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„Ich war eine befreite Frau, lange bevor es einen Namen dafür gab.". Lissabon, 1941: Endlich gelingt es Peggy Guggenheim und ihrer neuen Liebe, dem Maler Max Ernst in die USA auszureisen. Doch kaum angekommen, wird Max als Enemy Alien verhaftet, und Peggy fürchtet, dass ihr Geliebter nach Deutschland zurückgeschickt werden könnte. Zugleich setzt sie alles daran, ihren großen Traum zu verwirklichen: ein eigenes Museum, in dem sie ihre Sammlung der europäischen Moderne ausstellen will. Doch die Widerstände, gegen die Peggy zu kämpfen hat, sind groß, und ihre Liebe zu Max droht daran zu scheitern … Ein einmalig berührender Roman über Peggy Guggenheim – die faszinierende und mutige Galeristin, die der abstrakten Kunst zum Durchbruch verhalf
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Seitenzahl: 514
»Ich war eine befreite Frau, lange bevor es einen Namen dafür gab.«.
Lissabon, 1941: Endlich gelingt es Peggy Guggenheim und ihrer neuen Liebe, dem Maler Max Ernst in die USA auszureisen. Doch kaum angekommen, wird Max als Enemy Alien verhaftet, und Peggy fürchtet, dass ihr Geliebter nach Deutschland zurückgeschickt werden könnte. Zugleich setzt sie alles daran, ihren großen Traum zu verwirklichen: ein eigenes Museum, in dem sie ihre Sammlung der europäischen Moderne ausstellen will. Doch die Widerstände, gegen die Peggy zu kämpfen hat, sind groß, und ihre Liebe zu Max droht daran zu scheitern …
Ein einmalig berührender Roman über Peggy Guggenheim – die faszinierende und mutige Galeristin, die der abstrakten Kunst zum Durchbruch verhalf.
Über Leah Hayden
Leah Hayden studierte Germanistik, Politikwissenschaft und Philosophie in Heidelberg und den USA, wo sie lange Zeit in der Nähe von New York lebte. Durch ihren Onkel, der Maler war, spürte sie schon früh die Faszination der Welt der Kunst. Heute wohnt Leah Hayden mit ihrem Mann und zwei Hunden als freie Autorin in Salerno bei Neapel. Für die Recherche zu diesem Roman kehrte sie nach New York zurück und erlebte die Stadt aus dem Blickwinkel Peggy Guggenheims noch einmal ganz neu.
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Leah Hayden
Miss Guggenheim
Sie lebte die Liebe und veränderte die Welt der Kunst
Roman
Inhaltsübersicht
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Venedig 1958
1941
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Venedig 1958
1941
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Venedig 1958
1941
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Venedig 1958
1941
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Venedig 1958
1941
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Venedig 1958
1942
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Venedig 1958
1942
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Venedig 1958
1943
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Venedig 1958
Nachwort
Wie es weiterging …
Danksagung
Impressum
Für Giancarlo
Der glatte schwarze Leib der Gondel glitt mühelos über die türkisfarbene Fläche. Ohne den geringsten Laut senkte der Gondoliere die Stange ins Wasser, seine Bewegungen effektiv und scheinbar mühelos. Langsam zogen die Palazzi des Canal Grande an ihnen vorbei. Jetzt kam die Rialtobrücke in Sicht. Ihr sonst so weißer Stein schimmerte hellgelb in der frühen Abendsonne und kontrastierte mit dem warm aufleuchtenden Ocker und Karminrot der angrenzenden Palazzi.
Peggy lehnte sich auf ihrem Kissen im hinteren Teil der Gondel zurück. Mit ihrer rechten Hand streichelte sie einen kleinen Lhasa Apso auf ihrem Schoß, den linken Arm hatte sie ausgestreckt, ihre Finger glitten leicht über die Wasseroberfläche. Sie trug ein langes weißes Sommerkleid mit tropfenförmigen Perlen und zierlichen Stickereien, das ihre Sommerbräune stärker hervortreten ließ. Ihre wachen Augen waren hinter einer extravaganten Sonnenbrille verborgen, deren weiße Ränder den Flügeln eines Insekts glichen. Die Venezianer waren den Anblick der ungewöhnlichen Frau in ihrer privaten Gondel seit Jahren gewohnt, und Peggy kannte den Namen, den sie ihr gegeben hatten: l’ultima dogaressa, der letzte weibliche Doge. Der Name amüsierte Peggy. Jetzt schenkte sie dem Mann, der vor ihr saß, ein herzliches Lächeln.
»Es ist schön, dass du mich endlich mal besuchen kommst, Frederick.« Frederick Kiesler nickte. Er war ein schlanker, kleiner Mann mit durchdringenden Augen und schütterem grauem Haar. Auch heute trug er einen adretten Anzug mit Fliege. Peggy hatte ihn noch nie anders erlebt, denn im Gegensatz zu ihr, die es mit der Mode nicht immer so genau nahm, legte Frederick Kiesler Wert auf sein Äußeres. In der Tat zeigte sich die Anstrengung der Reise von New York nach Venedig nur in seinem Gesicht.
»Ich musste doch mal sehen, was aus deinen Bildern geworden ist, nachdem du meine Galerie in New York so schnöde geschlossen hast«, sagte er jetzt. In seinem Lächeln lag ein Hauch von Vorwurf.
»Deine Galerie?« Peggy lachte. »Du meinst wohl eher meine Galerie.«
»Schon gut. Aber ich war ihr Architekt, und für das Design bist du heute noch berühmt.«
Peggy nickte. »Du hast recht. Eigentlich war Art of This Century tatsächlich unsere Galerie.«
Einen Augenblick schwieg Kiesler. Sein Blick glitt über das grüne Wasser des Kanals und blieb an den Palazzi mit ihren gotischen Fenstern und bunten Anlegepfählen hängen. Dann sagte er: »Ein schönes Plätzchen hast du dir ausgesucht. Venedig ist natürlich pittoresker als New York. Und du hast ja immer gesagt, dass du wieder nach Europa zurück willst, wenn nur erst mal der absurde Krieg vorbei ist. Trotzdem …« Er seufzte hörbar. »Trotzdem habe ich es bedauert, dass du die Galerie in New York geschlossen hast. Ohne dich ist die Kunstszene dort nicht mehr dieselbe.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber was rede ich und mache dir Vorwürfe. Wichtig ist, dass es dir hier gut geht.«
»Und das tut es.« Peggy nickte. »Nach den aufreibenden Jahren in New York tun mir die Ruhe und Schönheit dieser Stadt so gut. Und du weißt gar nicht, wie viele Besucher täglich in meinen Palazzo kommen, um meine Sammlung zu sehen. Manchmal wird es mir fast zu viel, dann schließe ich einfach das Tor und lasse keinen rein.« Sie lachte schelmisch.
Mittlerweile hatte die Gondel den großen Bogen des Canal Grande erreicht und fuhr unter der zierlichen Ponte dell’Accademia hindurch. Vor ihnen kam die majestätische Kirche Santa Maria della Salute in Sicht. Ihre mächtige Kuppel markierte den Punkt, an dem sich der Canal Grande zur Lagune hin öffnete.
»Jetzt sind wir gleich da«, rief Peggy. »Darf ich vorstellen? Der Palazzo Venier dei Leoni. Mein Palazzo!«
Kiesler drehte sich in der Gondel um, die auf ein weißes, im Vergleich zu den anderen äußerst niedriges Gebäude zusteuerte.
»Er wurde im 18.Jahrhundert gebaut«, erklärte Peggy. »Doch dann ging das Geld aus, weshalb er nur ein Stockwerk hat. Aber gerade dafür liebe ich ihn so. Auf seinem flachen Dach kann man herrlich in der Sonne baden.«
Kiesler lachte laut. »Als Architekt denke ich eher an meine Kollegen, deren Klienten plötzlich nicht mehr zahlen konnten.« Er zwinkerte Peggy zu.
Jetzt vertäute der Gondoliere das Boot und half ihnen auf den Steg. Der Eingang des Palazzo wurde von zwei Löwen flankiert, die dem Bau seinen Namen gaben. Im Inneren war es angenehm kühl. Peggy führte Kiesler durch mehrere Räume und öffnete schließlich die Tür zu einem großen Schlafzimmer. Frederick Kiesler stellte seinen Koffer ab und sah sich um. Sein Blick blieb an einem rätselhaften Bild über dem Bett hängen.
»Max Ernst, Die Einkleidung der Braut.« Kiesler lächelte und trat an das Gemälde heran, das er so gut kannte. Es zeigte eine Frau, um deren schmale Schultern ein langer roter Umhang lag, aus dem ein Eulenkopf wuchs. Ein kleinerer Vogelmensch mit langem grünem Gefieder zeigte mit einer Speerspitze auf ihr Geschlecht.
