Milliardäre küssen keine Nannys - Nancy Salchow - E-Book

Milliardäre küssen keine Nannys E-Book

Nancy Salchow

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Beschreibung

Ronja könnte nicht glücklicher sein: Ausgerechnet sie wird aus der Kartei ihrer Agentur auserwählt, die neue Nanny für den kleinen Sohn von Filmemacher und Milliardär Gary zu werden. Als sie jedoch erfährt, dass sie nur deshalb von Garys Ehefrau Candy ausgewählt wurde, weil diese Ronja als unattraktiv betrachtet und somit als ungefährlich für ihre Ehe, bekommt ihre Freude erste Risse. Das Gefühlschaos ist perfekt, als Ronja merkt, wie liebenswert und unerwartet bodenständig ihr berühmter Chef ist.

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Inhaltsverzeichnis

Über das Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Impressum

Nancy Salchow

Milliardäre küssen keine Nannys

Roman

Über das Buch

Ronja könnte nicht glücklicher sein: Ausgerechnet sie wird aus der Kartei ihrer Agentur auserwählt, die neue Nanny für den kleinen Sohn von Filmemacher und Milliardär Gary zu werden.

Als sie jedoch erfährt, dass sie nur deshalb von Garys Ehefrau Candy ausgewählt wurde, weil diese Ronja als unattraktiv betrachtet und somit als ungefährlich für ihre Ehe, bekommt ihre Freude erste Risse. Das Gefühlschaos ist perfekt, als Ronja merkt, wie liebenswert und unerwartet bodenständig ihr berühmter Chef ist.

Kapitel 1

„Auf Ronja“, jubelt Laura fröhlich, „meine Heldin!“

Unsere Prosecco-Gläser klirren zum Takt von Sias „Cheap Thrills“, das aus den Boxen meiner Stereoanlage dröhnt, während wir es uns auf dem Sofa bequem machen.

„Du übertreibst mal wieder maßlos“, antworte ich, nachdem ich einen Schluck aus meinem Glas genommen habe.

„Ich übertreibe?“ Laura lacht theatralisch. „Im Gegenteil. Ich untertreibe, Liebes. Du bist aus einer Agentur-Kartei mit über 500 Bewerberinnen ausgewählt worden, die neue Nanny in der Villa von Gary Steinberg zu werden. Das ist … das ist …“, sie schnappt nach Luft, „einfach der absolute Wahnsinn! Meine beste Freundin im Hause des größten Filmemachers und Schauspielers Deutschlands.“

„Nun beruhige dich wieder, Laura. Ich bin nur die Nanny seines Sohnes, nicht die Hauptdarstellerin seines nächsten Films.“

Doch die Wahrheit ist, dass ich mindestens genauso aufgeregt bin wie Laura. Seit dem Anruf meiner Chefin, der gerade mal zwei Tage zurückliegt, kann ich an nichts anderes mehr denken.

Gary Steinberg.

Seitdem ich ihn vor zehn Jahren, damals war ich gerade mal siebzehn, in seinem Kinohit „Doppelkinnbonus“ gesehen habe, in dem er einen wahnsinnig attraktiven Typen verkörpert, der seine Freundin mit Extrapfunden lieber mag als mit Modelfigur, schwärme ich für ihn. Okay, damals war er Mitte zwanzig und so richtig heiß. Heute ist er ein gestandener Schauspieler, extrem erfolgreicher Filmemacher und – das ist eigentlich das einschüchterndste Detail – Milliardär.

MILLIARDÄR!

Eigentlich kein Wunder bei den unzähligen Kino-Erfolgen, die er seitdem produziert hat. Trotzdem schüchtert mich diese Tatsache ein.

„Und du hast immer noch mit keinem von den Steinbergs gesprochen?“, fragt Laura.

