haben werden, soll jeder auf seinem Schreibtisch eine Hirschhorn-Garnitur vorfinden.

Aber ich verplaudere mich und es soll doch unser Dr. Biermann geehrt werden. Also noch ein paar Neuheiten extra für Sie: Wir konnten eine kleine Gruppe neuer Mitarbeiter gewinnen und da Herr Biermann für die Vielzahl seiner Ideen und Projekte bekannt ist, ist beschlossen worden, alle vier Mitarbeiterinnen seiner Arbeitsgruppe anzugliedern. Herzlich willkommen, liebe Kolleginnen! (höflicher Beifall) Gut, die Kolleginnen aus Patagonien sind bisher nicht als Biologen ausgewiesen, wenn man einmal von ihren Kenntnissen der Weidewirtschaft absieht. Wir sind aber überzeugt, dass sie in den nächsten Monaten unter der Leitung von Herrn Dr. Biermann Themen finden werden, die für ihre Qualifikation und einen wissenschaftlichen Abschluss geeignet sein werden. Die neuen Kolleginnen werden umschichtig hier sein, da wir noch keine passende Räumlichkeit gefunden haben. Aber, Herr Biermann, Ihrer Kreativität sind auch hier sicher keine unüberwindlichen Hindernisse gesetzt. (zustimmende, aber leicht spöttische Bemerkungen aus dem hinteren Teil der Belegschaft)

Ich bin sicher, dass während unseres Treffens hier die neue Büroausstattung für Herrn Biermann etabliert worden ist. Für seinen neuen Schreibtisch haben wir Mooreiche verwenden lassen, eine wunderschöne Holzmaserung, die allerdings etwas Blattlaus-affin ist. Diese neue Ausstattung im Büro und die neuen Mitarbeiterinnen sind beste Voraussetzungen, um auch die dritte Neuerung mit Freude zu verkünden: ein neues Arbeitsthema. Wir entbinden Sie hiermit von Ihren bisherigen Arbeiten und möchten Sie bitten, sich um den ZIKA-Virus zu kümmern. (Rufe der Überraschung) Das wird in der nächsten Zeit ein wichtiges Nebenthema unseres Unternehmens sein. Das Budget ist von Johnson & Johnson noch nicht freigegeben, aber bis zum Jahresende sollten Sie dennoch einen ersten Lösungsansatz aufzeigen können. Wir drücken Ihnen die Daumen!

Meine Damen, meine Herren, wir haben jetzt genügend Zeit vertrödelt. Aber bevor Sie mit Eifer an Ihre Arbeiten gehen, sei noch ein Wort zu dieser Skulptur gesagt. Ja, meine Assistentin hat auf dieses Stichwort hin das Tuch gelüftet und Sie sehen… Ja, was sehen wir. Man könnte meinen, es sei Strandgut aus einem Flusslauf oder von einem Meeresufer. Hunderte von Plastflaschen sind von dem Aktionskünstler Bengt von Morris zu dieser Plastik geformt worden. Und nun, Herr Biermann, sind Sie zum Verkosten gerufen. In vielen Flaschen ist nur Meerwasser, in vielen aber ist kalifornischer Wein. Aber Achtung, einige Flaschen hat der Aktionskünstler auf unser Unternehmen bezogen und Lösungsmittel oder Markerfarben eingefüllt. Mit einem leichten Schmunzeln kann ich Ihnen also zurufen: To your health und Prost im neuen Lebensjahr! (abebbender Beifall)

Und nun ohne Verdruss und voller Elan an die Arbeit!

Pauls Witwe

Pauls Witwe lernt man zufällig kennen. Dann aber dauerhaft. Und jedes Gespräch wurde gewürzt, was Paul seinerzeit dazu gesagt hatte oder was Paul dazu gesagt haben würde.

Kam das Gespräch auf die Flüchtlinge, nickte Pauls spätere Witwe. Paul: „Berta, du kannst dir nicht vorstellen, was das für ein Schock war: die Flüchtlinge. Man möchte an den Menschen verzweifeln.“

Wenn Berta die Probleme mit ihrem gemeinsamen Sohn beim Frühstück besprechen wollte, kam der Satz: „Berta, man muss in die Zukunft schauen.“ Das war Pauls Lebensphilosophie. Man muss in die Zukunft schauen. Obgleich ihn dann die Abwendung seines Sohnes doch überraschte.

War das Gesprächsthema die ungesunde Lebensweise eines Mitmenschen, dann erinnerte sich Pauls Witwe: „Berta, ich kümmere mich nicht um Ärzte.“ Und da war er konsequent. Einschließlich seines zu frühen Todes.

Großes Theater

Ich stehe im Foyer und warte auf meine Frau, die doch gleich von der Toilette kommen müsste. Im Strom der Nachhause-Wollenden eine Dame. Sie quält sich mit ihrem Mantel.

