Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Professionalisierung des Online-Coaching setzt auf den virtuosen und kreativen Einsatz spezifischer Tools. Mit ihnen gelingt es, die Methodenvielfalt des Präsenzcoachings angemessen und effektiv online umzusetzen. Die Zukunft von Coaching, Beratung, Supervision und Psychotherapie liegt auch in Online-Anwendungen. Um entsprechende Dienstleistungen professionell und ethisch fundiert anzubieten, sind bestimmte Kompetenzen für Fachleute unerlässlich. Welche das sind, erläutert Elke Berninger-Schäfer detailliert sowie durch Praxisbeispiele und zahlreiche Abbildungen veranschaulicht. Das Online-Medium verfügt über die Möglichkeit, Klient*innen erfolgreich mittels Musterunterbrechung, Ideengenerierung, Projektion, Erweiterung von Deutungskategorien, Aufmerksamkeitslenkung, Tranceinduktion und der Änderung von emotional-physiologischen Zuständen auf ihrem Entwicklungsweg weiterzubringen. Ausgehend von der Reflexion des eigenen professionellen Profils beschreibt die Autorin die mannigfaltigen Tools des Online-Coaching. Durch sie entfaltet sich der Zauber der Interaktion zwischen Coach, Coachee und Online-Medium, sodass ressourcenvolle Zustände und gelingendes Probehandeln möglich werden.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 116
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Herausgegeben vonStefan Busse, Heidi Möller, Silja Kotte und Olaf Geramanis
Elke Berninger-Schäfer
Vandenhoeck & Ruprecht
Mit 70 Abbildungen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.
© 2022 Vandenhoeck & Ruprecht, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe
(Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich)
Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
Umschlagabbildung: VikiVector/shutterstock.com
Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com
ISSN 2625-6061
ISBN 978-3-647-99434-5
Zu dieser Buchreihe
Einleitung
1 Aktuelle Anforderungen an die digitale Kompetenzentwicklung
1.1 Die Medialisierung der Lebens-und Arbeitswelten
1.2 Auswirkungen und Herausforderungen für das Coaching
1.3 Trends im Coaching
1.4 Digitale Kompetenz
2 Verständnis von Coaching und Bedeutung von Tools
2.1 Das Coaching-Konzept der Karlsruher Schule
2.2 Methoden im Coachingprozess
2.3 Handlungsorientierte Methoden im Coaching
3 Methoden im Online-Coaching
3.1 Kommunikation im Online-Coaching
3.2 Online-Formate und Online-Tools
3.3 Bildhafte Darstellung im Online-Coaching
4 Das Innere Team online
4.1 Online-Coaching mit dem Inneren Team
4.2 Fallbeispiel: Online-Einsatz des Inneren Teams
5 Systemische Aufstellung online im zweidimensionalen Raum
5.1 Online-Coaching mit der systemischen Aufstellung
5.2 Fallbeispiel: Online-Einsatz des Systembildes (Aufstellung)
6 Konfliktcoaching online
6.1 Vorgehen im Online-Coaching
6.2 Fallbeispiel: Konfliktcoaching mit einer Einzelperson
7 Kreative Einsatzmöglichkeiten von Online-Tools
7.1 Die Kreisform als Online-Tool
7.2 Der Ressourcenbaum als Online-Tool
Fazit
Literaturverzeichnis
Zu dieser Buchreihe
Die Reihe wendet sich an erfahrene Berater/-innen, die Lust haben, scheinbar vertraute Positionen neu zu entdecken, neue Positionen kennenzulernen und die auch angeregt werden wollen, eigene zu beziehen. Wir denken aber auch an Kolleginnen und Kollegen in der Aus- und Weiterbildung, die neben dem Bedürfnis, sich Beratungsexpertise anzueignen, verfolgen wollen, was in der Community praktisch, theoretisch und diskursiv en vogue ist. Als weitere Zielgruppe haben wir mit dieser Reihe Beratungsforscher/-innen, die den Dialog mit einer theoretisch aufgeklärten Praxis und einer praxisaffinen Theorie verfolgen und mit gestalten wollen, im Blick.
