Millionaire next Door - Daniela Felbermayr - E-Book
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Millionaire next Door E-Book

Daniela Felbermayr

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Beschreibung

Bäckereibesitzerin Ellie hat die Nase eigentlich gestrichen voll von Männern, nachdem sie von ihrem Exfreund übel über den Tisch gezogen worden ist. Als sie jedoch ihren neuen Nachbarn Matt kennenlernt, möchte sie ihre Prinzipien am liebsten über Bord werfen. Der gutaussehende Sonnyboy ist nicht nur nett und charmant, sondern mit Ellie auf absolut derselben Wellenlänge. Scott Hemsworth hat sein Vermögen mit Extremsportevents gemacht und ist nicht nur steinreich sondern in der Sportszene genauso berühmt wie seine Firma. Dass er in betrunkenem Zustand einen Unfall verursacht hat, für den er nun im Sinne von Sozialstunden geradestehen muss, kommt ihm da denkbar ungelegen. Erst recht, wo er sich gerade erst mit seiner Freundin Heather verlobt hat und lieber Hochzeitstorten verkosten würde, als Müll von der Straße aufzusammeln. Um sein Gesicht vor der Öffentlichkeit zu wahren, gestattet ihm das Gericht, seine Sozialstunden in New York anstatt in L.A. abzuleisten, wo er als "Matt Jones" möglichst wenig Staub aufwirbeln und so schnell wie möglich zu Heather zurückkehren möchte. Doch dann begegnet er seiner Nachbarin Ellie ... und die Grenzen zwischen Scott und Matt verschwimmen mehr und mehr ...

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Millionaire next Door

Der Traummann von nebenan

Daniela Felbermayr

Inhalt

Impressum

Prolog

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NEUNZEHN

ZWANZIG

EINUNDZWANZIG

Epilog

Impressum

Copyright: 2018 Daniela Felbermayr

Covergestaltung: www.rausch-gold.com, Catrin Sommer

Unter der Verwendung von Shutterstock

Korrektorat: SW Korrekturen e.U.

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlungen sind frei erfunden, eventuelle Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markenname und Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum der rechtmäßigen Eigentümer.

Prolog

„Ich habe ein mulmiges Gefühl, Mann.“

Scott Hemsworth knetete nervös an seinen Fingern herum, als er an der Seite seines Anwaltes und besten Freundes Dean Stanton die breiten Treppen zum Gerichtsgebäude des L. A. County hochlief. Das Gebäude, an dem er bislang schon zigmal vorbeigefahren war und das er eigentlich immer nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte, wirkte heute unglaublich bedrohlich auf ihn.

„Du hast absolut keinen Grund dazu, Bro. Ich sagte doch, ich habe mit Richter Collins einen Deal. Du kommst mit einer Verwarnung davon, bezahlst diesem Typen ein nettes Sümmchen Schmerzensgeld und machst eine großzügige Spende an eine wohltätige Organisation. In einer halben Stunde ist alles erledigt und du kannst mich zum Essen einladen.“ Dean klopfte Scott fest auf die Schulter und versuchte, ihn etwas zu ermutigen, was ihm nicht gelang. Scott beruhigte diese Aussage überhaupt nicht. Er hatte einen schrecklichen Fehler begangen, indem er vor vier Wochen – alkoholisiert – viel zu schnell den Rodeo Drive entlanggebraust war und dabei einen Passanten überfahren und schwer verletzt hatte. Nur seinem Namen, seiner Bekanntheit hier in L. A. und letztlich auch seinem Geld war es zu verdanken gewesen, dass man ihn nicht gleich hinter schwedische Gardinen gesteckt hatte, zumal er obendrein noch kurz zuvor einen Joint geraucht hatte, dessen Geruch den gesamten Innenraum des Wagens einnahm. Dass er mit seinem Geschwindigkeitsrausch nur seiner unbändigen Freude darüber Ausdruck verlieh, dass seine Freundin Heather seinen Heiratsantrag angenommen hatte, machte die Sache auch nicht gerade besser. Er hatte nicht nur ein kleines Vermögen dafür gezahlt, auf Kaution draußen zu bleiben, sondern auch alle möglichen Reporter und Zeitungen bestochen, damit nur ja kein Sterbenswörtchen über diese Angelegenheit an die Öffentlichkeit gelangte. Es erstaunte ihn immer wieder, wie einfach es war, sich Leute zu kaufen, wenn man nur genug Geld hatte, obwohl er bereits seit Jahren „im Geschäft“ war. Am Ende des Tages hatte doch jeder seinen Preis. Er hatte den üblichen Verdächtigen, großen Namen der Regenbogenpresse, einfach ein stattliches Sümmchen überwiesen und schon waren sie alle in Verschwiegenheit gehüllt. Für gewöhnlich hielt Scott nichts von derartigen Machenschaften, aber die Zahlung dieses Schweigegeldes war absolut notwendig und unumgänglich gewesen. Die Medien hätten sich wie Hyänen auf ihn und sein Unternehmen gestürzt, würde herauskommen, dass Scott Hemsworth, der skandalfreie Traumschwiegersohn, der mit Mitte zwanzig aus dem Nichts ein kleines Unternehmen gegründet hatte, das Houserunning-Events organisierte, mittlerweile aber zu den Top 10 der Staaten gehörte, was Funevents und Extremsport betraf, jemanden betrunken überfahren hatte. Und obendrein noch unter Drogeneinfluss gestanden hatte. Scotts Mantra war, dass man sich den „Kick“ auch anderswo holen konnte als durch Alkohol und Drogen. Er trat mit Vorträgen darüber regelmäßig an Schulen auf und hatte eine Stiftung ins Leben gerufen, die aus Jugendlichen, die ins Drogenmilieu abgerutscht waren, erfolgreiche Sportler machte. Dass jetzt ausgerechnet er betrunken und bekifft einen Mann überfuhr, würde nicht nur seinem persönlichen Ansehen, sondern auch seiner Firma enormen Imageschaden einbringen.