„Gnädige Frau“, diese ironische Anrede gefällt mir hundertmal besser, denn was soll man in Deutschland schon sagen. Wenn ich den Namen wüsste, würde ich „Guten Abend, Frau Luger.“ sagen, aber die feststehende Wendung „Junge Frau“ ist bei dieser Dame despektierlich, ich möchte ja auch im Laden nicht immer mit „Junger Mann“ angesprochen werden und dabei kommt es schon vor, dass junge Menschen mir ihren Sitzplatz anbieten. Also sage ich „Madam, darf ich ihnen in den Mantel helfen. So geht es bestimmt einfacher.“

Sie lässt sich in den leichten, aber warm in der Hand liegenden Mantel helfen. Sie schaut mich an und sagt: „Das ist nett. Danke.“ Und mit leicht spitzbübischem Unterton: „Sie stehen hier, um Frauen in ihre Mäntel zu helfen?“

Ich: „Exakt. Seit Monaten machen ich mir dieses Vergnügen.“ Und keck sie: „Und erwarten sich leichten Lohn?“

Ich: „Die Wendung ‚leichter Lohn‘ hat etwas Zwielichtiges, aber Sie haben schon recht: Ich bin auf der Jagd.“

Sie, sich leicht bei mir unterhakend und mit einer Wendung zum Ausgang: „Ein Jäger! Und Ihre Beute? Einsame Frauen, denen die Inszenierung nicht gefallen hat?“

„Oh, Sie kennen meine Taktik. Es ist“ und dabei nehme ich ihre Einladung, sie zu begleiten, an und wir gehen zum Portal, „es ist doch ein leichtes Gesprächsthema. Ich helfe ihr in ihren Mantel und sage: Sie sehen nicht zufrieden aus. Hat Ihnen das Stück nicht gefallen? Darauf sie: Es gab ja einen höflichen Beifall. Ich will ja auch gar nicht ungerecht sein gegenüber den Schauspielern und den vielen Angestellten, die heute hier tätig waren. Aber ich halte nichts von diesen Stückzertrümmerungen, die sich als großes Theater gebärden. Und schon sind wir im Gespräch und wie beiläufig ergibt es sich, dass wir beide dem Ausgang zustreben. Ich bemerke: Aber Sie konnten doch erkennen, dass es sich um einen Lessing handelte? Sie, leicht pikiert: Ich hatte einen Theaterzettel und konnte den Namen wohl lesen. Nun wieder ich, zur Provokation entschlossen: Aber Sie haben doch nicht erwartet, dass das alte Stück Eins zu Eins auf die Bühne kommt?! Die Regie muss es dem heutigen Geschmacke anpassen und noch wichtiger, sie muss die damals behandelten Probleme mit unseren Problemen verknüpfen. Und so sind wir mitten in einer Theaterrezension, die leicht weltanschauliche Dimensionen zur Grundlage nimmt.

Meine Dame ist sichtlich amüsiert. „Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen? Schließlich waren Sie mir beim Mantel behilflich und Ihre Jagdgeschichten interessieren mich.“ Sie fasst mich fester unter dem Arm und schreitet zielstrebiger die Straße entlang. „Erzählen Sie; wie geht es weiter?“

„Nun, sie hat sich in Rage geredet. Ich merke bald, dass sie die Theaterszene kennt. Wir diskutieren einige Vorstellungen und damit wir nicht zu lange einer Meinung sind zum Beispiel über die Versuche, Romane abgewandelt auf die Bühne zu bringen, lenke ich das Gespräch auf ein heftig diskutiertes Stück, eine Montage des Irrsinns. Wenn die Regisseure keine Achtung vor dem Werk des Autors haben, dann sollen sie, empört sie sich, dann sollen sie ihre eigenen Texte schreiben. Aber das tun sie doch, entgegne ich, sie bedienen sich allen Materials, dessen sie habhaft werden können und nutzen es unbekümmert für ihre Zwecke. Und wenn sie die Welt in einem chaotischen Zustand sehen, dann kompilieren sie aus dem vorliegenden Material ein Chaos. Sie, fast erbost: Aber ich brauche keine Verdoppelung des Chaos. Außerdem ist nicht alles Chaos. Wenn sie Langeweile beschreiben wollen, machen sie das ja auch nicht langweilig. Nein, Herr… Bei dieser unvollständigen Anrede gleitet ein auffordernder Blick zu mir, aber ich stelle mich nicht vor, möchte vorerst mein Inkognito wahren. Zudem ist sie abgelenkt, weil sie ein Restaurant prüfend mustert, dass mir gut ausgelastet scheint. Wollen sie mich begleiten? Hier ist es ja zu voll und da drüben ist meine Wohnung. Es ist ein gediegen-edles Haus, einst für höhere Beamte der Stadtverwaltung erbaut, große Räume, Parkettfußböden, Flügeltüren. Ihre Küche ist bis in die Ecken sauber und schnell macht ihr Kaffeeautomat einen wohlduftenden Kaffee.“

