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Das bestehende Energiesystem muss tiefgreifend und rasch umgebaut werden, sodass der Energieverbrauch sinkt, die Emissionen zurückgehen und die erneuerbaren Energiequellen Wind, Fotovoltaik, Wasserkraft und Biomasse die fossilen Energieträger ersetzen. Ergänzend dazu braucht es über Jahrzehnte ein umfangreiches Programm zur Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre. In diesem Buch werden Konzepte beschrieben, wie die Versorgung mit Wärme, Mobilität und Strom aussehen sollte, um bis 2040 gänzlich aus den fossilen Energien auszusteigen. Diese Konzepte beziehen sich auf die Europäische Union, auf Deutschland und im Detail auf Österreich. Die vorgeschlagene, tiefgreifende Transformation des Energiesystems ist möglich, die Sonne strahlt mehr als genug Energie auf unsere Länder ein, die Technologien sind hoch entwickelt. Daher will das Buch Optimismus, Tatkraft und Zuversicht stärken.
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Seitenzahl: 495
Veröffentlichungsjahr: 2022
HEINZ GABRIEL KOPETZ
Der Klimawandel ist seit Jahren in aller Munde. Dazu kommt seit einigen Monaten eine veritable Energiekrise. Daher stellt sich die drängende Frage: Was ist jetzt zu unternehmen, um die Erwärmung in diesem Jahrhundert auf 1,5 °C zu limitieren und die Energiekrise zu meistern?
Diese Frage beschäftigt vor allem die junge Generation, denn sie würde die Folgen eines Versagens der Klima- und Energiepolitik in voller Härte zu spüren bekommen. Der Ausweg aus der Klima- und Energiekrise liegt auf der Hand: Das bestehende Energiesystem muss tiefgreifend und rasch umgebaut werden, sodass der Energieverbrauch sinkt und die erneuerbaren Energiequellen wie Strom aus Wind, Fotovoltaik, Wasserkraft und Biomasse die fossilen Energieträger ersetzen.
Ergänzend braucht es über Jahrzehnte ein umfangreiches Programm zur Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre. So wird der Trend zur weiteren Erwärmung gebremst und die Rückkehr zu einer sicheren Energieversorgung zu vertretbaren Kosten erreicht.
Dieses Buch beschreibt die Umsetzung dieser Konzepte auf europäischer Ebene und auf der Ebene einzelner Mitgliedsstaaten, insbesondere Österreichs. Der Umbau ist möglich, die Sonne strahlt hundertmal mehr Energie auf unsere Länder ein, als wir brauchen, die Technologien sind hoch entwickelt. Daher will das Buch Optimismus, Tatkraft und Zuversicht stärken, aufbauend auf detaillierten Analysen und naturwissenschaftlichen Fakten.
Der Umbau des Energiesystems zu einer solaren Energiewirtschaft wird gelingen, wenn sich Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik mit großem Engagement dafür einsetzen. Der Einsatz lohnt sich. Davon bin ich überzeugt.
Heinz Gabriel Kopetz,
Graz, April 2022
Vorwort
Teil I:Grundlagen
1. Erneuerbare Energien für Einsteiger
2. Naturwissenschaftliche Zusammenhänge
3. Ein Blick in die Klimageschichte
4. Begriffe und Technologien: Energie, Effizienz, Wasserstoff, Synthetische Rohstoffe
5. Solare Technologien – ein Überblick über die Energiequellen der Zukunft
6. Schlüsselenergie Elektrizität – Netze, Speicher, Winterstromlücke
Teil II:Europa, Deutschland: auf dem Weg in die solare Energiewirtschaft
7. Das globale Wirtschaftsmodell im Konflikt mit den ökologischen Grenzen
8. Wo stehen wir? Kohlenstoffbudget, das 1,5-°C-Ziel und die klimapolitischen Ziele in Europa und Deutschland
9. Der enorme Bedarf an Strom aus erneuerbaren Quellen, Beispiele aus der Europäischen Union und Deutschland
10. Kohlenstoffentnahme aus der Atmosphäre als neue Herausforderung
Teil III:Fallstudie Österreich – Ausstieg aus den fossilen Energien
11. Umbau im Kopf: von der fossilen zur solaren Energieversorgung
12. Österreichs Klimapolitik im europäischen Vergleich
13. Die Ziele bis 2035
14. Der Umbau des Energiesystems in Österreich bis 2035
15. Die zentrale Rolle der Land- und Forstwirtschaft – Ernährung, Energiewende, Klimaschutz
16. Die neue Erzählung – mit konkreten Maßnahmen zur Realisierung der solaren Energiewirtschaft
17. Umbau und Verantwortung: das Individuum, die Gemeinde, das Bundesland, der Bund, die internationale Gemeinschaft
18. Der Aufbruch in die solare Energiewirtschaft
ANHANG:
Liste der Übersichten, Quellennachweis und Anmerkungen; Bibliografie
Im Mittelpunkt dieses Buches steht der Umbau des Energiesystems von fossilen zu erneuerbaren Energiequellen. Warum dieser Umbau notwendig ist und wie er gestaltet werden kann, darüber handeln die folgenden Kapitel im Detail.
Zum Einstieg soll am Beispiel der Haushalte gezeigt werden, was man sich unter diesem Umbau vorstellen muss. Dazu brauchen wir zunächst Klarheit über den Begriff: Als erneuerbare Energiequellen bezeichnen wir jene, die sich immer wieder dank der Sonneneinstrahlung erneuern und uns so lange zur Verfügung stehen, solange die Sonne jeden Morgen am Himmel aufgeht. Im Gegensatz dazu stehen die fossilen oder atomaren Energiequellen, deren Nutzung auf begrenzten, sich nicht erneuernden Vorräten aufbaut.
Zu den erneuerbaren Energiequellen zählen daher die Fotovoltaik, die Solarthermie, die Wasserkraft, die Windenergie, die Biomasse und die Umgebungswärme, die in Luft und Wasser gespeichert ist. Erneuerbare Energieträger haben den Vorteil, dass sie bei richtiger Handhabung klimaneutral wirken, also zu keinen klimaschädlichen Emissionen führen, während fossile Energieträger hohe Emissionen bewirken und daher Hauptverursacher des Klimawandels sind.
Erneuerbare Energien – die Energiequellen der Zukunft:
Wasserkraft, Fotovoltaik, Windenergie, Biomasse und Biogas, Solarthermie, Umgebungswärme und in Ausnahmefällen auch Geothermie.
