Die Ritter vom Rabenstein - Klaus Brandenburg - E-Book

Die Ritter vom Rabenstein E-Book

Klaus Brandenburg

0,0

Beschreibung

Der Kurfürst, die Burgherren, die reichen Stadtbürger - alle ringen um die Macht. Und alle wollen reicher werden. Oswald gräbt jetzt im Berg nach Silber, wo der Berggeist das edle Metall festhalten will und der Schatzhauser gütig hilft. Oswald muss viele neue Dinge lernen und machen. Und er erfindet auch schon wieder, was zum Einsturz des Stollens führt; fast verliert er dabei seinen Freund. Dann sieht er eine Marienstatue Blut weinen und hört eine hölzerne Puppe die Zukunft vorhersagen. Von grausigen Überfällen wird erzählt und von reichen Festen, mit Umzügen und Frauenraub und Lösegeld. Am Schluss zeigt ein Kippbild die Welt von ihrer schönen Seite und von ihrer schrecklichen...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 202

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Sinn zielt auf den Kern

und mancher Kern ist äußerst hart.

Inhaltsverzeichnis

Die Herren der Ringe

Das Berggeschrey

Die Grube

Die Mär vom Berggeist

Das Schaubergwerk

Ernstliche Vermahnung

Die Wunderkirche

Das Narrengold

Der Traum vom Aufstieg

Eine befremdliche Geschichte

Der schwarze Tag

Der Holzdiebstahl

Die Entmannung

Eine liebe Überraschung

Der Pfeifertag

Brüchiger Landfrieden

Das Orakel

Drei Prophezeiungen

Fürstliche Bosheit

Was tun?

Das Kippbild

Die Herren der Ringe

Die Tür knallt. Und es ist eine große Tür in der Residenz des Kurfürsten. Eben hatte dieser Rabensteiner durch sein Märchen von den Ringen die ganze Versammlung betört und er, der Kurfürst, hatte gute Miene zu dem Märchen gemacht, machen müssen: Landfrieden!

„Was soll das bringen?! Das verzögert alles nur um ein Jahr. Das bringt gar nichts! Alles nur Geschwätz.“ Der Kurfürst stürmt den langen Flur entlang und seine Berater können kaum Schritt halten. „Das hieße ja: Ein ganzes Jahr verloren! Nein, die werden mir noch meinen Ring küssen!“ Sprach’s, reißt die Tür zum Arbeitszimmer auf und schlägt sie wieder hinter sich zu. Die Berater schauen einander an. Unsicher. ‚Der ist sauer‘, denken sie alle gleichermaßen. „Aber was hätten wir denn tun sollen?“ fragt einer, ohne auf Antwort zu warten. Er klopft an die Tür und ruft leise „Euer Gnaden?“ Keine Antwort. „Braucht Ihr uns?“ Ein unwirsches Brummen ist zu hören. Da ist es besser, sie ziehen sich zurück. Krach wird es sowieso geben. Dann hören sie noch, durch die Tür: „Ich brauche Geld!“

Die Vertreter der reichen Städte sind nicht sauer. Na gut, sie werden auf einheitliche Maße und Gewichte im ganzen Kurfürstentum noch warten müssen. Darauf warten sie nun schon Jahre. „Bei Euch ist die Elle besonders lang!“, mosert einer der Tuchhändler, der mit feinen Wollstoffen aus Flandern reich geworden ist. Jetzt hatte er sogar mit den Leuten in Londinium auf der großen Insel im Atlantik Geschäfte vorbereitet. Diese Angelsachsen versprachen gleichfalls Wollstoffe zu liefern. Die waren viel fester gewebt. Mit farbigen Mustern verwebt. Das könnte ein interessantes Geschäft werden.