Kiesler wandte sich zu Peggy um, die noch immer im Türrahmen stand. »Danke, dass du mir dieses Zimmer gibst. Das war immer schon eines meiner liebsten Bilder von Max.«
Peggy nickte versonnen. »Ja, es ist wunderbar. Eines der ersten, die ich von ihm gekauft habe. 1941 in Marseille – an dem Tag, an dem alles zwischen uns anfing. Auch wenn ich gleich das Gefühl hatte, dass die Braut seine geliebte Leonora war.« Sie zwinkerte Kiesler zu und blickte wieder auf das Bild. »Manchmal kann ich es selbst nicht fassen. Es war eine unglaublich aufregende Zeit.«
Der Hang wurde immer steiler, und Peggy atmete schwer. Jetzt machte der Weg eine Biegung. Sie blieb stehen. Zu ihrer Rechten fiel die mit niedrigen Pinien bewachsene, steinige Landschaft zum Meer hin ab. Peggy konnte sich kaum sattsehen: das helle Grau der Felsen, das satte Grün der Bäume und dahinter das dunkelblaue Meer … Tief sog sie die würzige Luft ein. Wilder Thymian, Rosmarin und Lavendel. Wie sie diese Küste liebte! Peggys Blick wanderte weiter an den steil abfallenden Felsen entlang und glitt über die leuchtend weiße Stadt. Um diese Uhrzeit döste Marseille schläfrig in der kräftigen Mittagssonne, nur ein graues Kriegsschiff im Hafen erinnerte daran, dass der friedliche Eindruck täuschte. Peggy riss sich von dem Anblick los, sah auf die Uhr und erschrak. Sie war viel zu spät! Sandiger Staub wirbelte auf, als sie schnellen Schritts der Straße folgte. Jetzt konnte es nicht mehr weit sein. Hier, vor den Toren Marseilles, lag die Villa Bel Air, wo sie eigentlich schon vor fünf Minuten einen Termin gehabt hätte. Aber ihrer Meinung nach wurde Pünktlichkeit ohnehin überschätzt. Sie lächelte bei dem Gedanken. Es gab nicht viele in ihrer Familie, die das ähnlich sahen.
Jetzt lag die Villa vor ihr. Ein solider dreistöckiger Bau mit großen Fenstern, eingefasst von einem Garten und hohen Platanen. Die Gartenpforte öffnete sich quietschend, und sie trat ein. Der Garten war verwildert, unter ihren Schuhen knirschte der von Unkraut durchwachsene Kies. Von der rötlichbraunen Fassade des Hauses und seinen grünen Fensterläden blätterte der Putz. Mit einer Hand strich sich Peggy den knielangen Rock glatt, während sie mit der anderen die Glocke läutete. Sie musste nicht lange warten.
»Peggy!« Ein schlanker, dunkelhaariger Mann mit runder Brille öffnete die Tür. »Kommen Sie rein. Wir haben Sie schon erwartet.«
»Ich hatte unterschätzt, wie lange ich bis hierher brauchen würde.« Peggy lächelte entschuldigend, und Varian Fry lächelte zurück.
»Wir haben hier nichts so viel wie Zeit.«
Peggy wusste, was er meinte.
»Max erwartet Sie schon. Ich glaube, er ist im Garten. Einen Augenblick.« Fry ließ sie in der düsteren Eingangshalle allein. Peggy näherte sich dem Spiegel über einem steinernen Kamin und musterte sich. Für eine Frau knapp über vierzig sah sie jung aus. Die schwarzen Haare fielen ihr bis kurz über die Schultern, Gesicht und Arme waren sonnengebräunt, was gut zu ihren dunkelbraunen Augen passte. Auch ihre etwas zu große Nase wirkte im düsteren Licht der Vorhalle weniger auffällig. Peggy strich sich eine Strähne aus der Stirn. Wenn ihre große Schwester Benita sie so gesehen hätte! Die schlichte Kleidung, die einfache Halskette, der gelbe Staub auf den ausgetretenen Schuhen mit den niedrigen Absätzen … So kleidete sich keine Guggenheim. Aber ihre Lieblingsschwester war tot, gestorben bei der Geburt ihres Kindes, und Peggy selbst legte keinen Wert auf teure Kleidung oder Schmuck. Sie brauchte ihr Geld für anderes. Für Kunst …
»Kommen Sie, Peggy, ich habe ihn gefunden.« Fry war zurückgekehrt und begleitete sie durch einen großen Speisesaal hinaus in den Garten.
Max Ernst stand unter einer der großen Platanen an seiner Staffelei. Er wandte ihnen den Rücken zu.
»Er arbeitet ununterbrochen. Angeblich, um sich davon abzulenken, dass ihm der Magen knurrt. Unsere Rationen sind knapp bemessen.« Fry lachte, doch Peggy wusste, dass es kein Scherz war. Sie berührte kurz Frys Arm, dann stieg sie die steinernen Stufen in den Garten hinunter. Sie trat vorsichtig auf, um ihn nicht zu stören.
»Ich weiß, dass Sie da sind.« Max setzte einen letzten Akzent, stellte den Pinsel in einen Becher mit Terpentin und drehte sich um.
Peggy reichte ihm die Hand. »Herr Ernst, ich wollte Sie nicht unterbrechen.«
»Das haben Sie nicht. Wir waren verabredet, und …«, er sah auf die Uhr, »Sie haben mir schon mehr Zeit gelassen als erwartet.« Peggy stellte sich neben ihn.
»Was sehen Sie?« Max Ernst beobachtete sie aus leicht zusammengekniffenen Augen.
Peggy legte den Kopf schief und betrachtete das Bild genau. Es war in einer ihr fremden Technik gemalt.
»Eine öde Landschaft«, sagte sie schließlich. »Sie sieht sumpfig aus, aber gleichzeitig auch versteinert. Und verschiedene Lebewesen. Sie wirken eingemauert oder erstarrt.«
»Ich nenne es Europa nach dem Regen.«
»Nach dem Regen? Damit meinen Sie wohl den Krieg?« Sie trat näher. »Wenn es so weitergeht, wird von Europa tatsächlich nur noch eine zerstörte Wüstenlandschaft übrig bleiben.«
»Und genau deshalb sind Sie hier.« Er lächelte. »Kommen Sie, ich habe schon Gläser und Wasser bereitgestellt. Ich würde Ihnen gerne etwas Exotischeres anbieten, aber wir sitzen hier ziemlich auf dem Trockenen.« Er führte sie zu einem Holztisch zwischen zwei Platanen, und sie setzten sich. Max schenkte ein und sah sie an. Zu ihrem Ärger fühlte Peggy sich unter seinem offenen Blick erröten. Schnell brach sie das Schweigen.
»So sehen wir uns also wieder. Wann habe ich Sie in Ihrem Atelier in Paris besucht?«
»Vor zwei Jahren.«
Sie lächelte schelmisch. »Ich kam zu Ihnen, um Ihre Bilder zu sehen, stattdessen habe ich eines von Ihrer Lebensgefährtin gekauft, von Leonora Carrington.«
»Wir sind nicht mehr zusammen.« Max’ Stimme war barsch, doch im selben Moment hatte er sich wieder gefasst, und sein Gesicht entspannte sich, als er sagte: »Ich war dreimal interniert. Beim dritten Mal ist mir die Flucht gelungen. Aber als ich endlich nach St.-Martin-d’Ardèche zurückkam, hatte Leonora unser Haus verkauft und war auf und davon. Ich habe keine Ahnung, wo sie jetzt steckt. Ein paar meiner Bilder hat sie offenbar mitgenommen, andere standen noch in den Zimmern herum.« Peggy sah ihn betroffen an, doch bevor sie etwas erwidern konnte, wischte Max das Thema mit einer energischen Geste beiseite. »Das war einmal. Es hat keinen Sinn, sich darüber aufzureiben. Nicht heute, an diesem schönen Nachmittag. Also, zu uns …« Er lächelte sie an. »Hier sitzen wir in diesem herrlichen Garten. Es weht eine leichte Brise vom Meer, und Sie sind gekommen, um sich meine Bilder anzusehen … und diesmal vielleicht tatsächlich etwas zu kaufen.« Er zwinkerte ihr zu, und sie lachte. »Wenn Sie bereit sind, sich von ihnen zu trennen.«
»Sie können haben, so viele Sie mögen. Nach allem, was man so hört, werden sie bei Ihnen in bester Gesellschaft sein.« Peggy hob die Augenbrauen, und er fuhr fort. »Es hat sich herumgesprochen, dass Sie im letzten Jahr in Paris eine beträchtliche Sammlung geschaffen haben. Der Name Peggy Guggenheim ist in jedem Atelier bekannt.«
»Ich weiß. Wenn mir vor ein paar Jahren jemand gesagt hätte, dass ich eines Tages jeden Cent für Kunst ausgeben würde, hätte ich ihm ins Gesicht gelacht. Aber nachdem ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören.« Sie lachte, belustigt über sich selbst. »Es ist wie eine Sucht. Wenn ich ein Bild oder eine Skulptur sehe, die mir gefällt, muss ich sie einfach haben. Auch wenn das in Zeiten wie diesen alles noch schwieriger macht. Ich versuche nämlich gerade, meine Ausreise nach New York zu organisieren, zusammen mit meinem Ex-Mann und unseren Kindern. Hier in Europa ist es einfach nicht mehr sicher – vor allem für eine Jüdin. Bisher hat mich mein amerikanischer Pass geschützt, aber ich habe das Gefühl, dass sich das jederzeit ändern kann.«
Auch Max wirkte nun besorgt. »Ich habe einen Sohn aus erster Ehe, Hans-Ulrich. Seine Mutter ist Jüdin. Zum Glück ist er schon vor ein paar Jahren nach New York ausgereist. Seitdem nennt er sich Jimmy.« Er lachte unsicher, als müsse er sich daran erst noch gewöhnen.
