MIAMI VICE 4: DER DROGENHÄNDLER - Stephen Grave - E-Book

MIAMI VICE 4: DER DROGENHÄNDLER E-Book

Stephen Grave

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Beschreibung

Ihre Autos sind schnell und schnittig, ihre Kleidung ist teuer und entspricht der neuesten Mode, ihre Freundinnen sind attraktiv und sexy. Sie sind Polizisten – Polizisten in Zivil. Sie arbeiten im Untergrund... für Miami Vice. Ihr Rhythmus ist hart und gewalttätig wie das Leben auf den Straßen von Miami. Sie machen Jagd auf die Dealer, die großen und die kleinen, die eine friedliche Stadt blutrot färben...

Sonny Crockett hat bittere Erinnerungen an Vietnam. Anders jener geheimnisvolle Mann, den man Sergeant nennt: korrupt und unermesslich reich kehrte er aus dem Krieg zurück.

Zehn Jahre später sind Crockett und Tubbs von Miami Vice dem Sergeant auf der Spur, der nicht nur im Drogenhandel einer großer Kopf ist, sondern auch die Kämpfe in Nicaragua zu einem lukrativen Geschäft für sich gemacht hat. Ein unerbittlicher Krieg entbrennt zwischen den beiden Detectives und dem Drogenkönig...

MIAMI VICE – die legendäre TV-Crime-Serie (1984 – 1989) von Michael Mann hat wie kaum eine andere TV-Produktion das Bild der 1980er Jahre geprägt. Die Roman-Adaptionen von Stephen Grave fangen diese Atmosphäre und das düstere Neon-Noir-Feeling der Serie perfekt ein, die bis heute Kult-Status innehat.

Der Apex-Verlag veröffentlicht die Roman-Serie als durchgesehene Neu-Ausgabe.

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STEPHEN GRAVE

MIAMI VICE 4:

Der Drogenhändler

Roman

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DER DROGENHÄNDLER 

1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 

10. 

11. 

12. 

13. 

14. 

15. 

16. 

17. 

18. 

19. 

 

Das Buch

Ihre Autos sind schnell und schnittig, ihre Kleidung ist teuer und entspricht der neuesten Mode, ihre Freundinnen sind attraktiv und sexy. Sie sind Polizisten – Polizisten in Zivil. Sie arbeiten im Untergrund... für Miami Vice. Ihr Rhythmus ist hart und gewalttätig wie das Leben auf den Straßen von Miami. Sie machen Jagd auf die Dealer, die großen und die kleinen, die eine friedliche Stadt blutrot färben...

Sonny Crockett hat bittere Erinnerungen an Vietnam. Anders jener geheimnisvolle Mann, den man Sergeant nennt: korrupt und unermesslich reich kehrte er aus dem Krieg zurück.

Zehn Jahre später sind Crockett und Tubbs von Miami Vice dem Sergeant auf der Spur, der nicht nur im Drogenhandel einer großer Kopf ist, sondern auch die Kämpfe in Nicaragua zu einem lukrativen Geschäft für sich gemacht hat. Ein unerbittlicher Krieg entbrennt zwischen den beiden Detectives und dem Drogenkönig...

MIAMI VICE – die legendäre TV-Crime-Serie (1984 – 1989) von Michael Mann hat wie kaum eine andere TV-Produktion das Bild der 1980er Jahre geprägt. Die Roman-Adaptionen von Stephen Grave fangen diese Atmosphäre und das düstere Neon-Noir-Feeling der Serie perfekt ein, die bis heute Kult-Status innehat.

Der Apex-Verlag veröffentlicht die Roman-Serie als durchgesehene Neu-Ausgabe.

DER DROGENHÄNDLER

Für Nancy

Vice: Moralische Abartigkeit oder Verdorbenheit, perverses Verhalten, das der Gesundheit oder der Leistungskraft schadet: sexuelle Unmoral, insbesondere Prostitution.

Vice Squad: Polizeieinheit, die damit beauftragt ist, für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen, die Glücksspiele, Pornographie, Prostitution und den illegalen Konsum von alkoholischen Getränken und Drogen betreffen.

1.

