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Der Baske Nael zieht in jungen Jahren nach Norden, um sich den isländischen Wikingern, dem Volk seiner Mutter, anzuschließen. Nach einigen glücklichen Jahren auf Grünland verliert er seine Familie durch Krankheit und verlässt seine Wahlheimat. Er kehrt ins Land der Basken zurück. Um den inneren Schmerz zu bekämpfen, geht er mit der asturischen Kriegerin Isabella auf eine Reise, die ihn nach Rom führt. Dort wird er in den Machtkampf der Familien der Tuskulaner und Crescentier hineingezogen. Er trifft auf die stolze Römerin Emilia, die zum Spielball von bösartigen Intrigen wird. Gemeinsam mit Isabella und dem mysteriösen Sänger Bartholomäus de Wenia stellt er sich an die Seite der trauernden Witwe und kämpft einen scheinbar aussichtslosen Kampf gegen skrupellose Gegner.
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Seitenzahl: 552
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1.
Mai 1035 bis März 1036
2.
April 1036 bis Mai 1036
3.
Mai 1036 bis Juni 1036
4.
Juni 1036 bis August 1036
5.
September 1036 bis November 1036
6.
Dezember 1036 bis Mai 1037
In Eystribyggd, der östlichen Siedlung der Wikinger auf der Insel Grünland, herrschte klares Wetter, die Temperaturen erwiesen sich nach dem strengen Winter als angenehm. Ringsum machte sich der Frühling bemerkbar, das Grün der Wiesen brach die weiße Farbe des Winters. Die Pflanzen erwachten nach dem monatelangen eisigen Panzer, das Leben kehrte zurück nach Grünland. Jene Insel, die vom legendären Wikingerkönig Erik Thorvaldsson, genannt der Rote, vor ungefähr fünfzig Jahren als Land besiedelt wurde. Er wurde vom Althing in Island wegen eines tödlichen Streits verbannt und siedelte als Erster mit seinen Gefährten auf der Insel. Erik gab der Insel seinen Namen, im südlichen und westlichen Küstenabschnitt existierte fruchtbares Land zum Siedeln. Der König gründete in Brattahlid seinen Hof, der bis zu diesem Tag als der Größte galt. Als König von Brattahlid wurde er von den anderen auf der Insel als Oberster angesehen. Er kontrollierte den Meerzugang, an dessen Ende der Hof lag. Es gab viele Höfe an der südlichen und westlichen Küste, mittlerweile lebten einige Tausend Menschen in Grünland. Die Westsiedlung Vestribyggd bildete den Abschluss der Besiedlung, fast alle fruchtbaren Teile der Insel wurden von den Wikinger vereinnahmt. Daneben gab es die Skraelingar. Dieses Volk hielt sich im Norden auf. Ähnliche Völker existierten in den benachbarten Regionen Helluland, Markland und Vinland, das als fruchtbarstes der westlichen Gebiete galt. Keiner von den Wikingern wusste, wie sich diese Menschen selbst nannten. Es interessierte sie auch nicht, denn diese erwiesen sich in den meisten Fällen als feindselig und scheuten den Kontakt. Derzeit herrschte auf den unzähligen Höfen an der Küste großes Wehklagen. Eine Epidemie erfasste die Insel. In unregelmäßigen Abständen traten Seuchen und Krankheiten auf, die sich keiner erklären konnte. Jeder Hof beklagte Opfer innerhalb der Sippen und Familien. Auch der legendäre Gründerkönig Erik fiel einer derartigen Krankheit zum Opfer. Westlich von Brattahlid stand der Hof der Familie Gunnarsson. Geleitet wurde er vom über fünfzigjährigen Egil Gunnarsson, an dessen Seite seine Frau Runa Hakonsdottir stand, die sich im selben Alter befand. Die Familie durchlebte die Seuche relativ unbeschadet, nur ihre jüngste Tochter Alva, Mitte Zwanzig, lag im Sterben. Die anderen Familienmitglieder vermieden den Kontakt zu den erkrankten Menschen. Sie folgten einer Anordnung des Familienoberhauptes, nur seine Frau Runa hielt sich nicht daran. Auch an diesem Vormittag suchte sie die Grassodenhütte ihrer Tochter auf. Als sie eintrat, verzerrte sich ihr Gesicht vor Schmerz, denn sie liebte jedes ihrer Kinder innig. Neben Alva schenkte sie weiteren sechs Kindern das Leben, zwei davon starben in jungen Jahren, aber die anderen schienen gesund zu sein und würden diese Krankheit überleben. Die Priester sprachen von einer Reinigung, aber sie kannten den Schmerz einer Mutter nicht, die in das Gesicht eines todgeweihten Kindes blicken musste. Die blonde Alva lag auf ihrem Lager, gut zugedeckt mit schweren Decken. Runa trat heran und blickte in das Antlitz ihrer schlafenden Tochter. Neben dem Lager saß ein Mann, ein wahrer Hüne mit blondem Haar, bläulichen Augen und einem dichten Bart. Voller Mitleid blickte die Wikingerfrau auf ihren Schwiegersohn und legte ihre Hand auf seine Schulter. „Du musst schlafen, Nael. Es hilft nicht, wenn du ebenfalls erkrankst. Der Schlaf wird dir helfen, deine Gesundheit stabil zu halten“, sagte sie mit ruhiger Stimme. Der Angesprochene drehte sich um, das Gesicht wirkte müde, der Körper kraftlos. „Ich kann nicht schlafen, Runa. Alva soll nicht allein sein, wenn Gott sie zu sich ruft. Das bin ich deiner Tochter schuldig. Es ist egal, am liebsten würde ich neben ihr liegen“, antwortete der blonde Hüne teilnahmslos. Anfangs konnte Nael nicht glauben, dass seine geliebte Frau und sein vierjähriger Sohn Björn von der Krankheit befallen wurden. Er ging zur Kirche, betete stundenlang, doch es half nichts. Vor ein paar Tagen starb sein Sohn, der kleine Körper schien übersät zu sein von vielen roten Malen. Sie trennten ihn von seiner Mutter, um die Heilung beider zu ermöglichen, aber es half keinem. Als die kleine Hand in seiner erschlaffte und sein schlafender Sohn für immer die Augen schloss, brach etwas in dem Mann. Er verstand nicht, warum es ausgerechnet seinen Björn traf, der sich als Sonnenschein und Quelle des Lebens erwies und seine Eltern jeden Tag erfreute. Nael stützte seinen Kopf in seine große Hand, die Erinnerung daran zerriss ihn innerlich fast. „Du musst leben, Nael. Alva und Björn würden nicht wollen, dass du aufgibst. Jeder Mensch hat sein Schicksal, das ist nicht aufzuhalten. Wir müssen damit leben“, sprach Runa eindringlich auf ihren Schwiegersohn ein, obwohl ihr eigener seelischer Schmerz sie peinigte. Doch sie entstammte einem Volk, dass den Tod gewohnt war in den harten Regionen des Nordens. Von Norwegen über Island bis Grünland trotzten die Bewohner dem harten Klima und suchten für ihre Familie Land zum Leben. Weiter im Südwesten gab es fruchtbares Land, aber die ursprünglichen Bewohner dieses Landes wehrten sich vehement gegen die Besiedlung durch die Grünländer. Der Hüne drehte sich zu seiner schlafenden Frau. „Ich danke dir, Runa. Du bist ein großartiger Mensch, genau wie deine Tochter, aber auch du spürst den Schmerz. Er frisst mich auf wie eine böse Krankheit. Ich bleibe hier sitzen und werde beten, vielleicht hat Gott ein Einsehen. Wir können andere Kinder haben“, sagte der gequälte Mann stockend, Tränen standen in seinen Augen. Runa nickte und stellte das mitgebrachte Essen auf den Tisch. Sie verabschiedete sich und ließ den stummen Mann allein zurück. Nael verspürte keinen Hunger, das Leben war ihm egal, die Krankheit seiner Frau und der Tod seines Sohnes erschütterten ihn in seinen inneren Grundfesten. Er hob seinen Kopf, blickte auf das trotz der Krankheit noch immer schöne Antlitz seiner Frau Alva und hoffte auf ein Wunder Gottes. Nael lehnte sich zurück in seinem Stuhl. Das bisherige Leben zog an ihm vorbei. Er entstammte nicht dem Volk der Grünländer, sondern wuchs in Donostia im Land der Basken in Hispanien auf. Seine Mutter Yrsa Lokisdottir, geboren in Laugarbrekka in Island auf der Halbinsel Snaefellsnes, entstammte dem Volk der Wikinger. Sie wuchs mit der berühmten Gudrid Thorbjarnardottir im selben Ort auf, bis Gudrid gemeinsam mit ihrer Familie Island verließ und sich Erik dem Roten anschloss. Yrsa erwies sich als wild und ungezügelt und lebte ein Leben als Kriegerin, dass sie zwang, Island wegen eines getöteten Mannes zu verlassen. Auf ihrem Streifzug durch das Leben gelangte sie nach Donostia oder San Sebastian, wie es die romanische Bevölkerung nannte. Dort traf sie den Basken Danel. Laut den Erzählungen ihrer Eltern erkannten beide bereits beim ersten Sehen, das sie den richtigen Partner trafen. Daraus entstand eine große Liebe, der vier Kinder entstammten. Nael war das zweitälteste der Geschwister. Da unter den Basken, einem uralten Volk, blondhaarige Menschen mit bläulichen Augen keine Seltenheit waren, ergab es sich, dass sämtliche Geschwister diesem Typ nachfolgten. Sein Vater Danel trug ebenfalls blonde Haare und verfügte über bläuliche Augen. Die Eltern versuchten