Peggy fiel in sein Lachen ein. »So wird er dort drüben jedenfalls besser klarkommen.« Sie sah Max eindringlich an. »Aber was ist mit Ihnen? Varian Fry hat mir erzählt, dass Sie auch nach New York wollen.«
Max zuckte mit den Schultern. »Ja, wie alle anderen auch. Fry und das Rettungskomitee tun alles, um mir die nötigen Papiere zu besorgen. Solange sitze ich hier in Air-Bel fest wie in einem Wartesaal. Aber wenigstens bin ich einigermaßen sicher. Wenn es nur nicht so langwierig und kostspielig wäre.«
Peggy nickte. Der Gedanke, Max Ernst in New York wiederzusehen, war ihr überraschend angenehm. Sie musterte ihn verstohlen. Seine blauen Augen in dem markanten Gesicht schienen seine Umgebung bis ins kleinste Detail wahrzunehmen. Wenn sich ihre Blicke trafen, kam es ihr vor, als könne er ihre geheimsten Gedanken lesen. Obwohl Max Ernst nur ein paar Jahre älter war als sie, hatte er schlohweißes Haar, mit dem jetzt der vom Meer kommende Wind spielte. Sein Körper war schlank, aber muskulös. Unvermittelt stand er auf.
»Jetzt sprechen wir über unsere missliche Lage und werden dabei immer trübsinniger. Es wird höchste Zeit, dass wir zu den wichtigen Dingen kommen.« Er streckte die Hand nach ihr aus und lächelte. »Kommen Sie, ich habe schon ein paar Bilder zusammengestellt. Sie lieben die Kunst, ich male. Es wäre doch gelacht, wenn wir da nicht irgendwie zusammenfänden …« Er sah sie an. Einen Augenblick zu lange, wie Peggy fand. Sie lachte. Er konnte ja nicht ahnen, dass sie sich zum ersten Mal seit Jahren in der Gegenwart eines Mannes nervös fühlte.
Ernst führte sie in einen anderen Teil des Gartens. Als sie eine Hecke umrundeten, blieb Peggy stehen. An einem niedrigen Baum hatte er mehrere Bilder aufgestellt. Einige hingen von den Ästen herab. Es war ein ungewöhnliches Schauspiel, und das Miteinander der Farben und Stile, umrahmt von grünen Blättern und Gras, hatte etwas Sinnliches. Peggy war sprachlos. Für sie war Kunst nie ein Geschäft gewesen. Schon ihre erste Skulptur hatte sie gekauft, weil die Berührung des polierten Metalls etwas in ihr bewegt hatte. Die meisten Kunstmäzene kauften, weil sie es sich leisten konnten. Sie wollten von sich reden machen oder eines Tages zu einem höheren Preis weiterverkaufen. Peggy dagegen sammelte, weil die Werke etwas in ihr auslösten. In ein Bild einzutauchen war nichts anderes als das Entdecken einer neuen Welt, als ob ihr Körper auf die Bildersprache der Werke reagierte. Jetzt betrachtete sie ein Bild, in dessen Mitte eine Frau mit Vogelkopf stand. Es war surrealistisch, traumgleich, ein Bilderrätsel ohne Lösung. Wenn das die Welten waren, die im Inneren dieses Mannes lebten, dann … Sie führte den Gedanken nicht zu Ende, sondern drehte sich zu Max um.
»Wie heißt dieses Bild?«
»Ich nenne es Die Einkleidung der Braut.«
»Ich möchte es kaufen. Aber nicht nur dieses.«
Ernst sah sie überrascht an. »Sie fragen mich gar nicht, was das Bild bedeutet. Das ist sonst immer die erste Frage meiner Käufer.«
»Meine nicht.« Peggy ließ die Finger vorsichtig über den wollig roten Eulenkopf der Vogelfrau gleiten und drehte sich zu ihm um. »Wenn Sie mir sagen, was Sie beim Malen dieses Bildes empfunden haben, legt mich das fest. Und dann gelingt es mir nicht mehr, meine eigenen Empfindungen auszuloten.«
Max Ernst sah sie neugierig an. »Sie sind … ungewöhnlich. Ich gestehe, ich hatte Sie mir anders vorgestellt.«
»Eine reiche Guggenheim-Erbin, die Kunst sammelt, weil sie schon genügend Schuhe hat?« Peggy lächelte ironisch.
Max nickte verlegen. »So etwas in der Richtung.«
Einen Augenblick sahen sie sich in die Augen. Dann wandte Peggy den Blick ab.
»Ich sollte jetzt gehen.« Peggy drehte sich um und ging Richtung Haus. Plötzlich hatte sie es eilig. War es Angst? Angst vor der Sehnsucht, die sich auf einmal in ihr ausbreitete? Max Ernst schloss zu ihr auf. Wortlos durchquerten sie die Villa. Erst an der Gartenpforte hielt er sie am Arm zurück.
»Wann werden wir uns wiedersehen?«
Seine blauen Augen waren ernst. Mit einem Mal verflog Peggys Nervosität.
»Morgen um sechzehn Uhr im Café de la Paix«, sagte sie leise. Schnell drehte sie sich um und lief den staubigen Weg hinab, hinein in das lavendelgetränkte Spätnachmittagslicht.
Peggy saß an einem der runden Tische vor dem Café de la Paix. Es war noch viel zu früh, trotzdem sah sie ständig auf die Uhr. Es war schon ein paar Jahre her, dass sie einer Verabredung so entgegengefiebert hatte. Damals in Paris, als sie sich in den Schriftsteller Samuel Beckett verliebt hatte. Doch mehr als eine Affäre war es zu Peggys Leidwesen nie geworden. Vielleicht war das einer der Gründe, warum sie sich in den letzten Jahren mit allen Kräften der Kunst gewidmet hatte. Das Flattern von Schmetterlingen im Bauch, und das auch noch bei einem Mann, den sie kaum kannte, verunsicherte sie.
Sie versuchte, ihre Gedanken auf andere Dinge zu lenken, und konzentrierte sich auf das pulsierende Leben in Marseilles Altem Hafen. In diesen Kriegsmonaten platzte die Stadt aus allen Nähten. Flüchtlinge aus ganz Europa quollen jeden Tag zu Hunderten aus den Zügen des Gare de Marseille Saint-Charles, in der Hoffnung, hier am südlichsten Ende Frankreichs den Kontinent auf einem der großen Schiffe verlassen zu können. Dazu kam, dass die Nähe zu Nordafrika Marseille zu einem militärischen Knotenpunkt machte. Nicht weit von ihr saß eine Gruppe Fremdenlegionäre, die Peggy an ihrem runden Képi erkannte. Aber auch Soldaten aus anderen afrikanischen Regimentern der französischen Armee waren an jeder Ecke zu sehen. Marokkaner mit rotem Fez, schwarze Senegalesen, algerische Zuaven in roten Pluderhosen.
Sie alle sind Teil dieses Sogs, dachte Peggy, immer aufs Neue erstaunt. Ein Sog, der uns alle erfasst hat. Auch mich und … Ein Schatten fiel auf sie, und sie sah hoch. Vor ihr stand Max Ernst. Um seine Schultern lag ein langes schwarzes Cape, das ihn aus der Menge exotischer Uniformen herausstechen ließ. Peggy stand auf, und er küsste sie auf beide Wangen. Durch ihre leichte Bluse fühlte sie seine Fingerspitzen zwischen ihren Schulterblättern.
»Woran haben Sie gerade gedacht?«, fragte er verschmitzt.
Peggy machte eine abwinkende Geste. »Ach … nur, dass wir alle von einer Art Strudel erfasst worden sind. Und ich fürchte, an seinem Ende wird nichts mehr so sein, wie es einmal war. Für niemanden.«
Max Ernst nickte. Noch immer hatte er sich nicht gesetzt. »Kann ich Sie zu einem Spaziergang überreden?« Er wandte sich um und zeigte auf die nahegelegene Felsenküste. »Ich kenne einen schönen Küstenweg, wo man dem Getümmel und Chaos wunderbar entfliehen kann.« Er öffnete seine Tasche einen Spalt. Der Hals einer Rotweinflasche kam zum Vorschein. »Für Bewirtung ist auch gesorgt, und wie ich sehe, gehören Sie zu den Frauen, die bequeme Schuhe bevorzugen.«
Peggy errötete. Bei all dem, was es ständig zu organisieren gab, bei all den Plänen und Ideen, die sie umtrieben, waren Schuhe und Rock tatsächlich oft das Letzte, woran sie dachte.
»Das ist eine wunderbare Idee.« Sie stand auf. Ernst bahnte ihnen den Weg zu einer Tram-Haltestelle. Als die Bahn kam, wurden sie in einer Traube von Menschen auf die Türen zugeschoben.
»Wollen die auch alle auf den Küstenweg?«, rief Peggy Ernst über den Kopf eines schwitzenden Mannes zu.
»Ich will es nicht hoffen.« Er hob in gespielter Verzweiflung die Schultern.