Sonny Crockett was waitin' for that deal to go down... Er widerstand dem Drang, mit den Fingern zu schnipsen, die Melodie zu summen. Fünf Stunden in einem teuflisch unbequemen Hinterhalt der Everglades. Don't you let that deal come 'round...

Der Song hatte sich in seinem Him festgefressen, und er konnte ihn nicht loswerden. Deal von Jerry Garcia von den unsterblichen Grateful Dead. Sehr passend für diese Gelegenheit. Sie warteten alle darauf, dass der Deal nun endlich lief.

Außer Crockett kroch auch noch der ganze Einsatztrupp der Abteilung für Drogenbekämpfung im Sumpf herum. Die Abteilung hatte bei den örtlichen Behörden um Unterstützung gebeten. Es ging darum, einen Drogendeal zu verhindern, bei dem vermutlich eine siebenstellige Summe den Besitzer wechselte. Das war der Grund dafür, dass Sonny Crockett und sein Partner Ricardo Tubbs jetzt ein willkommener Fraß für riesige Schwärme blutgieriger Stechmücken waren.

Die Leute von Miami Vice waren mit kompakten, leichten M-15-A-Waffen ausgerüstet. Das fünfstündige Warten im Versteck hatte die fast gewichtslose Waffe in Crocketts Arm schwer werden lassen. Die Luft schien vor Wasser zu triefen. Wenn man atmete, war es so, als sauge man Sauerstoff durch ein schimmeliges Handtuch ein. Die Sonne war schon über ihren höchsten Stand am Mittag hinaus und machte die

Atmosphäre stickig und übelriechend von Sumpfgas und Verwesung. Hartleibige geflügelte Insekten attackierten die Männer im Sturzflug, stachen, saugten Blut und ließen juckende Schwellungen zurück. Die Leute hatten allmählich kein Wasser mehr in den Feldflaschen, und ihre Muskeln und Gelenke begannen zu protestieren, sie schmerzten, weil sie schon seit fast einem halben Tag unbequeme Stellungen einnahmen, ohne dass es sich gelohnt hätte. Das Gerede und die Scherze waren allmählich verstummt.

Jetzt gab es nur noch den Hinterhalt und das Warten darauf, dass der Deal endlich stattfand. Die armen Drogenschmuggler - auf ihnen würde sich nicht nur die ganze Strenge des Gesetzes entladen, wenn sie landeten, sondern auch der vereinte Zorn erhitzter, schwitzender Rauschgiftbekämpfer und Miami-Vice-Beamter.

Die beiden Gruppen waren in einem Halbkreis um die äußere Begrenzung eines primitiven Flugfeldes herum aufgestellt. Die Landebahn war an einer der wenigen Stellen des Sumpflandes angelegt, die lang genug war, ein Flugzeug, das Räder hatte und keine Pontons, aufzunehmen. Crockett erkannte ein paar seiner Kollegen, die mit ihm warteten. Da war Bob, der Scharfschütze der Spezialeinheit, der wieder einmal an die Bezirksbehörde ausgeliehen worden war. Da war Bill Revis von der Drogenbekämpfung. Revis war bei der d'Angelo-Festnahme dabei gewesen - eine tadellose, saubere Razzia, bei der sie Drogen für mehrere Millionen erbeutet hatten. Revis war gut. Im Augenblick blinzelte er gerade in die Sonne, zwischen seinen trockenen Lippen baumelte ein zerbissener Zahnstocher, seine Ohren horchten angestrengt nach dem Geräusch eines entfernten Flugzeuges. Dieses Geräusch könnte bedeuten, dass sie alle ein wenig zu tun bekämen... und danach endlich etwas zu essen.

Ungefähr zwanzig Meter von Crocketts Posten an der Spitze der Landebahn entfernt stand Ricardo Tubbs bis zur Hüfte in Sumpfgräsern und fragte sich, ob wohl das Wasserloch, in dem er stand, von Blutegeln bewohnt war. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass Floridas freie Natur ihm nicht zusagte. Seine milchkaffeebraune Haut war von kleinen Schweißperlen bedeckt. Seine Augen von auffallend grüner Farbe blickten wie die von Revis prüfend über das Gelände, während er wartete. Geduldig wartete. Das war eines der Dinge, in denen Polizisten gut geübt sein sollten.

