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Was haben Milchschaum, Rauchringe und ein Brei, der beim Umrühren knallhart wird, gemeinsam? Diese Phänomene lassen sich mit physikalischen Prinzipien einfach und alltagstauglich erklären. Vergessen Sie also den Formeldschungel aus Ihrer Schulzeit, nehmen Sie sich eine Tasse Kaffee (oder Tee) und vertiefen Sie sich in dieses Buch: 24 physikalische Phänomene erwarten Sie.
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Seitenzahl: 111
Veröffentlichungsjahr: 2018
Was haben Milchschaum, Rauchringe und ein Brei, der beim Umrühren knallhart wird, gemeinsam? Alle drei Phänomene lassen sich mit einfachen Prinzipien alltagstauglich erklären. Ja, sogar noch mehr: Sie können sich von alltäglichen Begegnungen mit der Physik überraschen lassen. Und Sie werden schnell merken, dass Sie davon mehr verstehen, als Sie denken.
Also keine Angst vor Physik! Formel und Gleichungen und das ganze Horroszenario aus Ihren Schultagen können Sie getrost vergessen, auch wenn an manchen Stellen "echte Wissenschaft" einfließt und neueste Forschungsergebnisse zu Wort kommen. Vergessen Sie also den Formeldschungel aus Ihrer Schulzeit, nehmen Sie sich eine Tasse Kaffee (oder Tee) und vertiefen Sie sich in die folgenden Kapitel: 24 Phänomene, egal ob Kaffeeflecken, Frühstücksflocken oder Zauberkunststücke, erwarten Sie dort.
Vielleicht noch kurz das "Kleingedruckte": Ich habe alle Experimente sorgfältig ausprobiert und dokumentiert. Aber da ich natürlich Euren Haushalt und Euer Geschick nicht kenne, kann ich keine Haftung übernehmen.
Eure Physikhexe
Eine kleine Unachtsamkeit, und schon haben Sie einen kleinen „Kaffeeteich“ auf Ihrem Schreibtisch platziert. Greifen Sie jetzt nicht schnell zu einem Wischtuch, sondern warten Sie ab und lassen Sie den braunen Tümpel – wenn der Kaffee nicht gerade vom Schreibtisch läuft – ruhig mal antrocknen.
Abb. 1: So ein Kaffeefleck!
Kaffeeflecken bilden einen dunklen Rand – aber warum?
Das Ergebnis wird Ähnlichkeit mit meinem Foto haben (Abb. 1): Der Rand ist keineswegs kreisrund und ebenmäßig, es finden sich Ausbuchtungen und Halbinseln. Und die Kaffeepfütze hinterlässt außen einen deutlichen braunen Ring, das Innere bleibt heller. Hätten Sie das erwartet? Sicher nicht, denn normalerweise trocknen Pfützen und auch größere Tropfen, egal ob Wasser, Wein oder Kaffee, stets von außen nach innen. In der Mitte ist der Tropfen dicker als außen, dort sollten sich also viel mehr braune Kaffeeteilchen befinden.
Die Form entsteht durch Kräftegleichgewicht
Zunächst wird der Kaffee sich auf der Oberfläche verteilen, wobei sich Form und Rand (man nennt dies Kontaktlinie) durch ein sensibles Gleichgewicht ergeben: Einerseits möchte die Pfütze - wie jeder Tropfen - eine möglichst kleine Oberfläche einnehmen, schuld daran sind die Anziehungskräfte zwischen den Molekülen an der Oberfläche der Flüssigkeit. Der Fachbegriff dafür heißt Oberflächenspannung. Sie sorgt dafür, dass Tropfen wie mit einer Art elastischen Haut oder Folie überzogen sind, auf die man sorglos leichte Gegenstände wie Büroklammern auflegen kann, ohne dass sie untergehen (unbedingt in einem Glas Wasser ausprobieren, jedoch vorsichtig auflegen!).
Allzu kugelförmig (und damit hoch) wird der Kaffeetümpel aber auch nicht werden, denn auf die Moleküle in der Flüssigkeit wirkt die Erdanziehungskraft, die den Tropfen möglichst flach ziehen will. Zudem üben die Moleküle der Flüssigkeit und der Tischoberfläche Kräfte aufeinander aus, man nennt dies Adhäsion. Sind diese groß, wird der Flüssigkeitstropfen in die Breite gezogen, sind sie klein, bleibt das Getränk auf der Oberfläche mehr oder weniger kugelig liegen. Solche Oberflächen sind Wasser abstoßend. Letztendlich bestimmen die physikalischen Unebenheiten der Fläche und ihre chemische Beschaffenheit (Fremdatome, Fettstellen etc.) zusammen mit den gelösten Schwebstoffen Form und Größe der kleinen Kaffeepfütze. Im Allgemeinen werden Sie daher keinen kreisrunden „Kaffeeteich“ erhalten, sondern ein mehr oder weniger unregelmäßiges, teilweise sogar ausgefranstes Gebilde. Und die Oberflächengegebenheiten sorgen zudem dafür, dass die Flüssigkeitspfütze an diesem gebildeten Rand festhängt.