Damit kommen wir zur nächsten Frage: Wer sind die Energieverbraucher? Sie lassen sich in drei große Gruppen gliedern, nämlich: die Haushalte, die Wirtschaft und der öffentliche Sektor wie Schulen, Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude und andere. Wir alle leben in Haushalten, seien es nun Single-, Zwei- oder Mehrpersonenhaushalte. Daher sind wir alle auf der Ebene der Haushalte mit der Frage konfrontiert, wie wir den Energiebedarf unseres Haushalts durch erneuerbare Energiequellen decken können. Diese Frage stellt sich für Frauen zumindest ebenso häufig wie für Männer und ist daher ein Thema, das Frauen wie Männer gleichermaßen betrifft. Die wesentlichen Tätigkeiten, die den Energiebedarf eines Haushalts bestimmen, sind im folgenden Kasten dargestellt:
Der Energiebedarf der Haushalte umfasst:
•Wärme für Warmwasser, Kochen, Heizen;
•Energie für Mobilität: Fahren und Fliegen;
•Elektrizität für Beleuchtung, Haushaltsgeräte, Klimaanlagen, Kommunikation, aber auch für Wärme und Mobilität.
Die Ernährung ist ein eigenes Thema, auf das wir in einem der folgenden Kapitel kurz eingehen werden.
Auf die Wärmebereitstellung entfällt ein beachtlicher Teil des Energieverbrauchs eines Haushalts. In vielen Haushalten wird dieser Wärmebedarf heute durch Gas- oder Ölheizungen, also fossile Energieträger, gedeckt. Welche Möglichkeiten zum Umstieg auf erneuerbare Energien bestehen? Vier Technologien kommen in Betracht: die Biomasse, die Umgebungswärme in Verbindung mit der Wärmepumpe, die Fernwärme und die Solarthermie.
Die Biomasse für die Wärmeversorgung wird in Form von Holz in verschiedenen Formen angeboten, als Brennholz, als Hackgut und als Pellets. Brennholz ist die klassische Form der Biomassenutzung, verbunden mit viel Handarbeit. Brennholz wird heute nach wie vor in ländlichen Gebieten und für ergänzende Heizsysteme wie Kachelöfen eingesetzt.
Als Hackgut wird Holz bezeichnet, das maschinell zu zwei bis fünf Zentimeter langen Stücken zerkleinert wird. Dadurch bietet sich die Möglichkeit der automatischen Zuführung zu einem Heizsystem an. Das führt zu einer großen Ersparnis an Arbeitszeit. Hackgut wird als Schüttgut gelagert und hat je Kubikmeter eine relativ geringe Energiedichte, man braucht daher große Lagerräume. Daher kommt Hackgut vor allem für Haushalte auf landwirtschaftlichen Betrieben in Betracht sowie für große Wärmeverbraucher aus der Wirtschaft und für Fernheizwerke.
Pellets sind kleine, zylinderförmige, hochkomprimierte Holzstücke mit hoher Energiedichte, die vor allem für Haushalte infrage kommen, die bisher mit Öl, teilweise mit Gas geheizt haben. Als Faustregel gilt, dass zwei Tonnen Pellets die gleiche Energiemenge enthalten wie tausend Liter Öl und drei Kubikmeter Lagerraum benötigen. Der Bedienungskomfort von Pelletheizungen entspricht jenem von Ölheizungen.
Mit einer Wärmepumpe ist es möglich, die in der Umgebung, sei es in der Luft, im Wasser oder in der Erde, vorhandene Energie für Heizzwecke zu nutzen. Damit greift die Wärmepumpe auf ein beinahe unerschöpfliches Energiereservoir zurück, das sich von der Sonne (Energie in der Luft und im Wasser) oder aus dem Erdinneren ableitet. Wärme aus den Tiefen der Erde – Geothermie – ist die einzige erneuerbare Energieform, die sich nicht direkt von der Sonne ableitet. Sie hat in Europa allerdings nur eine geringe Bedeutung.
Die Temperatur in der Umgebung ist häufig zu gering, um direkt zum Heizen verwendet zu werden. Daher wird mechanische Energie in der Form von Strom eingesetzt, um das Temperaturniveau der Umgebung so anzuheben, dass mit dem auf diese Weise erwärmten Wasser auch geheizt werden kann. Das ist die Funktion der Wärmepumpe. Um die Effizienz der Wärmepumpe zu erhöhen und damit Strom zu sparen, wird die Wassertemperatur für die Heizung (das ist die Vorlauftemperatur) in der Regel auf ein geringeres Niveau angehoben, als dies bei Öl- oder Gasheizungen der Fall ist. Wegen dieser geringeren Vorlauftemperaturen sind gut isolierte Häuser mit großen Radiatoren oder Bodenheizungssystemen für den Einsatz von Wärmepumpen besonders gut geeignet.
Heutzutage werden aus Kostengründen hauptsächlich Luft-Wasser-Wärmepumpen installiert, die der Umgebungsluft Wärme entziehen. Sie haben den Nachteil, dass bei Außentemperaturen unter null Grad der Strombedarf stark steigt, sodass dann die Wärmepumpe de facto wie eine Stromheizung wirkt. Wärmepumpen bieten sich vor allem im städtischen Bereich zum Ersatz von Gasheizungen an und für neue Häuser mit einem besonders geringen Energiebedarf. Die Zunahme der Wärmepumpen stellt für die Elektrizitätswirtschaft eine besondere Herausforderung dar, weil sie zu einem Anstieg des Stromverbrauchs im Winter führt.
Wärme aus erneuerbaren Quellen für Haushalte:
•Biomasse als Brennholz, Hackgut, Pellets;
•Umgebungswärme genutzt mit der Wärmepumpe und Strom;
•Fernwärme;
•Solarthermie;
•Strom, direkt, in Ausnahmefällen, wenn er im Winter aus erneuerbaren Quellen angeboten wird.
Unter allen Heizungsformen hat mittlerweile die Fernwärme für Haushalte die größte Bedeutung. Sie wird praktisch überall weiter ausgebaut und hat sowohl in den urbanen Ballungsräumen, aber auch in ländlichen Siedlungen eine weiterwachsende Bedeutung. Fernwärme sollte von allen Haushalten genutzt werden, die bisher noch mit fossilen Energieträgern heizen und denen die Möglichkeit zu einem Fernwärmeanschluss angeboten wird.
Die Fernwärme wird häufig aus fossilen Energieträgern erzeugt. Die Umstellung auf erneuerbare Quellen sollte rasch erfolgen, sie fällt nicht in das Aufgabengebiet der Haushalte, sondern in das der Gemeinden und Energieunternehmen.
In Solarthermieanlagen wird die Sonneneinstrahlung direkt in Warmwasser gespeichert. Sie bieten in unseren Breiten die Möglichkeit, etwa von März bis Oktober den Bedarf an Warmwasser und Raumwärme eines Haushalts weitgehend mit der Sonne direkt zu decken. In den Wintermonaten ist ihr Beitrag allerdings gering. Ihre Installation bietet sich weniger für individuelle Haushalte, sondern für größere Wärmeverbraucher wie Fernwärmeerzeuger oder gewerbliche Betriebe an. In Haushalten wird heute vielfach statt der Solarthermie auf die Stromerzeugung durch Fotovoltaik zur Warmwasserbereitstellung zurückgegriffen.