Solange die Tram noch in der Innenstadt fuhr, standen Peggy und Ernst wie Sardinen in dem schwülen Waggon, ihre Körper an die anderer Menschen gepresst. Erst in den Vorstadtvierteln leerten sich die Wagen. Immer weniger Menschen stiegen zu. Sie fanden Plätze am Fenster und ließen die Straßen an sich vorbeiziehen. Hier, abseits vom Zentrum, gab es keine klassizistischen Prachtbauten oder breiten Boulevards mehr, keine hohen Platanen säumten den Straßenrand. Die Cafés und Geschäfte waren klein und einfach, die Straßen schmutziger. Dann kamen sie an den Stadtrand, und es ging steil bergan. Die Häuser lichteten sich, wurden niedriger. Obstbaumwiesen und Weinreben wechselten sich ab. Schließlich hielt die Tram. Außer ihnen waren nur noch zwei weitere Menschen in den Waggons. Der Fahrer stieg aus, streckte sich und gähnte.
Peggy folgte Ernst nach draußen. Ein angenehmer Wind vom Meer kühlte ihnen die verschwitzten Gesichter. Ernst nahm sein Cape ab und warf es sich lässig über die Schultern. Nach einem kurzen Stück auf der Straße bogen sie hinter einem Hof auf einen Trampelpfad ein. Wenige hundert Meter weiter begann ein Küstenweg mit atemberaubender Aussicht auf die felsige, grüne Landschaft rings um die weiße Stadt.
Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her. In der plötzlichen Stille nach dem lauten Treiben des Alten Hafens und der überfüllten Bahn hörte Peggy nun sogar die Steinchen unter ihren Füßen knirschen. Grillen zirpten in den wilden Thymianbüschen. Sie hätte Ernst gern Fragen gestellt, zu seinem Sohn in Amerika, seiner ersten Frau, die Jüdin war, und vor allem zu Leonora Carrington. Doch sie schwieg. Irgendwie passten die Fragen nicht in diese unberührte Landschaft hoch über dem dunkelblauen Meer. Und sie wusste, dass es genau das gewesen war, was Max gesucht hatte, als er ihr den Spaziergang vorschlug. Sie brauchten Abstand von den quälenden Sorgen, dem Gefühl des ständigen Ausnahmezustands, vom Krieg.
Je weiter sie gingen, desto ruhiger wurde Peggy. Die Landschaft und die Farben taten ihre Wirkung. Die Stimmen in ihrem Kopf wurden leiser. An einer Stelle mit besonders schöner Aussicht blieb Ernst stehen und drehte sich zu ihr um. »Danke für die Stille«, sagte er nur.
Peggy lachte leise. »Ich kann nicht behaupten, ein besonders stiller Mensch zu sein. Aber hier, in dieser Natur …« Sie sprach nicht weiter.
»Ich habe die Decke vergessen.« Ernst grinste entschuldigend, während er die Tasche abstellte.
»Das macht nichts, solange Sie nur den Korkenzieher dabeihaben.« Peggy zwinkerte ihm zu und wollte sich setzen. Ernst lachte, griff nach ihrem Arm und zog sie wieder hoch. »Nicht so schnell.« Er breitete sein schwarzes Cape aus und legte es auf den Boden. Peggy freute sich insgeheim über die Geste. Sie setzten sich. Dann öffnete er die Weinflasche, nahm zwei kleine Gläser aus der Tasche und schenkte ihnen ein.
»Wollen wir den ganzen Ernst-und-Guggenheim-Unfug hinter uns lassen?« Er hob sein Glas. »Ich bin Max.« Peggy stieß mit ihrem leicht dagegen. »Chin-Chin, Max.« Sie tranken einen Schluck, dann stellte Peggy ihr Glas neben sich.
»Es gibt da etwas, das ich dir sagen wollte. Und ich hoffe, du nimmst mir meine Initiative nicht übel.« Max sah sie fragend an.
»Ich habe mich gestern Abend erkundigt. Es gäbe die Möglichkeit, dass du dich unserer kleinen Gruppe nach New York anschließt, wenn du deine Papiere bekommst. Wir wollen mit dem Pan Am Clipper fliegen. Das Datum steht noch nicht fest. Wir haben selber noch gar nicht alle Dokumente. Die Clipper fliegen von Lissabon aus. Was meinst du?« Einen Augenblick sah Max sie schweigend an. Sein Blick war schwer zu lesen. Der Wind blies seine weißen Haarsträhnen mal in diese, mal in die andere Richtung. Dann nahm er ihre Hand und betrachtete die schlanken Finger.
»Ich habe noch nie an Zufälle geglaubt«, sagte er schließlich. »Und unsere Begegnung, ausgerechnet hier und jetzt, ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass es sie nicht gibt.« Ohne Eile zog er ihre Hand zu seinem Mund. Seine Lippen berührten den Knöchel ihres kleinen Fingers, dann den des Ringfingers. Dabei ließ er sie nicht aus den Augen. Peggy beugte sich instinktiv nach vorn. Max’ Gesicht kam näher. Seine Lippen streiften ihre rechte Wange, dann die linke. Jetzt ihren Mund. Hauchzart. In Peggy erwachte der wilde Wunsch, ihn zu küssen, hart und leidenschaftlich. Doch schon lösten sich seine Lippen wieder von ihren.
»Es geht alles so schnell.« Er sah ihr in die Augen.
Sie erwiderte seinen Blick. Max hatte recht. In den letzten Monaten hatten sich die Ereignisse in ihrem Leben überschlagen. Ihre Flucht aus Paris, der Versuch, Europa zu verlassen … Und jetzt dieser Mann, den sie kaum kannte. Was sollte, was konnte das werden? Aber das waren Fragen, die Benita gestellt hätte. Ihre Schwester hatte ihre Gefühle immer im Griff gehabt; impulsive Entscheidungen aus dem Bauch heraus hatte es in ihrem Leben nie gegeben. Peggy war anders. Konventionen waren ihr schon immer egal gewesen, genauso wie die Frage, was die Zukunft bringen würde. Sie wusste nur eins: Sie wollte diesen Mann, diesen Kuss. Sie griff in sein Haar. Langsam, aber bestimmt zog sie sein Gesicht zu sich heran, bis ihre Lippen sich trafen.
Sie beobachtete Max’ Finger, die nervös an einem Hemdknopf nestelten. Schon mehrfach hatte er in der letzten halben Stunde vor dem Spiegel in Peggys Hotelzimmer gestanden, sich die Jacke zurechtgerückt, an den Ärmeln gezogen, als könnten diese kleinen Details den Verlauf der kommenden Stunden und Tage beeinflussen. Peggy trat hinter ihn, und ihre Blicke trafen sich im Spiegel.
»Es wird alles gut gehen, da bin ich mir sicher.« Sie versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. »In einer Stunde treffen wir uns am Seiteneingang vom Bahnhof. Dort ist nie Polizei, du wirst sehen, es wird alles klappen.«
Max schüttelte schwach den Kopf. »Du weißt, Marseille ist nicht das Problem. Meine Reiseerlaubnis ist in Ordnung, selbst wenn mich die Polizei anhalten würde.« Er machte eine unwillige Geste. »Aber dieses verdammte Ausreisevisum … Wenn mich die Beamten an der spanischen Grenze kontrollieren, und das werden sie …«
»Max!« Sie trat neben ihn und fasste ihn bei beiden Armen. »Wir müssen darauf vertrauen, dass sie das Visum akzeptieren. Die kontrollieren jeden Tag Hunderte, wenn nicht Tausende von Visa. Wahrscheinlich sehen sie gar nicht mehr so genau hin. Vertrau darauf, dass alles gut geht. In zwei Tagen kommst du in Lissabon an und wartest auf mich.«
Max atmete tief aus. »Gut. Was bleibt mir auch anderes übrig. Augen zu und durch.« Er gab ihr einen schnellen Kuss. »Wir sehen uns dann gleich am Bahnhof.« Eine Sekunde lang sahen sie sich schweigend an, dann drehte Max sich um und verschwand aus der Tür. Peggy ließ sich aufs Bett fallen. Jetzt, wo Max nicht mehr da war, brauchte sie nicht mehr stark zu sein, sondern konnte sich ihren eigenen Ängsten hingeben. Max hatte recht, das Ausreisevisum war ein Problem, aber ein besseres als das, das er nun mithilfe von Varian Fry und dem Rettungskomitee in der Tasche hatte, würde er nicht mehr bekommen. Jetzt oder nie. Sie mussten es wagen. Peggy seufzte. Wenn sie doch nur gemeinsam nach Lissabon reisen könnten! Aber das war unmöglich. Sie musste noch auf das Geld warten, das sie bei der Bank beantragt hatte und mit dem sie ihre Flugtickets bezahlen würde. Bis das kam, konnten gut und gern noch zwei Wochen vergehen. Es kam ihr unendlich lang vor. Seit ihrer ersten Begegnung hatten sie sich gesehen, wann immer es ging. Max hatte sie sogar in Megève besucht und Zeit mit ihren Kindern Sindbad und Pegeen verbracht. Sie sprachen nicht über das, was zwischen ihnen war, hatten noch nicht versucht, ihre Beziehung zu benennen, aber schon seit ein paar Wochen war Peggy klar, dass sie sich verliebt hatte.