Als die beiden an den mächtigen Eingangsportalen ankamen, die von finster dreinblickenden Justizwachebeamten flankiert wurden, blieb Scott stehen. Obwohl Dean ihm versichert hatte, dass weder etwas über diesen Prozess an die Öffentlichkeit gelangte und dass er nur eine Geldstrafe ausfasste, ließ dieses mulmige Gefühl nicht von ihm ab, das ihm sagte, dass er doch nicht so leicht davonkommen würde, wie Dean versuchte, ihm weiszumachen. Dass dieser Tag noch eine gehörige Überraschung für ihn bereithielt, der er lieber entgehen würde. Er wünschte, Heather wäre bei ihm, doch die hatte ihm von Anfang an zu verstehen gegeben, dass sie „mit dieser Sache“ nichts zu tun haben wollte. Sie hatte alles rund um die Anzeige und die Verhandlung einfach ausgeblendet, so, als wäre nie etwas vorgefallen. Heather Cunningham war die Frau seiner Träume. Achtundzwanzig, Model für große Labels und scharf wie heißes Chili. Es hatte ihn ein kleines Vermögen und zwei ganze Jahre gekostet, sie zu umwerben, doch schließlich hatte sie sich doch auf eine Beziehung mit ihm eingelassen und seither waren sie ein Paar. Obwohl Heather einen „schwierigen Charakter“ besaß, was im Klartext hieß, dass sie ein arrogantes, oberflächliches und launenhaftes Miststück war, hatte sie es geschafft, Scott nach ihr süchtig zu machen. Und nach Sex mit ihr. Er war besessen von ihrer Schönheit und ihrer Makellosigkeit, hätte Tage damit zubringen können, sie nur anzusehen. Dass es nicht immer einfach mit ihr war, speziell, was ihren Umgang mit anderen und auch ihre Essgewohnheiten betraf, hatte er inzwischen in Kauf genommen. Sie war die schönste Frau, die er jemals gesehen hatte, und nachdem diese leidige Angelegenheit hier vor Gericht ausgestanden war, konnten sie sich um die Hochzeitsvorbereitungen kümmern. Es hatte Scott zunächst etwas getroffen, dass Heather nicht dazu bereit gewesen war, ihn an diesem Morgen wenigstens zu seiner Verhandlung ins Gericht zu begleiten. Doch sie hatte ihm von vornherein klargemacht, dass sie diese Angelegenheit nicht interessierte und auch gar nichts davon hören wollte. Es würde sie nur runterziehen und ihr Pickel und Falten bescheren, hatte sie gemeint, als sie fuchsteufelswild zu Hause auf ihn gewartet hatte, nachdem man ihn nach dem Vorfall mit aufs Revier genommen hatte. Eigentlich hatten sie an diesem Abend in trauter Zweisamkeit ihre Verlobung feiern wollen, nachdem sie mit ihren Freunden auf ihre baldige Ehe angestoßen hatten. Heather war von ihrer besten Freundin Stacy nach Hause gebracht worden, während Scott seinen Lamborghini selbst nach Hause lenkte. Plötzlich – vermutlich aufgrund der Kombination des Alkohols mit den Drogen – hatte eine Euphorie von ihm Besitz ergriffen, die er bislang noch nicht gekannt hatte. Es gab kaum noch etwas, was ihn reizte. Keine Basejumps, keine Stuntflüge. Dieses Gefühl eines überdimensionalen Adrenalinkicks, von dem er früher abhängig gewesen war, hatte er lange nicht mehr verspürt. Jetzt übermannte es ihn. Er drückte das Gaspedal durch, schrie seine Freude aus dem Innersten seines Herzens ins Innere des Wagens, übersah, dass die Straße eine Kurve machte, und prallte im nächsten Moment gegen etwas. Gegen jemanden. Der Dom Perignon, den Heather vom Hausmädchen hatte öffnen lassen, war mittlerweile warm und ungenießbar geworden und Heathers Laune hatte sich dem Champagner angepasst. Der Abend, der ihre Liebe besiegeln und in heißem Sex hatte gipfeln sollen, hatte in einem bitterbösen Streit geendet, in dem Heather Scott vorgeworfen hatte, er sei nur drauf aus, ihr das Leben zur Hölle zu machen. Und dass sie jetzt schon bereute, seinen Heiratsantrag angenommen zu haben.

Die ganze Zeit über hatte sie Scott unterbrochen, wenn er von der Verhandlung zu sprechen begann, und ihm klargemacht, dass sie kein Interesse daran hatte, zu erfahren, wie es um die Ermittlungen stand, was Dean zu der Sache zu sagen hatte, und erst recht nicht, wie Scott sich dabei fühlte. Aber so war Heather nun mal. Sie war schwierig und manchmal unfair, sie war gemein und hin und wieder richtig bösartig. Aber sie war gnadenlos sexy, und es gab so vieles an ihr, was er liebte, sodass er über ihre Launenhaftigkeit in Bezug auf „den Vorfall“ hinwegsehen konnte. Heather Cunningham war seine Droge. Die Einzige, von der er niemals loskommen würde.