auf Anraten Yrsas mit ihrer Familie im Norden Kontakt aufzunehmen, um Geschäfte abzuschließen. Es ging um die reichen Fischfanggründe der Wikinger, ihre Art Fisch zu trocknen und andere Produkte. Vor allem der Kabeljau wurde für die Basken ein lohnendes Objekt der Begierde. Sie folgten den Wikingern mit ihren Schiffen in den Westen Richtung Vinland. Yrsa und Danel suchten ihre Familie in Island auf und stellten erfolgreich Kontakte her, denen ihre Nachkommen auf ihren Fahrten folgten. Alle Geschwister erwiesen sich als Kinder ihrer Eltern, die beide als Abenteurer durch die Welt zogen, aber der ältere Mikel und die jüngeren Alaia und Ivar konnten ihre Energien bündeln und verblieben in ihrer Welt in den christlichen Königreichen Hispaniens. Mikel und Alaia heirateten Menschen aus befreundeten Familien in Asturien, die Elternpaare kannten sich von früher und betrieben einen regen geschäftlichen Austausch. Nael erwies sich als der Wildeste und Größte unter den Kindern Yrsas und Danels. Es zog ihn in die Welt hinaus, vor allem in den Norden. Seit er mit fünfzehn Jahren erstmalig isländischen Boden betrat, fühlte er sich dort zu Hause. Er spürte die innere Verbundenheit mit der Heimat seiner Mutter. Seine Geschwister und er verfügten über eine umfangreiche Kampfausbildung, daneben mussten sie Lesen und Schreiben lernen, vor allem Latein, aber auch Spanisch wurde gelehrt, die regional unterschiedliche Sprache der Bewohner der christlichen Königreiche. Nael beherrschte die Sprache der Wikinger, die ihn seine Mutter lehrte, dazu kam die Sprache der Basken. Aber er interessierte sich nicht für den Teil des Geschäfts der Familie, der mit dem Warenbestand und ähnlichen Dingen zu tun hatte, das Blut des Abenteurers und Entdeckers steckte in ihm. Ein Jahr nach dem erstmaligen Betreten Islands kehrte er zurück und erklärte seinen Eltern, dass er unter diesem Volk leben wollte. Schweren Herzens erkannten Yrsa und Danel, dass ihr Sohn, ähnlich wie sie selbst, von der Lust am Kampf und Abenteuer geprägt zu sein schien und ließen ihn ziehen. Die Familie seiner Mutter nahm ihn auf und lehrte ihn das Leben in Island. Er kannte die Insel mittlerweile sehr gut, obwohl er dort nicht aufwuchs. Zwei Jahre nach seiner Ankunft beteiligte er sich an einer Fahrt eines Cousins ins westlich gelegene Grünland und blieb in Eystribyggd. Thorkel Leifsson, der oberste Anführer von Brattahlid, gab sein Einverständnis. Der Sohn von Leif Eriksson führte die östliche Siedlung und galt als oberster Jarl der Grünländer. Der berühmte Vater verstarb ein Jahr vor der Ankunft von Nael in Grünland. Bald darauf beteiligte sich der Baske an einer Fahrt nach Westen und fuhr mit einem Schiff die Küste der westlichen Länder Helluland, Markland bis nach Vinland. Er kannte die Sagas der Wikinger über ihre Vorfahren, die dieses westliche Land entdeckten. Bjarni Herjulfsson galt als der Erste unter den nördlichen Völkern. Dessen Schiff geriet in Nebel und Nordwind. Als sich der Nebel lichtete, erkannte er bewaldete Hügel, auf der Fahrt nach Norden sahen sie wieder Land mit Wald. Leif Eriksson folgte den Spuren Bjarnis und betrat als Erster die westlichen Länder, er gab den Ländern auch die Namen. Leif dem Glücklichen, wie ihn die Menschen nannten, folgten seine Geschwister Thorvald und Thorstein Eriksson. Thorvald kehrte nach Leifsbudir zurück, eine von seinem Bruder in Vinland gegründete Siedlung, aber sie fanden nur einen Getreidespeicher vor, keine Menschen. Er überwinterte zweimal in dieser Siedlung und erforschte den Norden und Osten des Dorfes. Dabei kam es zu Feindseligkeiten zwischen den Ureinwohnern und den Wikingern. Sie töteten acht Skraelingar, einer konnte entkommen und griff mit anderen die Wikinger an. Dies führte zum Tod von Thorvald, der von einem Pfeil getroffen wurde. Die Überlebenden verließen das waldreiche Vinland. Thorvalds Bruder Thorstein Eriksson brach nach der Rückkehr der Mannschaft auf, um die sterblichen Überreste seines Bruders zu bergen, aber er starb an einer Krankheit auf der Hinfahrt nach Vinland. Ein paar Jahre später unternahm der berühmte Seefahrer Thorfinn Karlsefni gemeinsam mit seiner Frau Gudrid Thorbjarnardottir mit hundertsechzig Siedlern und drei Schiffen einen Versuch, um Vinland dauerhaft zu besiedeln. Seine Frau war die Witwe von Thorstein Eriksson. Thorfinn entstammte dem berühmten Geschlecht der Ynglinger des legendären dänischen und schwedischen Königs Ragnar Lodbrok. Sie gebar in Vinland Snorri Thorfinsson, den gemeinsamen Sohn. Die Siedler fanden eine geeignete Stelle für eine Niederlassung in einer Flussmündung und nannten das Land Hop. Die Landschaft erwies sich als reich mit Fischen, Wild und Hartholz. Sie erkundeten in diesen Jahren das Umfeld der Siedlung und stellten Kontakt zu den Skraelingar her. Es gab einige dorfähnliche Gemeinschaften, aber trotz des Reichtums des Landes kam es zu Konflikten mit den einheimischen Völkern. Innerhalb der Gemeinschaft sorgte vor allem Freydis Eriksdottir, die Schwester von Leif Eriksson, für viel Unruhe. Sie galt als mutige Kriegerin, aber auch als brutal und rücksichtslos. Ihr Mann Thorvard tötete die Isländer Helgi und Finnbogr, ehemalige Waffengefährten, aufgrund einer unbewiesenen Anschuldigung Freydis, die die Männer der Vergewaltigung bezichtigte. Die Frauen dieser Männer tötete sie eigenhändig mit ihrer Streitaxt. Im dritten Jahr ihrer Besiedlung kam es zu einem offenen Kampf, dem Grünländer und Skraelingar zum Opfer fielen. Trotz der hervorragenden Bedingungen für eine Besiedlung entschloss sich Thorfinn aufgrund des anhaltenden Konflikts und der geringen Anzahl an Wikingern, den Ort aufzugeben. Voll beladen mit allem, was die Schiffe aufnehmen konnten, Hartholz, Pelze und Wein, kehrten sie nach Grünland zurück. Es gelang nicht, eine dauerhafte Siedlung in Vinland zu etablieren. Thorfinn Karlsefni kehrte mit Gudrid nach Island zurück und baute ein Gut in Glaumbaer auf. Das Paar genoss unter den übrigen Bewohnern der Insel hohes Ansehen. Nael kannte diese Geschichten auswendig, sie boten Abenteuer und nährten seinen Entdeckergeist. Sie fuhren die Küste der westlichen Länder entlang und suchten nach Spuren der ehemaligen Siedlungen. Zeitweise bauten sie kleine Ansiedlungen auf, aber die einheimischen Völker störten ständig eine neuerliche Kolonisierung der Region. Während seiner Fahrten, einmal überwinterten sie nördlich von Vinland, in denen die Wikinger Hartholz und Pelze holten, kam es zu ständigen Kämpfen mit den Skraelingar. Die Härte der Konflikte und der gegenseitige Hass erschienen unüberwindbar. In einem Waldstück traf er auf eine junge Frau der Skraelingar, die nicht feindselig wirkte. Sie lächelte freundlich und bot ihm etwas zum Essen an. Obwohl sich Nael unwohl fühlte, nahm er das Geschenk an. In diesem Moment fand er dieses Volk nicht mehr so hässlich, wie sie dargestellt wurden. Die junge Frau erwies sich als Schönheit, aber die Angelegenheit nahm einen dramatischen Verlauf. Ein älterer Kampfgefährte erschien und attackierte die junge Frau. Als sich diese wehrte, erstach er sie mit dem Schwert. Fassungslos blickte Nael auf die überraschten Augen der jungen Einheimischen, deren Augen schließlich brachen und das Leben darin erlosch. Er konnte sich erinnern, dass er seinem Kampfgefährten Vorwürfe machte und ihn darauf hinwies, dass sie keinen Feind darstellte. Dieser schüttelte den Kopf und sagte damals:“ Es sind wertlose Kreaturen, sie leben und verhalten sich wie Tiere.