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Zu gern würde Emma mit Schulschwarm Erik in der berühmten Achterbahn "CloudKiss" knutschen. Leider ist sie Luft für ihn. Zum Trost hat sie sich in ihrer Fantasie einen festen Freund zugelegt: Colin ist zwar ebenso unsichtbar wie sie für Erik, dafür sieht er aber mindestens ebenso gut aus und ist natürlich immer für sie da. Ein Traumtyp im wahrsten Sinne des Wortes. Peinlicherweise funkt Colin Emma gern auch mal im realen Leben dazwischen und bringt sie damit in Erklärungsnöte, sodass ihre Schlagfertigkeit gehörig auf die Probe gestellt wird. Doch dann erwacht Eriks Interesse an ihr – und Emma hat plötzlich einen eifersüchtigen Dreamboy am Hals. Bzw. im Kopf. Als schließlich auch noch ein geheimnisvoller Fremder auftaucht, der Traumtyp Colin aufs Haar gleicht, hat Emma endgültig das Gefühl, in einer Dauer-Achterbahnschleife zu leben …
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Seitenzahl: 354
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Brigitte Kanitz
Mister Dream
Achterbahn der Gefühle
Für Alice und Virginia.
Ich wünsche euch traumhafte Küsse mit den
coolsten Typen dieser Welt!
ISBN eBook: 978-3-649-67072-8
© 2016 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG,
Hafenweg 30, 48155 Münster
Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise
Text: Brigitte Kanitz
Covergestaltung: Elsa Klever, Anna Schwarz
Innenillustrationen: Elsa Klever
Lektorat: Frauke Reitze
www.coppenrath.de
Das Buch (Hardcover) erscheint unter der ISBN 978-3-649-66892-3
Die Wolke plumpste nach unten. Ich hätte darauf gefasst sein müssen – war ich aber nicht. Der Fahrtwind zerrte an meinen Haaren, krampfhaft klammerte ich mich an den Sicherheitsbügel. Ich bekam kaum Luft. Noch ein paar Sekunden und die Höchstgeschwindigkeit war erreicht.
Jetzt! Jetzt! Jetzt!
»Küss mich!«, rief ich.
Colin gehorchte.
»Emma, sweet Emma«, flüsterte er, bevor er seine Lippen sanft und zärtlich auf meine legte.
Sanft und zärtlich?
Na ja. Nicht ganz.
Sein Mund stieß so heftig gegen meinen, dass ich bestimmt eine Lippenprellung bekam, falls es so etwas gab, und unsere Zähne trafen mit einem knirschenden Geräusch aufeinander. Ich glaube, es flogen sogar Funken.
Egal.
Toller Kuss, toller Typ! Bei über hundert Stundenkilometern auf der Achterbahn keine schlechte Leistung.
Ich schwebte im siebten Himmel. Oder zumindest: in der Achterbahn im Himmelspark.
Colins meergrüne Augen hüpften vor meinem Gesicht auf und ab, nachdem er seinen Mund mit einem »Plopp!« von mir gelöst hatte.
»Halt dich an mir fest, Baby!«
Verliebt wollte ich meinen Blick in seinen versenken; war bloß schwierig, weil der Wolkenwagen heute besonders heftig ratterte und wir hin und her geschleudert wurden. Mein Magen hob sich, und Colins Augen wirkten jetzt wie Murmeln, die jemand ständig in die Höhe warf.
Hilfe!
Mit aller Kraft wünschte ich mir den romantischen Moment zurück. Und wenn ich mir dabei die Vorderzähne ausschlug! Das war’s wert. Wer drei Jahre lang auf den ersten Kuss von seinem Traumtypen gewartet hatte, der durfte das verlangen.
»Küss mich!«, rief ich wieder.
»Ich knall dir gleich eine!«
Was?
»Colin, sag mal, spinnst du?!«
»Nix Colin. Lilli.«
Der Wagen ratterte noch stärker. Oder war es eher ein Rütteln? Ein wildes Schwanken?
Etwas traf mich an der Schulter.
»Aua!«
»Ich roll dich aus dem Bett, wenn du jetzt nicht ganz schnell klar in der Birne wirst. Und hör auf, so zu schmatzen!«
Okay, das reichte. So redete kein verliebter Traumtyp, so redete wirklich nur eine: Lilli, meine beste Freundin. Eventuell auch meine neue beste Feindin.
»Ich schmatze nicht, ich küsse, und zwar Colin«, erklärte ich so würdevoll wie möglich.