In vielen Haushalten ist der Energiebedarf zur Deckung der Wünsche nach Mobilität größer als jener für das Heizen. Dieser Bedarf wird im Falle der individuellen Mobilität auf der Straße zu mehr als neunzig Prozent mit fossilen Energieträgern wie Diesel oder Benzin gedeckt und zu praktisch hundert Prozent beim Fliegen, da Biotreibstoffe und Strom weniger als zehn Prozent des Energiebedarfs der PKW decken und Flugzeuge, abgesehen von einigen Versuchsprojekten, generell fossile Treibstoffe einsetzen.
Der Umstieg auf das Gehen, das Fahrradfahren und die öffentlichen Verkehrsmittel ist die einfachste Form, um in der Mobilität auf erneuerbare Energien zu setzen. Doch diese Alternativen zum Auto sind für viele Menschen aus zahlreichen Gründen nicht reizvoll oder ausreichend, und ein allgemeiner Verzicht auf das Auto als Inbegriff der individuellen Mobilität ist unrealistisch. Für die Mobilität auf der Straße gibt es mittlerweile eine erprobte Alternative: Autos mit Elektroantrieb und Batterie, sogenannte E-Autos. Ihre Zahl nimmt in den europäischen Ländern rasch zu, teilweise mit jährlichen Wachstumsraten von über fünfzig Prozent.
Oft ist in den Medien auch von Wasserstoff-Antrieben oder synthetischen Treibstoffen zu lesen. Warum diese Antriebsarten keine attraktiven Alternativen für die individuelle Mobilität darstellen, wird in Kapitel fünf ausführlich erklärt.
Ganz anders ist die Situation im Luftverkehr. Solange die Fluglinien nicht auf erneuerbare Treibstoffe umstellen, können Einzelne nur durch den Verzicht auf das Fliegen die Verwendung fossiler Energieträger reduzieren. Die Alternativen für die Fluggesellschaften sind Bio- oder synthetische Treibstoffe. Sie sind momentan nur begrenzt verfügbar, und das zu wesentlich höheren Kosten als bei fossilen Treibstoffen.
Neben der Wärme und der Mobilität ist die Nutzung der Elektrizität für Beleuchtung, Kommunikation, Radio, Fernsehen und Computer und für die Vielzahl der Haushaltsgeräte mit Elektromotoren eine wichtige Form der Energieanwendung. Im Schnitt werden in Österreich 75 Prozent der Elektrizität aus erneuerbaren Quellen erzeugt, im Sommer sind es fast hundert Prozent, im Winter dagegen nur etwa fünfzig Prozent.
Ein Haushalt hat zwei Möglichkeiten, in der Stromversorgung zur Gänze auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen. Er kann zu einem Ökostromanbieter wechseln, der ihm garantiert, nur Strom aus erneuerbaren Quellen zu liefern, oder er kann selbst mithilfe eines Fotovoltaiksystems in die Stromerzeugung einsteigen.
Strom aus erneuerbaren Quellen für Haushalte:
•vom Ökostromanbieter,
•von der eigenen Fotovoltaikanlage.
Bei Fotovoltaikanlagen wandeln Solarmodule einfallendes Sonnenlicht in elektrische Energie um. Die Größe einer Fotovoltaikanlage wird in Kilowatt peak, abgekürzt kWp, angegeben. Ein Kilowatt peak liefert im Schnitt tausend Kilowattstunden (kWh) Strom im Jahr. Die Fläche an Modulen, die dazu installiert werden müssen, beträgt im Durchschnitt sechs Quadratmeter. Wenn in einem Haushalt je Person drei Kilowatt peak installiert werden, so wird im Schnitt ausreichend Elektrizität für den Eigenverbrauch eines Jahres erzeugt. Allerdings erfolgt die Erzeugung nicht bedarfsangepasst. Wenn es finster wird, liefert die Anlage keinen Strom, und auch im Winter, wenn der Strombedarf steigt, liefert die Anlage viel weniger Strom als im Sommer. Dies kann man teilweise durch die Kombination der Fotovoltaikanlage mit einem stationären Energiespeicher ausgleichen.
Fotovoltaik: Vierpersonenhaushalt mit E-Autos
12 Kilowatt peak
ca. 70 m² Modulfläche
ca. 12.000 Kilowattstunden Jahresproduktion
8 Kilowattstunden Stromspeicher
Wenn der Speicher im Haushalt so dimensioniert wird, dass er zwei Kilowattstunden pro Person speichert, so kann genügend Strom vom Tag für den Bedarf in der darauffolgenden Nacht gespeichert werden. Eine Speicherung vom Sommer für den Winter, also von Hunderten Kilowattstunden, ist allerdings mit bestehenden Systemen nicht möglich. Deswegen wird auch ein Haushalt mit einer eigenen, großzügig dimensionierten Fotovoltaikanlage mit Stromspeicher weiter eine Verbindung zum Stromnetz brauchen, um einerseits Überschussstrom zu verkaufen und andererseits Strom aus dem Netz zuzukaufen, wenn die eigene Produktion nicht reicht.
Familie Müller bewohnt mit vier Personen ein Einfamilienhaus mit traditioneller Energieversorgung: Das Haus wird mit Heizöl beheizt, Strom wird neben dem Kochen auch für die Warmwasserbereitung verwendet und kommt zu 75 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Familie Müller geht es gut. Das Haus verfügt über zwei Fernseher, diverse Haushaltsgeräte, zwei Laptops, Smartphones etc. Das doppelt berufstätige Ehepaar benötigt zwei PKW, die Diesel als Treibstoff nutzen. Die Familie reist einmal jährlich mit dem Flugzeug auf Urlaub.
Wenn man eine Bilanz über den jährlichen Energieverbrauch der Familie Müller zieht, so kommt man zu folgendem Ergebnis: Für die Heizung werden 3000 Liter Heizöl benötigt, die Autos verbrauchen 2000 Liter Diesel, der Stromverbrauch liegt bei 6400 Kilowattstunden, und dann fallen anteilsmäßig noch 780 Liter Kerosin durch das Fliegen an. Um die Daten einfacher zu vergleichen, werden diese Mengenangaben in Kilowattstunden Energie umgerechnet. Das Ergebnis: Die Familie verbraucht im Jahr 64.000 Kilowattstunden Energie, 91 Prozent der benötigten Energie ist fossilen Ursprungs, das ergibt CO2-Emissionen von 15,3 Tonnen.1 Die Ausgaben zur Deckung dieses Energieverbrauches beliefen sich 2021 auf 7400 Euro.