„Los, bringen wir’s hinter uns“, sagte Dean auffordernd, klopfte ihm noch einmal auf die Schulter und riss ihn damit aus seinen Gedanken. Genau. Sie würden es jetzt hinter sich bringen und dann würde Scott sich auf die Hochzeitsvorbereitungen konzentrieren können.

 

Scott war bereits öfter in Gerichtssälen gewesen, bislang aber immer als Kläger. Als CEO eines internationalen Unternehmens, das man eigentlich schon als Imperium hätte bezeichnen können, blieb es einem nicht erspart, Dispute hin und wieder vor Gericht auszutragen. Es hatte Streitigkeiten mit Investoren und Labels gegeben, mit anderen Unternehmen und Mitbewerbern, und immer war Scott als Gewinner aus dem Gerichtssaal gegangen. Irgendetwas sagte ihm an diesem Tag jedoch, dass seine Glückssträhne gerissen war. Seine Mitarbeiter hatten ganze Arbeit geleistet und der Prozess würde unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Niemand wusste auch nur ansatzweise, was hier verhandelt wurde. Und wer auf der Anklagebank saß. Die anwesenden Gerichtsdiener hatten eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen und damit bestätigen müssen, dass sie keine Information, die an diesem Tag ans Licht kam, nach außen tragen würden. Es war noch nicht einmal nach außen gedrungen, DASS es einen Prozess wegen Trunkenheit am Steuer und schwerer Körperverletzung gab, in den Scott Hemsworth involviert war.

Raum 2084 war bis auf das Richtergremium und eine Schreibkraft an diesem Morgen leer und Scott folgte Dean vor zur ersten Reihe. Noch nicht einmal hier drin fühlte es sich an wie eine richtige Gerichtsverhandlung. Hätte Scotts Maschinerie nicht so erstklassig gearbeitet, wäre der Raum bestimmt bis auf den letzten Platz vollgestopft gewesen, weil jeder einzelne Hans und Franz da draußen live dabei sein wollte, wenn der milliardenschwere Saubermann sein Fett wegbekam. Sich öffentlich dazu bekennen musste, betrunken und bekifft jemanden überfahren zu haben. Es gab ihm ein bisschen Sicherheit, dass hier drin so etwas wie Privatsphäre herrschte, auch wenn der Gerichtssaal unglaublich bedrohlich auf ihn wirkte. Und dennoch ließ das mulmige Gefühl nicht von ihm ab, das ihn begleitete, seit er an diesem Morgen die Augen aufgeschlagen hatte. Scott bemerkte, dass Dean für einen Moment stutzte, als er die Menschen ganz vorn erblickte.

„Was ist?“, fragte er murmelnd und hoffte, dass der Richter ihn nicht hörte.

„Das ist nicht Richter Collins da vorne, das ist Richter Hayden“, murmelte Dean beunruhigt zurück.

„Und?“ Die beiden gingen immer noch den Mittelgang entlang, und irgendwie fühlte Scott sich in diesem Moment, als würde er zur Schlachtbank geführt. Dean blieb stehen und wandte sich Scott zu.

„Walter Hayden gilt als richtig harter Hund. Obendrein ist seine Tochter vor fünf Jahren von einem betrunkenen Junkie totgefahren worden. Aber keine Sorge, bestimmt springt er nur ein und wir sind in spätestens einer halben Stunde wieder draußen. Mit dir als freiem Mann. Es geht hier ja nur noch um Formalitäten. Die Grundlagen sind alle schon mit Richter Collins geklärt. Es ist alles abgesegnet.“

Scotts Herz sank in seine Hose. Das hier würde nicht gut ausgehen, das wusste er. Er warf einen prüfenden Blick auf den Richter, der ganz vorn am Pult saß und ihn ebenfalls ansah, und glaubte, etwas Abschätziges an ihm zu erkennen. Ihm wurde mulmig zumute. Ganz offensichtlich würde die Sache doch nicht so glimpflich ausgehen, wie Dean gedacht hatte. Hatte er wirklich geglaubt, sein Geld könnte ihn davor bewahren, für schwere Körperverletzung bestraft zu werden? Für Alkohol am Steuer? Und für Drogenmissbrauch? Ja, es gab sie bestimmt, diese bestechlichen Richter, denen man eine großzügige Summe versprach und die dann ein Auge zudrückten, so wie dieser Richter Collins, von dem Dean gesprochen hatte. Aber der Kerl, der vorn am Richtertisch saß und ihn argwöhnisch betrachtete, wirkte nicht so, als würde man ihn mit Geld ködern können. Er wirkte kalt. Böse. Und er strahlte eine Art von Respekt aus, die Scott fast Angst einjagte. Er würde im Gefängnis landen. So viel war sicher.