„Nur mit meiner Chefin. Den Rest wissen die Steinbergs aus meiner Kartei.“

„Merkwürdig.“

„Aber nicht unbedingt unüblich in der Branche.“

„Egal.“ Laura macht eine wegwerfende Handbewegung. „Das Einzige, was zählt, ist, dass du morgen anfängst.“

„Und dass ich dort meine eigene kleine Wohnung bekommen werde, vergiss das bitte nicht.“

„Ach ja, die Wooohnung“, kreischt Laura, „wann darf ich sie sehen?“

„Mensch, Laura, nun lass mich doch erstmal den ersten Tag hinter mich bringen, dann sehen wir weiter. Ich weiß doch gar nicht, wie die Steinbergs über Besuch denken.“

„Na ja, Kühlungsborn ist nur eine halbe Stunde entfernt, da wird es doch wohl erlaubt sein, dass deine beste Freundin mal auf einen Sprung vorbei kommt.“

„Fängst du jetzt echt an, mich deswegen zu nerven? Ich werde ganz bestimmt nicht schon am ersten Tag fragen, wann du mich besuchen kommen kannst.“ Ich seufze. „Außerdem bin ich so schon nervös genug.“

„Cool bleiben, Süße“, sie pufft mir mit einem Zwinkern in die Hüfte, „ich spanne dir deinen Milliardärschef schon nicht aus.“

„Er ist verheiratet“, protestiere ich.

„Das war ein Scherz!“ Laura hebt die Augenbrauen. „Mann, du musst ja echt nervös sein, wenn du nicht mal mehr meine Witze verstehst.“

„Nicht so nervös wie du.“

Laura muss lachen. „Stimmt. Ich bin so aufgeregt, als wäre es mein Job.“

Ich lehne mich auf dem Sofa zurück, während meine Gedanken zu dem kleinen Jungen wandern.

„Ich bin gespannt auf Jonah“, sage ich.

„Wie alt ist er eigentlich?“

„Sieben. Bisher kenne ich ihn aber nur von Fotos. Süß ist er, der Kleine. Und sieht seinem Vater sehr ähnlich. Genau wie er dunkles, volles Haar, rehbraune Augen.“

„Da kann man dir nur wünschen, dass er keines von diesen verzogenen Promigören ist. Aber selbst wenn“, da ist es wieder, ihr lebhaftes Lachen, „für einen Job bei Gary Steinberg nimmt man sogar das in Kauf.“

In der Glastür des gegenüberliegenden Fernsehschranks sehe ich unser Spiegelbild.

Neben Laura mit ihrem sexy Kurzhaarschnitt in Goldblond, der sonnengebräunten Haut und den langen Beinen sehe ich mit meiner krausen dunklen Mähne, der blassen Haut und der schwarzen Brille noch unscheinbarer aus, als ich es ohnehin schon bin.

„Und seine Frau?“, fragt Laura. „Diese Candy?“

„Was soll mit ihr sein?“

„Na ja, sie scheint doch die geborene Diva zu sein, wenn man so in Promimagazinen über sie liest. Letzte Woche hat sie am Set ihres neuen Films darauf bestanden, das Büffet auf keinen Fall mit den anderen Darstellern zu teilen. Alles musste speziell für sie platziert werden. Und normales Mineralwasser war auch nicht erlaubt. Ist dein Fell dick genug für so eine Primadonna?“

„Ich bin ja nicht ihre Nanny, oder? Außerdem ist die Hälfte der Artikel in solchen Zeitschriften doch eh erfunden.“

„Du weißt, was ich meine.“

„Sicher“, ich zucke mit den Schultern, „aber was soll schon groß passieren? Ich bin es gewohnt, dass mir jemand sagt, was ich tue. Damit verdiene ich schließlich mein Geld. Das war bei den Heymanns auch nicht anders.“

„Die waren aber auch nicht prominent.“

„Das nicht. Aber schwierig konnte Frau Heymann auch sein. Denk nur an Jeremys sechsten Geburtstag. Da durften die Kleinen nicht im Garten spielen, weil sie Angst vor Flecken in den Klamotten hatte.“

„Du hast ja recht.“ Laura nippt an ihrem Glas. „Du wirst das schon packen, da bin ich sicher.“

Vor meinen Augen taucht das Foto auf, das ich erst am Morgen von Gary Steinberg gegoogelt habe. Ein Foto, das während eines Interviews entstanden ist und ihn auf einer Ledercouch zeigt. Seltsam, aber seitdem ich weiß, dass er mein Chef wird, kommt mir das Lächeln auf dem Foto noch charmanter als vorher vor.