Theoretische wie konzeptuelle Basics als auch aktuelle Trends werden pointiert, kompakt, aber auch kritisch und kontrovers dargestellt und besprochen. Komprimierende Darstellungen »verstreuten« Wissens als auch theoretische wie konzeptuelle Weiterentwicklungen von Beratungsansätzen sollen hier Platz haben. Die Bände wollen auf je rund 90 Seiten den Leser/-innen, die Option eröffnen, sich mit den Themen intensiver vertraut zu machen als dies bei der Lektüre kleinerer Formate wie Zeitschriftenaufsätzen oder Hand- oder Lehrbuchartikeln möglich ist.
Die Autorinnen und Autoren der Reihe werden Themen bearbeiten, die sie aktuell selbst beschäftigen und umtreiben, die aber auch in der Beratungscommunity Virulenz haben und Aufmerksamkeit finden. So werden die Texte nicht einfach abgehangenes Beratungswissen nochmals offerieren und aufbereiten, sondern sich an den vordersten Linien aktueller und brisanter Themen und Fragestellungen von Beratung in der Arbeitswelt bewegen. Der gemeinsame Fokus liegt dabei auf einer handwerklich fundierten, theoretisch verankerten und gesellschaftlich verantwortlichen Beratung. Die Reihe versteht sich dabei als methoden- und Schulen übergreifend, in der nicht einzelne Positionen prämiert werden, sondern zu einem transdisziplinären und interprofessionellen Dialog in der Beratungsszene anregt wird.
Wir laden Sie als Leserinnen und Leser dazu ein, sich von der Themenauswahl und der kompakten Qualität der Texte für Ihren Arbeitsalltag in den Feldern Supervision, Coaching und Organisationsberatung inspirieren zu lassen.
Stefan Busse, Heidi Möller, Silja Kotte und Olaf Geramanis
Einleitung
Die Online-Durchführung von Coaching, Supervision, Beratung und Psychotherapie hat nicht erst durch die Corona-Krise an Bedeutung gewonnen, ist aber durch diese zu einer Notwendigkeit für die Anbieter:innen in diesen Themenfeldern geworden. Die tiefgreifenden medialen Veränderungen, die in großer Geschwindigkeit in kurzer Zeit vonstattengegangen sind, haben weitreichende Implikationen auf gesellschaftliche, psychologische, wirtschaftliche und politische Zusammenhänge. Somit stellt sich die Frage, welche Folgen sich daraus für professionelle Vorgehensweisen in Coaching, Psychotherapie, Supervision und Beratung ergeben. Diese müssen sich auf die Medialisierung der Lebens- und Arbeitswelten genauso einstellen, wie alle anderen Bereiche auch.
Kapitel 1 dieses Buches beschäftigt sich daher auch mit der Medialisierung der Lebens- und Arbeitswelten, auch in ihren negativen Auswirkungen auf Coaching und verbindet diese Entwicklung mit den aktuellen Trends im Coaching. Hier steht die digitale Kompetenz für die Zukunftsfähigkeit von Coaching, Supervision, Beratung und Psychotherapie an erster Stelle. Zu dieser digitalen Kompetenz gehören die Medienkompetenz, die Medienkommunikationskompetenz, sowie die Kompetenz, Beziehungen online zu gestalten, professionelle Prozesse zu steuern und hierfür professionelle Online-Tools einzusetzen. Damit sollen insbesondere die negativen Seiten der Online-Vorgehensweisen ausgeglichen werden, auf welche ebenfalls kurz eingegangen wird.
Für ein sinnvolles methodisches Vorgehen ist eine konzeptuelle Basis unerlässlich. Kapitel 2 erläutert diese, um die Bedeutung von Tools, Techniken und Interventionen einzuordnen. Ein methodenorientierter Charakter steht im Vordergrund dieses Buches. Bei Online-Vorgehensweisen stellt sich insbesondere die Frage, wie z. B. handlungsorientierte Methoden eingesetzt werden können. Dies wird mit einem Fallbeispiel einer systemischen Aufstellung mit Avataren im dreidimensionalen Raum verdeutlicht.
Kapitel 3 beschäftigt sich mit Methoden im Online-Coaching und führt am Beispiel der CAI®1 Plattform in verschiedene Online-Tools ein. Da die Entwicklung einer Schreibkompetenz sowohl für synchrone (zeitgleiche) als auch für asynchrone (zeitversetzte) Vorgehensweisen zum Basisverhalten gehört, wird ihr eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Es werden verschiedene Online-Formate vorgestellt, die Prozessabläufe beispielsweise für Business-Coaching oder Teamcoaching enthalten. Ausführungen zum Formatbegriff finden sich unter Abschnitt 3.2. Die Arbeit mit dem Whiteboard wird an einem Fallbeispiel illustriert.