»Häh?«, machte Lilli. Sie rüttelte weiter und boxte wieder gegen meine Schulter.
Langsam wurde mir wirklich schlecht und so halbwegs wachte ich auf. Leider.
»Ich hasse dich!«, stieß ich aus und bekam große Lust, meine Freundin zurückzuboxen. »Du hast mir den Traum meines Lebens zerstört!«
»Den Traum vom Kuss mit einem Typen, den es nur in deinen Träumen gibt? Cool.«
Hm. Dagegen konnte ich nicht viel sagen. Allerdings bedauerte ich zum ungefähr tausendsten Mal, dass ich Lilli in einem schwachen Moment mein Geheimnis anvertraut hatte. Auf der anderen Seite war ich schon genauso oft froh darüber gewesen, weil es wenigstens einen Menschen gab, der eben dieses Geheimnis kannte und mich nicht für verrückt erklärte.
Höchstens ein klitzekleines bisschen. Meine beste Freundin galt zum Glück selbst nicht unbedingt als die Vernunft in Person, einige Leute fanden sie sogar leicht durchgeknallt. Deshalb hielt sie meistens brav die Klappe und akzeptierte mich so, wie ich war. Samt dem traumhaften Colin.
Ich blinzelte vorsichtig und entdeckte Lillis rundes Gesicht mit der Stupsnase direkt vor mir.
Ihre Augen waren nicht meergrün wie die von meinem Mister Dream, sondern haselnussbraun, genau wie ihre Haare. Außerdem war Lilli klein, kaum eins sechzig groß, während Colin mich selbstverständlich locker überragte. Und das war in meinem Fall eine echte Leistung. (Eine Leistung meiner Fantasie, natürlich.)
Lilli erhob sich von meiner Bettkante und ihre leicht pummelige Figur geriet in mein Blickfeld. Okay, wenn ich sie bis gerade noch im Halbschlaf mit meinem sportlich durchtrainierten Traumjungen verwechselt hatte, zerstörte Lillis Anblick die Illusion in Sekundenschnelle.
Wer sie nicht kannte, hätte meinen können, dass sie bei Jungs keinen großen Erfolg hatte, aber das war ein Irrtum. Lilli wurde viel öfter als ich um ein Date gebeten. Denn dass sie nicht unbedingt aussah wie ein Model, machte sie locker mit ihrem quirligen Temperament und ihrem goldenen Herzen wett.
Ich blinzelte noch mal.
Ihrem goldenen Herzen? Mannomann! Da war ich aber noch ganz schön tief in meinem Liebestraum gefangen. So ein Kitsch fiel mir sonst nicht ein.
»Bist du endlich wach?«, herrschte Lilli mich an.
»Gleich«, murmelte ich und streckte mich unter der Decke. Meine Füße ragten ein ganzes Stück über die Bettkante hinaus. Ich war einfach zu schnell gewachsen, mein Bett hatte da nicht mithalten können. Und Lilli reichte mir höchstens noch bis zur Schulter.
Colin lächelte mich liebevoll an.
»Don’t go, Emma!«, flüsterte er.
Wenn ich mich anstrengte, wenn ich die Augen wieder fest schloss, gab es vielleicht noch eine Chance für uns. Wir würden wieder auf der Achterbahn »CloudKiss« fahren, die so hieß, weil es mit den Küssen da oben eine besondere Bewandtnis hatte. Unsere Lippen würden sich wiederfinden und niemand würde uns stören.
Seufz!
Ich entspannte meine Gesichtsmuskulatur, blendete Lillis Anwesenheit aus und fühlte mich warm und geborgen. Der Kuss war so real, wie ein Kuss nur sein konnte. Also, nicht dass ich da so viele Vergleichsmöglichkeiten hätte. Was daran liegen könnte, dass ich seit drei Jahren in einen Typen verliebt war, der buchstäblich durch mich hindurchsah.
Wahrscheinlich, weil ich so blass war. Jedenfalls hatte dieser Kerl mich noch nie geküsst und deshalb wollte ich es anfangs auch mit keinem anderen versuchen. Na ja, ein bisschen Erfahrungen hatte ich inzwischen schon gesammelt. Hatte sich bloß noch nie besonders richtig angefühlt. So wie der Kuss mit Colin gerade …
»Igitt! Jetzt sabberst du auch noch!«
Lillis Seelenverwandtschaft zu mir äußerte sich eher selten verbal. Ich achtete nicht auf sie, sondern strich mir über die Wange und bildete mir ein, es wären Colins zärtliche Fingerspitzen.