“ Dieses Ereignis führte zu einem Umdenken bei Nael und er beschloss, nicht mehr an den Fahrten in die westlichen Länder teilzunehmen. Nach seiner Rückkehr nach Eystribyggd traf er auf einer Wanderung nach Norden auf die junge Alva Egilsdottir. Als er sie traf, konnte er auf einmal seine Eltern besser verstehen. Die blonde, junge Frau mit ihren Zöpfen und wunderschönem Gesicht bewirkte eine innere Reaktion, die er in dieser Intensität vorher nicht verspürte. Er kannte den Umgang mit Frauen, liebte aber mehr den Kampf. Alva veränderte alles in seinem Leben. Bald kamen sie einander näher, ihr Vater Egil schien aufgrund der Herkunft Naels unschlüssig zu sein, aber seine Schwiegermutter Runa sprach für das Paar. Danach gliederte er sich in die Sippe Egils ein und gründete eine eigene Familie. Obwohl sich das Leben in Grünland nicht leicht präsentierte, lebten sie glücklich im Süden der Insel. Er begleitete die einflussreichen Männer auf ihren Handelsfahrten und verdiente gutes Geld. Dann folgte die Geburt des gemeinsamen Sohnes Björn vor über vier Jahren, die das Glück vervollständigte. Er informierte seine Familie über sein Leben im Norden mit einem Brief, ein nordischer Händler kannte Danel aus Donostia. Es schien alles eine gute Entwicklung zu nehmen, sein Sohn entwickelte sich gut, weitere Kinder sollten folgen. Bis das Schicksal vor einigen Monaten unbarmherzig zuschlug. Eine Krankheit erfasste die Siedlungen der Wikinger und führte zu Toten und Schmerz innerhalb der Bewohner Grünlands. Nael fielen die Augen zu, er verdrängte die Gedanken an die letzten Jahre, schlimme Träume folgten. Das Gesicht seines kleinen Sohnes drängte sich in seinen Kopf, dessen Augen starrten ihn an. Er schreckte hoch und fiel fast vom Stuhl. Der Baske erhob sich und ging zum Tisch. Er aß und trank etwas. Plötzlich vernahm er ein Stöhnen vom Lager. Alva erwachte aus ihrem Dämmerschlaf. Nael eilte zum Lager und nahm ihre Hand, ihr schweißgebadetes Gesicht wandte sich ihm zu. Sie wollte sprechen, schaffte es aber zuerst nicht. Alva versuchte sich aufzusetzen, aber ihr Körper war zu schwach. Nael unterstützte sie dabei, ihr Lächeln erfasste ihn. „Es ist eine schöne Zeit gewesen, gemeinsam mit Björn und dir, mein schöner Mann.“ Sie unterbrach, weil sie von einem starken Hustenanfall erfasst wurde, dann sprach sie weiter. „Unser Sohn wartet bereits auf mich.“ Nael wollte etwas sagen. Alva wusste vom Tod ihres Sohnes nichts, zumindest glaubten es alle. Sie hob ihre Hand. „Du bist schon immer ein schlechter Lügner gewesen, Nael. Ich weiß, dass Björn bereits von Gott gerufen worden ist.“ Wieder musste sie unterbrechen, Naels Augen füllten sich mit Tränen. Er nahm ihre Hand und küsste sie. „Wir werden bald wieder vereint sein, Alva. Ich liebe dich und werde euch folgen.“ Die stark geschwächte Frau schüttelte plötzlich wild den Kopf. „Björn und ich haben schöne Jahre zusammen genossen. Meinem Sohn ist es nicht vergönnt gewesen, sein Leben länger zu gestalten. Es ist Schicksal und Gottes Wille, Nael.“ Ein Lächeln erschien in ihrem Gesicht, das er so unsagbar liebte. „Du musst für uns weiterleben, Baske“, sagte sie mit aller Kraft. „Ich glaube an die Wiedergeburt. Björn und ich werden in einem anderen Körper wieder leben. Aber du musst dein eigenes Schicksal finden. Du darfst nicht zweifeln, Nael. Wir werden dich auf deinen Wegen begleiten, unser Sohn und ich“, sagte sie mit erlahmender Stimme. Ihre Augen schlossen sich. Es schien, als ob sie bereits aus dem Leben geschieden war. Doch noch einmal öffneten sich ihre Augen und erfassten ihren Mann. „Ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt und werde dich ewig lieben, mein schöner Baske. Du solltest dich rasieren“, sagte sie mit einem Lächeln, danach schloss sie die Augen für immer. Nael erkannte nicht sofort, dass sie bereits tot war. Ihre Hand erschlaffte und ihr Kopf fiel auf die Seite. Der große Mann weinte hemmungslos, dann erhob er sich und schlug gegen die Wand der Hütte. Wütend zertrümmerte er den Stuhl und stürmte nach draußen. Es dunkelte bereits in der Landschaft Grünlands. „Warum tust du mir das an?“, schrie der blonde Hüne in den Himmel. Vorsichtig näherten sich einige Menschen aus der Sippe. Er kniete, sein Körper zuckte, mit der Faust schlug er auf den Boden. Die Umstehenden ließen den Hünen in Ruhe, der Tod eines geliebten Menschen erschütterte die Hinterbliebenen. Der große, blonde Mann erwies sich in den letzten Jahren als wertvoller Bestandteil ihrer Familie. Mit seiner Kraft und Wendigkeit galt er als einer der besten Krieger der Ostsiedlung, aber er besaß auch Geschick in der Landwirtschaft und in der Viehhaltung. Zudem verfügte er über Schreibkenntnisse, die sich bisweilen als hilfreich erwiesen. Runa und Egil erschienen, beide zeigten offen ihre Trauer über den Verlust ihrer Tochter. „Steh auf, Nael. Björn und Alva haben ihren Frieden gefunden. Wir werden um sie trauern, aber das Leben muss weitergehen“, sagte Egil Gunnarsson bestimmt. Stille trat ein. Alle blickten auf den knieenden Mann, der sich langsam zu beruhigen schien. Als er sich erhob und umsah, blickten die Umstehenden in ein ermüdetes Gesicht, aus dem zwei bläuliche Augen strahlten. In seinem Blick lag eine Härte, die seinen Schwiegervater erfasste. Langsam trat Nael auf Egil zu. Dessen Blick lag auf seinem Schwiegersohn, der eine gefährliche Aura verströmte. Bis jetzt kamen alle gut miteinander aus, aber Nael erschien bedrohlich in seinem Zustand. Die Männer griffen zu ihren Waffen, um ihren Anführer zu schützen. „Wie kannst du als Vater in einem solchen Moment so etwas sagen, alter Mann?“ Hast du deine Tochter nicht geliebt?“ Die Fragen hallten durch die einbrechende Dunkelheit. Egil erkannte, dass sein harter Ton zuvor der Situation nicht gerecht wurde. Runa schritt ein. „Beruhige dich, Nael! Wir haben eine Tochter verloren. Ein Kind, dass wir großgezogen haben, und einen hoffnungsvollen Enkel. Deine Wut richtet sich gegen die Falschen. Alva würde dich nicht verstehen, das weißt du.“ Runas Stimme klang beruhigend, plötzlich senkten sich die Schultern des Basken, sein Kopf sank nach unten. „Es tut mir leid, Egil“, sagte er leise. Der Wikinger nickte verständnisvoll. Als sich einige Männer der Hütte nähern wollten, rief Nael:“ Ich werde sie holen und verbrennen, wie bei Björn. Es ist besser für alle anderen und ist sicher im Sinne Alvas!“ Zum Schutz vor einer weiteren Verbreitung wurden die Opfer der Krankheit verbrannt. Nael betrat die Hütte und holte seine tote Frau. Erschüttert blickte die Familie auf den blonden Hünen, der mit seiner verstorbenen Frau den Hof verließ und sich zur Stelle bewegte, an der bereits die Überreste seines toten Sohnes lagen. Das Grab war noch offen, er legte Alva ab und wickelte sie ein. Am Ende küsste er ihr Gesicht, dann nahm er eine Fackel und zündete die trockenen Zweige an, die vorbereitet waren. Die Familie näherte sich dem Feuer, dass bald den Körper der jungen Frau erfasste und ihn verbrannte. Egil sprach ein Gebet, anschließend kehrten die meisten in ihre Wohngebäude zurück. Sie würden sich heute betrinken, aber sie konnten nicht mit Nael trauern. Es bestand die Möglichkeit, dass er bereits den Keim der Krankheit in sich trug. Nur Runa blieb lange bei ihrem Schwiegersohn stehen, am Ende verließ auch sie ihn. Der große Mann starrte auf das Feuer, dass den schönen Körper Alvas unkenntlich machte und schließlich endgültig vernichtete. Er blickte zum Himmel. „Ich weiß nicht, wo ihr seid, aber ich hoffe, du liegst mit deinem Glauben richtig, geliebte Alva.“ Der Baske setzte sich auf den Boden und starrte zur Siedlung. In den letzten Jahren lag alles klar vor seinen Augen, der Weg und das Ziel. Mit dem Tod seiner Familie erfasste ihn ein Schmerz und eine Ziellosigkeit, die ihn teilnahmslos machte. „Du verlangst von mir weiterzuleben, aber wofür, schöne Alva?“, fragte er laut. Ein Stern leuchtete hell am Firmament. Er dachte plötzlich an die junge Skraelingar, die unschuldig starb. „Vielleicht ist es Gottes Rache für den Mord, aber ich habe sie nicht getötet. Alva ist unschuldig gewesen. Bestrafst du mich, weil ich sie nicht beschützt habe, diese junge Frau?“ Nael sprach mit sich selbst, er versuchte einen Grund für den Tod seiner Familie zu finden, aber es gab keinen. Obwohl die Temperaturen in der Nacht stark fielen, berührte ihn dies kaum, er spürte die Kälte nicht. Der Mörder der jungen Frau fiel einem Angriff der Skraelingar zum Opfer, er büßte bereits für seinen Mord. Nael schlug sich gegen den Kopf. Er wusste nicht, warum er den Tod der beiden Frauen miteinander verknüpfte. Die junge Skraelingar verfolgte ihn seit damals mit ihren anklagenden Augen öfter in seinen Träumen, aber die Liebe zu Alva löschte alles. Nach ihrem Tod drängte sich der Vorfall wieder in sein Gedächtnis. Irgendwann erhob er sich und betrat seine Hütte. Er schlief lange und schreckte immer wieder hoch, Träume peinigten ihn. Aber die Erschöpfung zeigte Wirkung, irgendwann fiel er in einen tiefen Schlaf. Als er aufwachte, brach der Morgen des übernächsten Tages an, er schlief über einen Tag durch. Nael blickte sich um. Er wusste nicht, was er machen sollte. Langsam erhob er sich und wusch sich sein Gesicht. Anschließend ging er zum Grab und füllte es mit Erde und Steinen. Danach bildete ein einfaches Holzkreuz den Hinweis, dass an dieser Stelle die Überreste zweier Menschen lagen. Er ging seinen täglichen Arbeiten nach und sah nach dem Vieh und den Feldern, die bestellt werden mussten. Die Familie von Alva mied ihn, aber auch er wollte mit keinem reden. Nael wurde sich bewusst, dass er ein Risiko für diese Menschen darstellte, da seine Familie als einzige von der Krankheit ergriffen wurde. In den nächsten Tagen änderte sich nicht viel, er betrank sich täglich und schrie manchmal laut zum Himmel. „Was bist du für ein Gott, der solches zulässt?