Plötzlich klopfte es energisch an der Tür. »Polizei! Aufmachen!«
Peggy fuhr hoch. Hatte es etwas mit Max zu tun? Ging es darum, dass er in letzter Zeit oft unerlaubt bei ihr im Hotel übernachtet hatte? Es durfte jetzt nichts passieren, was seine Reise nach Lissabon gefährdete, noch bevor sie überhaupt begonnen hatte.
»Augenblick!« Sie versuchte, ihre Stimme so sorglos wie möglich klingen zu lassen, strich sich hastig Rock und Bluse glatt und öffnete die Tür. Vor ihr stand ein Mann, der nicht wie ein Polizist aussah. Jedenfalls trug er keine Uniform. Er war klein und rundlich mit lichten Haaren und einer Hornbrille, die seine dunklen Augen sehr weit weg erscheinen ließ. Ohne ein weiteres Wort drängte er sich an ihr vorbei ins Zimmer und sah sich um.
»Sie sind Peggy Guggenheim?«
»Was wollen Sie hier?«
»Ihre Reiseerlaubnis.« Es klang nicht wie eine Bitte. Peggy schoss das Blut ins Gesicht. Die Reiseerlaubnis, die man brauchte, um sich innerhalb Frankreichs zu bewegen, war vor Monaten abgelaufen. Sie hatte das ursprüngliche Datum notdürftig per Hand überschrieben. Einen Augenblick erwog sie, so zu tun, als habe sie keine, doch eine Erlaubnis mit gefälschtem Datum war immer noch besser als gar keine. Hektisch kramte sie in ihrer Handtasche. Das Papier des Dokuments war inzwischen abgegriffen und brüchig. Der Beamte überflog es mit den Augen. Sofort fuhr sein dicker Zeigefinger zu dem überschriebenen Datum.
»Das waren die Beamten, die mir den Schein ausgestellt haben«, log Peggy. »Statt mir eine neue Erlaubnis zu geben, haben sie einfach das Datum handschriftlich verändert.« Was für eine dämliche Ausrede. Peggy spürte die Hitze in ihren Wangen, doch plötzlich gab ihr der Mann das Papier zurück. In ihrer ersten Erleichterung wollte sie etwas sagen, aber sein Blick hielt sie davon ab. Wortlos studierten seine Augen ihr Gesicht. Es lag etwas Boshaftes in seinen Zügen.
»Einen interessanten Namen haben Sie … Guggenheim.« Er zog den Namen bewusst in die Länge. Dann sagte er schnell: »Sind Sie Jüdin?«
Die Frage traf Peggy wie eine Faust in ihren Magen. Konnte das wirklich geschehen? Hier in ihrem eigenen Hotelzimmer? War es tatsächlich so einfach? Immer wieder hatte sie davon gehört, dass die mit den Deutschen kollaborierende französische Polizei Juden festnahm. Plötzlich erinnerte sie sich daran, was Max ihr für einen solchen Fall eingeschärft hatte: »Gib nie zu, dass du Jüdin bist«, hatte er gesagt. »Du bist Amerikanerin.«
»Ich bin Amerikanerin«, sagte Peggy und versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. »Ich werde in Kürze nach New York zurückkehren und …«
»Aber ein wirklich sehr interessanter Name«, unterbrach sie der Beamte.
»Mein Großvater kam aus der Schweiz. Es ist ein Schweizer Name.« Zu ihrem eigenen Erstaunen klang die Antwort nicht unsicher, sondern verärgert. In der Tat war sie irritiert. Was wollte dieser Mann von ihr?
»Das mag sein. Aber das eine schließt das andere ja nicht aus. Und jetzt mitkommen. Wir sprechen auf dem Präsidium weiter.« Der Beamte wollte nach ihrem Arm greifen, doch Peggy zog ihn zurück. In diesem Augenblick betrat ein zweiter Mann das Zimmer und sah den ersten fragend an.
»Guggenheim«, meinte der zufrieden. »Wahrscheinlich Jüdin.«
»Ich bin Amerikanerin!« In ihrer Verzweiflung ging Peggy zum Angriff über. »Ich werde mich beschweren. Sie haben kein Recht, eine amerikanische Staatsbürgerin festzunehmen! Was erlauben Sie sich?« Sie griff in ihre Handtasche und hielt dem zweiten Beamten ihren amerikanischen Pass hin. »Hier.« Der Mann studierte das Dokument, dann gab er es ihr zurück.
»Ich bitte um Entschuldigung für die Unannehmlichkeit.« Er wandte sich an seinen Kollegen. »Wir gehen.«
»Aber wir sollen doch … Müssen wir nicht …?« Das Gesicht des kleineren Mannes war hochrot, seine Stimme unsicher. Doch der Mann, der offenbar sein Vorgesetzter war, stand schon in der Tür.
»Madame Guggenheim …« Er nickte ihr zu und verließ das Zimmer. Der Kleine warf Peggy noch einen zornigen Blick zu, dann eilte er hinterher. Kaum hatte er das Zimmer verlassen, schloss Peggy die Tür und drehte den Schlüssel herum. Dann sank sie erschöpft auf den Bettrand. Noch immer spürte sie die Hitze in ihrem Körper. Das Blut pochte ihr in den Ohren und Schläfen. Ihr amerikanischer Pass hatte sie gerettet, doch wie lange noch? Es war höchste Zeit, dass sie endlich wegkamen, bevor sich die Schlinge zuzog. Bei diesem Gedanken fiel ihr Max ein. Ein schneller Blick auf die Armbanduhr. Es war schon viel zu spät! Sie fuhr vom Bettrand hoch, griff nach der Handtasche und hastete aus dem Zimmer.
Auf dem Boulevard Canebière herrschte der übliche Hochbetrieb. Peggy hielt vergeblich nach einem Taxi Ausschau. Ihr rannte die Zeit davon. Sie nahm die Handtasche unter den Arm und lief los. Eine Strähne löste sich aus der Haarspange, doch sie kümmerte sich nicht darum. Endlich kam der Boulevard d’Athènes in Sicht. Peggy blieb stehen und hielt sich die schmerzende Seite. Ihre Beine waren schwer wie Blei. Da, ein Taxi! Sie winkte, rief, doch der Fahrer machte keine Anstalten, anzuhalten. Kurz entschlossen lief Peggy auf die Straße und stellte sich dem herankommenden Taxi in den Weg. Es bremste scharf ab.
»Was soll das, sind Sie wahnsinnig?«, rief der Mann aus dem Fenster heraus.
»Zum Gare de Marseille Saint-Charles!« Peggy hatte die hintere Tür aufgerissen und Platz genommen.
»Ich muss woanders hin, steigen Sie aus«, sagte der Mann barsch.
Peggy stiegen Tränen in die Augen. »Ich flehe Sie an! Es geht um einen Mann. Einen Mann, den ich … vielleicht nie wiedersehe, wenn ich ihn jetzt verpasse.«
Der Taxifahrer sah sie einen Augenblick an. Dann nickte er wortlos, wendete in einem halsbrecherischen Manöver inmitten des Verkehrs und fuhr los. Als er vor dem Bahnhof hielt, hatte Peggy das Geld schon in der Hand, aber der Mann winkte ab. »Wenn es in diesen bösen Zeiten schon mal um Liebe geht, war es mir den Umweg wert«, brummte er.
»Ich danke Ihnen.« Peggy stieg eilig aus dem Wagen und lief auf das Bahnhofslokal zu. Hier war sie mit Max und Varian Fry verabredet gewesen, doch vor den großen Flügeltüren war niemand mehr zu sehen. Wenn Max den Zug erreichen wollte, mussten sie längst hineingegangen sein. Peggy hastete in die Bahnhofshalle hinein. Überall waren Menschen, schon von Weitem konnte sie den Zug sehen. Auf dem Bahnsteig war das Gedränge so dicht, dass sie fast den Mut verlor. Wie sollte sie Max hier finden? Vor allem, wenn er bereits eingestiegen war? Ein langgezogener Pfeifton ertönte. Die Maschine des Zuges arbeitete bereits.
»Peggy! Hier!«
»Max?« Sie sah an der langen Reihe von Waggonfenstern entlang. Tatsächlich, da war er! Sie bahnte sich einen Weg durch die Menge. Als sie an der Zugtür ankam, wartete Max dort schon auf sie.
»Es tut mir leid!« Einen Augenblick war Peggy den Tränen nah. »Du ahnst nicht, was mir passiert ist …« Sie unterbrach sich. Sie wollte die letzten Minuten nicht mit dieser furchtbaren Geschichte verbringen. Stattdessen nahm sie ihn in den Arm. Max drückte sie fest an sich. »Wünsch mir Glück«, flüsterte er. So standen sie mehrere Sekunden. Plötzlich legte sich eine Hand auf ihre Schulter.
»Wollen Sie noch mitfahren?« Peggy löste sich aus der Umarmung und sah den Schaffner an. Sie schüttelte nur den Kopf. In diesem Moment ging ein Ruck durch die Waggons. Der Zug setzte sich langsam in Bewegung.
»Dann mal los!« Der Schaffner sprang auf, und Max tat es ihm gleich.
»Wir sehen uns in Lissabon«, sagte er lächelnd, während Peggy neben dem immer schneller werdenden Zug herlief. Sie blieb stehen.