„Guten Morgen, Euer Ehren“, sagte Dean und begrüßte den Richter, der den Gruß erwiderte. Scott und Dean nahmen an dem Tisch in der ersten Reihe Platz und Scotts Herz begann zu rasen. Er durfte nicht ins Gefängnis gehen, komme, was wolle. Nicht nur seine Existenz stand damit auf dem Spiel, sondern auch Heathers und die seiner Mitarbeiter. Der Imageschaden würde beträchtlich sein, das hatte auch Louis Mansfield, sein Unternehmensberater – und einer der wenigen Personen, die in die Sache eingeweiht waren – bestätigt. Und damals war nur die Rede davon gewesen, was passierte, wenn öffentlich wurde, dass Scott jemanden betrunken und bekifft überfahren hatte. Was los war, wenn er tatsächlich verknackt wurde, wollte er sich gar nicht vorstellen.

„Wir verhandeln hier und heute den Fall ‚Der Staat gegen Scott Peter Hemsworth‘“, begann Richter Hayden, dessen Stimme den Klang von grollendem Donner angenommen hatte. „Es geht um …“ Er blätterte in der Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag. „Schwere Körperverletzung unter Alkoholeinfluss, Fahren eines Fahrzeuges unter Alkoholeinflusses und …“ Ein weiterer Blick, erst in die Akte, dann auf Scott. „Missbrauch von Marihuana.“

Scotts Herz blieb stehen. Aus dem Mund dieses Richters hörte sich das Ganze an wie eine Anklage wegen Serienmordes. Er hatte noch nie zuvor mit Drogen zu tun gehabt und sich an diesem einen Abend auch nur dazu hinreißen lassen, drei-, viermal an einem Joint zu ziehen, der die Runde machte, weil er sich wie der König der Welt fühlte, der in Kürze seine Königin heiraten würde. Dean erhob und räusperte sich. Er wünschte sich, die Zeit zurückdrehen zu können und Heather dazu überredet zu haben, einfach zu Hause zu bleiben. Doch sie wollte unbedingt losziehen und ihren Verlobungsring herumzeigen, und in dem Moment hatte Scott das auch für eine gute Idee gehalten. Die ganze Welt sollte erfahren, dass er diese Hammerfrau heiraten würde. Und weil er so voller Endorphine war, Endorphine, die seinen Körper sonst nur durchströmten, wenn er ohne Sicherung mit Haien tauchte oder zwischen zwei Berggipfeln ohne Seil slacklinte, hatte er einmal die Kontrolle ein kleines bisschen abgegeben.

„Euer Ehren, ich habe den Fall bereits mit Richter Collins durchbesprochen.“ Dean versuchte zu retten, was noch irgendwie zu retten war, „um Ihre wertvolle Zeit nicht länger als nötig in Anspruch zu nehmen.“

„Richter Collins wurde zu einem anderen Fall abgezogen, Mr. Stanton“, sagte Richter Hayden scharf. „Und glauben Sie mir, für verwöhnte Jungs wie Ihren Mandanten, die sich erst besaufen und Drogen konsumieren und dann Jagd auf harmlose Passanten machen, nehme ich mir gerne etwas von meiner wertvollen Zeit.“ Die Worte „wertvolle Zeit“ setzte er mit seinen Fingern in Gänsefüßchen. Scott seufzte. Vermutlich bekam er lebenslänglich in San Quentin oder so.

„Mir ist auch der Deal bekannt, den Sie mit Richter Collins gemacht haben“, fuhr Richter Hayden dann fort. „Fünfhunderttausend Dollar an das Unfallopfer, fünfhunderttausend Dollar an eine Stiftung gegen Drogenmissbrauch und fünfhunderttausend Dollar an das Santa-Ana-Krankenhaus, richtig?“

Scott überlegte. Seine Freiheit für eineinhalb Millionen Dollar. Mittlerweile kam ihm das lachhaft vor. Er würde in einem Gefängnis verrotten und mit viel Glück als alter Mann wieder herauskommen. Mittellos und verrückt.

„Das ist korrekt. Wir denken …“

„Das Denken sollten Sie lieber mir überlassen, Mr. Stanton“, fiel der Richter Dean ins Wort, der plötzlich gar nicht mehr so selbstsicher wirkte wie noch vor ein paar Minuten, dann wandte er sich an Scott.

„Mr. Hemsworth, wären Sie mit dieser Lösung einverstanden? Eine Geldbuße von insgesamt eineinhalb Millionen Dollar an das Unfallopfer und an gemeinnützige Institutionen?“

„Ja, Euer Ehren.“ Scott fiel ein Stein vom Herzen und für einige Augenblicke fühlte er sich so leicht wie seit dem Unfall nicht mehr. Dean hatte offenbar doch recht gehabt und diese Sache war in weniger als einer halben Stunde gegessen.

„Und, haben Sie oder Ihr Anwalt noch etwas zu dem Fall vorzubringen? Etwas, was noch nicht hier in meiner Akte steht? Eine neue Erkenntnis?“

„Nein, Euer Ehren.“ Scott und Dean klangen wie zwei reumütige Jungen.

„Und Sie geben zu, an besagtem Abend betrunken und unter Drogeneinfluss gefahren zu sein und Mr. …“, wieder ein Blick in die Akte, „Mr. John Inglesheim, einen achtundsechzigjährigen Rentner, der von einem Spaziergang auf dem Weg nach Hause war, überfahren und schwer verletzt zu haben?“

„Genau, Euer Ehren.“ Scott fixierte den Fußboden vor ihm. „Es tut mir leid. Ich schlafe seit dem Vorfall kaum noch, ich wünschte, ich könnte ihn rückgängig machen. Aber … ich war so überglücklich, weil meine Freundin meinen Heiratsantrag angenommen hat. Ich habe dieses eine Mal nicht aufgepasst. Und ich bereue diese Tat jeden Tag aufs Neue.“ Der Richter sah Scott an.