“ Tagsüber schlief er immer länger. Einen Monat später erschien Egil in seiner Hütte. „Wir müssen reden, Nael!“ Der Hüne nickte. Sein Schwiegervater berichtete davon, dass Naels Verhalten die Menschen am Hof unsicher machte, zudem äußerten sie Bedenken wegen der Krankheit. Egil blickte ihn an. „Ich habe ihnen gesagt, dass von dir keine Gefahr wegen der Krankheit ausgeht. Du bist nicht krank, trotz der Nähe zu Alva und Björn. Aber dein Verhalten führt zu Unruhe in unserer Familie.“ Egil brach ab, der vollbärtige, ergraute Wikinger blickte auf seinen Schwiegersohn. „Alva und Björn sind tot. Wir werden sie ehren, aber du musst einen anderen Weg gehen. Hast du mich verstanden, Nael?“ Der Hüne blickte auf seinen Schwiegervater. Es erschien klar, was er wollte. „Ich soll also verschwinden, weil ich eine Gefahr für die Familie darstelle. Das meinst du doch, Egil?“ Der graubärtige Wikinger blickte ihn offen an, sie pflegten bis zum heutigen Tag einen ehrlichen Umgang miteinander. „Ich glaube, es ist besser für alle, aber ich will dich nicht zwingen, zu gehen, Nael. Überlege es dir“, sagte Egil väterlich. Anschließend erhob er sich und ließ einen unschlüssigen Basken zurück. Diese Insel schien bis vor einigen Monaten seine Heimat für alle Ewigkeit zu sein, er liebte den Norden und sein raues Klima. Donostia fiel ihm ein, seine Heimatstadt am Kantabrischen Meer. „Was soll ich tun, Alva? Nach deinem Tod gehöre ich nicht mehr zu deiner Familie, obwohl ich sie alle schätze. Aber ihre Reaktion ist verständlich.“ Er entstammte einer starken Familie und mochte seine Heimat, aber er ging nicht umsonst in diesen wilden Norden, der ihn reizte mit seiner Ursprünglichkeit und der Urgewalt der Natur. Das Eis Grünlands, dazu die Geysire und Vulkane Islands, das bildete eine mystische Landschaft, die ihn in den Bann zog, wie Alva, diese starke und ungezähmte Bewohnerin dieses Landes. Jetzt erlag sie einer Krankheit, die sich ständig einen Teil der Menschheit holte. Nael dachte an das westliche Land. Derzeit fanden keine Fahrten statt. Er wusste auch nicht, was er dort machen sollte. Die Wikinger würden wieder alle Einheimischen töten, derer sie habhaft wurden und die Skraelingar zahlten mit der gleichen Heftigkeit zurück. Menschen wie diese junge Frau hätten viel zum Verständnis beitragen können, auch Alva sprach davon, dass das gegenseitige Töten falsch war. „Nach deiner Erzählung bietet dieses riesige Land genügend Platz und Vorräte für alle Völker. Diese Tode sind sinnlos, es ist schade um diese Frau. Sie ist sicher ein guter Mensch gewesen.“ Nael lächelte, als er an die gemeinsamen Gespräche dachte. Er blickte sich in der Hütte um. Ohne Alva und Björn machte das Leben auf Grünland keinen Sinn, zur isländischen Familie seiner Mutter bestand seit Jahren kein Kontakt. Sein Weg würde ihn wieder in seine alte Heimat nach Donostia führen. Er legte sich auf das Lager und schlief ein, wieder quälten ihn Träume. Am nächsten Tag suchte er Egil auf und unterrichtete ihn von seiner Entscheidung. „Es fährt ein Schiff von Brattahlid Richtung Island in zwei Tagen ab“, antwortete dieser. Der Baske nickte und blickte auf Runa, die ihn beobachtete. „Ich nehme an, du hast bereits meine Mitfahrt organisiert“, sagte Nael laut. Es erschien ihm bisweilen seltsam, dass diese Menschen ihn unbedingt loswerden wollten. „Du erhältst Geld und nimmst Proviant und Waffen mit. Als Gegenleistung übernehmen wir die Hütte, sie wird abgebrannt“, antwortete Egil ruhig. „Es sind wohl alle Entscheidungen gefallen“, antwortete Nael und erhob sich. Ohne Gruß verließ er das Haus seiner Schwiegereltern. Runa blickte auf ihren Mann. „Du musst ihn nicht demütigen. Er kann nichts dafür, dass Alva tot ist“, sagte sie vorwurfsvoll. Egils Blick richtete sich auf seine Frau. „Wir müssen an die Familie denken, Runa. Du weißt das. Er muss einen neuen Weg finden, es gibt hier keinen Platz für ihn.“ Sie blickte ihren Mann lange an, dann verließ sie das Haus. Egil legte den Kopf in seine Hände, der Schmerz über den Verlust seiner geliebten Tochter hielt an. Er gab damals die Zustimmung zu dieser Hochzeit, Alva beharrte auf ihrer Liebe zu dem Mann aus dem Baskenland. Aber er gewöhnte sich an Nael, dieser schien sich gut einzufügen in die Familie und erwies sich als tatkräftige Unterstützung. Aber die letzten Ereignisse brachten wieder eine Distanz zum Vorschein. In der Zwischenzeit betrat Runa die Hütte von Nael. „Du musst ihm verzeihen, der Verlust von Alva ist sehr schmerzhaft für Egil, wie auch für mich. Ich habe sie geboren und muss mitansehen, wie sie stirbt. Das eigene Kind sterben zu sehen, ist hart“, sagte Runa laut, ihre Augen füllten sich mit Tränen. Nael ging zu seiner Schwiegermutter, die ihn seit Beginn der Beziehung zu Alva unterstützte. Er nahm sie in die Arme, sie trösteten sich gegenseitig. „Ich verstehe Egil. Er hat recht, es ist besser zu gehen. Ansonsten würde es unweigerlich zu einem Konflikt führen“, sagte Nael leise. Runa trat zurück und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Dann kochte sie dem Basken ein Essen, das ihm guttat nach den letzten Tagen. Anschließend verließ sie das Haus. Am nächsten Tag packte Nael seine Kleidung, das Schwert verstaute er in einer Scheide am Rücken, er lernte diese Trageweise von seinen Eltern. Seine Wurfaxt steckte im Ledergürtel, ein pelzbesetzter Umhang vollendete das Bild eines Wikingers. Nael rasierte sich in der Nacht davor und wollte Alvas letzten Wunsch erfüllen. Dann trat er aus dem Haus und bestieg sein Pferd, den Rucksack band er am Sattel fest. Beim Haus seiner Schwiegereltern trat Runa zu ihm und reichte ihm die Hand zum Abschied. Einige grüßten, als er abritt, aber andere schienen froh über seinen Abschied zu sein. Egil begleitete ihn nach Brattahlid. Sie sprachen kein Wort miteinander. Am Nachmittag erreichten sie die Hafenstadt, die am Ende des Erikfjords lag. Als sie abstiegen, blickten sich die beiden Männer an. Es gab nie eine Feindseligkeit in ihrem Verhältnis und die Anwesenheit von Björn und Alva führten zu einer Annäherung, aber mit dem Tod der beiden brach dieses schwache Band. Egil überreichte Nael einen Geldbeutel, dieser übergab ihm sein Pferd. „Pass auf mein gutes Pferd auf, Egil Gunnarsson.“ Der graubärtige Wikinger nickte. Anscheinend wollte er sofort zurückreiten, denn er bestieg sein Pferd. Nael nahm seinen Rucksack und stellte ihn vor sich. Egil blickte seinen Schwiegersohn an. „Der Tod von Alva und Björn schmerzen, aber wir müssen beide damit leben. Ich wünsche dir Glück, Nael, aber es gibt für dich keinen Weg zurück auf diese Insel.“ Der Angesprochene blickte auf den Wikinger und nickte nach kurzer Überlegung. Egil erwiderte die stumme Vereinbarung ebenfalls mit einem Nicken und wendete sein Pferd Richtung Nordwesten. Einige Zeit konnte Nael seinen ehemaligen Schwiegervater noch sehen, aber bald verschwand er hinter einem Hügel. Er drehte sich um und blickte auf den Hafen von Brattahlid, am hinteren Ende lag das genannte Schiff. Morgen würde er diese Insel verlassen und nie mehr wiederkehren, ein großer Schmerz erfüllte den Basken. Es fühlte sich bis zu den letzten Ereignissen wie seine Heimat an, aber Dinge änderten sich. Er ging zum Kapitän, dieser kannte ihn von früher. Nael versorgte seinen Rucksack und lud ihn zu einem Umtrunk in einer Gastwirtschaft ein, die dieser gerne annahm. Am nächsten Tag verließ das Schiff Grünland und setzte Kurs auf Hafnarfjördur, eine der ältesten Siedlungen Islands. Dort trafen sich Schiffe aus allen Richtungen, möglicherweise auch aus dem Baskenland. Er kannte den Hafen. Noch einmal blickte er zurück, die Erinnerungen an die glücklichen Jahre schmerzten, aber es gab keine Rückkehr nach Grünland. Er blickte zum Himmel. „Du hast gesagt, Björn und du werden mich begleiten. Ich hoffe, du hast recht, schöne Alva“, sprach er leise zu sich selbst, dann blickten seine Augen in Fahrtrichtung.