Der angesprochene Ratsherr zuckte mit den Schultern. „Gebt nicht mir die Schuld. Unsere Elle ist am Rathaus eingemauert, schon immer. Vielleicht waren unsere Vorfahren etwas größer? Größer als Ihr?“ Und er mustert den kleineren Tuchhändler. „Aber ich will Euch Entschädigung bieten. Gehen wir noch auf einen Umtrunk in den Ratskeller. Die erste Runde geht auf meine Rechnung.“

Das ist ein Wort. Nicht, dass die Herren sich selber keinen Wein kaufen könnten, aber einer Einladung folgen alle viel lieber. So sitzen sie, wie manchen Abend seit den Beratungen beim Kurfürsten, im Keller unterm Ratssaal. Bequem ist es hier, warm, gemütlich. „Und man muss nicht auf jedes Wort achten. Hier können wir reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist.“

So sitzen sie beim Wein und reden. „Es kann nicht sein, dass ich überall nur zahlen muss!“ klagt einer. „In jeder Stadt, vor jeder Grenze, auf jeder Brücke!“

Da fühlt sich ein anderer angesprochen. „Wisst Ihr, was uns die neue Brücke gekostet hat? Ein ganzes Jahr haben unsre Leute gebraucht. Was das gekostet hat! Aber nun könnt Ihr auch jederzeit über den Fluss, selbst bei Hochwasser. Dafür könnt Ihr doch zahlen, nicht wahr?“

„Ich weiß. Und ich versteh Euch ja. Aber wenn ich zusammenzähle, was ein Transport mich kostet mit all den Gebühren, Zöllen unterwegs! Wir brauchen einheitliche Ordnungen und Maße. Meine Herren, wir waren uns doch einig?!“

Ja, einig war man sich und ist es immer noch. Die hundert verschiedenen Regeln zur Produktion, die Beschränkungen des Handels, die unterschiedlichen Herrschaften – das alles war nur hinderlich. „Wir könnten richtig reich werden!“

Da ist die Runde sich nun wirklich einig. Nicht dass die Herren Händler, die ihre Städte vertreten, weil nur sie die Herren sind, nicht schon genügend Reichtum hätten. Aber kann man denn genug vom Gelde haben? „Meine Herren, auf künftigen Reichtum!“ Einer hebt sein Glas und alle heben ihre Gläser, sind sehr einverstanden. Der dicke Beierle wischt sich die Stirn. Er hat bis jetzt geschwiegen. „Es ist ja noch nichts angebrannt.“ Die andern blicken zu ihm. „Natürlich wäre es schön gewesen, wenn der Fürst ein neues Landesregiment verkündet hätte und alles wäre einheitlich ab nächstens. Aber ehrlich, meine Herren, was wird uns das wohl kosten?“

„Ihr meint, der Kurfürst hätte diese Regeln sich vergolden lassen?“

„Er braucht das Geld. Umsonst gibt er nichts raus.“

Da wendet einer ein, unzufrieden, weil zwei Wochen Reisen und Beratungen nicht nur nichts eingebracht, sondern nur gekostet haben, er brummt: „Aber was ist jetzt gewonnen?“

Beierle, aus seinen listigen Augen: „Zeit. Das Jahr ist nur ein Aufschub. Nutzen wir es doch!“

Man schaut ihn an. In den Gesichtern Fragezeichen.

Beierle holt Luft, tief Luft. Dann legt er los: „Was immer unser Kurfürst vorhat – er braucht Geld. Bisher bleiben seine Einnahmen Jahr für Jahr doch gleich. Er hat die beiden Seitenflügel an sein Schloss sich bauen lassen. Mehr Geld kann gar nicht da sein. Doch er hat Pläne, vermute ich. Man munkelt, dass er an den Königshof will. Je dringender er Geld braucht, umso stärker wird unsere Verhandlungsposition. Das Jahr Aufschub arbeitet für uns.“

Einwand, ein Nörgeln: „Nein, keine einheitliche Münze. Überall muss ich die verschiedenen Pfennige wiegen. Und was gestempelt ist, da hat ich letztens schlechte Münze bei. Das war kein reines Silber, das war gestreckt, das ist Falschgeld. Das kann ich nicht gebrauchen.“