Jetzt stellen wir uns vor, Familie Müller entschließt sich, den Energieverbrauch ihres Haushalts auf erneuerbare Energieträger umzustellen. Der erste Schritt in diese Richtung ist die Einsparung von Energie durch eine bessere Isolierung des Hauses, außerdem der Verzicht auf gewisse Autofahrten durch Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad. Durch diese Maßnahmen lässt sich der Wärmeverbrauch um angenommene 6000 Kilowattstunden, also um zwanzig Prozent, reduzieren. Die Autofahrten werden durch kleine Änderungen im Lebensstil um zehn Prozent reduziert. Die nächsten Schritte beziehen sich auf die Wärmebereitstellung und die Mobilität: Die Ölheizung wird durch eine Pelletheizung ersetzt, anstatt der Diesel-PKW werden zwei E-Autos mit Batteriebetrieb angeschafft.
Die Versorgung mit Strom nimmt Familie Müller weitgehend selbst in die Hand durch Installation einer Fotovoltaikanlage mit zwölf Kilowatt peak und einem Stromspeicher von acht Kilowattstunden. Auf Urlaubsflüge wird für einige Jahre verzichtet, bis die ersten Fluggesellschaften Flüge mit erneuerbaren Treibstoffen anbieten.
Wie schaut nach dieser Umstellung der Energieverbrauch der Familie Müller aus? Darüber informiert Übersicht 1.
Übersicht 1:
Beispiel: Vierpersonenhaushalt, Einfamilienhaus, zwei Autos Energieverbrauch nach Umstellung auf erneuerbare Energien Energieausgaben: 1400 Euro jährlich
Quelle: eigene Berechnung
Das Ergebnis ist doch überraschend: Der Energieverbrauch der Familie Müller sinkt fast um die Hälfte, von 64.000 vorher auf 35.400 Kilowattstunden, obwohl die Familie die Autofahrten nur um zehn Prozent reduziert und auf einen gemeinsamen Ferienflug pro Jahr verzichtet.
Dieser starke Rückgang hat mehrere Gründe: Zunächst ist entscheidend, dass der Wärmebedarf durch die bessere Isolierung um zwanzig Prozent zurückgeht. Noch wichtiger ist der Umstieg auf die E-Mobilität. Durch den besseren Wirkungsgrad der E-Motoren und zehn Prozent weniger Fahrleistung geht der Energieverbrauch für die Mobilität um über siebzig Prozent zurück. Auch die Einsparungen durch den Wegfall des Fliegens wirken sich stark aus. Dazu kommt, dass die Fotovoltaikanlage das Jahr über etwas mehr Strom liefert, als trotz E-Autos verbraucht wird. Dieser überschüssige Strom kann verkauft werden. Das bedeutet, dass Familie Müller nach dieser Umstellung folgende Vorteile für sich verbuchen kann:
1.Sie verwendet nur mehr erneuerbare Energieträger und verursacht durch ihren Haushalt keine direkten CO2-Emissionen. Das Haus ist klimaneutral – der wichtigste Aspekt!
2.Etwa ein Drittel der benötigten Energie wird durch die Fotovoltaikanlage selbst erzeugt.
3.Statt 64.000 Kilowattstunden Energie kauft Familie Müller nur mehr 24.000 Kilowattstunden Energie in Form von fünf Tonnen Pellets zu, und diese stammen von einem regionalen Pelletwerk.
4.Familie Müller benötigt daher für ihr Haus keine importierten Energieträger und ist damit unabhängig von den globalen Märkten für fossile Energien.
5.Die Energieausgaben zu Preisen aus dem Jahr 2021 waren vor der Umstellung in der Größe von etwa 7400 Euro und nach der Umstellung in der Höhe von 1400 Euro, dabei ist der Ankauf der Pellets berücksichtigt und die Tatsache, dass der Stromverkauf im Sommer weniger bringt, als der erwartete Stromzukauf im Winter kostet.
Die Umstellung auf erneuerbare Energien bringt Familie Müller daher nicht nur den Wegfall der klimaschädlichen Emissionen, sondern auch sensationelle Einsparungen an jährlichen Energiekosten in Höhe von etwa 6000 Euro oder achtzig Prozent. Doch diese Einsparungen sind nur möglich, wenn kräftig investiert wird.
Werfen wir einen Blick auf die notwendigen Investitionen und gehen wir dazu von der Annahme aus, dass die vorhandenen Diesel-Autos und die Ölheizung aus Altersgründen ohnehin zu erneuern sind und Familie Müller daher vor der Entscheidung steht, in traditionelle oder in erneuerbare Energiesysteme zu investieren.
Die Umstellung einer Ölheizung auf eine Pelletheizung kostet im Schnitt mit allem Zubehör etwa 26.000 Euro – mit großer Schwankungsbreite je nach individueller Situation, die Förderung erreicht im Schnitt 12.000 Euro, andererseits kostet ein moderner Ölbrenner 5000 Euro. So kostet dieser Umstieg daher nach Abzug der Förderung zusätzlich 9000 Euro.
Teurer ist der Umstieg auf E-Mobilität. Geht man davon aus, dass ein Mittelklassewagen auf Benzinbasis 24.000 Euro kostet und ein E-Auto 40.000 Euro, so betragen auch bei einer Förderung von 5000 Euro die Mehrkosten pro Auto immer noch 9000 Euro, bei zwei Autos wären das 18.000 Euro.
Bei einer Fotovoltaikanlage kann man 2021 mit Investitionskosten von 1300 Euro je Kilowatt peak rechnen und mit 900 Euro je Kilowattstunde Energiespeicher, macht in Summe 22.800 Euro. Die Förderung für Speicher und Fotovoltaikanlage liegt in der Höhe von 5000 Euro, sodass für die Fotovoltaikanlage mit dem Stromspeicher nach Abzug der Förderung Ausgaben von 17.800 Euro verbleiben. Das sind Durchschnittsangaben, die in der Praxis deutlich variieren. Vor allem die Speicher dürften in Zukunft wesentlich billiger werden. Die zusätzlichen Investitionsausgaben für den gänzlichen Umstieg auf erneuerbare Energien sind daher in diesem Beispiel 44.800 Euro.
Zusätzliche Ausgaben für die Umstellung auf erneuerbare Energien
Wärme
9000 Euro
Mobilität:
18.000 Euro
Strom:
17.800 Euro
Summe:
44.800 Euro
So zeigt das Beispiel, dass die Umstellung auf erneuerbare Energien für den Haushalt große Investitionen erfordert, die trotz der Förderung in vielen Fällen nur schrittweise über mehrere Jahre durchgeführt werden können. Die Ausgaben könnten deutlich verringert werden, wenn auf ein zweites E-Auto verzichtet wird. Andererseits stehen diesen Mehrausgaben jährliche Einsparungen an Energiekosten von 6000 Euro gegenüber, sodass diese Mehrausgaben für die Investitionen innerhalb einer Periode von acht Jahren durch die Einsparungen kompensiert werden.