„Und haben Sie sonst noch etwas zu sagen, bevor ich das Urteil verkünde?“

„Nein, Euer Ehren.“

„Nun gut. Dann verurteile ich Sie hiermit zur Zahlung von eineinhalb Millionen Dollar, von denen je fünfhunderttausend an das Opfer, an das Krankenhaus und an die Stiftung gegen Drogenmissbrauch gehen.“

Scott fiel ein Stein vom Herzen, und er fühlte, wie Adrenalin seinen Körper flutete. Er war also doch noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Er würde die Geldstrafe bezahlen und könnte diese leidige Angelegenheit ein für alle Mal hinter sich lassen. Er würde mit Heather gemeinsam Hochzeitslocations besichtigen und die Gästeliste aufstellen, Kuchen verkosten und Bands aussuchen. Auch Deans Gesichtszüge entspannten sich langsam und ein Grinsen setzte sich auf seine Lippen.

„Außerdem zu fünfhundert Stunden gemeinnütziger Arbeit, abzuleisten in maximal drei Monaten“, fuhr der Richter fort.

Scott riss die Augen auf. Fünfhundert Stunden gemeinnütziger Arbeit in den nächsten drei Monaten? Das würde er nicht schaffen. Er hatte ein Unternehmen zu leiten, es war Sommer und somit Hochsaison, was seine Events betraf. Im Sommer war er fast jede Woche ausgebucht und irgendwo auf einer Veranstaltung zu Gast.

„Einspruch“, rief er, ohne darüber nachzudenken, dass er hier nicht bei „Law and Order“ im Fernsehen war. Richter Hayden hob eine Augenbraue und sah ihn an.

„Ich kann keine fünfhundert Sozialstunden in drei Monaten ableisten, das schaffe ich nie im Leben. Ich habe einen Job. Ich heirate demnächst und meine Verlobte ist im Augenblick ohnehin nicht gut auf mich zu sprechen. Ich muss mich auf eine Flugshow vorbereiten und gerade jetzt im Sommer ist die Hochsaison für meine Sportevents. Ich kann nicht so lange ausfallen, ohne mich um meine Firma zu kümmern.“

Der Richter sah Scott einige Augenblicke lang an.

„Ich verstehe“, sagte er. „Sie haben also eine Menge um die Ohren.“

„Genau.“

„Und Sie wollen bald heiraten.“

„Richtig.“

„Sie müssen sich um wichtige Angelegenheiten bemühen und wissen im Augenblick nicht, wo Ihnen der Kopf steht. Sie bräuchten also Zeit.“

„Absolut.“

„Das heißt, anstelle dass sie sich um Bedürftige kümmern, Mr. Hemsworth, nachdem Sie betrunken und bekifft einen Mann überfahren haben, wollen Sie lieber Blumenschmuck aussuchen und Hochzeitstorten verkosten?“

Scott bemerkte, dass die Sache langsam aus dem Ruder lief. „Nein, so ist es nicht, Euer Ehren“, warf er ein, „aber …“

„Aber Sie sagten doch gerade, dass es Ihnen nicht möglich ist, Ihre Strafe abzuarbeiten, weil Sie mit Ihren Hochzeitsvorbereitungen überfordert seien.“ Der Richter sah ihn schnippisch an und Wut begann in Scott zu brodeln. Er wünschte, er wäre damals einfach nach Hause gefahren, ohne mit seinen Kumpels in diesem Club in Venice auf seine Verlobung anzustoßen.

„Es ist nur“, sagte er, „ich habe wirklich verdammt viel um die Ohren. Ich … bin im Stress. Mein Leben ist gerade ziemlich turbulent.“

Dean sah ihn fragend an und schüttelte unmerklich den Kopf. Das hier lief in keine gute Richtung.

„Nun, wenn das so ist, können wir die Sozialstunden gerne in eine Haftstrafe abändern. Zwei Monate im Staatsgefängnis von L. A. werden Ihnen bestimmt genügend Zeit geben, um Ihr turbulentes Leben wieder auf die Reihe zu bekommen, sich über Ihre Hochzeit Gedanken zu machen und Ihr ‚Stresslevel‘ etwas zu reduzieren, meinen Sie nicht, Mr. Hemsworth?“

Panik war in Scotts Augen zu erkennen.

„Nein, bitte, Richter Hayden“, ergriff Dean nun endlich das Wort. „Mein Mandant nimmt die fünfhundert Sozialstunden an. Das Problem an der Sache ist nur, sie hier in L. A. abzuleisten, wird ein Ding der Unmöglichkeit werden. Jeder kennt ihn hier, er ist ein bekannter Teil der Gesellschaft, er setzt sich für benachteiligte Jugendliche ein und trägt die Verantwortung für mehrere hundert Mitarbeiter in seinem Unternehmen. Sollte etwas von der Sache an die Öffentlichkeit gelangen, so steht nicht nur für ihn, sondern für zahlreiche unschuldige Mitarbeiter jede Menge auf dem Spiel. Investoren und Sponsoren werden abspringen. Events werden gecancelt werden müssen. Ich bitte Sie nicht im Namen meines Mandanten, aber im Namen seiner Mitarbeiter und der Menschen, die von ihm abhängig sind, den Strafrahmen noch einmal zu überdenken.“

Richter Hayden sah Dean skeptisch an. Die Info, dass Scott nicht nur für sich selbst, sondern auch für einen umfangreichen Mitarbeiterstamm verantwortlich war, zeigte wohl Wirkung. Und dass die Firma Schaden nehmen konnte, wenn öffentlich wurde, dass Scott zu Sozialstunden anstelle einer Haftstrafe verdonnert worden war, ebenfalls.