Beierle: „Da habt Ihr Recht. Doch wenn der Kurfürst, GOTT behüte, die Münze schlechter macht, dann können wir nur barmen, bitten.“ Macht eine Pause. „Oder zwingen.“

Bei dem Wort horchen alle auf, stellen ihre Krüge ab. „Ja, zwingen. Ich denke: Wir müssen reicher werden. Ohne unsern…“ Beierle kommt nicht weiter. Stimmengewirr. Reicher werden klingt schon fast wie Silber in der Geldkatz. Beierle: „Wenn wir reich sind, kaufen wir vom Fürsten unsre Rechte. Für Geld, denk ich, lässt sich wohl alles kaufen.“ Verständiges Nicken. Aber Beierle ist noch nicht fertig. „Unser Handel muss sicher sein. Die Überfälle mehren sich. Aber mir ist egal, ob die Ritter oder der Kurfürst für die Sicherheit der Wege sorgen. Ich hab mit den Rittern vom Rabenstein ein Bündnis. Das zwingt sie, nicht nur der Stadt beizustehn, sondern auch alle Wege im Land bei uns zu sichern. Und wenn der Rabensteiner durch seine Ringparabel ein Jahr Aufschub erreichte, dann nutz ich diese Zeit. Ich will nach Silber graben. Ich will reicher werden.“ Und lauter, wie eine Tagesparole: „Ich will reicher werden!“ Und hebt sein Glas und alle heben ihr's. Und an den Fingern glitzern Ringe. „Reicher werden!“

Die Ritter sind im Sattel. Der Abschied fällt allen leicht. Ein Jahr herrscht erst mal Ruhe. So reitet man vom Gasthof wieder heim. In Gruppen; die nach Norden, die nach Süden bleiben eine Zeit lang noch zusammen.

„Das habt Ihr gut gemacht, Rabensteiner! Es soll beim Alten bleiben.“ Das ist wie Abbitte. Denn viele von den Rittern haben den vom Rabenstein nie ernst genommen. Kein Ritter. Ein Krüppel. Hat aber Köpfchen. „Ja, jetzt ist wieder Ruhe.“

Der Rabensteiner: „Das glaubt Ihr? Der Fürst wird nicht von seinen Plänen lassen.“

Jetzt ist man verwundert. „Er hat dem Landfrieden zugestimmt. Es war doch Euer Vorschlag mit der Geschichte von den Ringen!“

Oswald ist nun seinerseits verwundert. „Ja, welcher Ring der rechte ist, kann in einem Jahr entschieden werden. Doch wie beweisen wir, dass unser der rechte ist? Es ist unsere Aufgabe, den Beweis zu führn.“

„Wie meint Ihr das?“

Der Weg ist breit, so kann man nebeneinander reiten. Lässt die Pferde geruhsam gehen. Und Oswald, der erst am Ende ritt, ist nun inmitten der Schar der Ritter. „Das Jahr gibt Aufschub. Und es gibt Frieden. Aber was soll, was muss in diesem Jahr passieren, dass beim nächsten Ständetag der Kurfürst nicht alles an sich reißt? Wir wollen, dass alles so bleibt. Der Fürst aber will alle Macht für sich. Die Städte dringen auf Sicherheit und Einheit. Für Sicherheit sorgen wir seit immer. Das muss so bleiben.“

Das Einverständnis ist allgemein; sie nicken mit den Köpfen, stimmen zu.

„Das heißt, wir dürfen keine Banden dulden, kein Räuber darf den Landmann bestehlen, die Städter bedrängen, den Handel unterbrechen.“

Hm, dass sie jetzt auch noch die Wagen der fetten Krämer schützen sollen, ist nicht allen recht. Aber es stimmt schon: Der Kurfürst darf keine Handhabe zum Eingriff in alte Rechte kriegen. Oswald bekräftigt nochmals: „Die Sicherheit im ganzen Land ist unsre Pflicht, in Land und Stadt, auf allen Straßen.“ Und nach einem Blick in die Runde: „Auch Raubritter dürfen wir nicht dulden.“

Eine Abwehr ist bei dem einen, andern zu spüren. „Es sind Ritter.“ Das meint, es sind ihresgleichen.