Gary Steinberg.

Ich kann es noch immer nicht glauben.

*

Dass Kühlungsborn direkt am Meer liegt, macht den Job noch verlockender.

Während ich mit meinem klapprigen Polo durch die beschauliche Stadt fahre und all die Strandvillen und Ferienhäuschen hinter mir lasse, macht sich in mir eine erste Ahnung meines neuen Lebens breit.

Sicher, auch in meiner Heimatstadt Wismar ist das Meer nicht weit, aber hier ist man praktisch im Meer.

Durch das offene Fenster strömt eine sanfte Ostseebrise. Ich atme tief ein, während sich die Nervosität in mir zurückmeldet.

Mein Blick fällt auf die Uhr.

Kurz nach halb neun.

Um neun soll ich vor Ort sein, um mich – Zitat Frau Klauber – „meinen neuen Chefs vorzustellen.“

Gary und Candy Steinberg – das Paar der High Society. Für meinen ersten Job seit der Anstellung bei den Heymanns, die ich vor zwei Wochen pünktlich zu Jeremys vierzehntem Geburtstag verlassen habe, ein ziemlicher Sprung nach oben.

„Ihr Ziel befindet sich auf der rechten Seite“, stellt das Navigationssystem meines Handys fest.

Mein Herz schlägt zehn Takte schneller, als ich die endlos lange Einfahrt hinauffahre.

Die blassgelbe Fassade der mächtigen Villa mit den schneeweißen Fenstern und der beeindruckenden Dachterrasse zieht bereits aus der Ferne meinen Blick auf sich.

Flüchtig erhasche ich Eindrücke von weißen und roten Rosenbüschen, die den Weg zum Haus säumen.

Vor der Sprechanlage neben dem mächtigen Eisentor bleibe ich stehen und lasse das Fenster herunter.

Ein schläfriger Glatzkopf mit Bauchansatz, der in einem verglasten Wachhäuschen vor dem Tor sitzt, spricht über die Anlage mit mir.

„Name?“, fragt er mechanisch.

„Ronja Winters“, antworte ich höflich.

„Ausweis?“

Ausweis?

Ach ja, mein Ausweis!

Meine Nervosität steigt. Aufgeregt krame ich in meiner Handtasche auf dem Beifahrersitz. Mit feuchten Händen ziehe ich meinen Personalausweis aus der Geldbörse und halte ihn aus dem Fenster.

Er beäugt den Ausweis ohne jede Emotion.

„Sie werden erwartet“, sagt er, während er die Pforte per Knopfdruck öffnet. „Parkplätze sind direkt vor dem Haupteingang.“

Nachdem mein Motor vor lauter Schreck versagt, gelingt es mir, den Wagen wieder zu starten und die Auffahrt hinaufzufahren, während sich das mächtige Tor hinter mir langsam wieder schließt.

Im Augenwinkel sehe ich einen hölzernen Pavillon in romantischem Weiß auf der rechten Seite, links einen von Lorbeerbüschen umrandeten Pool.

Auf einer gepflasterten Parkfläche vor dem Haus bleibe ich schließlich stehen.

Motor aus. Tief durchatmen.

Ich werfe einen Blick in den Innenspiegel und stelle fest, dass mein Versuch, mich zu schminken, wieder mal gehörig danebengegangen ist. Für gewöhnlich tauche ich überall so auf, wie mich die Natur geschaffen hat. Ungeschminkt, ungekünstelt – echt eben. Nur passt „echt“ irgendwie nicht zu einer Anstellung bei Gary Steinberg.

Ich krame ein Feuchttuch aus meiner Tasche und wische den verschmierten Lidschatten von meinen Augen.

Ganz ruhig, Ronja. Du bist hier, um dich um den kleinen Jonah zu kümmern, nicht um optisch etwas herzumachen. Sei einfach du selbst.

Ich versuche, mein eigenes Mantra zu verinnerlichen.

Sei einfach du selbst.

Nach einem weiteren tiefen Atemzug ziehe ich schließlich den Schlüssel ab und steige aus dem Wagen.

Gerade als ich voller Ehrfurcht die prächtige Villa bewundern will, trifft mich ein Ball direkt an der Schläfe.