Eine seltsame Strömung entsteht
Nun beginnt das Wasser zu verdunsten. Die Flüssigkeit wird sich zwar auf der gesamten Oberfläche verflüchtigen, aber am dünnen Rand bemerkt man das zuerst: Dort wird der Flüssigkeitsfilm dünner und trocknet dann aus. Zurück bleiben die Teilchen, die im Wasser gelöst waren, in unserem Fall der feine braune Kaffeestaub. Da der Rand festhängt – verstärkt wird das kurioserweise oft noch durch die dort abgelagerten Stoffe – kann sich der Tropfen nicht zusammenziehen, der kleine See behält seine ursprüngliche Ausdehnung (fast) bei. Stattdessen wird die Flüssigkeit, die am Rand verdunstet, aus der Mitte der Pfütze nachgeliefert, eine nach außen gerichtete Strömung entsteht. Der Kaffeeteich wird flacher, behält aber (manchmal sogar bis zum Schluss) seine Form bei. Derartige Strömungen lassen sich übrigens durch kleine, nur mikrometergroße Kugeln in der Flüssigkeit, die mit einer Lichtquelle angeleuchtet werden, sichtbar machen.
Mit der Nachschubströmung werden immer mehr winzige Partikel zum Rand befördert und dort abgelagert. Sie bilden den braunen Rand, der fest an der Oberfläche haftet und den Fleck nach erfolgreicher Trocknung einschließt. Die gröberen und damit schwereren Kaffeebestandteile nehmen übrigens nicht oder kaum an dieser Strömung teil, wie man auf meinem gut Foto erkennen kann. Nur die leichten Schwebstoffe werden von der Strömung nach außen transportiert. Zum Erliegen kommt diese Strömung übrigens erst, wenn der Teich zu einem hauchdünnen Flüssigkeitsfilm geworden ist, der als schwach gebräunte Fläche verbleibt.
Die Oberflächenspannung siegt
Hat man eine größere Menge Flüssigkeit zum Verdunsten, kann es passieren, dass sich diese während des Austrocknens abrupt nach innen zurückzieht und vielleicht sogar einen Teil des bereits gebildeten Randes mitreißt – ein klarer Sieg der Oberflächenkräfte. Erkennbar wird das an Ausbuchtungen und Unregelmäßigkeiten. Aber weiter innen bleibt die Kaffeeflüssigkeit dann wieder hängen und es bildet sich eine neue, kleinere Kontaktlinie. Jetzt nimmt die Flüssigkeit eine kleinere Fläche ein und das Spiel beginnt von neuem. Weitere Ränder entstehen, wenn in relativ kurzer Zeit große Randbereiche trocknen; ein Ringmuster zeigt dementsprechend die Haltestationen der Verdunstung an.
Das gleiche Phänomen können Sie beobachten, wenn Wasser aus einer mit Salz (oder noch besser: Tannennadeln) angereicherten Pfütze verdunstet, die sich auf flachem Boden befindet. Ist das gesamte Wasser verdunstet, findet man einen weißen Salzring bzw. eine Ansammlung der kleinen braunen Nadeln genau dort, wo die Pfütze einmal ihre größte Ausdehnung hatte. Manchmal kann man sogar mehrere, fast konzentrische Ringe entdecken. Auch hier werden die Bestandteile, egal ob Salz oder die schwimmenden Nadeln, mit einer Strömung nach außen getragen und lagern sich beim Verdunsten dort ab.
Kaffee- und Tintenflecken – ein interessanter Vergleich
Alle Experimente in der Abb. 2 habe ich selbst ausprobiert. Die Kaffee- und Tintenflecke habe ich dabei auf die Oberseite einer alten Küchenplatte platziert. Einige Tage Geduld waren für die Muster allerdings erforderlich. Aber es hat sich gelohnt!