Da auch im Online-Geschehen die Arbeit mit ganzheitlichen Erlebenszuständen der Klient:innen das professionelle Vorgehen auszeichnet, besteht die Herausforderung darin, auf emotionalen und physiologischen Ebenen zielführend zu arbeiten. Hierzu können bildhafte Darstellungen genutzt werden. In die Möglichkeiten verschiedener Visualisierungstools führt ebenfalls Kapitel 3 ein und beschreibt mit einem Fallbeispiel den Umgang mit körperlichen Reaktionen im Online-Coaching.
Das Innere Team und die systemische Aufstellung sind sehr bewährte Methoden im Coaching, in der Supervision und in der Psychotherapie. Sie werden in den Kapiteln 4 und 5 in ihrer Online-Anwendung mit Fallbeispielen dargestellt.
Kapitel 6 behandelt Konfliktcoaching. In seiner Online-Anwendung bietet es einen reichen Schatz an Möglichkeiten, sowohl im Mehrpersonen-Setting als auch in der Begleitung von einzelnen Klient:innen bei der Bearbeitung und Lösung von Konflikten. Das Coachingbeispiel einer Klientin in einer akuten Konfliktsituation verbindet die systemische Aufstellung und die Arbeit mit Bildmaterialien mit dem Einsatz eines spezifischen Online-Tools zur Konfliktlösung.
Methodenzauber entsteht insbesondere auch durch die kreative Anwendung und spielerische Kombination vorhandener Online-Tools. Hierzu werden einige Beispiele in Kapitel 7 gezeigt. Diese können in verschiedenen Prozessphasen und Formaten eingesetzt werden. Das Beispiel eines Teamcoachings rundet diese Ausführungen ab.
Der Einblick in die vielfältigen Methoden im Online-Coaching (mit Seitenblick auf Supervision, Beratung und Psychotherapie) soll einerseits die Professionalisierung der Coachs stärken und sie andererseits auch dabei unterstützen, ihr Tun als ressourcenvollen Zustand zu erleben, denn die Trancephänomene im Online-Coaching und insbesondere auch der kreative Tool-Einsatz steigern die Freude am Tun und eröffnen viele spannende Gestaltungsmöglichkeiten.
1 CAI ist eine eingetragene Marke der CAI GmbH.
1 Aktuelle Anforderungen an die digitale Kompetenzentwicklung
Die Digitalisierung betrifft als evolutionäre bzw. revolutionäre Veränderung inzwischen die meisten Lebens- und Arbeitsbereiche. Damit gehen tiefgreifende, gesellschaftliche Veränderungen einher, die die Automatisierung von Produktketten genauso betreffen, wie die Vernetzung von Menschen und Gegenständen, die Veränderung des kommunikativen Verhaltens und von Interaktionsmustern, die Abwicklung von Geschäftsprozessen, das Freizeit- und Arbeitsverhalten, das Kaufverhalten, den Umgang mit Wissen und die Veränderung von Werten. Hierauf weisen beispielsweise Thiery (2014) und bereits Döring (2007) hin. Big Data und künstliche Intelligenz stellen neue Möglichkeitsräume und gleichzeitig massive Bedrohungsszenarien dar, auf die Yuval Harari (2019) sehr eindrücklich hinweist, wenn er die Auswirkungen intelligenter Maschinen, der Gentechnik und des Bioengineerings auf Zusammenleben und Umwelt beschreibt. Mit den Auswirkungen dieser Entwicklungen auf Coaching beschäftigen sich Böning und Strikker (2020) und rufen zu einem fachlichen Diskurs, damit Coaching nicht zukünftig nur ein Nischendasein fristet, sondern eine verantwortungsvolle Rolle in der Gesellschaft übernimmt. Die Auseinandersetzung mit digitalen Kompetenzen ist auf diesem Hintergrund unerlässlich.