„Auuuuuuuutsch“, entfährt es mir.

Für einen Moment dreht sich die Welt um mich herum. Instinktiv halte ich mich am Dach meines Wagens fest und sinke halb in die Knie.

Einatmen.

Ausatmen.

Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich einen Mann auf mich zulaufen.

„Ist alles in Ordnung?“, fragt er panisch.

Erst als er direkt vor mir steht, erkenne ich, dass er es ist.

Gary Steinberg, wie er leibt und lebt.

„Ist Ihnen etwas passiert?“ Er berührt meinen Oberarm und betrachtet mich mit einer Sorge, die beinahe schon rührend ist. „Geht es Ihnen gut?“

Das ist er also, der große Gary Steinberg? Und er steht hier, um mich zu fragen, wie es mir geht?

Das Rehbraun seiner Augen ist beinahe schon schwarz und trifft mich wie ein Schlag. Seine kräftigen Oberarme ragen aus einem enganliegenden Poloshirt, an dessen Brusttasche ein sympathischer Ölfleck schimmert. Hat er etwa irgendetwas repariert?

Mein Herz schlägt schneller, während ich zu stammeln beginne. „Ja, ich … ich war nur etwas … erschrocken.“

Nun sehe ich auch den kleinen Jonah auf uns zulaufen.

„Das war ich, das war ich“, ruft der Junge beinahe schon stolz, als wäre mein Kopf ein Basketballkorb, den er beim zehnten Versuch endlich getroffen hat.

„Jonah“, Gary packt den Kleinen und legt seine Hände auf seine Schultern, während er sich zu ihm herunterbeugt. „Was habe ich dir zum Thema Ballspielen vor dem Haus gesagt?“

„Ich habe ja neben dem Haus gespielt“, verteidigt er sich. „Was kann ich dafür, wenn er nach vorne rollt?“

„Nach rollen sah das aber nicht aus“, sagt Gary. „Er ist der jungen Frau direkt an den Kopf geknallt, mein Lieber.“

"Wirklich", mische ich mich ein, "es ist alles okay.“ Ich nehme die Hand von meiner Schläfe und bemühe mich um ein unbeschwertes Lächeln.

Es stimmt sogar. In diesem Moment spüre ich keinen Schmerz mehr. Alles, was ich sehe, sind die hübschen Grübchen auf Garys Wangen.

Scheiße, Ronja, reiß dich zusammen! Es ist dein erster Tag und du stehst hier mit debilem Grinsen und starrst ihn an.

Gary klopft sich die Hände an seinen Jeans ab und begrüßt mich. „Aber nun erst mal Hallo.“ Seine Augen strahlen. „Ich bin Gary Steinberg.“

„Ronja Winters. Freut mich.“

Ich komme mir vor wie ein Kind an seinem ersten Schultag.

„Ich hoffe, mein Wagen kann hier stehenbleiben“, sage ich schüchtern, während ich – davon bin ich überzeugt – rot anlaufe.

Gary nickt. „Natürlich.“

„Bist du meine neue Mama für den Tag?“ Jonah zieht am Zipfel meines Kleides, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Mama für den Tag.

Seine Worte rühren mich.

„Ich bin Ronja.“ Lächelnd beuge ich mich zu ihm herunter. „Und ich hoffe, wir werden gute Freunde.“

„Deine Mama bleibt deine Mama“, erklärt Gary lachend. „Ronja passt nur tagsüber auf dich auf, wenn Mama und ich oder einer von uns beiden arbeiten muss.“

„Wusstest du, dass Mama in einem Nagelhaus arbeitet?“, fragt mich Jonah, während er seinen Ball wieder aufhebt.

„Ein Nagelhaus?“, frage ich.

„Ja.“ Jonah nickt. „Sie hat immer neue Fingernägel, wenn sie nach Hause kommt. Und die glänzen dann so schön.“

Ich unterdrücke ein Lachen.

„Jonah“, ruft Gary. „Du weißt doch genau, dass Mama die schönen Nägel für ihre Arbeit braucht.“

Jonah kichert und wirft seinen Ball in die Luft.