„Die fünfhundert Stunden bleiben aufrecht“, sagte Richter Hayden mit donnernder Stimme. „Wo Ihr trinkfester Mandant sie aber abarbeitet, Mr. Stanton, ist mir einerlei. DASS er es tut, und zwar innerhalb der nächsten drei Monate, ist mir wichtig. Und nun erheben Sie sich, damit ich das Urteil verkünden kann.“

EINS

„Los, komm, Subito, auf geht’s in die Bäckerei. Betty hat bestimmt wieder ein paar Leckerlis für dich dabei.“ Ellie Williams öffnete die Tür ihres Appartements und drehte sich dann, ihren hellbraunen Mischling Subito an der Leine, zu ihren beiden Katzen um, die sie wie jeden Morgen beleidigt anstarrten, wenn sie mit dem Hund das Appartement verließ. „Keine Sorge, Fred, Ginger, heute Abend bin ich wieder zurück und dann machen wir vier es uns schön gemütlich, okay?“, rief sie, was die Katzen jedoch ziemlich unbeeindruckt ließ. Ellie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, mit ihren Tieren zu sprechen, als wären sie Menschen. Obwohl ihr durchaus bewusst war, dass man ihr für dieses Gehabe gut und gerne den Vogel zeigen konnte. Subito sprang aufgeregt an ihr hoch und war wie jeden Morgen Feuer und Flamme, mit ihr in ihre kleine Bäckerei an der 76. Straße kommen zu können. Sie hatte den Hund erst vor zwei Monaten aus dem Tierheim abgeholt und bereute es keine Sekunde. Weil Subito schon ziemlich lange dort festsaß, hatte man über das Internet einen Aufruf gestartet, dass er nun bald eingeschläfert werden würde, wenn nicht in absehbarer Zeit jemand kam, der ihn aus seiner misslichen Lage befreite. Ellie hatte sich sofort in den freundlichen, hellbraunen Mischlingsrüden verliebt und war noch am selben Abend zum Tierheim aufgebrochen, um ihn abzuholen. Bei der Gelegenheit waren auch Fred und Ginger – ehemals Nr. 304823 und 304824 – mitgekommen, zwei Hauskatzen, die am nächsten Morgen hätten eingeschläfert werden sollen. Ellie fand es großartig, mit Tieren zu leben, zumal die einen nicht betrogen und einem das Leben zur Hölle machten, so wie ihr Exfreund Barry, der sie nach Strich und Faden nicht nur ausgenutzt, sondern auch beschissen hatte. Und ihr zu allem Überfluss ziemlich übel mitgespielt hatte, was das Haus betraf, das sie beide sich in Pleasantville, einem Stadtteil von Westchester County, gekauft hatten. Ellie hatte sich nicht nur auf Anhieb in das nette Viertel mit dem herzallerliebsten Namen verliebt, sondern auch in das alte Haus aus den Zwanzigern, das einen eigenen Badesee besaß und aus dem sie nach einiger Renovierungsarbeit ein richtiges Schmuckstück gemacht hatten. Ihre Gedanken verdüsterten sich, als sie an das Haus dachte, in dem Barry jetzt mit einer anderen wohnte, die es sich auf Ellies Kosten dort gemütlich gemacht hatte. Ja, die Sache mit dem Haus war ein harter Schlag gewesen. Aber sie würde sich davon nicht runterziehen lassen. Nicht mehr. Die Sache war gegessen, und sie hatte ja immer noch ihre Bäckerei, die Barry ihr auf keinen Fall wegnehmen konnte.

 

Als sie ihr Appartement verließ, bemerkte sie, dass die Tür der Wohnung gegenüber nur angelehnt war. Mrs. Winston, die alte Dame, die bis vor einigen Wochen darin gelebt hatte, war in eine Wohnanlage in Florida umgezogen und hatte so ein Klischee amerikanischer Senioren erfüllt. Sie alle zog es an ihrem Lebensabend in den Sunshine-State. Ellie hielt Subito, der auf den Lift zulaufen wollte, zurück und versuchte, einen Blick ins Innere zu erhaschen. Sie hatte vorhin auch Stimmen vernommen, wollte aber nicht mit der Tür ins Haus fallen und sich einfach so vorstellen. Vielleicht zog jemand Passendes in ihrem Alter ein. Sie würde sich freuen, jemanden kennenzulernen, mit dem sie abends mal etwas trinken oder essen gehen konnte oder einfach nur einen netten Plausch am Flur halten. Bis auf Betty waren ihr kaum Freunde geblieben. Die meisten hatten sich peinlich berührt zurückgezogen, als die Sache zwischen ihr und Barry hässlich wurde. Und als sie schließlich völlig geendet hatte, hatten sie sich erst recht nicht mehr gemeldet. Karen Mullins zum Beispiel hatte ihr erklärt, dass sie und ihr Mann Ray sich nur mit Pärchen trafen, weil Ray es seltsam fand, wenn sie mit einem Single unterwegs waren. Viele ihrer ehemaligen Freunde hatte auch Barry „mit in die Beziehung gebracht“. Dass die nach der Trennung eher ihm als ihr zugetan waren, lag auf der Hand. Ein Grund mehr, neugierig zu sein, wer wohl ihr neuer Nachbar war. Mrs. Winston war zwar wirklich nett gewesen, aber sie hatte einen ziemlich leichten Schlaf und einen ziemlich verdrehten Schlafrhythmus gehabt, was bedeutete, dass sie die halbe Nacht in ihrer Wohnung herumrumorte und sich schon mal gegen zwei Uhr morgens bei Ellie Eier und Zucker borgen wollte, weil ihr eingefallen war, Muffins zu backen.