Ganz anders sieht die Situation für einen Einpersonenhaushalt in einem Mehrparteienhaus mit Gasheizung in einer Stadt aus, ohne Möglichkeit zum Fernwärmeanschluss. Hier bieten sich ein Ersatz der Gasheizung durch eine Wärmepumpe an und, wenn die Ausrichtung des Daches stimmt, eine eigene PV-Anlage. Das erfordert Entscheidungen einer Mehrheit der Hausbesitzer, die Investitionskosten sind verhältnismäßig gering und liegen bei einer Heizleistung der Wärmepumpe von fünf Kilowatt bei 6000 bis 8000 Euro.
So weit die Darstellung der erneuerbaren Energien aus der Sicht eines Haushalts. Doch die Haushalte sind nur ein Teil der Energieverbraucher, der größere Teil des Energieverbrauchs entfällt auf die Wirtschaft einschließlich Güterproduktion, Energiebereitstellung und Warenverkehr sowie auf die öffentlichen Einrichtungen. Die Energiequellen, die für die Umstellung dieser Energieverbraucher in Betracht kommen, bleiben dieselben: Strom aus Wasserkraft, Wind, Fotovoltaik sowie Biomasse und Biogas für die Bereitstellung von Strom, Wärme und Treibstoffen. Die Technologien, die zum Einsatz kommen, unterscheiden sich allerdings teilweise deutlich von jenen für die Haushalte, darauf wird in den weiteren Kapiteln näher eingegangen.
Bei der Umstellung auf erneuerbare Energiequellen gibt es von den traditionellen fossilen Energieunternehmen immer wieder den Versuch, die bestehenden Strukturen zu schützen und fossile Primärenergieträger wie Öl und Erdgas einfach durch sekundäre, erneuerbare Energieträger wie Wasserstoff, erneuerbare Gase oder synthetische Treibstoffe zu ersetzen. Doch diese Strategie führt zu ineffizienten Lösungen, die teuer kommen und den Bedarf an erneuerbaren Energiequellen wie Strom aus Wind und Fotovoltaik unnötig hinauftreiben. Das neue Energiesystem wird dezentral, bürgernah und hocheffizient sein. Es erfordert eine Energieversorgung durch erneuerbaren Strom und Biomasse unter Verzicht auf einen Teil der traditionellen Energiestrukturen.
So weit eine kurze Einführung zu den Themen dieses Buches. Diese kurzen Hinweise zeigen schon, dass es bei der Umstellung auf erneuerbare Energien um gewaltige Veränderungen und Interessengegensätze geht – und um große Investitionen. Denn schließlich sollte das Beispiel der Familie Müller in zehn Jahren der Standard für die über eine Million Wohnhäuser in Österreich sein. Das wird nur gelingen, wenn es für diese Umstellung eine großzügige öffentliche Förderung gibt. Dazu kommt, dass die Gewinnung erneuerbaren Stroms unweigerlich auch das Landschaftsbild verändert. Diese Veränderungen sind abzuwägen gegenüber den Umbrüchen, die eine Erderwärmung auf 3, 4 oder 5 °C mit sich brächte. Dieser Umbau soll schnell erfolgen und umfassend sein, da leider schon viel Zeit ungenützt verstrichen ist. Andererseits ist er nur möglich mit der breiten Zustimmung der Bevölkerung. Information, Bewusstseinsbildung, Diskussion sind daher ganz entscheidend, um die Umstellung auf erneuerbare Energien rechtzeitig zu schaffen. Dazu wollen die folgenden Kapitel einen Beitrag leisten.
Fakten aus der Naturwissenschaft; der Energiefluss von der Sonne; die Bedeutung der Treibhausgase; der natürliche Kohlenstoffkreislauf; die Fotosynthese; der gestörte Kohlenstoffkreislauf; klimaneutrale Biomasse; die Bedeutung der Kipppunkte; das Kohlenstoffbudget; die physikalische Evidenz des Klimawandels: einige Schlussfolgerungen.
In der aktuellen Klima- und Energiedebatte geht es vor allem um den Umstieg auf erneuerbare Energieträger und die drohende, weitere Erwärmung. Diese steht im engen Zusammenhang mit dem CO2-Gehalt in der Atmosphäre.1 Warum ist das so? Wie lässt sich der enge Zusammenhang zwischen der CO2-Konzentration, dem aktuellen Energiesystem und der Erdtemperatur erklären? Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus der überragenden Bedeutung der Sonne für das Klimageschehen auf der Erde und aus der Bedeutung der Atmosphäre für den Energiehaushalt unseres Planeten.
Die Oberflächentemperatur auf der Sonne beträgt 6000 °C dank der dort ablaufenden Wasserstofffusion. Als Folge dieser hohen Oberflächentemperatur strahlt die Sonne pausenlos eine riesige Menge an Energie als elektromagnetische Strahlung in das Weltall, die sich bei Auftreffen auf feste Körper in Wärme umwandelt. Ein kleiner Bruchteil dieser Energiemenge fällt auf die Erde. An der äußeren Atmosphärenhülle wird ein Energiestrom von 1,36 Kilowatt je Quadratmeter gemessen. Legt man diesen Energiestrom auf die Erde insgesamt um, so errechnet sich eine Sonneneinstrahlung von 173.000 Terawatt.2 Im Vergleich dazu betrug 2019 der kommerziell erfasste globale Energieverbrauch 18,3 Terawatt.3 Demnach strahlt die Sonne fast 10.000-mal so viel Energie auf die Erde ein, als die Menschheit an Energie verbraucht – eine unvorstellbare Menge.
Die Sonne: Energiespender im Überfluss
10.000-mal so viel Energie wie der aktuelle Energieverbrauch!
Allein bezogen auf Deutschland beträgt die Sonneneinstrahlung annähernd vierzig Terawatt und ist damit etwa hundertmal so groß wie der Energieverbrauch, auf Österreich bezogen beträgt diese Einstrahlung 11,4 Terawatt, etwa 250-mal so viel wie der Energieverbrauch des Landes.
Wenn diese von der Sonne kommende Energiemenge auf der Erde verbliebe, würde es unerträglich heiß. Nur wenn der Rückfluss an Energie von der Erde in das Weltall gleich groß ist wie der Zufluss an Sonnenenergie, kann es auf Dauer stabile Temperaturen geben. Dieser Rückfluss an Wärmeenergie in das All hängt von der Zusammensetzung der Atmosphäre ab.