„Sie müssen entschuldigen“, Gary sucht meinen Blick, „aber Jonah sagt immer, was er denkt.“

„Tun das nicht alle Kinder?“

„Meine Frau ist heute früh schon unterwegs mit ihrem Personal Trainer“, erklärt er. „Aber Sie werden Sie sicher später noch treffen.“

Ich nicke. „Darauf freue ich mich schon.“

Doch die Wahrheit ist, dass ich nicht gerade traurig darüber bin, Gary erst einmal allein kennenzulernen. Live und in Farbe ist er nämlich noch attraktiver als auf der Leinwand. Neben einer Schönheit wie Candy Steinberg fühle ich mich ohnehin nur wie eine graue Maus.

„Meiner Frau haben Sie übrigens auch diesen Job zu verdanken“, sagt er.

„Tatsächlich?“

Gary nickt. „Jonahs voriges Kindermädchen Anka hat geheiratet und ist mit ihrem Mann nach Schweden gezogen, wo sie auch ursprünglich herkommt. Da habe ich es in Candys Hand gelegt, eine geeignete Nachfolgerin zu finden. Tja, und so“, er lächelt aufrichtig, „sind Sie bei uns gelandet, Ronja.“

„Ich freue mich natürlich. Gewundert hat es mich trotzdem, dass vorher gar kein Gespräch oder Treffen stattgefunden hat.“

„Ihre Unterlagen waren ja sehr detailliert. Und den Rest wissen wir von der Chefin Ihrer Agentur.“

„Verstehe.“

Mein Blick wandert zu meinem Wagen. Ob ich ihn direkt auf mein Gepäck ansprechen soll?

„Haben Sie Gepäck?“, fragt er plötzlich. Für einen Moment fühle ich mich seltsam ertappt, als hätte er meine Gedanken gelesen.

„Im Kofferraum“, antworte ich. „Ich war mir nicht sicher, ob ich es gleich herausholen soll.“

„Doch natürlich ...“

„Hast du mein neues T-Shirt gesehen?“, unterbricht uns Jonah plötzlich fröhlich. Erst als ich zu ihm schaue, merke ich, dass er mich meint.

„Oh“, ich mustere das mintgrüne Shirt mit dem Zitronengesicht. „Das ist aber hübsch.“

„Es ist nicht hübsch“, korrigiert mich der Kleine, „es ist cool.“

Ich gehe in die Hocke. „Meine ich doch: Sowas von cool.“

Jonah nickt wichtigtuerisch. „Mama findet es blöd. Sie sagt, es ist zu billig.“

Gary geht ebenfalls in die Hocke, sodass wir drei nebeneinander auf dem Boden hocken. Ein Bild, das mich innerlich schmunzeln lässt.

„Das hat Mama aber nicht gesagt.“ Gary berührt Jonahs Nasenspitze. „Sie kauft für dich nur eben gern Qualität ein.“

„Qualizät?“

„Qualität.“ Gary lacht. „Deshalb war sie nicht so begeistert, dass ich dir dieses Shirt im Internet bestellt habe.“

Jonah juchzt vergnügt, hebt seinen Ball auf und läuft hinter das Haus.

„Mama hat keine Ahnung, was cool ist“, ruft der Kleine von weitem.

Gary will ihm etwas nachrufen, doch da ist Jonah auch schon außer Sichtweite.

„Er ist manchmal sehr …“, Gary sucht nach dem richtigen Wort.

„Direkt?“ Ich lächle vorsichtig.

„Kann man so sagen.“

Unsere Blicke treffen sich für einen kurzen intensiven Moment. Erst jetzt wird mir bewusst, dass wir noch immer nebeneinander auf der Erde hocken.

„Also?“ Leicht irritiert stehe ich auf. „Ist es in Ordnung, wenn ich erst mal meine Sachen irgendwo verstaue?“

„Ja.“ Er steht ebenfalls auf. „Ja natürlich.“

Täusche ich mich oder ist auch er leicht nervös? Und wenn ja, warum? Jemanden einzustellen, wird doch für ihn keine Besonderheit mehr sein.

Im Augenwinkel sehe ich einen älteren Mann mit einer Heckenschere an Rosenbüschen hantieren.

Ein Gärtner. Eine Nanny.

Und wir sind sicher nur zwei von vielen Angestellten. Warum also die Nervosität?