Crockett tauchte seine Hand in das übelriechende Wasser, das ihm bis ans Knie reichte, schöpfte mit der hohlen Hand davon und rieb sich das Gesicht damit ab. Das entmutigte die Insekten. Er wusste, dass es sinnlos war, auf die Stechmücken zu schießen.

Aber das hätte er am allerliebsten getan.

Der Sumpf, der Gestank, die Hitze... das Warten mit bereitgehaltener Waffe... die leichte Spannung und Nervosität in der Mannschaft... das alles war unangenehm vertraut. Crockett hatte vor zehn Jahren auf der anderen Seite der Erde auf ähnlichem Posten Dienst getan. Bevor diese Gegend in den Nachrichten Vietnam genannt wurde, hieß sie Indochina. Der Geruch und die Angst waren dieselben gewesen, egal, wie die Nachrichtenschnüffler sie nannten. Das war keine reale Welt. Dieser Bursche Coppola war in seinem Film »Apocalypse Now« mit seiner verrückten, surrealistischen Beschreibung des Vietnamkrieges näher an die Wahrheit herangekommen, als irgendein Zivilist verstehen konnte. Er hatte Bilder entworfen, die zum Ausdruck brachten, wie es in den Köpfen der meisten Infanteristen während der Dauer des Krieges aussah. Wie der fiktive Kurtz, der von Joseph Conrad stammte, bemerkt hatte: Das Grauen... Das Grauen...

Das war etwas, das man einem Zivilisten nur schwer erklären konnte. Zum Teufel, jetzt, wo Crockett auch wieder zurück in der »realen« Welt war, fand er es selbst bisweilen schwer, sich das alles vorzustellen. Aber manche Eindrücke vergaß man nie. Die Bilder, die Erinnerungen, die das, was von deinem Herz noch übrig war, zerbrachen und ein weiteres kostbares Stück von dem bisschen Menschlichkeit, das dir geblieben war, zerstörten.

So wie das Bild von Scotty Shepard im Leichensack - KIA - Killed in Action - im Kampf getötet. Im Bauch eines Transporters auf dem Weg nach Hause, während sein eigener toter Bauch von oben bis unten aufgeschlitzt war.

Das Wasser auf Crocketts heißem Gesicht roch faulig. Die Wolken am Himmel waren so zart wie Watte. Sie sahen trügerisch kühl aus. Direkt hinter dem Blau des Himmels schob sich ein verdächtig aussehender grauer Schatten hervor. Wenn es Regen gab, so würde er warm und unangenehm sein, wie Schweiß, der von einer breiten, fiebrigen Augenbraue tropfte. Jetzt war in der Feme so etwas wie ein Grollen zu hören.

Alle Ohren waren gespitzt und versuchten, sich zu orientieren. Die mehr als dreißig Männer und Frauen, die hier Dienst taten, duckten sich tiefer in den Sumpf, denn sie wussten, dass sie trotz ihrer sandfarbenen Kampfkleidung von oben ganz besonders gut sichtbar wären, falls das herankommende Flugzeug das Gebiet einmal überflog, um das Gelände vor der Landung zu überprüfen. Die einteiligen Spezialanzüge mit Reißverschluss sollten sie weniger auffällig machen. Außerdem sollten sie eigentlich wasserdicht sein. Crockett wusste schon, dass das ausgesprochener Unsinn war. Wie die meiste Ausrüstung, die auf Kosten der Steuerzahler Miami Vice zur Verfügung gestellt wurde, hatte sich auch dieser Anzug als mangelhaft erwiesen. Es schien, dass die Verbrecher immer mehr Geld auf Waffen und Ausrüstung verwenden konnten als sie selbst, gleichgültig, wie gut sie auch ausgestattet waren.

Das erinnerte ihn daran, wie Kommandotrupps von zwölfjährigen Vietnamesen den verknöcherten alten Präsidenten Johnson in den Hintern getreten hatten, bildlich gesprochen, indem sie die wohlausgerüsteten Soldaten der Vereinigten Staaten dezimiert hatten. Wir hatten die Waffen, die Stärke, die Taktik... und wir sind von den Einwohnern eines kleinen Landes, das die meisten Leute in den Staaten nicht einmal auf einer Landkarte finden konnten, über den Löffel halbiert worden. Dort konnte man eine wichtige Regel der Kriegführung lernen - mehr Männer und bessere Ausrüstung zu haben bedeutete nicht, dass man siegte.