Die Fahrt folgte der umgekehrten Route von Erik Thorvaldsson, der Grünland für die Isländer vor zwei Generationen erschloss und besiedelte. Seinen Beinamen „der Rote“ erhielt der legendäre Wikinger wegen seiner roten Haare und weil er nach Sichtweise der Isländer Blut an seinen Händen trug. Der Grund seiner Reise lag darin, dass er in Island in einem Gerichtsbezirk vom Althing wegen Mordes zu drei Jahren Verbannung verurteilt wurde. Der Wechsel des Gerichtsbezirks half nicht in der Beurteilung der Bewohner Islands, da er den Ruf eines Mörders trug. Dies veranlasste ihn, den Erzählungen von Gunnbjörn Ulfsson zu folgen, der vor langer Zeit ein Land im Westen sichtete und das Wissen über seine Fahrten weitergab. Erik verbrachte die drei Jahre Verbannung auf kleinen Inseln vor Grünland und erkundete die Küste der großen Insel. Nach seinen Erzählungen standen seine Mannschaft und er in diesen Jahren mehrmals vor dem Hungertod. Er kehrte zurück und warb für die dauerhafte Besiedlung Grünlands Kolonisten in Island an. Mit fünfundzwanzig Schiffen und vielen Menschen an Bord fuhr er los, am Ende fanden vierzehn Schiffe das Ziel, die anderen blieben auf See verschollen. Die Kolonisten gründeten die östliche und westliche Siedlung, als Hauptort diente Brattahlid, wo Erik seinen Hof errichtete. Derzeit lebten einige Tausend Bewohner auf Grünland, die Kolonisierung zeigte trotz auftretender Krankheiten Erfolg. Es existierte ein regelmäßiger Schiffsverkehr zwischen Norwegen, Island und Grünland, auch Schiffe von Dänemark und den Basken im Süden erreichten die nördlichen Gewässer. Nael blickte auf die vereiste Ostküste Grünlands, das Schiff fuhr langsam Richtung Norden. Die Route war den Nordmännern bekannt, trotzdem rechnete er mit einer Dauer von zwanzig Tagen bis zum Eintreffen in Hafnarfjördur. Viele Gedanken strömten durch seinen Kopf. Er liebte die raue Natur des Nordens. Grünland wurde von seinem starken Inlandeisschild geprägt, das ein dauerhaftes Leben in den meisten Teilen unmöglich machte, nur die Süd- und Westküste wiesen Bedingungen zur Besiedlung auf. Der Grund lag in warmen Meeresströmungen, die auch Island erreichten. Das eigenwillige Volk der Skraelingar konnte dagegen mit härteren Bedingungen umgehen, sie bewohnten den strengen Norden Grünlands, ihre verwandten Völker lebten in Helluland, Markland und Vinland. Selbstbewusste Menschen, die keine Angst vor den Nordmännern zeigten und die Grenzen für deren Entdeckungsfahrten festlegten. Der Baske zeigte sich bereits während seiner Fahrten von diesem harten Volk beeindruckt, die junge, ermordete Frau fiel ihm wieder ein. Der ständige Krieg zwischen den beiden Völkern forderte viele unschuldige Opfer, so wie alle Kriege. Seine schöne Frau Alva und sein kleiner Sohn fielen aber einem Feind zum Opfer, gegen den es kein Mittel gab. Nael fühlte sich wie eine kleine Eisscholle im wilden Nordmeer, getrieben von den Wellen des Schicksals, die ständig über ihn hinwegdonnerten. Er wusste nicht, warum er noch lebte. In den Wochen der Fahrt bis Island vertrockneten seine Tränen und er verhärtete innerlich, nur manchmal durchlebte er qualvolle Momente der Erinnerung an glückliche Zeiten. Er würde nie mehr nach Grünland zurückkehren. Alvas Familie wollte seinen Abschied. Sie gingen nach ihrem Tod auf Distanz, wie zu einem Fremden. Nur Runa hielt zu ihm, aber sie stand auf der Seite ihrer Familie. Auch die Eltern trauerten um die Tochter und den Enkel. Nael hoffte, dass er diese Seite seines Lebens irgendwann abschließen konnte, aber er glaubte es nicht. Er überlegte, die Verwandtschaft seiner Mutter auf der Halbinsel Snaefellsnes aufzusuchen. Dort lebte er über ein Jahr, aber die Kunde von der grassierenden Krankheit in Grünland würde sich herumsprechen. Die Gefahr der Anfeindung erschien ihm zu groß. Aber er konnte als Söldner durch die Gerichtsbezirke Islands wandern und sich einzelnen Sippen anschließen. Es gab ständige Grenzstreitigkeiten um Besitz und Land. Bevor diese zu groß wurden, sprachen die Goden im Althing Urteile wie im Fall des Erik Thorvaldsson. Diese waren freie Männer, fungierten als Priester und Anführer der einzelnen Bezirke. Es existierten neununddreißig Godentümer, sie stellten Versammlungen dar. Die Goden übten die Herrschaft über den Tempel aus und organisierten die Verwaltung der Bezirke, zudem gab es die Versammlungen am Althing. Das Godentum konnte veräußert und vererbt werden, zudem war es teilbar. Es existierten auch weibliche Goden, die Gydjar. Jedem Goden unterstanden seine Gefolgsleute im Thing. Sie mussten vor Sonnenaufgang des ersten Thingtages erscheinen, benannten die Richter und bestellten die Rechtssprecher. Als Geschworene nahmen sie an den Verhandlungen teil und verfügten über eine Stimme, zudem fungierten sie als Friedensrichter im eigenen Bezirk. Jeder Bezirk bestand aus bis zu hundert Bauernhöfen. Die Bauern mussten ihren Goden abwechseln zu den Things begleiten. Dieser regelte den Handel und legte die Preise für den Warenverkehr mit Ausländern fest. Das Godentum bestand für drei Thingversammlungen im Frühjahr, Herbst und beim Althing der Anführer. Die gesetzgebende und rechtssprechende Versammlung Lögretta fand einmal im Jahr im Ort Thingvellir am gleichnamigen See statt. Sklaven, Frauen und Kinder verfügten über kein Stimmrecht. Der Ort befand sich einen Tagesmarsch nordwestlich von Hafnarfjördur. Nael kannte die Verwaltung Islands und dessen Geschichte aus Erzählungen seiner Verwandtschaft und seiner Mutter Yrsa. Ein Schwede mit Namen Gardar Svavarsson entdeckte als Erster die Insel, der nächste Entdecker Floki Vilgerdarson gab ihr den Namen Island. Er navigierte zur Insel mithilfe dreier Raben und wurde deshalb von den Menschen Hrafna-Floki (Rabenfloki) genannt. Die eigentliche Besiedlung begann vor über hundert Jahren vor allem durch Norweger, auch Schweden, dazu gesellten sich keltische Siedler, die aus Sklaven und freien Männern bestanden. Nael empfand das System trotz des Ausschlusses der Frauen gerechter als viele andere Gesellschaften am Kontinent, wo ein König mit seinem Adel regierte, alle anderen Menschen mussten sich ihren Entscheidungen beugen. Island bot landschaftlich viel mehr als Grünland, auch die Gewässer um die Insel erwiesen sich als sehr fischreich. Im Inneren gab es nicht nur Eis, sondern Vulkane und warme Quellen, die Landschaft erwies sich als rau und besaß keine Wälder. Holz musste aus Norwegen eingeführt werden, zudem verwendeten die Bewohner Treibholz. Trotzdem liebte Nael den ursprünglichen Charakter und die Wildheit des ungezähmten Landes. Es gab viel Weideland um die Höfe. Er durchquerte die Insel nach seiner Ankunft vor über zehn Jahren gemeinsam mit einigen Verwandten. Island würde einen guten Platz zum Leben darstellen, aber er verließ vor einigen Jahren die Familie seiner Mutter Richtung Grünland. Das Schicksal führte ihn nach Westen in die Arme von Alva, deshalb verwarf er den Gedanken an eine Rückkehr nach Laugarbrekka. Der berühmte Seefahrer und Kaufmann Thorfinn Karlsefni und seine nicht minder berühmte Frau Gudrid Thorbjarnardottir lebten in Glaumbaer