Wie man sieht, bilden ausnahmslos alle Kaffeeflecken einen dunklen Rand aus, auch mit Wasser verdünnte Tinte tut uns diesen Gefallen. Rechts oben befindet sich einen Tintenfleck auf Stoff. Auf Zeitung oder Stoff bilden sich oft ovale Flecken aus. Die Erklärung liegt in der Richtung der pflanzlichen Fasern, die bei vielen Stoffen und vor allem auf Zeitungspapier hauchdünne kleine Röhrchen haben, in denen die Flüssigkeit – wie bei der lebenden Pflanze – leicht vordringen kann. Quer zu diesen Fasern ist die Saugwirkung kleiner. Der ovale Flecke verrät also die Faserrichtung von Papier und Stoff.
Abb. 2: Die unterschiedlichsten Flecken sind hier versammelt
Wenn Sie eigene Versuche machen wollen, probieren Sie es mit arabischem oder türkischem Mokka, der besonders viele, feine Kaffeeschwebstoffe enthält. Drehen Sie nach dem Genuss einfach die kleine Mokkatasse um, wenn sie noch nicht vollständig leer ist. Mit Espresso klappt das natürlich auch. Für eine Randbildung sollten Sie den Kaffee natürlich nicht auf Stoff oder Papier tröpfeln, die vollständig benetzt werden und keine Pfützen ausbilden. Kunststoffoberflächen sind ideal geeignet.
Blick über den Tellerrand: Dekorative Kaffeeflecken
Auf was man bei einer Recherche zu einem Thema alles stößt, erstaunt zuweilen. Eine britische Firma bietet Tassen mit erhabenen Mustern auf der Stellfläche an. Die Idee ist, dass sich beim Verschütten von Kaffee nur die vorgefertigten, hübschen Verzierungen auf der Tischdecke, sozusagen als Dekoration, abbilden. Ob es allerdings auch funktioniert, ist zu bezweifeln, läuft doch der Kaffee fast immer am Außenrand der Tasse entlang auf die Tischdecke oder er tröpfelt aus der Kanne. Die meisten Flecken entstehen wahrscheinlich sogar durch (unachtsame) Stöße an die Kaffeetasse. Da hilft auch der „Fleckenstempel“ auf der Unterseite nicht.
Beim Mokka ist Schaum erwünscht, beim Espresso ist die kleine Schaumschicht, Crema genannt, sogar ein Qualitätsmerkmal (Abb. 3). Aber wie entstehen die hauchzarten Gebilde, warum gab es früher Espresso solo und was hat das alles mit Physik zu tun?
Abb. 3: Aber bitte mit Crema!
Einen guten Mokka zubereiten
Der Begriff „Mokka“ hat seinen Ursprung von einer speziellen Kaffeesorte, die in der Hafenstadt Al Mukah am Roten Meer verschifft wurde. Heute versteht man darunter einen Kaffee, der sehr konzentriert zubereitet ist. Bei der türkischen Variante, die aus den Anfangszeiten der Kaffeegeschichte stammt, wird das puderfein gemahlene Kaffeemehl nicht gefiltert, sondern gekocht und anschließend in kleine Tässchen oder Gläser gefüllt. In der Türkei heißt der kleine Aluminium- oder Kupferbehälter für diesen Kochvorgang „Cevze“, in Griechenland nennt man in „Ibrik“.
Vielleicht machen Sie eigene Experiment und versuchen es mit folgendem Rezept: 2 Teel. sehr feines Kaffeepulver (in türkischen Läden „Minas“ genannt) auf 1 Tasse Wasser mit 1- 4 Teel. Zucker und gemahlenen Gewürzen wie Zimt, Kardamom oder Nelken (nach Belieben) in den Ibrik füllen, kurz umrühren und zum Kochen bringen. Bei der Mokka-Zeremonie wird nach dem ersten Aufschäumen der Schaum in die erwärmten kleinen Mokkatässchen abgefüllt, wenig Wasser nachgegossen und der Kaffee erneut erhitzt, bis er kocht. Den Kaffee dann unter Schwenken des Ibrik (erzeugt zusätzlichen Schaum!) mit dem Kaffeesatz vorsichtig in die Tassen füllen. Vor dem Trinken wartet man einen Moment, bis sich der Satz, der in seiner Konsistenz an feinen Schlamm erinnert, abgesetzt hat.
Woher kommt der Schaum?
Wie Sie vielleicht gemerkt haben, muss man bei der Zubereitung aufmerksam sein. Denn plötzlich schäumt der Kochsud auf und landet – statt in der Tasse – auf der Kochstelle. Bemerkt man die Schaumbildung, muss man den Ibrik also schnell von der Herdplatte nehmen. Doch wie kommt es überhaupt zum Schaum? Auch wenn man vor dem Erhitzen umrührt, bilden sich nach einiger Zeit auf dem Herd drei Schichten aus: Unten setzt sich der noch nicht gelöste Zucker ab, darüber befindet sich eine Schicht (weitgehend klares) Wasser und oben entdeckt man einige schwimmende Kaffeepulverklümpchen.