Fällt dieser Energiestrom der Sonne auf einen Himmelskörper ohne Atmosphäre, so kommt es zu extremen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht. Das kann man auf dem Mond beobachten, auf dem es keine echte Atmosphäre gibt. Auf der sonnenbeschienenen Seite erreichen die Temperaturen eine Hitze von 130 °C, während auf der Seite, die im Sonnenschatten liegt, die Abkühlung minus 160 °C beträgt.4 Die Durchschnittstemperatur des Mondes liegt bei minus 55 °C. Ein anderes Beispiel für die Bedeutung der Atmosphäre ist unser Nachbarplanet, die Venus, die wir oft als Morgen- oder Abendstern bewundern können. Ihre Atmosphäre besteht zu über neunzig Prozent aus CO2 und demonstriert, wie wirksam dieses Gas die Sonnenenergie speichern kann, denn die Oberflächentemperaturen auf der Venus erreichen Werte von bis zu 460 °C.5
Ganz anders die Situation auf unserer Mutter Erde. Die auf der Erde im Vergleich zum Mond viel höhere Durchschnittstemperatur verdanken wir der Erdatmosphäre. Diese besteht zu 99,93 Prozent aus drei Gasen: 78,1 Prozent Stickstoff, 20,9 Prozent Sauerstoff und 0,93 Prozent Argon. Die Spurengase wie Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), Lachgas (N2O) und geringe Mengen anderer Gase und Aerosole machen nur 0,07 Prozent aus, haben aber für die Entwicklung der Temperatur auf der Erde eine außerordentliche Bedeutung. Die Hauptbestandteile der Atmosphäre – Stickstoff, Sauerstoff, Argon – lassen die Sonnenstrahlen ebenso ungehindert auf die Erde einfallen, wie die Wärmestrahlen wieder in das Weltall zurückfließen. Ganz anders die Funktion der Spurengase. Sie lassen die Sonnenstrahlen auch auf die Erde durch, absorbieren aber einen Teil der rückfließenden terrestrischen Infrarotstrahlung. Sie sind daher entscheidend für die Regelung der Erdtemperatur und dafür verantwortlich, dass in den letzten Jahrtausenden die Durchschnittstemperatur der Erde um einen Mittelwert von 15 °C schwankte. Ohne Spurengase wäre es um 33 °C kälter, also minus 18 °C gewesen. Diese Gase wirken wie die Glasscheiben in einem Gewächshaus und werden deswegen auch Treibhausgase genannt. Sie bedingen den natürlichen Treibhauseffekt.
Zu den natürlichen Treibhausgasen (THG) zählt neben den erwähnten Spurengasen auch der Wasserdampf. Der Wasserdampf übt eine große Treibhauswirkung aus. Er lässt sich nicht direkt von menschlichen Aktivitäten beeinflussen, sondern entwickelt sich in Relation zur Erdtemperatur.
Unter den Treibhausgasen kommt dem CO2 eine Schlüsselrolle zu. Aus den Klimaberichten geht hervor, dass zum Beispiel in Österreich 85,1 Prozent der Treibhauswirkung aller Spurengase auf CO2 entfällt, gerechnet ohne Wasserdampf.6 Wegen seiner dominierenden Rolle wird die Wirkung der übrigen Treibhausgase in äquivalenten Mengen von CO2 ausgedrückt und von CO2-Äquivalenten gesprochen. Diese Zusammenhänge machen verständlich, warum dem Kohlendioxid in der Klimadiskussion eine so große Bedeutung zugemessen wird. Die wichtigste Ursache für den Anstieg der CO2-Werte in der Atmosphäre liegt in der Verbrennung fossiler Energieträger; dazu kommen noch CO2-Freisetzungen durch Änderung der Landnutzung wie Waldrodung oder Humusabbau in Ackerböden.
Die Wirkung der Treibhausgase6
CO2 85,1 Prozent
Methan 7,8 Prozent
Lachgas 4,3 Prozent
FCKW 2,8 Prozent
Summe 100,0 Prozent
An zweiter Stelle unter den Treibhausgasen rangiert das Methan mit einem Anteil von 7,8 Prozent an der Treibhauswirkung. Die Menge an Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) in der Atmosphäre ist von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung der Erdtemperatur. Sie wird für das CO2 in der Einheit parts per million (ppm) und für das Methan in der Einheit pars per billion (ppb) angegeben. Die ältesten Messungen des CO2-Gehalts stammen vom Mauna Loa Observatorium in Hawaii. Sie zeigen für CO2 einen permanenten Anstieg, der sich in den letzten Jahrzehnten noch beschleunigt hat.7 In hundert Jahren, von 1900 bis 2000, ist die Konzentration um 73 ppm, also um 0,7 ppm pro Jahr gestiegen; in den letzten zwanzig Jahren war dagegen der Anstieg 45 ppm, also 2,2 ppm pro Jahr, mehr als dreimal so schnell wie im letzten Jahrhundert.
Übersicht 2: Entwicklung der CO2- und CH4-Anteile in der Atmosphäre, Jahresdurchschnittswerte gerundet, Mauna Loa8, 9
CO2 ppm
CH4 ppb
Holozän vor Industrialisierung
280
730
1900
296
1960
318
1980
338
1600
1990
355
1714
2000
369
1782
2010
389
1806
2015
400
1829
2020
414
1892
Quelle: Wert für 1900 nach climate data check.
Der Methangehalt erhöhte sich seit dem Beginn der Industrialisierung um mehr als das Doppelte von 730 ppb auf 1892 ppb im Jahre 2020.7 Methan stammt aus natürlichen Quellen wie Feuchtgebieten und Seen sowie aus der Energiegewinnung (Erdgasförderung und Verteilung), der Viehzucht, den Deponien und dem Reisanbau.
Erdgas besteht überwiegend aus Methan, der Methan-Anteil liegt je nach Herkunft bei 80 bis 99 Prozent. Erdgas hat zwar je Energieeinheit geringere Emissionen als Erdöl, aber man darf nicht übersehen, dass bei der Gewinnung von Erdgas und beim Transport immer wieder Verluste entstehen und Methan, weitgehend unbemerkt, in die Atmosphäre entweicht. Es ist nicht überraschend, dass seit dem weltweit verstärkten Einsatz von Erdgas auch der Methan-Gehalt der Luft deutlich zunimmt. Da ein Molekül Methan mehr als zwanzigmal so viel Wärme absorbiert wie ein Molekül Kohlendioxid, ist diese Methan-Anreicherung in der Luft besonders klimaschädlich. So gesehen bietet Erdgas im Vergleich zu Erdöl für den Klimaschutz kaum Vorteile.8, 9
Lachgas (N2O) trägt mit 4,3 Prozent zur Treibhauswirkung bei. Es ist ein besonders wirksames Treibhausgas und entsteht in der chemischen Industrie und in der Landwirtschaft durch biologische Abbauvorgänge sowie bei der Düngung mit Stickstoff.
Die Fluorchlorkohlenwasserstoffe werden vor allem als Kühlmittel eingesetzt, sie tragen in Österreich 2,8 Prozent zur Treibhauswirkung bei.
Durch den Anstieg der Treibhausgase verändert sich der Energiehaushalt der Atmosphäre. Die Temperatur steigt so lange, bis sich ein neues Gleichgewicht zwischen Sonneneinstrahlung und Wärmeabstrahlung einspielt.