im Norden Islands. Er kannte sie aus Erzählungen seiner Mutter Yrsa, die mit Gudrid aufwuchs, und vielen Berichten anderer Seefahrer. Sie galten als hochangesehen, vielleicht nahmen sie ihn in ihre Dienste auf. Aber er verwarf auch diesen Gedanken wieder, ohne Alva machte das Leben in Grünland und Island keinen Sinn mehr. Es fühlte sich wie ein Abschied an, denn keine Frau konnte seine verstorbene Gattin ersetzen. Witwen wurden oft verheiratet mit anderen Männern, da die Todesrate unter dem seefahrenden Volk hoch war. Nael wollte aber auf eine Frau verzichten, die gezwungen wurde, ihn zu nehmen. Seine Eltern fanden sich in Donostia und liebten sich innig. Sie erzählten vom Unterschied ihrer Beziehung zu anderen Partnern davor. Erst nachdem er Alva kennenlernte, konnte er die Geschichten seiner Eltern richtig verstehen. Nach ihrem Tod bestand derzeit kein Interesse an anderen Frauen, vor allem an isländischen. Der Baske entschloss sich endgültig, den Norden hinter sich zu lassen. Sein nächstes Ziel lag in seiner ursprünglichen Heimat im Königreich Navarra, der Hafenstadt Donostia - San Sebastian. Endlich erreichten sie die Stadt Hafnarfjördur, die einen natürlichen Hafen besaß. Dieses Gebiet wurde seit langem besiedelt und galt als einer der Häfen, die von Europa und Britannien angefahren wurden. Nael verabschiedete sich vom Kapitän und der Mannschaft und suchte eine Taverne auf, die es in jedem Hafen gab. Mitte des siebten Monats im Jahr präsentierten sich die Temperaturen angenehm, um diese Jahreszeit gab es fast nur Tageslicht. Dementsprechend schienen die Menschen besser gelaunt zu sein. Der Baske suchte sich einen freien Platz und stellte seinen Rucksack ab. Er bestellte ein Bier, dass er gierig trank. In der Taverne befanden sich einige Männer und Seeleute, er hörte die Norweger und Dänen heraus. Die verschiedenen Dialekte der Wikinger machten ihm keine Probleme, er sprach wie einer von ihnen. Misstrauisch wurde er von einigen beäugt, einer rief:“ Woher kommst du, Fremder?“ Nael blickte den bulligen Mann mit dem rötlichen Haar an. „Grünland!“, antwortete er laut. Drei Männer näherten sich, sie schienen aber nicht auf Streit aus zu sein. Sie setzten sich neben dem Basken. „Wir haben gehört, im Westen soll es ein reiches Land geben, nach Grünland. Ist das korrekt?“, fragte der Rothaarige. Nael nickte. Die Männer schienen Seefahrer zu sein, die sich ständig lohnende Ziele setzten. Er erzählte von Vinland und den streitsüchtigen Skraelingar. „Ich habe gehört, sie schlitzen den Männern die Bäuche auf. Wir sollten sie alle töten, dann gehört uns das Land“, sagte ein Mann. Nael zuckte mit den Achseln. „Sie sind schwer zu fassen und ziehen sich schnell zurück, um dann mitleidlos zuzuschlagen. Eine ständige Besiedlung müsste unter Aufbietung vieler Krieger möglich sein, aber die Wege sind weit in die Heimat. Derzeit holen sich die Grünländer Holz aus diesen Gebieten, ein ständiger Ort müsste gut gesichert werden.“ Der Rothaarige leckte sich über die Lippen und fragte nach dem Holz. „Es ist gutes, hartes Holz, dass dort wächst. Island würde davon profitieren, aber wie gesagt, die Wege sind weit. Die Fahrtrouten sind Stürmen und starken Strömungen ausgesetzt. Um es profitabel zu machen, müsste viel investiert und die Skraelingar zurückgedrängt werden“, antwortete Nael ruhig. Er fragte seinerseits nach ihrem letztem Aufenthaltsort, der Rothaarige übernahm das Reden. Dieser erzählte vom jahrelangen Aufenthalt in Britannien und angrenzenden Ländern. „Wir haben mit König Knut gekämpft, sie nennen ihn den Großen. Und sie haben recht. Er herrscht über den größten Teil Britanniens und über Dänemark, Schweden und Norwegen.“ Nael hörte in seiner Jugend in Donostia vom legendären Wikingerkönig, der als zweiter Sohn Sven Gabelbarts sich anschickte, Großes zu vollbringen. Derzeit galt er als unumschränkter Herrscher des Nordens, nur Island, Grünland und der nördliche Teil Norwegens und Schwedens entzogen sich seiner Kontrolle. Der Rothaarige erzählte, dass sie von London nach Dänemark fuhren. Dort gerieten sie in Schwierigkeiten und mussten nach Norwegen flüchten. „Unsere Gegner sind sehr zahlreich gewesen. Sie haben sich als rachsüchtig erwiesen und uns verfolgt. Deshalb haben wir beschlossen, nach Island zu kommen, um uns hier nach Möglichkeiten umzusehen.“ Der Baske nickte und erzählte vom berühmten Thorfinn Karlsefni im Norden Islands und dessen Entdeckungen im Westen. „Er kann euch am besten helfen, solltet euer Ziel dort liegen“, sagte Nael. Die Männer nickten, die nächste Runde Bier wurde bestellt. Am Ende der Unterhaltung waren alle volltrunken, Bier und Met wirkten. Keltinnen ergänzten das Angebot der Taverne, sie geizten nicht mit ihren verlockenden Blicken. Nael verzichtete darauf, derzeit stand ihm nicht der Sinn nach einer Frau. Er erfuhr im Laufe der nächsten beiden Tage, dass ein Schiff den Weg über die Inseln der Färinger Richtung Hibernien oder Eire, wie es die Einheimischen nannten, fuhr. Normalerweise führte die Route ins südliche Norwegen, aber dieses Schiff wollte Käse auf den Färöer laden und nach An Daingean segeln. Nael besaß ausreichend Geld und zahlte im Voraus für die Fahrt in den Süden. Er verabschiedete sich von seinen neuen Freunden und bestieg das nächste Schiff, das ihn näher an seine Heimat in Donostia heranbrachte. Derzeit lag kein Schiff der Basken in Hafnarfjördur. Am nächsten Tag ging es los in Richtung der Insel der Färinger, die von irischen Mönchen vor vierhundert Jahren wiederentdeckt wurde. Den Ausgangspunkt der Christianisierung und Besiedlung stellte der Ort Sumba im südlichsten Teil dieser Inselgruppe dar, später folgte die Haupteinwanderung aus Norwegen. Derzeit bildeten die Inseln einen Teil von Norwegen und damit des Reichs von Knut dem Großen. Normalerweise fuhren die Schiffe weiter nördlich über Norwegen, aber Nael fand glücklicherweise ein seltenes Schiff mit einer Direktroute zu den Färingern. Er wollte das Gebiet zwischen den umkämpften Ländern im Norden, Britannien und dem Frankenreich vermeiden. Derzeit schien nicht klar zu sein, wer zukünftig welches Land regierte. Knut hielt alles in seiner Hand, aber seine Nachfolger und Gegner warteten bereits auf seinen Tod, um die Herrschaftsansprüche wieder neu zu regeln. Der Rothaarige erwies sich als guter Geschichtenerzähler und Beobachter der politischen Lage. Lange blickte Nael nach Island zurück, bis die Insel seinen Blicken entschwand. Es schien der endgültige Abschied aus dem Norden zu sein. Die Fahrt zu den Färingern dauerte ein paar Tage, raue Winde erwiesen sich als schwierig, aber dem Basken machte eine Fahrt auf diesen wilden Meeren nichts aus. In Sumba wurde Schafskäse in Fässern aufgeladen, dann ging die Fahrt weiter nach Irland. Einheimische Kelten nannten es Eire, die Römer Hibernien. Die Insel wurde seit langem von den Kelten bewohnt, nach dem Ende des römischen Imperiums fanden hier entlaufene Sklaven Zuflucht. Das Land wurde als eines der ersten im Norden christlich missioniert und wies viele Klöster auf. Nael hörte von Madoc, einem Mann aus Cambrien oder Wales, wie es die