Zwischen den winzigen Körnchen bestehen elektrische Anziehungskräfte, die sie zusammenhalten und gleichzeitig Luft in kleinen Bläschen einschließen. Dass Kaffeepulver etliche Mengen an Luft bindet, ist ja bekannt: Je kleiner die Kaffeekörnchen sind, umso größer ist die von ihnen erzeugte Oberfläche, an der die Luft anhaften kann. Daher ist auch das feine Mahlen des Kaffees so wichtig. Auch nach dem Rühren befindet sich an dem pulvrigen Kaffee noch genügend dieser Luftbläschen, um etliche Klümpchen an die Oberfläche zu treiben.
Beim Erhitzen wird nun die gesamte Zuckerschicht aufgewirbelt, es bilden sich Zuckerfäden, an denen beim Sieden die Dampfblasen vom Boden des Topfes hochsteigen. Die turbulente Zuckerschicht erreicht bei fortschreitender Erhitzung auch die Kaffeeklümpchen, die nun herumgewirbelt werden. Sie bilden Unmengen kleiner Keime für die Dampfbildung: Es entstehen unzählige Dampfbläschen, zusammen mit den Luftbläschen bilden sie den begehrten Schaum. Die Stabilität des Schaums verdanken Sie übrigens dem Zucker, denn er erhöht die Viskosität des Mokkas. Die Schaumbläschen sind ja nichts anderes als dünne, gasgefüllte Hüllen. Je zäher diese Hüllenflüssigkeit ist, desto stabiler wird der Schaum sein. Auch der Zucker ist sehr wichtig, denn ohne seine schützende und stabile Haut würden die Schaumbläschen rasch zerplatzen und wahrscheinlich noch nicht einmal das Einschenken überstehen.
Die Samtschicht auf dem Expresso
Ein gelungener Espresso hat auf seiner Oberfläche eine samtartige, bräunliche Schaumschicht mit winzigen Bläschen, die bekannte Crema. Auch hier spielt besonders fein gemahlener, dunkel gerösteter Kaffee die Hauptrolle. Die Espressomaschine – außer den gastronomischen Vollautomaten gibt es inzwischen eine Vielzahl von Modellen für den Hausgebrauch - presst eine kleine Menge fast kochendes Wasser mit Hochdruck durch das in einem Siebbehälter befindliche Kaffeepulver. Es entsteht eine konzentrierte Flüssigkeit. Professionelle Maschinen arbeiten mit einer Temperatur von mehr als 90 °C und einem Pumpendruck von 5 – 9 bar; die Durchlaufzeit beträgt nur etwa 25 Sekunden.
Ältere Maschinen arbeiten mit einem Handhebel, der eine starke Feder vorspannt, die das Wasser dann durch einen Kolben und den Siebträger drückt.. Je höher der Druck, desto dichter und damit samtiger wird die Crema. Durch den hohen Druck bilden sich nämlich nur kleine Bläschen. Interessant ist (oder nur Legende?), dass man anfangs sehr überrascht war, dass das extrahierte Getränk bei Drucksteigerung eine so schöne schaumige Krone erhielt. Sie wurde von den Herstellern der Maschinen als „crema naturale“ angepriesen, um nicht in den Verdacht chemischer Zusätze zu geraten.
Die Crema unter dem Mikroskop
Betrachtet man die Crema unter dem Mikroskop, dann sieht man, dass sie (ebenfalls) aus winzigen Luft- und Wasserdampfbläschen besteht, die von Flüssigkeitsfilmen aus emulgierten Öltröpfchen umgeben sind. Oft enthält sie außerdem dunkle Bruchstücke aus der Zellstruktur der Kaffeebohnen, die die Farbgebung beeinflussen. Unter dem Druck der Maschine wird nämlich ein Teil des im Kaffee enthaltenen Öls - pro Tasse sind dies nur 0,1 g – emulgiert. Die am Kaffeepulver haftenden Luftbläschen werden mit dem heißen Wasser fortgerissen, der Kaffeesatz sieht dementsprechend aus wie ein komprimierter Kuchen. Gelangt die Crema auf die Zunge, dann setzen die winzigen Bläschen die flüchtigen Aromastoffe aus den emulgierten Ölen frei. Kenner unterschieden Aromen wie Kakao, Karamell sowie holzige oder nussige Noten.
Abb. 4: Bialettis Kanne mit Siebeinsatz und Steigrohr
Bialettis Kanne – ein Klassiker, leider kaum Crema