„Weiter!“ fordert meine Begleiterin. Doch ich bin in Sorge, ihr Interesse zu verlieren, wenn ich zu schnell zum Ende des Abends komme. Außerdem wäre es nur gerecht, wenn sie gleichermaßen an unserer Unterhaltung beteiligt wäre. So suche ich nach einer Wendung, die sie aktivieren soll. „Wir sind bereits an zwei Lokalitäten vorbeigekommen.“ Und erinnere sie damit an ihre Einladung. „Aber da konnten wir doch nicht einkehren. Ich weiß schon etwas.“ Sie winkt ein Taxi heran, das auf dem Weg zum Bahnhof ist und nun gezwungen wird, umzukehren. Und tatsächlich stehen wir nun vor einem kleinen Kaffeehaus, das sich natürlich nicht Kaffeehaus nennt, sondern Bar. Aber hier bekommt man auch noch abends Kuchen, man ist nicht auf Barhocker angewiesen und Rauch durchwabert auch nicht den Raum. Ich nehme natürlich Gelegenheit, ihr aus dem Mantel zu helfen. Kann sie erstmals in Ruhe betrachten. Dezent geschminkt, ohne die Altersfältchen zu retuschieren. Erlesen gekleidet, was ich ja schon beim Mantel bemerkt hatte, ich hatte auf Kaschmir getippt. Kein aufdringliches Parfüm. Ein tadellose Figur, soweit ich das bisher beurteilen konnte. Eine gutsituierte Dame. Ich werd‘ schon noch rauskriegen, womit sie dereinst ihr Geld verdient hat und wie viel sie davon hat.

Sie setzt sich mit ihrem Kaffee in einen Sessel und zwingt mich so, den andern zu nutzen, obgleich eine vage Hoffnung auf das Sofa gelenkt war. Distanz, und die Aufforderung: „Ihre Jagdgeschichte!“

„Nun“, bin ich ihr zu Diensten, „ich hoffe nicht, dass Sie ein pornografisches Ende erwarten. Wir sitzen im Kaffeehaus und plaudern. Das Theaterthema ist in gewisser Weise erledigt, ihr Zorn verrauscht. Wir erzählen einander vom Alltag, aber ohne Emotionen.“

„Ich bin gespannt, wie Sie wieder Spannung in die Geschichte bringen wollen.“

„Das ist doppeldeutig: sie wollen die Jagdgeschichte hören oder sie spielen auf meine Erzählung an? Ich bin mir bewusst, dass man nicht einen Theaterdiener zu sich nach Hause lädt, wenn man nicht irgend hochgespannte Erwartungen hegt. Ich neige dazu, die Schilderung tatsächlicher Ereignisse zu verlassen, um den gegenwärtigen Spannungsbogen wieder aufzunehmen. Denn das wäre ja misslich, hier eine tolle Geschichte erzählt zu haben und dann den Mantel zu bekommen und simpel auf die Straße befördert zu werden.“

„Oh, Sie hegen Erwartungen? Ich muss Sie enttäuschen, ich handelte aus einer Laune heraus und nicht mit Absicht. Manchmal neige ich dazu, die Dingen einfach laufen zu lassen und mit Verwunderung zu schauen, was sich so ergibt.“ Sie macht eine lange Pause und sinnt.

Ich unterbreche ihre Abwesenheit. „Madam Luger, damit besteht auch die Gefahr, dass Sie einem Lustmörder Einlass gewährt haben. Ich habe Sie getäuscht mit meinem verbindlichen Auftreten, meiner gepflegten Sprache, aber ick kann och anders, wa?!“ Mit dieser ordinären Wendung habe ich ihre Aufmerksamkeit wieder; sie ist amüsiert. Sie blickt mir aufmerksam in die Augen, ihre Körperspannung nimmt wieder zu und sie fragt geradeheraus: „Und was macht ein Lustmörder in einer solchen Situation?“

„Ick will, dit sie sich die Schuhe ausziehn. Sie sehn so komplett aus; ick will sie barfuß. Dit is immer der Anfang. Und denn steh ick uff und suche det Schlafzimmer. Sie is, na, ick wees nich wat, so zwischen intressiert und schon leicht empört. Ich sehe, det die Wohnung leer is und det Schlafzimmer ist für sie allene. Wie ick mir umdrehe, sehe ick den Zwiespalt. Also, ick nehme sie um die Hüfte und ziehe sie ran. Küssen will sie nich, aber jeküsst will sie wohl werden. Aber nüscht is. Ich drehe sie und werfe sie uff ihr Bett. Sie zuppelt an ihrem Rock, um ihre Schenkel zu bedecken. Ick lass mir uff sie fallen. Und denn rede ick von ener Theaterszene, die sie kennt. Wo et ene Verjewaltijung jejeben hat. Sie fängt an zu zittern. Und sie zittert so sehr, det die Pixel immer stärker wackeln. Dit Bild zerlecht sich jewissermaßen, wird janz und jar undeutlich. Dit Publikum kann nischt mehr erkennn, seine Phantasie is jefordert…“