Die M-15-A enthielt ein Magazin mit achtzehn Schuss. Das reichte für gute sechs Salven zu je drei Schuss, wenn die Waffe auf Schnellfeuer eingestellt war. Irgendein Schlaukopf von Tester hatte einen Haufen Regierungsgeld ausgegeben und entschieden, dass Drei-Schuss-Salven im Kampf am effektivsten waren. Crockett hatte sich in Vietnam angewöhnt, sich immer zu merken, wie viele Salven er noch hatte, und während des Kampfes mitzuzählen. Einzelschüsse ermüdeten den Abzugsfinger, wenn man auf Ziele schoss, die man oft nicht sah. Da war Schnellfeuer vorzuziehen. Warum kleckern, wenn man auch klotzen konnten, wie man damals sagte.

Ein Riemen quer über Crocketts Rücken enthielt zusätzliche Magazine. Warum kleckern, in der Tat. Während sie sich in den insektenverseuchten Sumpf drückten, blinzelten sie alle zur Sonne hinauf.

Das herankommende Flugzeug war eine rot-weiße zweimotorige Beechcraft, die zwei starke Pratt-Whitney-Propeller-Motoren hatte. Sie flog aus Sonnenrichtung, und es dauerte lange, bis sie sichtbar wurde. Plötzlich stoppten die Motoren, und Crockett wurde klar, dass der Pilot ohne Motorkraft auf dieser provisorischen Piste landen wollte.

Aus der Sonne heranfliegen wie eine japanische Zero, die einen amerikanischen Geleitzug auf See angreift, eine Landung mit abgestelltem Motor... beides zeigte, dass der Pilot so unbemerkt wie möglich bleiben wollte. Crockett bewunderte einen Augenblick lang die Nervenstärke des Fliegers. Den Motor abzustellen und auf die Landebahn zu gleiten war die Art von Trick, die man nur einmal pro Flug wagte. Wenn man ihn verpatzte, so konnte das bedeuten, dass man sich mit seiner Maschine hinter dem Ende der Landebahn wiederfand, in einem Feuerball. Und dann war man tot.

Die Landung war keineswegs perfekt. Die linke Tragfläche kippte nach links. Dreißig Polizisten beobachteten, wie das Vorderrad wegrutschte, als der Pilot seine Position korrigierte und die Räder mit hässlich kratzendem Geräusch auf der Landebahn aus festgewalzter Erde aufsetzten und dabei Staubwolken aufwirbelten.

Sie konnten sehen, wie im Inneren der Kabine der Passagier, der neben dem Piloten saß, krampfhaft nach einem Halt suchte, als die Maschine durch den heißen Aufwind vom Boden die Balance verlor. Die Hitze, die die ruhig im Hinterhalt wartenden Leute seit Stunden gequält hatte, bereitete nun dem landenden Flugzeug eine gehörige Portion Ärger. Man musste vorsichtig sein. Der Sumpf konnte jeden umbringen. Er unterschied nicht zwischen den Bösen und den Guten.

Revis machte ruhig und schnell mit der Hand Zeichen. Es gab wenig Grund, die Startbahn zu blockieren, denn die Motoren des Flugzeugs schwiegen jetzt. Fünf uniformierte bewaffnete Polizisten näherten sich von hinten. Der Kreis der Beamten zog sich enger, und Gewehrmündungen zielten auf das Flugzeug und die beiden Insassen.

Crockett bemerkte, dass nicht eine einzige Handfeuerwaffe auf das Schmugglerflugzeug gerichtet war. Auf seiner Seite waren alle Waffen M-15-As, Remington-Polizeiflinten und Gewehre mit Infrarot-Zielvorrichtung, genug Artillerie, um einen Putsch in einer mittelgroßen Bananenrepublik durchzuführen.

Revis hob sein Megaphon.