Oswald schüttelt seinen Kopf. „Wir dürfen dem Kurfürsten keine Lücke lassen. Sonst zieht er die Städte auf seine Seite.“ Er schaut sich wieder um. Haben die verstanden? „Ich habe mit der Stadt in unsrer Landschaft ein Bündnis. Das hat sich schon einmal bewährt.“ Wirklich, das hatte sich auf allen Burgen rumgesprochen. Dass die Stadt den Rabensteinern Geld für Armbrüste gegeben hatte und der den Angriff des Kurfürsten abwehren konnte. Und dann zieht Oswald eine Überraschungskarte, ein Trumpfblatt aus dem Ärmel: „Beim Heerzug habe ich die neuen Stücke, die Feuerwaffen schätzen gelernt. Die will ich haben. Wer die hat, dem nimmt niemand seine Burg.“

Aha, der Rabensteiner hat einen Plan. Deswegen sein Spiel auf Zeit. Der will im Bündnis mit der Stadt modernste Waffen sich beschaffen.

Aber es kommt wieder Einspruch. „Auf Euern Zinnen stehen dann keine Ritter mehr, sondern Kanonen? Die fremde Leute dann bedienen. Für Sold?“

Oswald zuckt mit den Schultern. „Was hindert Euch, sie selber zu bedienen? Ihr müsst nur lernen, mit ihnen umzugehn.“

Empört: „Ich bin ein Ritter und kein Söldner! Den Unterschied begreift vielleicht Ihr nicht.“

Das ist böse, spielt darauf an, dass Oswald immer noch nicht zum Ritter geschlagen worden ist. Im letzten Krieg hat der ja kaum gekämpft, hat mit den Hakenbüchsen, mit Kanonen rumgemacht. Und zur Bekräftigung noch einmal knapp der alte Einwand: „Ich bin ein Ritter.“

Oswald, überlegen und ganz ruhig: „Und wollt mit Eurer Lanze gegen Heere kämpfen, die mit Feuerwaffen ausgerüstet sind? Dann lasst in Euerm Erbbegräbnis schon eine Grube graben. Nein, wie ein gutes Schwert besser als ein schlechtes ist, wie eine Armbrust unsern Panzer schon durchschlägt, so kann die Mörser und Kanonen niemand aufhalten. Ich schaff mir Feuerwaffen an!“

Hm. So einig wie die reichen Städter im Rathauskeller ist man in dieser Gruppe nicht. Bedenken kommen auf: „Das Zeug ist weder leicht zu beschaffen noch zu bedienen. Und es ist unwahrscheinlich teuer.“

Oswald: „Als Kinder haben wir mit hölzernen

Schwertern angefangen. Dann das Reiten schnell gelernt. Mit Lanzen dann und schweren Schwertern geübt. Wir lernen auch die Feuerwaffen zu bedienen.“

Noch mal der Einwand: „Wenn man sie denn hat.“

„Drum gilt es klug zu wirtschaften. Im Bündnis mit den reichen Händlern die Waffen anzuschaffen. Dann ist das Jahr genutzt.“

Ein Alter, ein Ritter, dem das Kämpfen schon lange nicht gefällt, die rechte Schulter hebt den Arm kaum noch, der Älteste in dieser Runde hält sein Pferd und wendet es. „Der Rabensteiner hat wohl Recht. Wir müssen uns neu wappnen. Kein Streit sei zwischen uns, gemeinsam bieten wir dem Kurfürsten unsre Stirnen.“ Und streckt die Hand aus, hält sie für die andern in die Luft. Und jeder Ritter legt die seine auf des Alten Hand. Der Schwur heißt: Gemeinsam! Und alle sprechen diesen Schwur: Gemeinsam. An jeder Hand der Burgherren leuchtet ein Ring: des Burgherrn Ring.