»In Lissabon!«, rief sie. »In drei Wochen!«
Am Abend nach seiner Ankunft hatten Kiesler und Peggy noch lange auf dem flachen Dach des Palazzo zusammengesessen und Rotwein getrunken, deshalb wunderte es ihn auch nicht, dass er am Morgen danach erst nach elf Uhr aufwachte. Trotzdem blieb Kiesler noch ein paar Minuten liegen. Im Palazzo war es völlig still. Schließlich zog er sich an und machte sich auf die Suche nach Peggy. Sie schien nicht da zu sein, dafür kamen ihm aus dem Garten ihre Lhasa Apso entgegengelaufen und begrüßten ihn überschwänglich. Kiesler fand eine noch warme Kanne Kaffee und schenkte sich ein. Vor dem Fenster glitzerte der Canal Grande im hellen Mittagslicht. Kiesler nahm seine Tasse und ging ins Wohnzimmer. Er hatte am Vorabend kaum Zeit gehabt, Peggys Bilder zu bewundern. Sie sahen beeindruckend aus an den weißen hohen Wänden dieses alten Palazzo, trotzdem machte es ihn wehmütig. Die Galerie, die er vor Jahren in New York für Peggy entworfen hatte, war ganz auf die Bilder zugeschnitten gewesen. Moderne Kunst, die mit einem ebenso modernen, ja spielerisch gestalteten Raum in Verbindung stand. Das konnte der ehrwürdige Palazzo nicht bieten.
Er war gerade vor einem Kandinsky stehen geblieben, als er hinter sich Schritte hörte.
»Oh, ist da jemand aufgewacht!«, rief Peggy übermütig. »Tut mir leid, dass ich dich alleingelassen habe. Ich hatte eine kleine Besorgung zu machen und wollte dich nicht wecken. Aber wie ich sehe, hast du den Kaffee gefunden und auch eines meiner schönsten Bilder.«
»Ja, allerdings.« Kiesler drehte sich wieder zu dem Kandinsky um. Er zeigte geometrische Formen, die entlang einer vertikalen Achse angeordnet waren und sich auf ein großes E stützten, das in der oberen rechten Ecke noch einmal wiederholt wurde. Es war ein Hinweis auf den ursprünglich deutschen Namen des Bildes: Empor. Doch die Energie, die von der Komposition ausging, lag nicht allein im Rhythmus seiner Formen. Seine Farben, Orange, Hellgelb, eine Art Wasserblau und ein zartes Rosa, vibrierten beinahe auf dem grün-blau-türkisen Hintergrund.
Kiesler nippte an seinem Kaffee. »Manchmal kann ich kaum glauben, dass deine Sammlung jetzt schon zweimal den Atlantik überquert hat. Einmal von Frankreich nach New York und jetzt wieder zurück nach Europa.«
Peggy nickte nachdenklich. »Das erste Mal war allerdings höchst unfreiwillig. Ich weiß noch, welche Höllenängste ich ausgestanden habe, als ich die Bilder damals für den Transport bereit gemacht habe. Stell dir vor, eingewickelt in Bettlaken, mitten im Krieg! Jetzt im Nachhinein ist es nur noch ein großes Abenteuer. Und manchmal kann ich gar nicht glauben, dass ich das alles tatsächlich erlebt habe. Dann schaue ich mir die zwei Bettlaken an, die ich als Maskottchen aufgehoben habe. Aber jetzt komm, es gibt Frühstück. Du musst doch hungrig sein.«
»Es war gar nicht so leicht, so viele Bettlaken zu bekommen. Ich kaufe sie schon seit Monaten«, sagte Peggy lachend, während sie vorsichtig ein Bild in das weiße Tuch einschlug. Der Keller unter dem Stadtmuseum in Grenoble glich einer Gespensterparty. Nur, dass die Protagonisten keine Gespenster waren, sondern moderne Kunst. Pierre Andry-Farcy, der Museumsdirektor, umwickelte das eben eingeschlagene Bild vorsichtig mit Schnur. Dann hielt er einen Moment inne und seufzte.
»Jetzt, wo es so weit ist und die Bilder bald nicht mehr hier sein werden, tut es mir leid, sie gehen zu sehen. Dabei habe ich mir in den letzten Wochen mehr als einmal gewünscht, sie nie hier aufgenommen zu haben.«
Peggy ließ das Laken fallen, das sie in der Hand hielt, ging zu ihm und legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich weiß, was Sie für mich riskiert haben, Pierre. Es war nicht leicht, jemanden zu finden, der diese Bilder bis zu meiner Abreise versteckt. Niemand sitzt gerne auf einer tickenden Zeitbombe. Wenn die Nazis sie gefunden hätten, gäbe es sie jetzt vielleicht schon gar nicht mehr.«
»Und mich dann wohl auch nicht«, gab Andry-Farcy mit einem grimmigen Grinsen zurück. »Sogenannte ›entartete Kunst‹ zu verstecken ist kein Kavaliersdelikt.«
Peggy nickte. »Das werde ich Ihnen nie vergessen. Und deshalb möchte ich auch, dass Sie sich ein Bild aussuchen, als Dank. Und als kleines Souvenir. Es werden schließlich auch wieder andere Zeiten kommen, in denen sich diese Bilder nicht mehr in irgendwelchen Kellern verstecken müssen.«
»Und die, die sie malen, aus Europa fliehen …« Andry-Farcy ging langsam durch die Reihen der noch nicht eingepackten Bilder und blieb vor einem kleinen Gemälde von Yves Tanguy stehen. Es war überwiegend in Brauntönen gehalten.
»Ein kleiner Tanguy.« Peggy nahm das Gemälde in die Hand. »Ich liebe jedes einzelne Bild von Yves, aber bei Ihnen weiß ich es in guten Händen.«
Andry-Farcy lächelte. »Danke, Peggy. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
»Nichts. Kommen Sie, machen wir weiter.«
Eine Weile arbeiteten beide schweigend und konzentriert. Kein Laut drang aus den oberen Räumen zu ihnen hinunter, denn das Museum hatte bereits geschlossen, und auch die Straße draußen schien in dunkler Stille zu liegen. Anders als Marseille lag Grenoble abseits vom Kriegstrubel, und die gedrückte Stimmung und permanente Polizeipräsenz sorgten dafür, dass abends kaum jemand freiwillig das Haus verließ.
»Die Bilder als Haushaltswaren zu deklarieren und so aufs Schiff zu schicken, ist ein toller Schachzug. Aber machen Sie sich keine Sorgen?« Andry-Farcy zögerte. »Ich meine, um den Namen … Guggenheim. Jemand könnte misstrauisch werden.«
»Und genau deshalb müssen wir sehr vorsichtig sein.« Peggy versuchte, sorglos zu klingen. »Das Transportunternehmen wird die Bilder in mehrere Einzelladungen aufteilen und ihnen feine französische Namen geben wie ›du Pont‹.«
Andry-Farcy lachte. »Ich sehe, Sie haben an alles gedacht. Na, dann kann ja nichts mehr schiefgehen. Was haben Sie eigentlich in New York mit den Bildern vor?« Bei dieser Frage legte Peggy das Gemälde ab, das sie in der Hand gehalten hatte, und setzte sich auf den Deckel einer Holzkiste.
»Ach, Pierre. Sie wissen ja, was ich hier vorhatte. Nachdem ich vor drei Jahren meine Galerie in London aufgegeben hatte, wollte ich der Öffentlichkeit in Paris endlich meine Sammlung zeigen. Dann hat der Krieg mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber so schnell gebe ich meinen Traum nicht auf.« Sie nahm einen Kandinsky in die Hand und betrachtete ihn. Seine Farben schwebten auf dem starken Grün-Blau des Hintergrunds. Peggy strich leicht über den einfachen Rahmen, dann sagte sie: »Diese Bilder hier sind viel zu aufregend, um nur zu mir zu sprechen. Alle sollen sie sehen können. Ich muss nur ein großes Haus finden, in dem sie Platz haben, und wer immer sie sehen mag, kommt vorbei. Und Sie wissen ja, an einem Katalog arbeite ich auch schon.«
In Andry-Farcys Augen lag ein Funken von Zweifel. »Glauben Sie, es gibt in New York schon ein Publikum für diese Art von Kunst? Was man so hört, sind Ihre Landsleute ja eher konservativ eingestellt.«
»Da haben Sie vielleicht recht, aber das wird sich bald ändern. Habe ich Ihnen je erzählt, was mir einmal mit Kandinsky in meiner Galerie in London passiert ist?« Auf Peggys Gesicht erschien ein verträumter Ausdruck. »Es war unglaublich. Ich hatte Kandinsky eine Ausstellung angeboten. Seine Bilder waren zum ersten Mal in England zu sehen, und es war ein voller Erfolg. Damals habe ich dieses Bild für mich gekauft. Aber das Beste hat außerhalb meiner Galerie stattgefunden. Eines Tages kam ein Schullehrer aus irgendeinem kleinen Ort auf dem Land in die Galerie und war so von den Bildern begeistert, dass er mich bat, am Ende der Ausstellung einige Werke mitnehmen und seinen Schülern zeigen zu dürfen.«
»O Gott. Kandinsky war bestimmt nicht begeistert?« Andry-Farcy machte ein zweifelndes Gesicht.