»Hier spricht Bill Revis von der Abteilung für Drogenbekämpfung.« Die Pro-forma-Vorstellung hallte über die Ebene. Sogar der Klang war heiß, metallisch, unfreundlich. Wenigstens ging Bill nach Vorschrift vor. An diesem Nachmittag hielten sich alle an die Verfassung. »Öffnen Sie jetzt die Türen und kommen Sie mit hinter dem Kopf verschränkten Händen aus dem Flugzeug. Während Sie die Türen öffnen, wollen wir Ihre Hände sehen. Oder wir pusten Ihnen die Luft aus dem Leib!«

Die Beechcraft schaukelte, als die beiden Insassen ausstiegen und durch ihre Fliegerbrillen auf die furchteinflößende Ansammlung von Feuerwaffen starrten, die auf sie gerichtet waren. Keiner von ihnen konnte älter als siebzehn sein. Crocketts Hoffnungen sanken bereits.

Er schaute auf, als Rico Tubbs sich hinter ihm bewegte. Während Revis' Leute das Flugzeug umstellten, sagte er, vor Abscheu zischend: »Rico, mein Junge, irgendwie sehen mir diese beiden Waschlappen nicht so aus, als wären sie die wichtigen Drogenhändler, auf die wir beide den ganzen Morgen in diesem Schlamm gewartet haben.« Sein Ärger schlug ihm auf die Stimme, die merklich lauter wurde.

Der eine Junge war ein Richard-Gere-Typ mit Pickeln und dunkler, fast italienischer Gesichtsfarbe. Der andere sah aus wie ein weizenblonder amerikanischer Bauernjunge. Vor zwanzig Jahren, dachte Crockett, wären diese beiden Burschen eingezogen und nach Saigon geschickt worden, als weiteres unsinniges Kanonenfutter für einen Krieg, der niemals öffentlich Krieg genannt wurde. Jetzt, ohne Krieg, beschäftigten sich solche Knaben mit Rauschgiftschmuggel. Sie schauten zu viel Fernsehen. Die übermütige Jugend.

Der dunkelhäutige Bursche war großspurig sogar angesichts der Gesetzesvertreter. Sein Partner war offenbar ein Jammerlappen.

»Nicht schießen!«, schrie der blonde Junge, mit hervorquellenden Augen, die Hände so fest hinter dem Kopf zusammengelegt, dass er Gefahr lief, sein Gehirn aus den Ohren herauszuquetschen. »He, schießt nicht, verstanden? Das Flugzeug gehört uns nicht einmal. Wir sind keine Schmuggler. Wir...« Der andere Junge brachte ihn zum Schweigen, trotz aller Gewehre, auf die sie starrten. »Halt den Mund, Randy. Wir brauchen diesen Heinis keinen Ton zu sagen!«

Aber Randy war in Panik und nicht mehr zu stoppen. »Es ist nicht so, wie es aussieht. Wir wollen es für uns selbst. Ehrlich!«

Revis' Leute gingen vorwärts, um die beiden Verdächtigen voneinander zu trennen und das Flugzeug zu untersuchen. Randys Kumpel leistete Widerstand, als er zur Seite geschoben wurde. Randy brach zusammen, sobald ihn einer berührte. Er tat so, als ob im nächsten Augenblick eine Guillotine herangerollt würde und sein letztes Stündchen geschlagen hätte.

»Pass auf, wen du hier rumschubst, du Frosch!« bellte der dunklere Junge Revis an.

Einen Augenblick lang befürchtete Crockett, Revis würde den Burschen mit dem Lauf seiner Flinte umlegen. Eine weitere hervorragende Empfehlung für »Unsere Freunde, die Gesetzeshüter«. Aber Bill behielt einen klaren Kopf.

»Mit dieser Haltung handelst du dir nur Ärger ein, mein Sohn!«, sagte er streng.

Der Junge machte eine obszöne Bewegung und fluchte unflätig. »Spar dir die Einschüchterungsmasche. Wir sind minderjährig. Du kannst keinem von uns etwas tun, also verschwinde.«

Ein Drogenbekämpfer mit kurzem Militärhaarschnitt, der eine MAC 10 mit Laser-Zielfernrohr trug, trat zu Revis. »Das werden Sie doch wohl nicht glauben!«, sagte er zu seinem Vorgesetzten und runzelte die Augenbrauen.

Revis' Blick fiel auf den großen grünen Plastikmüllbeutel, der aus der Beechcraft gezogen wurde.