Das Berggeschrey

Ohne dass Beierle und der vom Rabenstein viel über ihre Gedanken sprechen: sie sind sich einig, dass jetzt im Berg nach Silber gegraben werden muss. Doch wo das Silber finden? Dass im Berg Silber sei, das erzählten schon die Alten.

Beierle: „Es gab doch diesen Vogel, der seinen Nebenbuhler erschlagen hat, weil der Silber gefunden hatte…“

Oswald: „Ja, und? Der, der’s gefunden hatte, der ist tot. Hat sein Geheimnis mit in’s Grab genommen.“

Beierle überlegt, dann: „Man müsste eben findige Leute aus den fernen Erzgebirgen holen, die mit ihrem Blick Schürfstellen ausfindig machen können.“ Aber dann widerspricht er sich gleich selbst. „Die auf Verdacht herzuholen, wäre ein teures Unterfangen.“

Oswald hatte mehrfach schon mit seinem Freund, dem jetzigen Vogt vom Rabenstein gesprochen. Der hatte auch zwei Bücher über den Bergbau auf dem Tisch zu liegen. Auf einer der Zeichnungen war ein Wünschelrutengänger zu sehen. „Wie geht das?“

„Von einem Haselstrauch ein Zweig, der sich grad teilt. Den scheiden sie sich zurecht. Die beiden Hände fassen die Zweige und der größere Teil zeigt dann das Silber.“

Oswald ist fassungslos. So einfach ist das? „Wie zeigt der Zweig das Silber?“

„Es heißt, die Wünschelrutengänger sind ganz besondre Leut. Sie gehen über’s Feld und plötzlich schlägt die Rute aus. Dann graben sie und haben einen Brunnen.“

„Wieso einen Brunnen? Ich denke Silber?“

„Ach ja, entschuldige. Die meisten Wünschelruten zeigen Wasser an, doch neuerdings zeigen sie auch Metall.“

Oswald ist verblüfft. Davon hat er noch nie gehört. Wenn das so einfach ist, dann her mit einer Wünschelrute!

Petrus Cordus wäre nicht ein Humanist, ein Mann, der allem Aberglauben ablehnend gegenübersteht, wenn er das glaubte, was er da grad erzählt.

„Nicht?“ Oswald ist verblüfft. „Aber hier auf der Zeichnung sieht man doch einen Wünschelrutengänger!“

Der Freund: „Ich kann dir auch Zeichnungen von Hexen zeigen, die auf einem Besen durch die Lüfte sausen. Nicht alles, was die Leute sagen oder zeichnen, ist wirklich wahr.“

„Also gibt es das gar nicht, das mit den Wünschelruten?!“

Der Freund: „Ich denke Nein. Genauso gut könntest du die Berggeister befragen.“

Berggeister? Ja, sie leben in Höhlen und bewachen die Erdschätze. Aber mit Geschenken kann man sie vielleicht gnädig stimmen. Was soll man ihnen denn schenken, wenn sie das Silber schon haben? Sie trinken gern Milch, vermutet man. Weil es immer wieder vorkommt, dass Kühe und Ziegen, die man im Wald äsen lässt, mit leerem Euter in den Stall kommen. Na, gut, dann soll es so sein. Wo soll man die Milch hinstellen? Und was passiert dann? Vielleicht gibt es eine kundige Frau, die die Stimmen der Berggeister hören kann.

Petrus Cordus ist für systematische Suche. „Wir teilen den Berg ein. Und gehen mit einem Trupp durch den ersten Streifen Wald.“

„Und dann?“

„Die haben Hacken, Schürfhacken. Und müssen den Rasen wegziehen. Und wenn es blinkt…“

„Blinkt es denn? Das Silber im Berg, hat man mir gesagt, ist nicht blank.“

„Es glänzt metallisch.“

Beierle macht es praktisch. Das ist ihm zu viel Gerede. „Wir suchen die Frau. Die kriegt einen viertel Gulden, wenn sie sich erinnert, wo ihr Bräutigam im Berg gewesen sein könnte. Er wird ja nicht auf der andern Seite gewesen sein. Und wenn man die Zeit weiß, wie lange er vom Dorf und wieder zurück gebraucht hat, dann kann man ungefähr abschätzen, wo er gewesen ist. Und wenn wir die Stelle tatsächlich finden, kriegt sie das zweite Viertel.“