„O Mann, ist das echt dein Ernst?“, hörte sie eine Männerstimme sagen. „Ich soll tatsächlich in dieser Absteige wohnen?“ Die Stimme klang tief und männlich und … anziehend.

„Hast du eine andere Idee?“, fragte eine zweite Männerstimme. „Du kennst die Alternative. Und die bedeutet zweifellos noch weniger Raum als dieses Appartement hier. Ich weiß gar nicht, was du überhaupt hast. So schlimm ist es nun auch wieder nicht.“

„Jaja.“ Die erste Stimme murrte. „Aber … ich fühle mich hier so eingeengt. Diese Wohnung ist das reinste Loch. Und dieser kleine Balkon, der runter auf die Straße zeigt, macht das Ganze auch nicht besser. Wirklich intelligent von den Architekten, ihn straßenseitig anzubringen anstatt hofseitig.“

Ellie wunderte sich. Das Appartement von Mrs. Winston war geräumig und einladend, es hatte knapp 90 Quadratmeter und war so für die alte Dame mit der Zeit ohnehin zu groß geworden. Es gab zwei Schlafzimmer, ein eigenes Esszimmer, ein großes Wohnzimmer und eine geräumige Küche. Der „kleine Balkon“, den der Mann erwähnt hatte, war knapp 20 Quadratmeter groß und würde sich mit etwas Arbeit in eine tolle Ruheoase verwandeln lassen. Außerdem erhöhte er die Nutzfläche des Appartements auf ganze 110 Quadratmeter.

„Herrgott. Du benimmst dich wie ein Baby. Es ist ja nicht für immer. Du musst da jetzt durch. Oder willst du …“

„Nein, natürlich nicht.“ Die eine Stimme fiel der anderen ins Wort, und Ellie hätte zu gerne gewusst, wovon die beiden sprachen.

„Dann reiß dich jetzt zusammen. Je eher du loslegst, umso früher hast du’s hinter dir.“

Ellie wollte sich gerade zum Gehen wenden. Sie hatte bemerkt, dass die Stimmen sich der Eingangstür näherten, und das Letzte, was sie wollte, war, beim Lauschen erwischt zu werden. Doch sie hatte ihre Rechnung ohne Subito gemacht. Der aufgeweckte Hund hatte genug vom Warten und lief schnurstracks auf die angelehnte Tür zu, die er mit seiner Schnauze einen Spalt aufschob – just in dem Moment, als sie geöffnet wurde und ein großer, attraktiver, blonder Mann vor Ellie stand. Er sah aus wie ein typischer Sonnyboy aus Kalifornien, dunkelblond, mit von der Sonne aufgehellten Strähnen. Sein Gesicht war scharfkantig und wunderschön und er hatte blaue Augen. Ellie war sich sicher, dass dieser Typ gut und gerne als Model hätte durchgehen können, und sie überlegte, ob sie jemals schon einen so schönen Menschen direkt vor sich hatte stehen sehen. Obwohl sie die Bezeichnung „schön“ für einen Mann immer etwas seltsam gefunden hatte, so traf sie bei diesem Exemplar völlig ins Schwarze. Der Kerl hier war nicht nur gut aussehend oder attraktiv, er war schön. Der Blick des schönen Mannes glitt zuerst zu Subito, der freudig mit dem Schwanz wedelnd erwartungsvoll zu ihm hochsah, dann schweifte er zu Ellie. Seine Augen verengten sich und er sah sie misstrauisch an.

„Kann ich Ihnen helfen?“

„Ähm … nein, ich … ich wohne gegenüber. Mein Name ist Ellie Williams, das hier ist mein Hund Subito. Wir wollten nur mal kurz Hallo sagen und Subito macht das gerne auf seine ganz eigene, ungestüme Art und Weise.“ Sie schenkte dem Unbekannten, der so sensationell gut aussah, dass sie es kaum in Worte fassen konnte, ein Lächeln, das er nicht erwiderte. Stattdessen blickte er sie skeptisch an. Subito wartete immer noch darauf, dass der Mann endlich Notiz von ihm nahm.