Angelsachsen nannten, dass es oft Streitigkeiten mit den Iren gab. Die Fahrten und Überfälle der Wikinger veränderten das Leben in Irland, vor allem die Klöster bildeten lohnende Ziele für die Nordmänner, aber auch im Süden gab es Überfälle und Siedlungsgründungen. Diese Orte wurden bereits wieder rückerobert oder von den keltischen Fürsten zerstört. Der Baske sah dieses Land nur als kurze Zwischenstation. Männer aus dem Norden wurden hier nicht gerne gesehen, aber es schien eine ungefährlichere Route zu sein als das Konfliktgebiet östlich von Britannien. In der kleinen Siedlung Dingle oder An Daingean in der südlichsten irischen Provinz Munster (An Mhumhain) würde er Station machen. Die Seeleute des Schiffes erwiesen sich als Kelten, teilweise verstand Nael diese Sprache, deshalb konnte er zumindest die Ortsnamen zuordnen. Der Kelte Madoc, ein Freund seiner Eltern, erzählte ihm über Cambrien und den Keltengebieten in Britannien und Irland. Seine Eltern zeigten großen Respekt vor dem rothaarigen Mann. Nael kannte die Geschichte seiner Eltern und ihrer Freunde aus Asturien. Der Mann gelangte auf seinem Weg von Britannien südwärts nach Hispanien und blieb wegen seiner Liebe zur Asturierin Leia. Das Paar baute vor einer Generation zusammen mit ihren Freunden Rey und Safia das Dorf Esperanza zu einer blühenden Siedlung auf. Die Familien und seine eigene kannten sich gut und waren untereinander gut vernetzt. Elena, die Tochter von Leia und Madoc, schien seinem ältesten Bruder Mikel sehr zugetan, zumindest bemerkte Nael diese Annäherung, bevor er seine Heimat verließ. Die schöne Elena verzauberte seinen Bruder bereits in jungen Jahren, er sprach oft von ihr. Die zweite Tochter dieser Familie, Isabella, trug rote Haare wie ihr Vater und erwies sich als wilder als ihre Schwester. Danach folgten noch zwei Söhne, die die Namen Fabio und Brios trugen. Je näher er der Heimat kam, desto mehr kamen Erinnerungen an seine Jugend hoch. Er kannte die Menschen in Asturien aus seiner Zeit in Hispanien, die einen besser, die anderen weniger gut. Nael zog es immer nach Norden, dies führte zu einem Austausch mit dem Kelten Madoc, der aus diesen Regionen stammte. Bereits in der Kindheit übte dieser rothaarige Mann mit seinen Geschichten von den Völkern im Norden eine starke Faszination aus, daneben natürlich die vielen Erzählungen seiner Mutter. Madoc erwies sich als ein Meister in allen Waffen, er erwies sich als schnell und geschickt, ähnlich wie Naels Vater, der Baske Danel. Seine Mutter Yrsa und die Asturierin Leia stellten Kriegerinnen und Abenteurerinnen dar, bevor sie Mütter wurden. Daneben verband beide Paare eine tiefe Freundschaft zu Rey und der Maurin Safia, die ebenfalls in Esperanza lebten. Ausbildungen in allen Bereichen war ein Ausdruck der Philosophie dieser drei Familien. Die beiden Paare machten aus dem Dorf Esperanza einen Ort der Bildung und Gleichberechtigung, zumindest nach innen. Dies gab es auch in seiner Familie und unter den Basken, aber nicht in dieser extremen Form. Nael gefiel diese Herangehensweise an eine Gesellschaft, auch er respektierte Alva als gleichwertig. In Island herrschten Goden, aber ihre Frauen besaßen kein Stimmrecht. In Esperanza durften Frauen ihre Meinung offen sagen, sie wurden diesbezüglich in diesem Sinne erzogen. Auch im Baskenland galten die Frauen seit Urzeiten als respektierte Personen. Obwohl diese Frauen als widerspenstig galten, zog es viele Männer nach Esperanza, einige bevorzugten die Herausforderung einer willensstarken, selbstbewussten Frau. Auch Wikingerfrauen wie seine Mutter, Gudrid Thorbjarnardottir oder Freydis Eriksdottir erwiesen sich als stark und den Männern ebenbürtig. Nicht viele Männer respektierten Frauen als gleichwertig, was Nael nicht verstand. Die praktizierte Religion und die herrschende Gesellschaft wiesen Frauen konkrete Rollen zu, die in der Führung des Haushalts und Unterrichtung der Kinder bestand. Adelige Frauen wehrten sich bisweilen auf ihre Weise gegen die Bevormundung und Zwangsehen, indem sie das Spiel der Intrige perfektionierten und ihren Körper einsetzten, um zu mehr Macht über die herrschenden Männer zu gelangen. Aber sie mussten sich an die herrschenden Verhältnisse anpassen. Auch die Frauen von Esperanza und Donostia mussten sich königlichen und kirchlichen Gesetzen unterwerfen. Er verdrängte seine Gedanken über Frauen und konzentrierte sich auf seine Reise in den Süden. Naels Fahrt dauerte bis Ende des achten Monats und führte die Westküste Kaledoniens oder Albas, wie es die einheimischen Scoten nannten, und die westliche Küste Irlands entlang. Als er die kleine Siedlung Dingle erblickte, wusste er, dass der Norden endgültig hinter ihm lag. Grünland schien ewig weit entfernt zu sein, bis jetzt gab es trotz der wilden Meere keine großen Schwierigkeiten. Er blieb drei Tage in der Siedlung, bis ein Schiff ihn nach Brest in der Bretagne mitnahm. Diese Landschaft wurde in früheren Zeiten Aremorica genannt. Durch die hohe Anzahl der eingewanderten Britonen, die dem Einfall der Angelsachsen in Britannien vor langer Zeit geschuldet war, änderte sich auch die Bezeichnung. Naels Ungeduld wuchs, nach einer Abwesenheit von über zehn Jahren sah er bald seine alte Heimat wieder. Nach dem Tod seiner eigenen Familie kehrte er zu seinen Wurzeln zurück, neben der Trauer um Alva und Björn erfüllte ihn plötzlich die Neugier auf seine Heimat. Seit seiner Abreise hörte er nichts mehr von seinen Eltern, diese kannten sein Leben im Norden nicht. Sie wussten von seiner Ehe mit Alva und Björn, mehr erfuhren sie nicht. Aber nur, wenn es dem nordischen Kaufmann gelungen war, Donostia zu erreichen. Nael bestieg das erste mögliche Schiff in seine Heimat, um sein Ziel schneller zu erreichen. Ende September erblickte er die wunderschöne Bucht von Donostia oder San Sebastian, wie es in der vorherrschenden spanischen Sprache genannt wurde. Diese Sprache entstammte dem alten Latein, auch dieses wurde noch verwendet von der Geistlichkeit, dem Adel und den Kaufleuten. Die Temperaturen präsentierten sich angenehm, die Sonne strahlte bei seiner Heimkehr. Er fühlte sich besser als zu Beginn seiner Reise, aber der Schmerz über den Verlust hielt an. Seine Familie führte ein gutgehendes Handelsgeschäft in der Stadt und besaß Apfelplantagen in der näheren Umgebung. Diese wurden zur Herstellung des bekannten Apfelweins Sagardoa verwendet, mittlerweile wurde er Sagarno genannt. Die befreundeten Familien in Asturien setzten ebenfalls auf den Apfelwein, bei ihnen wurde er als Sidre bezeichnet. Diese belieferten den Hof des Königs damit. Das Schiff legte an, ein seltsames Gefühl erfasste Nael. Langsam ging er von Bord. Seine Familie übernahm vor fünfzehn Jahren das Haus einer befreundeten normannischen Kaufmannsfamilie. Otmar verließ mit Ehefrau Klotilde, seinem Halbbruder William, den er wie einen Sohn erzog und einem weiteren Sohn die Stadt, um in Rouen, der Hauptstadt der Normandie, das Erbe seines Vaters anzutreten. Auch diese Familie bildete einen Teil des Netzwerks alter Freundschaften, die für gutgehende Geschäftsbeziehungen genutzt wurden.