Peggy grinste. »Das dachte ich auch, aber er war einverstanden. Der Kunstlehrer kam mit einem kleinen Auto, verschnürte die Bilder auf dem Dach und fuhr los. Ein paar Wochen später brachte er sie wieder. Seine Schüler waren ganz verrückt nach ihnen; sie hatten so etwas noch nie gesehen. Mit diesen Bildern konnten sie hautnah erleben, was lebendige Kunst ist, die Kunst ihrer Zeit.«
»Und jetzt hoffen Sie, dass sich auch in Amerika die Menschen für abstrakte und surrealistische Kunst begeistern werden«, meinte Andry-Farcy verschmitzt.
»Warum nicht? Jeder verliebt sich irgendwann zum ersten Mal.« Peggy stand auf und ging durch den Raum. Ihre Augen überflogen die Bilder und Skulpturen, dann hatte sie gefunden, was sie suchte. Sie griff in eine Kiste und hob eine kleine Skulptur heraus.
»Hier, dieses wunderbare Schmuckstück.«
Andry-Farcy trat zu ihr. »Head & Shell von Jean Arp. Eine wunderschöne Skulptur.«
Peggys Augen strahlten. »Nicht wahr? Und außerdem das erste Kunstwerk, das ich vor Jahren gekauft habe. Mit ihm hat alles angefangen. Ach du liebe Güte, wenn ich damals schon gewusst hätte, dass ich einmal mein ganzes Vermögen in die Kunst stecken würde.« Sie lachte und strich liebevoll über die runden Formen.
»Wie kam es dazu?«, wollte Andry-Farcy wissen.
Peggy setzte sich. »Es war im Sommer. Mein Freund Marcel Duchamp fuhr mit mir nach Meudon außerhalb von Paris, wo die Arps sich dieses wunderbare Haus gebaut hatten. Jean hat mir seine Gießerei gezeigt, und als ich diese Skulptur sah … Wissen Sie, es war seltsam. Ich hatte sofort das Bedürfnis, sie zu berühren. Dieses leuchtende Kupfer, ihre sinnlichen Formen. Da wusste ich: Dieses Stück muss ich in meiner Nähe haben.«
»Und dann?«
Peggy zuckte mit den Achseln. »Jean Arp hatte natürlich nichts dagegen. Ich habe die Skulptur gekauft und es nie auch nur einen Tag bereut.« Sie sah Andry-Farcy an. »Damals habe ich mich zum ersten Mal Hals über Kopf in ein Kunstwerk verliebt. Und ich kann es meinen Landsleuten nur empfehlen, denn es ist ein wunderschönes Gefühl. Aber dieses Stück«, sie umfasste die kleine Skulptur in ihrem Schoß mit beiden Händen, »das gebe ich nicht mehr her.«
Ein Ruck ging durch den Zug, und einen Augenblick dachte Peggy, er würde anfahren, doch nichts geschah. Sie öffnete das Fenster des Abteils und lehnte sich nach draußen. Schräges Licht fiel durch das offene Dach des Gare de Marseille Saint-Charles. Tauben schossen durch die riesigen Hallen. Der Bahnsteig war voller Menschen. Wer es sich leisten konnte, hatte einen Kofferträger, doch die meisten schleppten ihr schweres Gepäck selbst. Züge fuhren mit kreischenden Bremsen ein, Rufe hallten über die Bahnsteige, Menschen lagen sich in den Armen. So viele Abschiede und Begrüßungen. Peggy hatte das Gefühl, dass ganz Marseille in dieser Bahnhofshalle versammelt war.
Ein weiterer Ruck, und noch einer. Wie ein Ziehen ging es durch die Waggons, und die Räder setzten sich in Bewegung. Auch an den anderen Fenstern standen Menschen. Die meisten von ihnen schwenkten Taschentücher. Ein kleiner Junge in kurzen Hosen und mit Schiebermütze lief neben dem Zug her, bis er nicht mehr konnte. Erschöpft stützte er sich mit den Händen auf den Knien ab. Peggy dachte an ihren eigenen Abschied von Max auf ebendiesem Bahngleis. Es war erst wenige Wochen her. Sie selbst wurde von niemandem verabschiedet, aber das war gut so. Es bedeutete, dass sie niemanden zurückließ. Mit ein bisschen Glück war es Max tatsächlich gelungen, über die Grenze nach Spanien und von dort aus nach Lissabon zu kommen. Und auch Laurence, ihr Ex-Mann, war mit den beiden Kindern nach Lissabon vorausgefahren.
Als der Zug die Halle verließ, umflutete sie gelbes Nachmittagslicht. Sie spürte die angenehme Wärme des Fahrtwindes auf ihrem Gesicht. Peggy setzte sich auf ihren Platz und schloss für einen Moment die Augen. Endlich war es so weit. Von Lissabon aus trennte sie nur noch der Atlantik von Amerika. Sie öffnete die Augen, doch ihr Blick blieb nach innen gerichtet. So viel war in den letzten Wochen geschehen: die Sorge um das beantragte Geld, der Abtransport ihrer Bilder. Endlich war es geschafft.
Vor dem Zugfenster flog die Landschaft vorbei. Auf den Kornfeldern arbeiteten Bauern im diffusen Spätnachmittagslicht, und an Bahnschranken warteten Menschen auf Fahrrädern und Eselskarren, beladen mit Gemüse. Die kleinen Dörfer mit ihren spitzen Kirchtürmen wirkten so friedlich und unberührt, dass Peggy fast vergaß, warum sie in diesem Zug saß. Es war keine Urlaubsreise. Sie war auf der Flucht. Weg aus ihrem geliebten Frankreich, in dem die Kollaborateure Nazideutschlands die Kreise um Unerwünschte wie sie immer enger zogen. Dafür waren die scharfen und langwierigen Kontrollen an der Grenze der beste Beweis.
Als nur noch dunkle Konturen vor dem Fenster dahinglitten, versuchte Peggy, zu schlafen, doch es gelang ihr nicht. Kurzfristig überkam sie Melancholie. Was musste noch alles geschehen, bevor dieser Krieg endlich zu Ende ging? Würde sie je nach Europa zurückkehren können? Dann riss sie sich zusammen und lenkte ihre Gedanken in eine andere Richtung. Mit jedem rhythmischen Stampfen der Maschinen kam sie Lissabon näher, und das bevorstehende Wiedersehen mit Max machte sie unruhig. Würde er am Bahnhof auf sie warten? Bei dem Gedanken, ihn zu küssen, fühlte sie sich nervös wie ein Schulmädchen.
Die Nacht sowie der darauffolgende Tag vergingen ohne besondere Ereignisse. Erst in der Abenddämmerung näherte sich der Zug Lissabon. Aufgeregt rutschte Peggy auf ihrem Sitz hin und her. Als die niedrigen Häuser der Vororte an ihrem Fenster vorbeizogen, hielt sie es nicht mehr aus und stand auf, um einen besseren Blick zu haben.
Eine Viertelstunde später kamen die Räder kreischend zum Stehen. Peggy zerrte an ihrem Gepäck, aber sie kam nicht weiter. Überall auf dem Gang stauten sich Menschen mit Koffern und Taschen, die Luft war schwül, die Atmosphäre gereizt. Jeder hatte es eilig, den Zug zu verlassen. Erst eine gefühlte Ewigkeit später schob Peggy sich auf den Ausgang zu. Draußen auf dem Bahnsteig war die Situation nicht besser: Menschen, die auf Ankommende warteten, mischten sich mit den Aussteigenden; hitzige Worte fielen an jeder Ecke.
Peggy ließ ihren Blick über die Menge schweifen, aber sie konnte kein bekanntes Gesicht sehen. Dann wurde sie auch schon von den Nachfolgenden weitergeschoben. Peggy trieb mit der Menge auf die Bahnhofshalle zu. Unentwegt wanderten ihre Augen über die unzähligen Gesichter. Da! Laurence! Und neben ihm ihre Tochter Pegeen. Sie riss den Arm hoch.
»Laurence, hier! Ich bin da!« Doch ihre Worte gingen im Stimmengewirr unter. Mit Mühe boxte sie sich durch die Menge. Jetzt hatte Laurence sie entdeckt und winkte heftig. Und plötzlich war da noch ein anderes Gesicht.
»Max!«
Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, und er hob die Hand. Peggy drückte stärker gegen die Menschen vor sich. Ihr Gesicht war gerötet. Sie schwitzte, doch das war ihr egal. Endlich trennten sie nur noch wenige Meter voneinander. Immer wieder suchten ihre Augen die von Max, das, was sie in ihnen zu lesen hoffte.
»Pegeen, Sindbad!« Peggy drückte ihre beiden Kinder an sich und blinzelte Laurence zu. Dann wandte sie sich um.
»Max.«
Sein Lächeln wurde eine Idee breiter, doch er wirkte verunsichert, geradezu steif. Seine Arme hingen unschlüssig an seinem Körper herab. Peggy wusste nicht, was sie erwartet hatte. Dass er sie umarmte, sie festhielt? Sie küsste? Einen langen Augenblick sahen sie sich nur an. Sein Blick war unergründlich. Jetzt hielt Peggy es nicht mehr aus. Sie nahm seinen Kopf in beide Hände, suchte seinen Mund mit ihren Lippen und küsste ihn heftig, dabei sog sie seinen Duft ein. Wie lange hatte sie nicht mehr eine solche Sehnsucht empfunden? Doch Max’ Lippen waren träge, sein Körper kam ihr nicht entgegen. Etwas in ihm leistete Widerstand.