1.1 Die Medialisierung der Lebens- und Arbeitswelten
Die Generation der sogenannten Digital Natives ist nahezu permanent online, interagiert in rasanter Geschwindigkeit mit anderen, erhält schnell Informationen und bewegt sich selbstverständlich in zwei- und dreidimensionalen Spiele- und Lernwelten. Immersiert in diese können sich die Nutzer:innen ein Alter Ego (Avatar) geben, , konkurrieren und gewinnen, Abenteuer er- und Phantasien ausleben (Ahn, Bailenson u. Park, 2014; Bredl, Bräutigam u. Herz, 2012 Trepte u. Reinecke, 2013).
Die gleichzeitige physische Präsenz an einem Ort von Individuen wird nebensächlich für Austausch und Beziehungsgestaltung. Para- und nonverbale Signale des face-to-face Kontaktes werden in der schriftlichen Kommunikation durch Emoticons und Akronyme ersetzt. Emotionen werden auf Distanz ausgelebt. Dies zeigt Cyber- Mobbing als negative Auswirkung, während positive Entwicklungen ermöglicht werden, wenn gleichgesinnte Unterstützer:innen in (teilweise globalen) Netzwerken gefunden werden, Menschen sich online verlieben oder über Grenzen hinweg solidarisieren (Six, Gleich u. Gimmler, 2007).
Das bedeutet, dass die professionelle, qualitativ hochwertige, wissenschaftlich fundierte Online-Durchführung von Coaching, Beratung, Supervision und Psychotherapie ein notwendiges Entwicklungsfeld für die Zukunftsfähigkeit dieser Dienstleistungen darstellt. Damit wird unter anderem der inzwischen selbstverständlich gewordenen Erwartungshaltung Rechnung getragen, dass im Internet sofort alles zu finden sei, was für die eigene Lebensgestaltung wichtig ist. Es entsteht eine On-Demand-Wirtschaft, die sich auch auf den Dienstleistungsbereich auswirkt.
An der Hochschule Erding wurde durch eine Gruppe von organisationsinternen Coachs des Deutschen Bundesverbandes Coaching (DBVC) – beschäftigt bei der Flughafen München GmbH, bei SAP und Thyssen-Krupp – eine Befragung von Studierenden und jüngeren Beschäftigten (den potentiellen Führungskräfte von Morgen) durchgeführt. Bearbeitet wurden folgende Schwerpunktthemen:
▶ Wie sehen Coaching-Klient:innen der Zukunft aus?
▶ Welche Produktdesigns werden sie im Coaching präferieren?
▶ Wie stehen heute junge Menschen zum Coaching der Zukunft?
Es zeigte sich, dass von allen befragten Items, der Wunsch nach Coach on Demand, also die sofortige Abrufbarkeit von Coaching, im Vordergrund stand.
1.2 Auswirkungen und Herausforderungen für das Coaching
Mit dem Verlauf der Corona Pandemie verläuft das berufliche Leben in vielen Bereichen virtuell und im Homeoffice. Auch nach Ende der Pandemie ist zu erwarten, dass die virtuelle Interaktion und das zumindest zeitweise Arbeiten im Homeoffice zum Alltag gehören werden. Beides hat Vorteile, aber auch deutliche Nachteile, die sich nach über einem Jahr zunehmend zeigen und zur neuen Wortschöpfung der Zoom Fatigue bzw. des WFH (Work-from-Home) Burnout geführt haben. Mit Zoom Fatigue (Zoom-Müdigkeit) ist ein Erschöpfungssyndrom aufgrund von langanhaltenden, virtuellen Interaktionen (virtueller Kommunikation und Kooperation) gemeint. Die App Zoom steht stellvertretend für Videokonferenzsysteme und Fatigue bedeutet im Englischen Müdigkeit oder Erschöpfung (Holländer, 2021). Unter Leitung von Frau Prof. Dr. Jutta Rump vom ibe: Institut für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen wurde eine Befragung im Dezember 2020 durchgeführt (Rump u. Brandt, 2020). Es nahmen 422 Geschäfsführer:innen, Führungskräfte, Personalleiter:innen, HR-Expert:innen, sowie Betriebs- und Personalräte teil. Insgesamt erlebten fast 12 % der Befragten immer Zoom-Müdigkeit und 83,8 % der Befragten erlebten regelmäßig Zoom-Müdigkeit.