Wovon hängt die Temperatur auf unserer Erde ab?
•von der eingestrahlten Menge an Sonnenenergie
•von der Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre
Angesichts der riesigen Energiemenge, die von der Sonne laufend auf die Erde strömt, führen schon geringfügige Änderungen in der Menge der Treibhausgase zu gravierenden Veränderungen des Energiehaushalts auf unserem Planeten. Dies betrifft die Temperatur der Atmosphäre, der Landoberfläche und vor allem der Ozeane. Es wurde errechnet, dass durch den Anstieg der Treibhausgase im Zeitraum von 1971 bis 2010 auf der Erde eine zusätzliche Energiemenge gespeichert wurde, die 500-mal so groß ist wie der jährliche Energieverbrauch. Von dieser Energiemenge wurden 93 Prozent in den Ozeanen gespeichert, drei Prozent im Festland, drei Prozent dienten dem Schmelzen der Gletscher, und nur ein Prozent führte zur Erwärmung der Atmosphäre. Die Ozeane sind riesige, sehr träge Energiespeicher, ihre Erwärmung vollzieht sich langsam, wird aber über Jahrhunderte weiterwirken.10
Damit liegt die Antwort auf die eingangs gestellt Frage auf dem Tisch: Die Menge an CO2 und den anderen Treibhausgasen in der Luft ist entscheidend für das Temperaturniveau, weil diese Treibhausgase den Energiefluss Sonne – Erde – All steuern.
In den letzten 10.000 Jahren bis zum Beginn der Industrialisierung war der CO2-Gehalt der Atmosphäre ziemlich konstant. Und dies, obwohl sich die CO2-Moleküle in einem ständigen Kreislauf zwischen den Kohlenstoffspeichern der Erde bewegen. Diese Kohlenstoffspeicher, gereiht nach der Menge an Kohlenstoff, die sie enthalten, sind:
die Lithosphäre (Gesteine wie Karbonat, Dolomit),
die Hydrosphäre (Gewässer),
die Pedosphäre (Boden, Humus, Torf),
die Atmosphäre und
die Biosphäre (Vegetation, lebende und abgestorbene Flora, die Fauna).
C-Depot
Menge in Gt
Ozeane, anorganischer Kohlenstoff
38.000
Ozeane, gelöster organischer Kohlenstoff
750
Böden
1500–2400
fossile Lagerstätten
1005–1940
Atmosphäre
860
Vegetation
450–650
Relativ große Kohlenstoffmengen sind in den Böden in Form von Humus und in den fossilen Lagerstätten als Kohle, Öl und Gas gespeichert. Die Kohlenstoffmengen in der Atmosphäre und in der Vegetation sind dagegen deutlich geringer.
Doch neben der Größe der Depots ist die Intensität der Flüsse zwischen den Speichern von großer Bedeutung. Diese natürlichen Kohlenstoffflüsse in Form von CO2 sind besonders intensiv zwischen der Vegetation, den Ozeanen und der Atmosphäre. Langjährige Beobachtungen zeigen, dass die Vegetation jährlich etwa 120 Gigatonnen Kohlenstoff, das entspricht 440 Milliarden Tonnen CO2, der Atmosphäre durch die Fotosynthese entzieht und eine ebenso große Menge durch die Pflanzenatmung und Verrottung der Biomasse wieder an die Atmosphäre zurückfließt. Zwischen den Speichern Biosphäre, Atmosphäre und auch den Ozeanen bewegt sich das CO2-Molekül in einem relativ raschen Kreislauf.12 Die CO2-Flüsse zwischen der Lithosphäre und den übrigen Depots sind dagegen sehr träge und ohne Relevanz für die aktuelle Klimaproblematik.
Im Mittelpunkt des aktuellen Kreislaufes stehen die grünen Pflanzen und die Algen. Mittels der Fotosynthese holen sich die Pflanzen den Kohlenstoff in Form von CO2 für den Aufbau der Pflanzenmasse aus der Atmosphäre und die Algen aus den oberen, von Sonnenlicht durchfluteten Schichten der Wasserflächen.
Die Fotosynthese ist ein komplexer, biochemischer Prozess, durch den aus anorganischem Kohlenstoff und aus Wasserstoff energiereiche pflanzliche Substanzen mithilfe der Sonnenenergie aufgebaut werden. Dieser Prozess ist von zentraler Bedeutung für die Entwicklung des Lebens auf der Erde.13 Er läuft in einer Licht- und Dunkelreaktion ab. Zur Lichtreaktion zählt die Abspaltung eines Wasserstoffatoms vom Wassermolekül mithilfe der über das Chlorophyll aufgenommen Sonnenergie. Die Pflanze vollzieht damit die Wasserstoffwirtschaft im Kleinen. Diesen Teil der Fotosynthese nennt man Fotolyse. Im weiteren Verlauf wird das CO2 mithilfe des aus der Fotolyse gewonnenen Wasserstoffs zu Kohlenwasserstoffverbindungen reduziert. Diesen Teil der Reaktion nennt man auch Assimilation. Folgende Bruttogleichung gibt den Prozess wieder:
6 CO2 + 6 H2O + Licht > C6H12O6 + 6 O2
Die Gleichung verdeutlicht, dass die Fotosynthese zur Freisetzung großer Mengen von Sauerstoff führt. In anderen Worten: Ohne die Fotosynthese gäbe es keinen Sauerstoff auf der Erde. Auf anderen Planeten, die in vielfacher Hinsicht mit der Erde vergleichbar sind, hat es nie eine Fotosynthese gegeben. Ihre Atmosphäre enthält keinen Sauerstoff, auf diesen Planeten findet man kein wie immer geartetes Leben. Auf der Erde entwickelte sich die Fotosynthese vor drei oder vier Milliarden Jahren; dank der Fotosynthese kam es zur allmählichen Abkühlung der Erde, zur Verringerung des CO2-Anteils in der Atmosphäre und zur Anreicherung des Sauerstoffs.
Zusammenfassend lässt sich daher sagen: Die Blätter der Pflanzen fungieren wie Mini-Chemiefabriken, die CO2 aus der Luft absorbieren, in Kohlenstoff und Sauerstoff spalten, den Sauerstoff zurück an die Atmosphäre geben und das Kohlenstoffmolekül mit dem Wasserstoff, den sie aus der Hydrolyse von Wasser gewinnen, kombinieren. Alle diese Prozesse werden durch die Energie von der Sonne angetrieben. So entstehen alle Kohlenwasserstoffe, die wir zum Leben brauchen, wie Glukose, Stärke, Fette, Eiweißstoffe.