»Ungefähr elf Kilo!«, rief ein anderer uniformierter Polizist. »Kein Kokain. Kein Heroin. Haschisch.«

Ein mit Gewehr bewaffnetes weibliches Mitglied der Drogenbekämpfung brach tatsächlich in lautes, hartes Gelächter aus. Mehr als fünf Stunden im Hinterhalt. Der ganze Transport. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Einheiten. Gehälter. Überstundenbezahlung. Crockett bezweifelte, dass der Ertrag aus dem Verkauf des Marihuanas auch nur halbwegs ihre Kosten deckte. Man konnte entweder lachen - oder weinen.

Revis sah aus wie ein Mann, dem man bei seiner eigenen Geburtstagsfeier einen Kuchen ins Gesicht geworfen hatte. Randy und sein Kumpel waren inzwischen in die gewünschte Haltung gerückt worden: mit erhobenen Armen und gespreizten Beinen.

Müde machte Revis im Programm weiter, »Sie stehen unter Arrest wegen des Besitzes und des Transports von Drogen...«

»Und vergiss nicht das Rauchen im Badezimmer!«, brüllte Tubbs. Auf seine Bemerkung folgte weiteres Gelächter. Seine und Crocketts Waffen waren jetzt gen Himmel gerichtet.

In der Luft war jetzt ein neues Geräusch zu hören. Es begann schwach und wurde rasch lauter - das Geräusch eines Schneebesens, mit dem Eier aufgeschlagen werden - ein heranfliegender Hubschrauber. Revis hörte auf, den Festgenommenen ihre Rechte zu predigen, und schaute über seine Schulter nach oben. Einige der Drogenbekämpfer, die annahmen, dass dies weitere Schmuggler sein könnten, machten wieder die Waffen schussbereit und begannen, sich in den Busch zurückzuziehen. Revis' Gesichtsausdruck jedoch dementierte dies. Er wusste über den Hubschrauber Bescheid. Und was er wusste, schien ihn in Verlegenheit zu bringen. »Zum Teufel, was hat das zu bedeuten?«, fragte Tubbs, dessen Bedarf an bösen Überraschungen für diesen Tag gedeckt war.

Der Hubschrauber flog tief über dem Sumpfland heran, peitschte die Gräser mit seinem Luftzug und übertönte jedes Gespräch mit seinem gräßlichen Lärm. Der Pilot war ein Könner. Die runde Nase des Hubschraubers wippte einmal, dann stand der ganze Hubschrauber perfekt auf seinen Kufen. Vielleicht war der Pilot ein Kriegsveteran. Für Crockett sah es nach einer makellosen Evakuierungslandung aus - die Art, die dazu bestimmt ist, einen so schnell wie möglich von einer gefährdeten Stelle wegzubringen.

Der Hubschrauber spie eine aufgeregte Gruppe von Männern und Frauen in Buschjacken aus, die Notizblocks und Kassettenrekorder trugen, dicht gefolgt von roboterartigen Burschen, die Video-Kamera-Ausrüstungen mit sich führten und die alle auf Revis, seine Drogenbekämpfer und ihre erwartungsgemäß festgenommenen Verbrecher zueilten. »Die vierte Gewalt«, grinste Crockett hinter seinem Dreitagebart, den er wie üblich trug. »Überlass das Revis. Großer Drogenschmugglerfang. Große Sache. Alles in den Zehti- Uhr-Nachrichten zu sehen. Nichts ist so geeignet wie die Berichterstattung der Medien, um die kriminellen Elemente abzuschrecken, die unsere Gesellschaft spalten. Du lieber Himmel.«

»Der kriegt, was er verdient«, entgegnete Tubbs und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Die Informationen kamen von der Drogenfahndung. Wir gingen von der Annahme aus, dass wir kolumbianische Drogenhändler hochnehmen sollten und nicht Sozialarbeit bei zwei jugendlichen Straftätern leisten. Castillo kriegt einen Schlag, wenn er das erfährt.«

Die Propellerblätter des Hubschraubers drehten sich nur noch träge. Ein Mann im beigefarbenen Freizeitanzug plauderte mit dem Piloten, der ausgestiegen war, um sich eine Zigarette anzuzünden. Der Pilot beugte sich vor, um die Flamme aus dem Ronson-Feuerzeug des kleineren Mannes zu erwischen. Der Mann im Freizeitanzug war ungefähr einsfünfundsechzig groß. Er trug eine runde Nickelbrille. Kurzgeschnittene rötliche Haare, die sich lichteten. Kräftige, breitbeinige Gestalt. Ein rötlicher Bart und ein ebensolcher Schnurrbart, der zu dem noch auf dem Kopf verbliebenen Haar passte und rundherum gestutzt war.