»Hast du endlich genug an dir rumgewischt? Können wir jetzt mal zur Tagesordnung übergehen?«, erkundigte sie sich freundlich und zog mir mit aller Gewalt die Bettdecke weg.
Ich kämpfte verzweifelt, während Colin sich endgültig verkrümelte.
»Bye, Darling, bis bald!«, wisperte er.
»Was machst du überhaupt in meinem Schlafzimmer?«, grunzte ich und gab endlich den Kampf auf, woraufhin Lilli mit viel Schwung und samt der Decke auf den Fußboden plumpste.
»Autsch!«
»Strafe muss sein«, sagte ich grinsend und schwang die Beine aus dem Bett. »Also? Wieso bist du um diese Uhrzeit hier?« Ich linste zum Wecker. »Um acht Uhr früh?«
»Wir haben reingefeiert, schon vergessen? Und ich kann auf dem blöden Ding da nicht mehr schlafen.« Sie deutete auf die dünne Schaumstoffmatratze am Boden. »Außerdem hast du angefangen, diese komischen Geräusche zu machen.«
Auf Letzteres ging ich lieber nicht ein. War mir ein bisschen unangenehm, jetzt, wo ich richtig wach war.
Reingefeiert?
Oh, Mist!
Vor lauter Traum-Küssen hatte ich glatt vergessen, dass ich siebzehn geworden war.
»Happy Birthday!«, sagte Lilli feierlich. »Jetzt bist du wieder fünf Monate lang ein Jahr älter als ich.«
Typische Lilli-Logik.
»Du hast mir doch bestimmt schon um Mitternacht gratuliert«, erwiderte ich, während mir nach und nach die Einzelheiten unserer kleinen Feier einfielen. Hätte ich drauf verzichten können.
Aber so ist das leider mit dem Bewusstsein: Wenn es erst mal richtig da ist, kriegt es so eine verdammt schonungslose Art und erinnert dich daran, was du alles angestellt hast. Da fallen dir dann so Dinge ein wie »Karaoke-bis-sich-die-Gäste-beschweren«, »Heularien-weil-dich-keiner-liebt« und »Mond-anjaulen-weil-du-für-jemand-Bestimmtes-Luft-bist«.
Peinlich, peinlich.
Dabei war noch nicht mal viel Alkohol im Spiel gewesen. Was es irgendwie noch schlimmer machte, fand ich. Aber Lilli trank aus Prinzip nichts Hochprozentiges und alleine hatte ich keine Lust auf Cocktails gehabt.
Also hatten wir hauptsächlich Chips gegessen und uns die halbe »Sex and the City«-DVD-Sammlung meiner Mutter angeschaut. Bis heute das beste Studienmaterial über Männer!
Danach hatten wir gesungen, ich vielleicht noch etwas lauter als Lilli, weil ich mich trotz ihrer Gesellschaft plötzlich so einsam gefühlt hatte.
Na, und dann hatten ein paar Gäste unseres Hostels gegen die Wand gedonnert.
Das »Cloud« gehörte meiner Mutter, und eigentlich waren die Leute, die bei uns abstiegen, überwiegend jung und gut drauf. Aber gestern Abend hatten ein paar von denen anscheinend schlechte Laune gehabt. Was daran gelegen haben konnte, dass ich eher unmusikalisch bin.
»Du klingst wie ein kastrierter Terrier auf Ecstasy«, hatte Josephine mit PH mal behauptet.
Nett.
Danach war ich furchtbar traurig gewesen und weder Lilli noch Colin hatten mich trösten können.
»Klar habe ich dir gratuliert, aber da hast du schon nichts mehr mitgekriegt«, sagte meine Freundin jetzt. »Du hast geheult und gejault und nach Colin gerufen. Dann bist du von jetzt auf gleich eingeschlafen, dabei wollte ich dir noch die Karten legen. Bist du sicher, dass in deiner Cola nur Rum drin war?«
»Ich schwöre!«
»Wäre mir ja sonst auch aufgefallen. Und du weißt, dass zu viel Alkohol meine magischen Kräfte minimiert.«
Ein todernster Ausdruck senkte sich in ihre Augen und sie war schlagartig genau das Gegenteil von quirlig und leicht durchgeknallt. Sie wirkte plötzlich sehr erwachsen und irgendwie brillant. Wenn ich sie nicht schon so lange gekannt hätte, wäre ich schwer beeindruckt gewesen.