„Gut. Dann kombinieren wir. Wir gehen zuerst da in den Berg, wo der wilde Finder wahrscheinlich gewesen ist und suchen nach dem Vorschlag von Petrus.“

„Hier fangen wir an.“

Die Männer verteilen sich in eine Reihe und nehmen ihre Schürfhacken von der Schulter. Alle Blicke sind auf den Boden gerichtet. Wo Fels zutage tritt, reichen diese Blicke, wo Erdreich den Fels bedeckt, schlagen sie die Erde mit der Hacke weg. So arbeiten sie sich durch den Wald. Bis ihre Schritte kleiner werden, ihre Schläge langsamer. Es ist schattig im Wald, aber man kann sehen, dass die Sonne im Mittag steht. Pause. Brot und Käse. Wasser wird sich wohl finden. Jemand macht sich auf die Suche, denn sie hatten schon lange ein Rieseln, Gluckern gehört. Da, ein munteres Rinnsal, klar und kühl, ein bester Trunk. Aber als einer der Männer hier trinkt und sich aufrichtet, da spuckt er den letzten Schluck gleich wieder aus. Etwas weiter oben glänzt es im Wasser. Die Hacke liegt am Baum, wo er gesessen, dann muss es eben mit den Händen gehen. Nun hält er einen Klumpen in der Hand. Nein, einen Klumpen kann man das nicht nennen. Es sind doch Würfel. Ebenmäßig und glänzend. Ineinander gesteckte Würfel. Das ist kein Stein. Das ist Metall. Doch ist das Silber?

Er läuft mit dem Brocken in den Händen zum Lager zurück. „Schaut!“

Alle sehen das matte Blinken. Beierle nimmt den Klumpen in die Hand. „Schön geformt. Und schwer.“

Und der Gelehrte? Petrus Cordus nimmt den Würfelbrocken in die Hand. „Das ist Bleiglanz.“

Ach so, bloß Blei. Enttäuschung.

Der Gelehrte: „Das ist in den Büchern beschrieben. Kommt in vollkommenen Würfelformen vor. Wenn man es bricht, zeigt es ausgesprochenen Metallglanz.“

Schon nimmt einer der Männer seine Hacke in die Hand und legt den Brocken vor sich, schlägt zu und alle können sehen, dass die zertrümmerten Würfel wirklich glänzen. „Sieht gut aus.“

Doch jemand wendet ein: „Schon. Aber wir suchen Silber. Und was ist das?“

Cordus: „Aus Bleiglanz wird Blei gewonnen.“

Hm, nicht schlecht. Blei konnte man auch gut gebrauchen. Wenn man bedenkt, wie viel Blei so ein Kirchenfenster braucht! Aber wir suchen Silber!

Noch einmal der gelehrte Vogt: „Im Bleiglanz ist immer auch Silber.“

Die Männer richten sich auf. Warum sagt er das nicht gleich?!

„Wo hast du das gefunden?“

Der Trupp zieht zum Bach, lässt sich die Stelle zeigen. Die ersten schürfen mit ihren Hacken den Boden weg. Gleich läuft das Wasser rein, spült die Erde weg und zeigt – glänzende Würfel. Beierle zeigt auf den dicksten Baum und jemand schneidet eine Markierung rein: Hier!