„Oh, okay, hallo. Ich bin … Matt. Matt Jones.“ Scott kriegte gerade noch die Kurve. Um seine Tarnung bloß nicht auffliegen zu lassen, hatte Dean dafür gesorgt, dass er, während er hier in New York lebte und seine Sozialstunden abarbeitete, unter einem falschen Namen unterwegs war. „Matt Jones“ war dabei so langweilig, dass der Name durchaus realistisch sein konnte. Dean hatte sich auch um alles Weitere gekümmert. Er hatte veranlasst, dass Scott seine Sozialstunden in New York ableisten konnte, unter dem Namen Matt Jones eine Wohnung für ihn angemietet und ein Handy angemeldet. Heather war fuchsteufelswild gewesen, als Scott ihr von seinem Plan – und seiner Strafe – erzählt hatte. Sie hatte gezetert und gekeift, wieso er den Richter nicht einfach bestochen hatte und dass sämtliche Hochzeitsvorbereitungen jetzt ganz allein an ihr hängen bleiben würden. Zunächst hatte er ihr den Vorschlag gemacht, ihn für die Zeit, in der er seine Sozialstunden ableistete, zu begleiten. Er besaß ein Haus in den Hamptons, direkt am Meer, in dem sie hätten wohnen können. Außerdem hätte er ein Penthouse irgendwo am Central Park oder im Trump Tower für sie kaufen können. Er wusste, wie sehr Heather Luxus liebte, und hatte zunächst wirklich gedacht, ihr mit einem Aufenthalt in New York eine Freude machen zu können. Während er seine Strafe ableistete, würde sie sich quer durch die 5th Avenue shoppen können und den Sex-and-the-City-Lifestyle, den sie so sehr mochte, nachempfinden können. Er hatte ihr sogar einige Objekte gezeigt, die sich für sie beide eigneten. Er hatte seine Beziehungen spielen lassen und war an ein Penthouse im Trump Tower gelangt, das offiziell noch nicht einmal auf dem Markt war. Heather würde die 500 Quadratmeter lieben. Und die Tatsache, dass sie unter demselben Dach residierte

wie der Präsident der Vereinigten Staaten. Er war der Ansicht gewesen, dass es vielleicht eine ganz gute Idee sei, für eine Weile nur zu zweit zu sein. Fort von allem, was sie in L. A. zu dem hatte werden lassen, was sie waren. Sich vor der Hochzeit noch einmal auszuklinken, Zeit zu zweit zu haben und ihre Beziehung zu intensivieren, sie auf ein anderes Level zu heben. Dass sie beide aus der Glitzerwelt, in der sie sich in L. A. bewegten, noch einmal für eine Weile herauskamen. Doch Heather hatte ihm einen Strich durch die Rechnung und einen erstklassigen Aufstand gemacht. Sie hatte herumgeschimpft, dass sie keinesfalls mit einem „verurteilten Verbrecher“ dessen Strafe in einem „elenden Drecksloch“ absitzen würde und er diese Suppe allein auslöffeln konnte. Es war einer dieser Augenblicke gewesen, in denen Scott darüber nachdachte, ob er die Beziehung zu Heather vielleicht doch zu sehr idealisierte. Ja, sie war wunderschön. Sie war perfekt, und sich mit ihr zu schmücken war etwas, was er sehr genoss. Er liebte die Ästhetik und alles Schöne generell. Doch so wunderschön, wie Heather auch war, so hässlich war sie manchmal, was ihr Wesen betraf. Sie weigerte sich strickt, Scott in der Sache mit dem Gerichtsurteil zu unterstützen, ganz im Gegenteil, bei jeder Gelegenheit warf sie ihm diesen Fehltritt vor. Schon oft hatte er sich gefragt, was wohl passierte, wenn er einen Unfall hatte und zum Pflegefall wurde. Sein Job hatte schon mehr als nur einen harten Kerl bezwungen. Ob Heather ihm da noch zur Seite stand? Bislang hatte er sich selbst diese Frage immer mit „Ja“ beantwortet, doch tief in ihm gab es eine leise Stimme, die das anzweifelte. Dass Heather ihn verlassen würde, würde er all sein Geld verlieren, war ihm längst bewusst. Dass sein Reichtum auch gewisse „Nachteile“ mit sich brachte, hatte er ebenfalls realisiert, und als er sich für Heather entschieden hatte, hatte er diese Tatsache auch in Kauf genommen. Er hatte sie, nachdem sie ihm unmissverständlich klargemacht hatte, dass sie ihn keinesfalls nach New York begleiten würde, zu einem Einkaufsbummel bei Tiffany entführt und sie hatte sich wieder beruhigt.

Dem Aufsichtsrat der Firma hatte er aufgetischt, er würde zu einem Selbstfindungstrip in die Pyrenäen reisen, um etwas Abstand zu allem zu gewinnen und sich auf seinen neuen Lebensabschnitt – der Ehe mit Heather – vorzubereiten, und einen Stellvertreter bestimmt. Großspurig hatte er getönt, dass er für die kommenden drei Monate auf jeglichen modernen Luxus wie Handy und Auto verzichten wollte, um sich auf die Natur einzulassen und zu dem zurückzufinden, was wirklich wichtig war, um gestärkt in sein Eheleben zu gehen. Jetzt jammerte er herum, dass ihm das Appartement in Manhattan zu klein war und dass er anstelle eines neuen iPhone X ein altes Nokia-Klapphandy mit monophonen Klingeltönen und dem Spiel „Snake“ bekommen hatte. Aber Dean hatte ihm klar zu verstehen gegeben, dass er sich die nächsten drei Monate einfach zusammenreißen musste. Richter Hayden hatte verfügt, dass seine Sozialstunden umgehend in eine Haftstrafe umgewandelt wurden, sollte er ihnen nicht in vollem Umfang nachkommen.

---ENDE DER LESEPROBE---