»Zwei Tonnen Zeitungsmeldungen für ein paar Pfund Haschisch!« grübelte Tubbs.

Crockett riss den Blick von dem Mann im Freizeitanzug. »Also, Rico«, sagte er breit, wobei sein Akzent hörbar wurde, »der Steuerzahler soll doch wissen, dass wir den kleinen Mann nicht diskriminieren, den unabhängigen kleinen Unternehmer, wenn es darum geht, dem Verbrechen einen Zahn zu ziehen...«

Beide lachten, doch ohne es spaßig zu finden. Was sie jetzt brauchten, war eine Dusche, ein kaltes Bier, etwas zu essen. »Demokratisch!«, sagte Crockett.

»Und außerdem«, fuhr er dann fort, »wenn unsere Gesichter nicht im Miami Herold abgebildet sind, wie sollen dann die bösen Buben wissen, vor wem sie Respekt haben müssen? Welche Zivilfahnder sind die dümmsten Esel? Wenn sie nicht wissen, wer wir sind, wie können sie dann Angst vor uns haben?« Der Scherz war gequält, und beide Männer wussten es. Der Morgen war zu lang, zu ermüdend gewesen.

»He, Crockett!«

Crockett fluchte leise vor sich hin. Das letzte, was ihm jetzt noch fehlte, war irgendein Fernsehreporter, der ein Interview von ihm wollte. Aber er schaute auf und sah den Mann im Freizeitanzug, der ihm mit seinem beigefarben bekleideten Arm zu winkte.

»Crockett! Huhu!«

Er kam über die Landebahn. Seine Stimme war das Schlimmste - wie eine Stimme aus der Vergangenheit oder wie der Ruf eines Gespenstes.

Crockett schaute genauer hin.

»Ist das ein Kumpel?«, fragte Tubbs.

»Nein, ich...« Crockett blieb der Mund offenstehen, und er sprach nicht weiter.

Stone. Vietnam. Ira Stone. Aus Vietnam. 1972. Die Evakuierung. Der gottverdammte Ira Stone.

»Der verrückte Stone«, sagte er fast ehrfurchtsvoll. Bevor Tubbs noch fragen konnte, machte Crockett große Sprünge durch das Gesträuch und drückte sich an einer Fotoreporterin vorbei. Nehmen Sie die Kamera aus meinem Gesicht, Schätzchen.

Tubbs beobachtete, wie die beiden Männer aufeinander zutraten und anhielten, fast so, als stünde zwischen ihnen ein unsichtbares Hindernis. Sie schauten einander von oben bis unten an und konnten es nicht glauben. Dann ein schneller, fester Händedruck. Dann gegenseitiges Schulterklopfen, sehr hart und männlich. Sie hielten einander auf Armeslänge entfernt, warfen sich einen langen, prüfenden Blick zu. Crockett überragte seinen kleineren Kumpel.

»Lange Zeit her«, flüsterte Crockett, dessen Stimme plötzlich versagte.

»Tausend Jahre, Mann!«, sagte Stone mit verzerrtem Grinsen. »Erinnerst du dich an den Song: It's a long, hard road...?«

»Himmel.« Das Staunen stand immer noch in Crocketts Augen. Vielleicht war das ein Geist, ein wirklicher Geist aus seiner eigenen Vergangenheit?