Fragend löste sie sich von ihm und sah ihn an. »Was ist mit dir?«
Max’ Gesicht drückte eine fast verzweifelte Belustigung aus. »Alles in Ordnung.« Er lachte, und Peggy fühlte, wie sich ihr Herz zusammenzog. »Wirklich! Es ist nur etwas Unglaubliches geschehen. Es geht um Leonora …« Er brach ab, und Peggy sah ihn fragend an. Eine böse Ahnung machte sich in ihr breit.
»Sie ist hier«, brachte Max heraus. »Hier in Lissabon. Es kam völlig überraschend. Aber vor ein paar Tagen sind wir uns zufällig über den Weg gelaufen.« Er lächelte sie gequält an. »Sie saß in einer Tram und sah aus dem Fenster. Ich lief auf dem Bürgersteig. Und dann bin ich der Tram einfach …« Bei der Schilderung ihres Treffens war Max’ Stimme lebhafter geworden, doch er brach ab, als er Peggys Gesichtsausdruck sah. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Seine Worte rissen ihr den Boden unter den Füßen weg. Leonora war hier, ausgerechnet sie. Ausgerechnet in dieser Stadt. Und die beiden hatten sich wiedergefunden.
Von hinten legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Es war Laurence.
»Kommt, ihr beiden Turteltauben. Wir müssen raus hier, sonst werde ich noch klaustrophobisch.« Er schob sie Richtung Ausgang. Mechanisch setzte Peggy einen Fuß vor den anderen.
»Diese Stadt besteht nur aus Auf und Ab«, keuchte Laurence, der an Peggys Seite den Bürgersteig entlanglief. Sie nickte. »Du hast recht. Und das bei dieser Hitze.«
»Na, meine Idee war es nicht, dass wir um diese Uhrzeit in das Krankenhaus müssen. Heute Abend hätte auch noch gereicht.«
Peggy wollte etwas antworten, verkniff es sich aber. Laurence hatte recht. Sie hätten Leonora genauso in den Abendstunden im Krankenhaus besuchen können. Aber was sollte sie machen? Seit es Leonora vor ein paar Tagen nicht gut gegangen war und sie sich im Krankenhaus erholte, war Max fast jeden Tag an ihrem Bett gewesen. Stundenlang. Bislang hatte Peggy es vermieden, sie zu besuchen, aber jetzt hielt sie es nicht länger aus. Sie musste wissen, was die beiden dort den ganzen Tag machten, musste sie zusammen sehen. Es würde wehtun, aber es war wichtig. Denn seit ihrer Ankunft in Lissabon war zwischen Max und ihr nichts mehr so wie vorher. Die Gegenwart seiner ehemaligen Lebensgefährtin hing wie ein Schatten über ihrer eben erst entstandenen Liebesbeziehung. Max war verschlossen, reizbar, launisch. Und wer weiß, vielleicht wären er und Leonora ja schon wieder zusammengekommen, hätte Leonora nicht vor wenigen Wochen einen Mexikaner geheiratet. Er hieß Renato und hatte ihr zu einem Visum in die Staaten verholfen. In Kürze würden die beiden mit einem Schiff nach New York aufbrechen.
Falls Peggy sich im Inneren des Krankenhauses Kühlung erhofft hatte, wurde sie enttäuscht. Die Luft stand in den weiß gestrichenen Gängen. Sie fragten sich zu Leonoras Zimmer durch. Vor der Tür blieb Peggy einen Augenblick stehen. Von drinnen war gedämpft Max’ Stimme zu hören, doch es wirkte nicht wie ein normales Gespräch. Laurence sah sie fragend an, und Peggy klopfte. Drinnen wurde es still.
»Ja, bitte?« Die Stimme gehörte Max. Peggy setzte ein bemüht warmes Lächeln auf und öffnete die Tür. Ohne zu wissen, warum, vermied sie es, Max anzusehen. Stattdessen ging sie auf Leonora zu, die sie freundlich anlächelte.
»Peggy, wie nett, dass du mich besuchen kommst. Und Laurence ist auch da. Hallo!«
Sie traten ans Bett und küssten Leonora auf beide Wangen.
»Hallo Max.« Jetzt erst schenkte Peggy auch ihm ein Lächeln. Er erwiderte es, machte aber keine Anstalten aufzustehen oder nach ihrer Hand zu greifen. Eine Sekunde war sie versucht, um das Bett herumzugehen und ihm einen Kuss zu geben, doch dann entschied sie sich dagegen. Sie hatte es nicht nötig, hier am Krankenbett demonstrativ Besitzansprüche deutlich zu machen.
»Wie geht es dir?«, fragte Laurence, der zwei Stühle zum Bett heranzog, auf die sie sich setzten.
»Viel besser, morgen oder übermorgen komme ich raus.«
»Das ist wunderbar.«
»Ja, auch wenn es mir dank Max hier drinnen nie langweilig geworden ist. Wir zeichnen zusammen, oder er liest mir vor. Uns fehlen nur noch ein paar Seiten eines Agatha Christie-Krimis.«
Eine unangenehme Pause entstand, doch Peggy war nicht in der Lage, sie zu überbrücken, und auch Laurence kam ihr nicht zu Hilfe. Das war es also gewesen, was sie durch die Tür gehört hatte. Sie wusste nicht, warum, aber die Tatsache, dass Max Leonora Bücher vorlas, ließ ihr Herz schwer werden. Es hatte so etwas Liebevolles und Fürsorgliches. Als wolle sie sich selbst das Gegenteil beweisen, sagte Peggy: »O bitte, dann lest doch die letzten Seiten zu Ende.« Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, dass sowohl Max als auch Laurence stutzten. Dann nahm Max das Buch zur Hand und begann zu lesen. Anfangs klang seine Stimme noch etwas steif, als würde Peggys Gegenwart ihn daran hindern, sich der Geschichte hinzugeben, doch dann löste er sich. Seine Stimme wurde warm und ausdrucksvoll. Ab und an sah er kurz auf, und seine Augen trafen Leonoras. Er liest für sie, dachte Peggy, und eine Faust ballte sich um ihr Herz. Laurence war die Situation offenbar ebenfalls unbehaglich, denn er stand auf und verkündete, Kaffee holen zu gehen. Mit zufriedenem Lächeln schlug Max schließlich das Buch zu. Leonora griff nach ein paar Blättern, die auf dem Nachtisch lagen.
»Hier! Das haben wir vorhin gezeichnet.«
Zögerlich griff Peggy nach den Blättern. Wollte Leonora ihr wehtun? Sie betrachtete die Zeichnungen. Sie waren schön, spontan und dynamisch. Etwas, das Max und Leonora gemeinsam geschaffen hatten. Ich bin keine Künstlerin, dachte sie niedergeschlagen. Was immer aus uns werden kann, diese Art von Verbindung wird es zwischen Max und mir nie geben.
In diesem Augenblick kam Laurence zurück. Auf einem kleinen Tablett standen vier Mokka-Tassen. Der Kaffee schmeckte gut, und Peggy fühlte sich gestärkt.
Kaum hatten sie ausgetrunken, stand Laurence auf und stellte die Tassen auf das Tablett zurück. »Wir gehen dann wieder«, sagte er zu Peggys Überraschung. »Wir treffen uns nachher alle zum Abendessen im Leão d’Ouro. Kommst du auch?« Er sah Max an. Der wirkte einen Moment unschlüssig.
»Ich denke schon«, sagte er schließlich.
»Gut, so gegen acht. Wir sehen uns später.«
Peggy warf Max zum Abschied einen Blick zu, in den sie so viel Verbundenheit wie möglich zu legen versuchte.
Als sie das Krankenhaus verlassen hatten, liefen sie eine Weile schweigend nebeneinander her.
»Du denkst an Max«, sagte Laurence schließlich. »Wie eigentlich immer in diesen Tagen.«
Peggy zuckte mit den Schultern. »Eigentlich habe ich gerade an Marseille gedacht. Aber du hast recht. Max … Marseille. Ich bin mir nicht sicher, ob sich das überhaupt noch trennen lässt.«
Laurence schwieg, und Peggy fuhr fort. »Ach, Laurence. In all dem Chaos, all der Aufregung waren Max und ich so unbeschwert, so glücklich. Ich habe mich einfach fallen lassen in dieses neue Gefühl. Und jetzt? Ich kann immer noch nicht glauben, dass er Leonora in diesem Chaos aus Flüchtlingen hier in Lissabon wiedergefunden hat. Die buchstäbliche Nadel im Heuhaufen.«
»Peggy, du lässt das viel zu nah an dich rankommen. Warum eigentlich? Sie hat Max doch verlassen und diesen Mexikaner geheiratet.«
Peggy schnaubte. »Eine feine Heirat. Sie brauchte ein Visum für die USA, vielleicht noch einen starken Beschützer auf Zeit. Und wenn wir erst mal alle in New York sind, ist ein Wiedersehen vorprogrammiert.«
»Du glaubst also, dass Max Leonora noch liebt?«
Peggy zögerte. »Ich wünschte, es wäre nicht so. Aber hast du nicht gemerkt, wie entspannt und glücklich er aussieht, wenn sie in seiner Nähe ist?«