Bleiglanz ist gut. Blei und Silber zusammen. Doch der frühere Finder hatte reines Silber gefunden. Das suchen sie. Das suchen sie am nächsten Tag. Vergeblich den ganzen Tag. Auch noch am nächsten Tag. Bis…

Die Stelle scheint einem Mann nicht ganz natürlich. Hier war schon mal gegraben worden. Groß wie ein Grab, die Steine ausgehoben, zum Rand hin aufgeschüttet. Das Erdreich locker. Das lässt sich gleich beim ersten Schürfen merken. Der Mann zieht alles Erdreich weg, bis auf den Fels. Schon stehen links und rechts die andern Männer. Keiner weiß, warum der hier jetzt plötzlich gräbt. Aber neugierig sind sie doch. Der Mann legt die Hacke weg, wischt mit bloßen Händen den Felsen sauber. Nähert sein Gesicht dem Fels, kann mit der Nase den Boden fast berühren. Riecht er nach Erz? Dann greift er blindlings hinter sich, fingert nach seiner Hacke. Schlägt zu, spaltet den lockren Felsen. Hält ein Stück Fels dann in der Hand und aus dem Fels wächst etwas wie ein Pilzgeflecht, wie Wurzeln wachsen silbrig glänzende Fäden. Er hält den Fels hoch an den Rand der kleinen Grube, dahin, wo inzwischen auch Beierle und Oswald und der gelehrte Vogt vom Rabensteiner stehn. Die nehmen das natürliche Kunstwerk in die Hand, drehn es und betrachten es von allen Seiten. Ist das Silber oder werden wir schon wieder genarrt?

Der Vogt nimmt den Klumpen in die Hand, fasst einen Zweig, ein Würzelchen, bewegt es hin und her. Es biegt sich leicht, dann bricht es ab. Noch einmal biegt Cordus den abgebrochnen Zweig in seiner Hand, biegt wieder hin und her. Und blickt nach rechts, nach links, sagt: „Das ist das reine Silber.“

Die Männer sehn sich an. Silber! Sie nicken sich freudig zu, ihre Augen leuchten. Sie haben das Silber gefunden. Silber! Wenn man hier gräbt, findet man noch mehr…

Die Männer sind ganz aufgekratzt. Die Suche hat gelohnt. Der Rabensteiner, der das Bergrecht hat, verlangt, dass alle schweigen. Das sichern alle zu, doch schon am nächsten Tag weiß es die ganze Stadt, die Dörfer rings und schließlich auch alle, die auf Burg Rabenstein wohnen. Es ist, als hielte man im Frühling sein Ohr an eine Bienenbeute und hört es summen. Das ganze Bienenvolk ist aufgeregt: im Frühling gibt es Nektar, gibt es Honig!

Die Grube

Es summt in Stadt und Land. Das mit dem Silber hat sich rumgesprochen. Jetzt werden alle reich!

Der Bergherr hat ein großes Geviert abstecken lassen. Oswald lässt aus seinem Sägewerk Balken und Bretter herbeischaffen. Wozu? Wenn hier gegraben wird, dann braucht es Werkzeug, Hauen, um loses Gestein in Körbe einzuschaufeln, Eisen, den festen Fels zu schlagen und Schlägel, um auf die Eisen einzudreschen. Diese Werkzeuge, Gezäh genannt, will man nicht jeden Tag zum Berg raufschleppen. Deshalb ein Huthaus, um das Werkzeug zu behüten. Obwohl, die Eisen sind nach einer Stunde stumpf, die müssen in das Dorf zur Schmiede. Besser wäre hier auf dem Berg die Möglichkeit zum Schärfen. Doch eins nach dem andern. Jetzt erst mal graben. Das heißt: erst einmal genau schauen: Wo geht der Silbergang wohl lang? Es scheint, er geht schräg in den Berg hinein. Also das Eisen setzen, mit dem Schlägel in den Fels treiben, die Brocken brechen, in eine Mulde scharren und die nach oben schleppen. Das ist schwer. Deshalb hat Oswald aus Brettern eine Schräge in den Berg legen lassen. Auf der kann ein Kübel, eine Mulde leicht gezogen werden. Leicht? Zwei Leute stehen am Mundloch und ziehen. Dann ausgekippt, die Mulde wieder nach unten. Und oben? Das Gestein genau beschaut. Das taube, ohne Erz, beiseit gekippt. Das andre muss zerstoßen werden: Ist da Erz? Erst hat man sich rings um das Mundloch auf die Erde hingesetzt und die Brocken zerschlagen. Das ist nicht praktisch. Man will kein Erz verlieren. Und wieder muss Armin Holz zum Bergwerk liefern. Dort werden ganz stabile Tische aufgebaut. An diesen Scheidebänken stehen immer sechs Männer, schlagen auf die Gesteinsbrocken ein. Ihr Blick muss scharf sein, nur wenn sie genau hinsehn, können sie taubes Gestein von Erz wohl unterscheiden.