So aber kicherte ich nur.
Nachdem Lilli von ihrer Mutter im Alter von zehn Jahren deren ausrangierte Glaskugel geschenkt bekommen hatte, gehörte ihr die Zukunft. Also, die Zukunft anderer Leute. Meine, zum Beispiel. Die war, seit Lilli sie mir vorhersagte, richtig abwechslungsreich geworden. Nur leider nie so ganz korrekt. Sonst hätte ich inzwischen drei Shetlandponys und einen Golden Retriever besessen, einen Goldschatz am Ende des Regenbogens gefunden, meinen Papa heimgeholt und Eriks Herz erobert.
Das war der Typ, der grundsätzlich durch mich hindurchsah.
Ach ja, und vor zweieinhalb Jahren hätte ich laut Lilli Robert Pattinson küssen können. War halt damals mein Schwarm gewesen, und – hey – jeder macht mal Fehler. Immerhin hatte er mich eine Weile von Erik abgelenkt. Und von Colin. Was der mir allerdings ein bisschen übel genommen hatte.
Ja, also meine Zukunft. Dumm gelaufen bisher, aber so leicht gab Lilli nicht auf. Schließlich war ihre Mutter Nena Nickel die Wahrsagerin im Himmelspark, und Lilli hatte fest vor, eines Tages entweder ihren Job zu übernehmen oder in Las Vegas ganz groß rauszukommen.
Bis dahin übte sie in ihrer Freizeit. Vorzugsweise an mir. Einmal hatte ich vorsichtig darauf hingewiesen, dass die alte Glaskugel einen Riss hatte und die Vorhersagen vielleicht deshalb nicht so ganz korrekt waren. Aber davon wollte Lilli nichts hören. Sieglaubte fest an ihre Fähigkeiten. Und neuerdings spezialisierte sie sich sowieso auf Tarot.
»Wir können das jetzt machen«, bot sie an. »Ich hol nur schnell die Karten aus dem Rucksack. Wo habe ich den denn hingeschmissen?«
Suchend sah sie sich um, aber ich sprang schnell aus dem Bett.
»Sorry, keine Zeit. Muss heute Vormittag noch zwei Zimmer vorbereiten.«
Ausnahmsweise war ich froh darüber, dass ich im Hostel so viel mithelfen musste. Gestern noch hatte ich mit meiner Mutter gestritten und darauf bestanden, dass eine hart arbeitende Schülerin das Recht hatte, in den großen Ferien auch mal Urlaub zu machen. Die Sommerferien hatten nämlich schon vor einer Woche begonnen, aber bisher war ich noch nicht ein einziges Mal dazu gekommen, morgens richtig auszuschlafen.
Mama hatte ihr übliches entschuldigendes Lächeln aufgesetzt und gesagt: »Ich weiß, Emma, mein Schatz. Aber wir haben Hochsaison und ganz allein wäre ich völlig hilflos.«
Was leider stimmte.
Da sie schon mal dabei war, erinnerte Mama mich auch gleich daran, dass wir beide ohne das Hostel demnächst unter einer Brücke schlafen würden beziehungsweise Hartz IV beantragen müssten, was in ihren Augen gleich schlimm war.
Die ewigen Sprüche.
Ich konnte sie nicht mehr hören, obwohl ich wusste, dass sie recht hatte. Alles in meinem Leben hing unrettbar zusammen: ich selbst mit meiner Mutter und dem Hostel »Cloud«. Das Hostel mit dem Himmelspark, einem der beliebtesten deutschen Vergnügungsorte. Der Freizeitpark mit der Achterbahn »CloudKiss«, die Jugendliche aus aller Welt erleben wollten – für die sie deshalb sogar bis in die norddeutsche Tiefebene kamen und in einer Kleinstadt namens Kiesel übernachteten, die so unbedeutend war, dass sie es mit ihrem Namen nicht mal bis zum Stein oder gar Felsen gebracht hatte.
Das war uns allen hier verdammt peinlich.
Wenn wir bei einem Ausflug nach Hamburg oder Bremen erzählten, wir kämen aus Kiesel, ernteten wir regelmäßig ratlose Blicke. Fügten wir hinzu, das sei die Stadt neben dem Himmelspark, wussten alle sofort Bescheid.