Bei diesen Personen wurden folgende Belastungskriterien identifiziert, die in drei Kategorien unterteilt werden können:
1. Interpersonelles
• Fehlende nonverbale Hinweisreize
• Fehlen von Gestik und Mimik
• Kein Small Talk
• Eingeschränktes Netzwerken
2. Organisatorisches
• Versachlichung
• Zu enge Taktung
• Geringe Effizienz
• Fehlen von Socializing, Humor
3. Technisches (Abnahme im Zeitraum September bis Dezember 2020)
• Gestörter Gesprächsfluss durch Zeitverzögerungen
• Notwendigkeit erhöhter Konzentration bei schlechter Audioverbindung
• Frustration durch instabile Internetverbindungen
Insgesamt stellt das Fehlen sozialer Hinweisreize für das menschliche Gehirn eine große Herausforderung dar, da sie zur Dekodierung und Einschätzung von Verhalten genutzt werden. Bei Galerieansichten versucht das Gehirn Entschlüsselungen vorzunehmen, was bei virtueller Kommunikation mit einer Irritation einhergeht, da sie nur reduziert vorhanden sind. Gleichzeitig ist die Aufmerksamkeit sehr intensiv auf den Sachinhalt und den verbalen Austausch fokussiert. Bei Online-Konferenzen weiß man nicht, wann man von wem angesehen wird, was den Stress erhöht, da mehr Selbstaufmerksamkeit gefordert ist. Die gewohnte, kontextabhängige Einnahme von Rollen, Beziehungen, Aktivitäten und Zielen (z. B. im Beruf, beim Sport, in der Familie, bei Freizeitaktivitäten) wird drastisch reduziert, wenn Interaktion ausschließlich am gleichen Ort und vor dem Bildschirm stattfindet.
Bezogen auf Coaching ist auch zu beachten, dass die Fahrten zum Coach und wieder zurück, für viele Klient:innen eine wertvolle Reflexionszeit darstellen. Diesem Bedürfnis sollte mit gezielten Aufgaben zur Vor- und Nachbereitung der Coachingsitzung durch den Coach entgegengekommen werden. Es ist dabei zu beachten, dass Klient:innen ihre Online-Coaching-Sitzung in einen oft ohnehin schon randvollen Terminkalender einschieben, so dass sie von einem Online-Meeting in ihr Online-Coaching wechseln und so gleich wieder in der nächsten Online-Sitzung landen. Hier ist bewusste Grenzsetzung, gezielte Pausennutzung, Momente der Stille, des Innehaltens und der Reflexion im Sinne eines achtsamen Umgangs mit sich selbst gefragt, Themen, die auch im Online-Coaching bearbeitet werden sollten, um dieses Coaching so zu rahmen, dass es für die Klient:innen den größtmöglichen Gewinn darstellt. Kürzere und häufigere Einheiten sollten für Online-Coaching zu bevorzugten Settings werden.
Es kann auch sein, dass das Online-Coaching in einem nicht professionellen, privaten Ambiente stattfindet oder in einer Umgebung, in welcher die Klient:innen leicht Störungen ausgesetzt sind (Familienumgebung, Großraumbüro, von unterwegs, etc.). Des Weiteren besteht immer die Abhängigkeit von technischen Voraussetzungen (Hardware, wie Headset und Kamera, auditive und visuelle Qualität der Kommunikation) und einer stabilen Internetverbindung. Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit weiteren möglichen Nachteilen des Online-Coachings bietet Berninger-Schäfer (2018) eine ausführliche Übersicht.
1.3 Trends im Coaching
Die Coronapandemie hat seit 2020 die Medialisierung auch in Bereiche hineingetragen, die noch nicht von der Digitalisierung in dem oben beschriebenen Ausmaß erfasst worden waren. Dies betrifft unter anderem auch die Branche der Coachs, Supervisor:innen, Psychotherapeut:innen und Berater:innen. Hier herrschte die Vorstellung vor, dass eine Beziehungsgestaltung online nicht in der Form möglich sei wie im Face-to-face-Setting und dass die Online-Durchführung um wesentliche kommunikative und methodische Elemente beraubt sei. Des Weiteren wurde angenommen, dass über den Einsatz einer Audio-Videokommunikation das face-to-face Verhalten einfach übertragen werden könne, wenn auch mit Einschränkungen (Berninger-Schäfer, 2020).