„Au! Spritz nicht so!“ schreit einer plötzlich auf.

„Was ist?“ Erschrocken halten seine Nachbarn ein.

„Mir ist ein Brocken in das Aug geflogen!“ Das Auge wird untersucht. „Da ist nichts. Mach es zu. Wenn ich schlag, mach ich die Augen immer zu.“

Ist das ernst gemeint? Mit geschlossenen Augen auf den Brocken hauen und sich dann vielleicht auf die Hand auch hauen?

Am andern Tag schreit niemand auf; es regnet stark. Umhänge tragen alle, mit Kapuze. Das Wasser rinnt vom Filz, der quillt und ist ganz wasserdicht. Und dennoch. Ins Gesicht falln immer wieder Regentropfen, und kalt ist es auch. Ein Zufall, dass der Rabensteiner mit seinem Vogt (der oft am Berge ist) grad oben ist. Ein mutiger Mann, der fleißigste der Pocher, fragt: „Herr, ein Dach wär wirklich gut.“

Oswald tritt näher. Er hat den Pochern zugesehn und hat beobachtet, wie Regenwasser den leichten Gesteinsstaub weggespült hat. Nun nimmt er die Bröckchen, die auf der Scheidebank liegen, in die Hand. Zeigt sie dem Vogt. Der prüft: „Erz. Ab zur Hütte.“ Doch Oswald sinnt. Er merkt nicht, wie der Regen von seinem Gesicht herunterrinnt. Dann kratzt er sich den Bart, den er sich stehen lässt. So spart er Zeit. Reibt sich das Kinn, geht langsam fort; man sieht: der Mann ist in Gedanken. Dennoch: „Herr?“

Oswald wendet sich zurück. „Was ist?“

„Ein Dach?“

Ein Dach. Dann stehn die nicht im Regen. Und bald im Schnee, wenn der Winter kommt. Der Bergherr nickt. Aber das mit dem Wasser muss er für sich noch klären. Er stößt seinen Freund am Arme an. „Erz ist schwerer als Gestein?“

Petrus Cordus nickt.

„Wenn das Gestein fein gepocht ist und wir leiten Wasser drüber, fließt dann das leichte Gesteinsmehl weg, das Erz bleibt übrig?“

„Das müsste man probiern. Da fällt mir ein, dass ich Pochwerke am Wasser gesehen hab, die nutzen Wasser. Ich hab nur nicht daran gedacht.“

So gehen die Tage schnell ins Land. Oben, über Tage wird eine Pochhütte aufgerichtet. Und eine Schmiede. Dann braucht man die Eisen nicht immer ins Dorf zum Schmied hinunterfahren. Die Köhler freut’s: Ein neuer Großabnehmer für das verkohlte Holz. Und unter Tage? Der Hauer fährt mit sieben oder acht solcher Eisen ein; er kann ja nicht andauernd nach neuen, scharfen Meißeln nach oben fahrn. In den Berg fahren, so sagen die Hauer. Aber sie müssen laufen. Das heißt, als Oswald die Bretter für die Hunte, die Förderkörbe legen ließ, da setzen sich die ersten auf ihr Leder und rutschen in den Berg. Das war wirklich eine Fahrt! So ein Leder, hinten am Gürtel befestigt, machte sich auch vor Ort recht gut. Wenn man sich setzte, wurde der Hintern nicht gleich nass. Denn schon nach wenigen Metern fängt es an zu tropfen. Man denkt, der Berg, das ist ein Felsen. Aber der hat tausend feine Risse. Aus denen tropft‘s.