So einfach war das. Der Park war wichtig und das Hostel war wichtig. Für mich hatte es zur Folge, dass ich kräftig mit anpacken musste, zumal meine Mutter nicht gerade die geborene Geschäftsfrau war.
Es gab kein Entrinnen.
Seufzend schnappte ich mir Jeans und T-Shirt.
»Für die Zukunft habe ich heute echt keine Zeit«, erklärte ich knapp. »Es gibt Pflichten zu erfüllen.« Das klang gut und erwachsen, fand ich. Musste ich mir merken.
Lässig glitt ich in meine Jeans. Blöd nur, dass ich mich mit beiden Beinen im rechten Hosenbein verhedderte und meinen souveränen Eindruck gleich wieder zunichtemachte, indem ich hilflos zurück auf mein Bett sackte. Meine langen Glieder waren einfach mal wieder im Weg. Daran musste ich noch arbeiten.
Lilli grinste. »Boah! Dünner geht’s nicht. Du brauchst echt bloß ein Hosenbein!«
»Eben nicht.« Ich kämpfte darum, meinen linken Fuß zu befreien. Der steckte irgendwo in den Tiefen meiner angriffslustigen Hose fest.
»Soll ich Seifenwasser holen?«, bot Lilli hilfsbereit an. »Dann flutscht es besser.«
»Untersteh dich!«
Ich zog und zerrte. Der Fuß löste sich mit einem Ruck, mein linkes Knie knallte gegen mein Kinn. Ich sah funkelnde Sterne.
Lilli klatschte in die Hände. »Hast du dich gerade selbst k.o. geschlagen?«
»Klappe«, knurrte ich. Und weil ich ein bisschen sauer auf sie war, wiederholte ich noch mal: »Ich will von deiner Wahrsagerei jetzt nichts wissen, klar?«
Lilli zog einen Flunsch. »Du machst einen schweren Fehler. Ich spüre gute Vibrationen, das ist dein Moment. Du wirst erfahren, ob Erik heute Abend zu deiner Geburtstagsfeier kommen wird. Und so erwartet dich eine leuchtende Zukunft!«
Fast wäre ich auf sie reingefallen, obwohl ich mir unter einer leuchtenden Zukunft nicht viel vorstellen konnte. Klang nach radioaktiver Strahlung.
»Interessant«, erwiderte ich und tat, als würde ich scharf nachdenken, während ich meine Beine so elegant wie möglich in die jeweils für sie vorgesehenen Hosenbeine bugsierte.
Prompt hoben sich Lillis Mundwinkel. »Vertrau deiner allerbesten Freundin – und der Macht der Karten.«
»Prima. Blöd nur, dass es keine Party gibt, zu der irgend jemand kommen könnte.«
Die Macht der Karten fiel in sich zusammen. Beziehungsweise: Lillis Gesichtszüge entgleisten.
»Du gibst keine Party? Du bist endlich siebzehn und willst das nicht feiern? Machst du Witze?«
»Nö.« Ich stand wieder auf, zog den Reißverschluss hoch und schloss den Knopf. Dann hüllte ich mich in ein schwarzes T-Shirt in XXL-Größe.
Es fiel so, wie es fallen sollte, nämlich weit und locker über meine kaum vorhandene Oberweite und meine abstehenden Hüftknochen. So konnte wenigstens die Illusion entstehen, unter dem Stoff würden sich weibliche Proportionen befinden, die ich nur verstecken wollte.
Meine Mutter war der Meinung, ich machte mir da zu viele Gedanken. Ich sollte mich ruhig ein bisschen farbenfroher und figurbetonter kleiden, sagte sie immer. Ich sei nämlich bildschön und würde das nur nicht merken.
Meine Mutter hatte eben keinen Plan.
Figurbetont, ha!
Erstens gab es nichts zu betonen und zweitens erledigte meine Mutter das schon an sich selbst mit ihren engen Kleidern und tiefen Ausschnitten.
Nee, danke. Eine in der Familie reichte.
Neuerdings fügte sie gern hinzu, ich müsste nur warten, bis ich ausgewachsen sei. Die richtigen Pölsterchen würden dann schon noch kommen.
Okay, aber wann sollte das sein? Wenn ich die Drei-Meter-Marke überschritten hatte? Ich war jetzt schon knapp eins achtzig. Das reichte! Von einer Hormonbehandlung, um die ich meine Mutter anflehte, seit ich dreizehn war und anfing, in die Höhe zu schießen, wollte sie natürlich nichts wissen. Der Natur dürfe man nicht ins Handwerk pfuschen, behauptete sie.