Nael ergriff ein seltsames Gefühl, als er in Donostia an Land ging. Er stellte den Rucksack ab und beobachtete die nähere Umgebung. Misstrauische und interessierte Blicke trafen den blonden Hünen mit den schulterlangen Haaren. Er wusste nicht, ob die Menschen ihn noch erkannten. Vor elf Jahren wies er noch nicht die körperlichen Maße auf, die ihn als hünenhaften Mann präsentierten. Sein pelzbesetzter Umhang und die Bewaffnung machten die Menschen vorsichtig. An diesem Tag herrschte viel Leben im Hafen der Stadt, die in den Jahren seiner Abwesenheit um einiges größer wurde. Er packte seinen Rucksack und marschierte Richtung des Hauses seiner Familie, das sich in der Nähe des Hafens befand. Das große Geschäft mit anschließendem Lagerraum tauchte auf, das ebenfalls im Besitz seiner Familie stand. Ein blonder, großer Mann stand im Hof und erteilte den Angestellten Anweisungen. Nael erkannte seinen Bruder Mikel, der nicht ganz an seine Größe heranreichte und einen Bart trug. Zwei Jungen standen daneben, einer davon registrierte den vor dem Hofeingang wartenden Hünen. Mikel drehte sich um und blickte auf den Fremden, plötzlich veränderte sich sein Verhalten. Er erkannte seinen Bruder sofort. „Nael!“, rief er laut, die Angestellten blieben stehen. Mikel eilte heran und umarmte ihn herzlich. „Bruder, es ist schön dich wiederzusehen!“ Noch einmal umarmte er Nael. Die beiden verstanden einander gut, obwohl es natürlich Geschwisterrivalitäten gab. Man merkte den Brüdern die Freude über das Wiedersehen an. Mikel rief die Jungen, dann legte er seine Hände auf die Schultern der neugierig blickenden Buben. „Alvaro, Rodrigo, das ist euer Onkel Nael. Er ist zu den Wikingern in den Norden gegangen, aber ihr kennt die Geschichte.“ Stolz stellte er seine Söhne vor. Sie wirkten nicht scheu. Frech blickten sie ihren Onkel in die Augen, aber sie entstammten einer erfolgreichen Familie selbstbewusster Menschen. „Oh, mein Gott! Mutter und Vater werden sich freuen, wie ich selbst. Wir haben lange nichts gehört, nur dass du geheiratet hast.“ Mikel unterbrach seine Rede und wies einen Angestellten an, die Ladung zu betreuen. Er befahl dem achtjährigen Alvaro, den Rucksack von Nael zu tragen. „Was hast du im Rucksack, Onkel Nael? Du musst Eisen geladen haben“, sagte der Junge. „Soll ich dir helfen, Schwächling?“, fragte der fast sechsjährige Rodrigo. Die beiden begannen zu streiten, dann fiel der Rucksack und der Ältere über den Jüngeren her, der sich aber nichts gefallen ließ. Nael blickte auf seinen Bruder, der den Kopf schüttelte. „Sie streiten andauernd, das ist die Mischung ihres Blutes. Wikinger, Basken und das Blut der Asturier von ihrer wilden Mutter Elena.“ Nael fragte nach, ob es sich um die ihm bekannte Frau handelte. Mikel bestätigte, dass er Elena, die älteste Tochter von Leia und Madoc, knapp ein Jahr nach Naels Weggang in den Norden, ehelichte. „Ich kenne die Wikingerfrauen nicht, aber Elena ist das Ebenbild ihrer Mutter Leia in jungen Jahren. Zumindest bestätigt dies mein Schwiegervater Madoc. Nur meine Schwägerin Isabella ist noch um einiges wilder, aber diese Frau hält kein Mann aus.“ Mikel brach ab und trennte die Jungen. Alvaro hielt den jüngeren Rodrigo im Schwitzkasten, aber dieser gab nicht auf. „Hört auf! Eure Mutter mag es nicht, wenn ihr euch prügelt“, sagte Mikel laut. Alvaro packte den großen Rucksack und hängte ihn sich um, grinsend schritt der kleinere Rodrigo an seiner Seite. „Onkel Nael, ich hoffe, du hast eine ruhigere Frau als meine Mutter. Vater muss immer machen, was sie will. Sie kann richtig böse werden“, sagte Alvaro laut und grinste, auch sein jüngerer Bruder nickte zu seinen Worten. Die Jungen erwiesen sich als frech, aber Mikel schien ruhig zu bleiben. Er fixierte seine Söhne. „Eure Mutter und ich sprechen über alles, wir respektieren uns. Aber ich kann euch gerne am Nachmittag bei ihr lassen, sie benötigt immer Hilfe“, sagte der große Mann lächelnd. Alvaro und Rodrigo schüttelten schnell den Kopf. Offenbar führte Mikels Frau ein strenges Regiment, aber Nael kannte das Selbstbewusstsein seines Bruders, dieser konnte sich überall durchsetzen. Er nahm Alvaro den Rucksack ab, dieser schien erleichtert zu sein. Vor dem Haus blieb die Gruppe stehen. Eine Frau trat aus dem Haus, sie trug blondes Haar, das bereits in Grau überging. Es handelte sich um Yrsa, Naels Mutter. Sie blieb stehen und blickte auf die Gruppe, dann erkannte sie ihren Sohn. Yrsa legte eine Hand auf ihren Mund. „Oh, mein Gott, Nael“, sagte sie laut. Dann gingen sich die beiden entgegen und umarmten sich innig. Nael besaß seit Kindestagen eine sehr starke Verbindung zu seiner Mutter, vermutlich geriet er mehr nach den Wikingern der Mutter als nach den Basken des Vaters. Yrsa löste sich, Tränen rannen über ihr Gesicht. Sie zeigte offen die Freude einer Mutter über die Rückkehr ihres Kindes. „Es ist schön, dich zu sehen. Bist du allein gekommen? Wir haben gehört, du hast geheiratet“, sagte Yrsa laut. Plötzlich verfinsterte sich Naels Gesicht. Mikel und Yrsa erkannten an der Reaktion, dass etwas passiert sein musste. Sofort lenkte Yrsa ab. „Komm ins Haus, mein Sohn. Dein Vater befindet sich mit Ivar in Pamplona. König Sancho ist tot, derzeit wird um die Nachfolgeregelung gerungen. Er kehrt in einigen Tagen zurück.“ Der Baske nickte und folgte seiner Mutter, die ihren Arm in den seinen legte. Yrsa strahlte vor Glück, ihr verschollener Sohn kehrte zurück. Sie spürte, dass etwas passiert sein musste, wollte ihn aber nicht bedrängen. Im Haus kam Elena, die Frau von Mikel, entgegen. Nael kannte sie von früher als sehr junge Frau. Elena stellte eine Schönheit dar, sie ähnelte stark ihrer Mutter Leia in Asturien. Sie umarmte ihren Schwager lange. „Es ist schön, dass du wieder zu Hause bist, Nael.“ Ihr Lächeln verstärkte ihre Schönheit, sie wandte sich an ihre Söhne. „Tragt das Gepäck eures Onkels in das Zimmer für Gäste“, sagte sie bestimmt. Alvaro blickte seine Mutter missmutig an. „Onkel Nael hat Eisen geladen, der Rucksack ist schwer. Er ist ein großer, starker Mann, Mutter“, antwortete der Junge schlagfertig. Die Augen von Elena verengten sich. „Ich helfe dir, Bruder. Denke daran, dass Vater leiden muss“, sagte Rodrigo laut. Die beiden Jungen entfernten sich schnell mit dem Rucksack nach oben und lachten lauthals. Ihre Mutter blickte ihnen nach, dann fiel ihr Blick auf Mikel. „Du musst strenger mit ihnen sein, sie sind Rabauken“, sagte sie ernst. Ihr Mann schüttelte den Kopf. „Sie sind in Ordnung. Nach den Erzählungen deiner Mutter gleichen sie dir, zudem haben sie das Blut meiner Mutter in ihren Adern. Du kannst kein Wunder erwarten“, antwortete Mikel grinsend. Elenas Augen veränderten sich, sie blickte ihre Schwiegermutter an. „Dein Sohn enttäuscht mich manchmal, er entzieht sich seiner Verantwortung.“ Yrsa winkte ab. „Es ist gut, Elena. Ich habe deine Mutter als junge Frau gekannt und du gleichst ihr tatsächlich. Zudem können Mikel und du eure ständigen Diskussionen heute einstellen, wir werden Naels Rückkehr feiern.“ Elena zuckte mit den Schultern. „Wenn ich bedenke, wie oft du mit Vater diskutierst, Mutter. Es ist unglaublich, dass du unsere Gespräche überhaupt erwähnst“, sagte Mikel grinsend, ihm schien das Ganze nichts auszumachen. Elena lachte plötzlich und nickte, dann küsste sie ihren Mann. Das Familienleben wirkte harmonisch, aber es gab ständig Gesprächsbedarf, dies kannte Nael seit seinen Kindheitstagen. Da in seiner Familie und in den befreundeten asturischen Familien die Frauen gleiches Mitspracherecht besaßen und dies auch nutzten, herrschten immer wieder Diskussionen, die aber meistens in guten Kompromissen endeten. Nael setzte sich mit Yrsa und Mikel an den großen Tisch im Hauptraum im Erdgeschoss, während Elena für Essen und Trinken sorgte. Danach holte sie ihren kleinsten Sohn, den zweijährigen Esteban, an den Tisch, der sich freute, seinen Vater zu sehen. Alvaro und Rodrigo kehrten zurück, in der Hand hielt der Ältere ein Messer. „Das ist ein echtes Messer der Wikinger“, sagte er begeistert,“ im Griff wurden Zeichen eingraviert.“ Offenbar stöberten die beiden in Naels Rucksack. „Habt ihr den Rucksack eures Onkels durchsucht?“, fragte Mikel plötzlich laut. Seine Stimme klang anders als zuvor, er wirkte ärgerlich. Die Jungen kannten diesen Ton ihres Vaters. Alvaro legte das Messer auf den Tisch. „Es tut mir leid, aber der Rucksack ist so schwer gewesen. Onkel Nael hat viele Waffen darin, kleine, größere. Das Messer hat mir gefallen.“ Mikels Zorn erwachte, das Verhalten seiner Söhne gefiel ihm nicht. Elena blickte auf ihren Mann, in diesem Zustand ließ sie ihn reden. Yrsa schüttelte vorwurfsvoll den Kopf, die Jungen wirkten verunsichert. Nael griff ein, es störte ihn nicht. „Lass es gut sein, Bruder. Wir sind ebenfalls sehr neugierig gewesen.“ Er schlug Mikel auf die Schulter, dann nahm