Nein, Ronja, du bildest dir das ein. Vor dir steht einer der größten und reichsten Filmemacher Deutschlands. Nervosität ist ihm so fremd wie dir das Glück mit Männern.

„Wo werde ich denn wohnen?“, fühle ich langsam vor.

„Ihr Reich ist direkt am Pool.“

Mein Blick wandert zu dem Becken hinter uns. „Am Pool?“

„Im Poolhaus genauer gesagt.“

Ich drehe mich zu dem maisgelben Häuschen im Bungalowstil um.

„Und wer wohnt noch dort?“

„Wer noch dort wohnt?“ Gary lacht. „Niemand natürlich.“

„Ähm … verstehe … ich meine … ich habe es nicht erwartet, aber …“

„Ihr Job ist stressig genug“, erklärt er. „Da brauchen Sie einen Rückzugsort.“

Ein eigenes Häuschen? Allein für mich? Laura dreht durch, wenn ich ihr das erzähle.

„Alles in Ordnung?“ Er mustert mich mit einem derart eindringlichen Blick, dass ich mich für einen Moment frage, ob er auch jeden anderen auf dieselbe Weise anschaut.

Ich beginne zu stammeln. „Ja natürlich … Entschuldigung … das ist nur alles so, so neu für mich.“

„Aber als Nanny haben Sie doch schon gearbeitet.“

„Natürlich. Aber ich hatte nie ein eigenes Haus.“

Sein Lachen wird lauter. „Im Grundbuch stehen Sie noch nicht, falls es Sie beruhigt.“

Ich spüre, wie ich rot werde. „Das habe ich nicht gemeint, als ich von einem eigenen Haus gesprochen habe.“

„Beruhigen Sie sich, Ronja.“ Er legt seine Hand auf meine Schulter. „Ich mache doch nur Scherze.“

Ein leichtes Kribbeln durchfährt mich, als ich seine Berührung spüre. Doch schon im nächsten Moment lässt er mich wieder los und geht auf meinen Wagen zu.

Ich schaue ihm irritiert dabei zu, wie er den Kofferraum meines Wagens öffnet und einen prüfenden Blick in das Innere wirft.

„Ein Koffer bloß?“, stellt er fest.

„Ähm … ja … ich habe ja nicht vor ...“

„... länger zu bleiben?“ Er dreht sich mit einem Augenzwinkern zu mir um.

„Nein, das meinte ich nicht. Aber ich habe ja auch noch meine Wohnung. Und überhaupt, es ist mein erster Tag.“

„Na, wie auch immer.“ Er zieht den Koffer heraus und schließt die Klappe wieder. „Hauptsache, Sie sind erst mal hier.“

Dass er selbst dafür sorgt, mein Gepäck unterzubringen, imponiert mir.

„Darf ich fragen, wie viele Angestellte Sie haben?“, frage ich, während ich ihm über einen Marmorweg über den Rasen hinweg zum Poolhaus folge.

„Angestellte?“, wiederholt er, als wüsste er nicht, was das ist.

„Na ja, ich habe dort hinten einen Gärtner gesehen“, antworte ich.

„Ricardo?“

Ich nicke, während Gary einen Schlüssel in die gläserne Hintertür steckt.

„Ricardo arbeitet schon seit fünf Jahren bei uns. Neben unserer Köchin Angela und der Putzfrau Franka ist er der einzige Angestellte hier auf dem Grundstück. Mal abgesehen von den Wachmännern, die von einer Firma gestellt werden.“

„Erstaunlich wenige“, stelle ich fest. „Dafür, dass Sie …“ Ich stocke.

Gary dreht sich in der offenen Tür zu mir um. „Dafür, dass ich was?“

Dafür, dass Sie stinkreich sind, möchte ich sagen, doch ich beiße mir auf die Unterlippe.

„Na ja, Sie sind sicher viel beschäftigt“, antworte ich diplomatisch. „Und bestimmt auch viel unterwegs.“

„Sicher.“ Er stellt meinen Koffer auf die Fliesen. „Aber gerade deshalb ist es mir wichtig, wenigstens zu Hause so viel Normalität wie möglich zu haben.

---ENDE DER LESEPROBE---