Na super. Eines Tages würde ich im Himmelspark als Attraktion ausgestellt werden. Herrschaften, treten Sie näher, sehen Sie das größte Mädchen der Welt, wie es sich selbst k.o. schlägt …
»Das würde ich nie zulassen, Darling!«, versicherte mir Colin schnell, als ich so weit mit meinen Überlegungen gekommen war.
Aber da stellte Lilli sich auf die Zehenspitzen und klopfte mir mit dem Fingerknöchel gegen die Schläfe.
»Pennst du im Stehen weiter? Also, was ist jetzt mit der Party?«
»Keine Party«, gab ich dumpf zurück, in Gedanken noch ganz bei der Drei-Meter-Emma. »Ich bin zu groß dafür.«
»Was?«
»Ich meine, zu müde. Außerdem haben wir gestern schon gefeiert.«
»Quatsch. Wir haben Cola getrunken, Chips gegessen und zugesehen, wie Carrie mit Mr. Big rumgemacht hat. Das ist nicht feiern. Und heute ist Samstag, da hat keiner was Besseres vor.«
Ich hob die Schultern. »Egal. Hab trotzdem keine Lust.«
Allein der Gedanke, ich müsste einen kompletten Abend mit der Hoffnung verbringen, ein gewisser Typ könnte tatsächlich vorbeikommen – nur um dann enttäuscht zu werden, weil er doch nicht kam –, jagte mir ein paar kalte Schauder über den Rücken. Ich hielt mich selbst grundsätzlich für ein ziemlich starkes Mädchen, aber das war selbst mir zu viel. Lilli und die anderen, die in meine unglückliche Liebe eingeweiht waren, würden versuchen, mich zu trösten, die Party würde sich wie Kaugummi in die Länge ziehen, und mein armes, junges Herz würde endgültig brechen.
Knacks!
O Mann, irgendwas machte dieser siebzehnte Geburtstag mit mir. Irgendwas furchtbar Kitschiges.
Zum Glück konnte Lilli keine Gedanken lesen.
Hoffte ich.
Endlich fiel mir aber eine gute Ausrede ein: »Ich werde viel zu kaputt sein. Nachher kommt eine Gruppe aus München. Fünf Typen zwischen achtzehn und zwanzig. Das wird total anstrengend!«
»Pfft«, machte Lilli. »Pass auf. Ich helfe dir mit den Zimmern und nachher reden wir noch mal über heute Abend, okay?«
»Okay«, sagte ich leichthin.
Hilfe konnte ich immer gebrauchen und irgendwie würde ich Lilli schon von ihrer Partyidee abbringen. Mir war einfach nicht danach – und ich hatte meine Gründe.
Oder besser gesagt, einen ganz bestimmten.
»Erst mal frühstücken«, entschied Lilli.
Ich nickte, obwohl mir noch ein wenig schlecht war von der Schaukelei im Traum und Lillis Angriff auf mein Bett. Aber ein heißer Tee und etwas Zwieback konnten nicht schaden.
Lilli schnappte sich ihren Rucksack, marschierte vorneweg in unsere Küche, füllte den Wasserkocher und schaltete ihn ein.
Unsere Wohnung im ersten Stock eines Altbaus war winzig, weil meine Mutter so viel Platz wie möglich für das Hostel hatte lassen wollen. War eine kluge Entscheidung gewesen, vor allem für Mamas Verhältnisse. Regelrecht vorausschauend. Bis heute bewunderte ich sie insgeheim dafür. Aber wenn ich noch weiter wachsen sollte, konnte es eng werden.
Es gab überhaupt nur zwei Räume, wobei das Zimmer meiner Mutter auch als Wohnzimmer diente. Meistens zog ich es aber vor, in meinem eigenen kleinen Reich zu bleiben. Außerdem hatten wir noch eine schlauchartige Küche und ein winziges Bad. In der Dusche musste ich jetzt schon den Kopf einziehen.
Zum Hostel gelangte man über einen kurzen Flur. Hier oben gab es zwei Gästezimmer plus Gemeinschaftsbad, unten im Parterre waren noch einmal drei Räume eingerichtet, jeweils mit zwei oder maximal drei Betten. Alles reichlich eng und bescheiden. Dafür waren sämtliche Wände hellblau gestrichen, und überall segelten aufgemalte Schäfchenwolken zu den Zimmerdecken hinauf, was immerhin den Eindruck von Weite und Größe vermittelte.
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