»Bereitet sich so die Jugend Amerikas auf die Nachsaison vor?«, sagte Stone und wies auf die verunglückte Polizeiaktion, die Revis nun vor den Nachrichtenleuten, die um das Flugzeug herumstanden, herunterzuspielen versuchte. »Eigentlich siehst du mir nicht nach einem High-School-Football-Trainer aus.«

Das freundschaftliche Geplänkel war hervorragend eingespielt und kaum automatisch. Crockett verfiel in den alten Ton, ohne nachzudenken. »Wenigstens bin ich nicht arbeitslos, Junge. Wie steht es mit dir? Deinen Namen hab ich seit mindestens dreizehn Jahren nicht mehr unter einem Artikel gesehen.«

»Du liest die falschen Zeitungen!«

»Vielleicht kannst du diese Geschichte dem Teenager-Magazin verkaufen - du weißt schon - Drogenrazzia des Monats?«

»Meinst du etwa mich?« Stone sah ihn angewidert an. »Das hier ist keine Geschichte für mich. Ich bin mitgekommen, weil ich gehört habe, dass du einer der Clowns bist, die in diesem Zirkus mitspielen!« Mit einem Grinsen, das tausend alte Gemeinsamkeiten in Erinnerung rief, fügte er hinzu: »Du weißt doch, an welcher Geschichte mir wirklich liegt, Crockett, alter Junge!«

Das sagte ihm nichts. »Ich kann es kaum abwarten, bis du es mir erzählst, Ira.« Crockett war immer noch nicht sicher, dass es Ira Stone war, der da mit ihm redete.

Tubbs schlenderte näher, um zu sehen, was das für ein seltsames Zusammentreffen war. Er schulterte seine Waffe und schlenderte zu den beiden hinüber.

»Komm schon, Crockett, verlass dich auf mich. Die beste Drogengeschichte des Jahrzehnts. Der Sergeant lebt. Und er ist wieder im Geschäft, direkt hier in Florida.« Er wartete ab, bis Crockett seine Worte verdaut hatte, und klopfte ihm brüderlich auf die Schulter. »Ich hol meine Sachen. Was ich dir darüber erzählen werde, da fallen dir die Augen aus dem Kopf. Das Mittagessen bezahlt mein Verleger.«

»Wer ist denn diese fliegende Untertasse?«, fragte Tubbs, als Stone davontrottete.

»Ein Kriegsberichterstatter, den ich in Saigon kannte!«, sagte Crockett.

»Freust du dich, ihn zu sehen?«

Crockett sah die Fahndung nicht mehr, sie war jetzt vergessen. Jetzt war er irgendwo ganz für sich allein, irgendwo in der Vergangenheit. »Ja. Aber ich kann kaum glauben, dass er es ist. Wer so süchtig nach Gefahr ist wie Ira Stone, überlebt meist im Frieden nicht lange.«

  2.

 

 

Saigon fiel.

Die Evakuierung war wie eine Szene von Dante, vielleicht auch von Bosch. Überall verstopften verzweifelte Menschenmassen die Straßen. Ein Ochsenkarren mit bäuerlichen Habseligkeiten war auf der Straße umgestürzt und versperrte den herausströmenden Menschenfluten den Weg. Rauch verdüsterte die Luft. Der hämmernde Motorenlärm amerikanischer Hubschrauber übertönte alle Geräusche, die Menschen überhaupt machen konnten. Das beständige ohrenbetäubende Brummen der großen Sikorsky-Hubschrauber wurde von Mörserfeuer, das näher kam, unterbrochen. Sechzig-Millimeter-Geschosse schlugen ringsherum in der Stadt ein, rissen Brocken aus den Häusern und ließen jedermann angstvoll wimmern. Die Schießerei war Teil des Alltags. Die Allgegenwart des Todes ringsumher war nichts anderes als eine zur Routine gewordene tägliche Ablenkung. Irgendwo auf der Straße begann eine Frau zu schreien und wie wild um sich zu schlagen. Ein zehnjähriges Kind rannte mit brennenden Haaren an Crockett vorbei. Crockett sah nur einen orangefarbenen Feuerschein und roch den widerlichen Gestank versengten Haares. Das war alles, was er zu sehen wagte. Dann suchte er bescheidene Deckung unter einer Betonmauer, die einst senkrecht gestanden hatte, die jetzt aber, wo sie schräg lag, wie ein Dach Schutz bot.

Die Stadt war verrückt geworden.

Crocketts Augen starrten in weite Feme, ohne etwas zu sehen. Es war noch keine vierundzwanzig Stunden her, dass er zugesehen hatte, wie es Scotty erwischt hatte.