Übersicht 4: Grafik Fotosynthese
Die Leistungsfähigkeit der Fotosynthese ist so groß, dass die globale Vegetation in weniger als acht Jahren den gesamten Kohlenstoffvorrat der Atmosphäre absorbiert. Denn jährlich entnehmen die Pflanzen der Atmosphäre dank der Fotosynthese 120 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, die im Jahre 2021 insgesamt etwa 860 Milliarden Tonnen Kohlenstoff enthält.14
Doch der Kohlenstoff, den die Pflanzen der Luft entziehen, bleibt nicht in der gebildeten Biomasse gebunden. Der konträre Prozess zur Fotosynthese ist die Ökosystematmung oder allgemeiner die Oxydation, also Verbrennung. Dabei wird die in den organischen Verbindungen gespeicherte Energie durch Sauerstoffaufnahme und CO2-Abgabe freigesetzt. Die Pflanzen atmen, alle Lebewesen atmen und versorgen dadurch ihre Lebensvorgänge mit Energie, die in den Kohlenwasserstoffbindungen gespeichert ist. Abgestorbene Biomasse wird durch mikrobielle Prozesse zu Wasser und CO2 abgebaut, die dabei frei werdende Energie dient den Mikroorganismen zum Leben. Die Menge an CO2, die durch diese Oxidationsprozesse der Pflanzen und Tiere jährlich freigesetzt wird, entsprach bis vor 150 Jahren ziemlich genau jener Menge von 120 Milliarden Tonnen, die die Pflanzen jährlich der Luft durch die Fotosynthese entzogen haben.
Dieser natürliche Kohlenstoffkreislauf hat sich über Jahrmilliarden entwickelt und die gesamte Erdgeschichte entscheidend beeinflusst. Er hat wesentlich zum stabilen Klima in den letzten 10.000 Jahren, also im Holozän, beigetragen.
Durch die Nutzung von Kohle, Öl und Gas kommt zusätzlich CO2 in die Atmosphäre. Dadurch wird dieser natürliche Kreislauf gestört. Dies hat bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts wegen der geringen Mengen keine besondere Rolle gespielt. Doch das hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert. Zuletzt, 2019, wurden durch die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle zehn Milliarden Tonnen Kohlenstoff (das sind 36,6 Milliarden Tonnen Kohlendioxid) in die Atmosphäre geblasen, ein neuer Negativrekord.15 Diese Menge entspricht acht Prozent des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs. Die natürlichen Kohlenstoffsenken wie die Ozeane und die Vegetation nehmen einen Teil dieser zusätzlichen Mengen auf, die andere Hälfte verbleibt in der Atmosphäre, sodass letztlich der Kohlenstoffgehalt in der Atmosphäre jährlich um 5,1 Gigatonnen zunimmt.11
Übersicht 5: jährlicher Kohlenstoffkreislauf (vereinfacht)
In den letzten 150 Jahren ist somit die Menge des wichtigsten Spurengases um fast fünfzig Prozent gestiegen, damit hat sich die Treibhauswirkung der Atmosphäre entscheidend verstärkt.
Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die Sonne fast 10.000-mal so viel Energie auf die Erde einstrahlt, wie der Energieverbrauch der Menschheit ausmacht, so kann man ermessen, wie bedrohlich die weitere Verwendung fossiler Energieträger und die damit verbundenen CO2-Emissionen für das künftige Klima sind. Die Menschheit greift mit dem aktuellen Energiesystem auf massive Weise in einen lebensentscheidenden globalen Stoffkreislauf ein mit der Folge, dass sich der Energiezufluss und Rückfluss zwischen Sonne, Erde und Weltall verändern. Dieser Eingriff bedeutet, dass sich auf der Erde ein neues, höheres Temperaturniveau einpendeln wird. Die Temperatur wird so lange steigen, bis Energiezufluss und Rückfluss wieder im Gleichgewicht sind. Ob dieses neue Temperaturniveau um 1, 2 oder 5 °C höher sein wird als das bisherige, hängt vom Verhalten der Menschen in den kommen Jahren und Jahrzehnten ab.
Häufig wird das Pflanzen neuer Bäume, das Aufforsten großer Flächen als entscheidende Strategie gegen den Klimawandel empfohlen. Dies ist nicht unrichtig, aber das allein kann nicht die Lösung des Klimaproblems bringen, wie folgende Überlegung zeigt: Wird eine Forstpflanze gesetzt und vor Unkraut geschützt, so entwickelt sich aus der kleinen Pflanze im Laufe von Jahrzehnten ein großer Baum, der bei einer Holzmasse von drei Festmetern 600 Kilogramm Kohlenstoff speichert. In dieser Wachstumsphase nimmt die Pflanze immer größere Mengen an CO2 aus der Luft auf, da die Trockenmasse des Baumes zu fünfzig Prozent aus Kohlenstoff besteht. Ein solcher wachsender Baum ist eine wirksame Kohlenstoffsenke, weil laufend Kohlenstoff aus der Luft in die Pflanzenmasse eingelagert wird; so wie der Baum wächst, wächst auch seine Funktion als Kohlenstoffspeicher.
Wachsende Bäume: Kohlenstoffsenken und Kohlenstoffspeicher
Doch der Baum muss auch atmen, um seine Lebensvorgänge mit Energie zu versorgen. Ein Teil der eingelagerten Assimilate wird daher ständig verbraucht, in der Wachstumsphase allerdings nimmt der Baum viel mehr CO2 aus der Luft durch die Fotosynthese auf, als er durch die Atmung freisetzt; die Nettorate der C-Aufnahme ist äußerst positiv. Doch jeder Baum wird älter und verlangsamt sein Wachstum, was dazu führt, dass sich annähernd ein Gleichgewicht zwischen CO2-Aufnahme und CO2-Freisetzung einpendelt. Dann wirkt dieser Baum weniger als Kohlenstoffsenke, sondern überwiegend als Kohlenstoffspeicher.
Alte Bäume: mächtige Kohlenstoffspeicher, schwächere Kohlenstoffsenken!
Doch auch dieser Zustand ist nicht von Dauer. Früher oder später hört der Baum mit dem Wachsen auf und stirbt ab, fällt um und wird durch Bakterien, Pilze und andere Organismen zu CO2 und Wasser abgebaut. Damit wird der Baum zu einer Kohlenstoffquelle. Der urspürglich der Luft entzogene Kohlenstoff fließt wieder in die Atmosphäre zurück. Durch den Klimawandel kommt es zu Hitzeperioden, Wassermangel, verstärktem Schädlingsbefall. So wird der Stress für alte Bäume größer, und sie sterben früher ab.
Der Baum als
•Kohlenstoffsenke: Nettoaufnahme von CO2 aus der Luft;
•Kohlenstoffspeicher: Aufbewahren von Kohlenstoff in der Biomasse;
•Kohlenstoffquelle: Nettoabgabe von CO2 an die Luft.
Die gleichen Überlegungen kann man auch auf einen neu aufgeforsteten Wald übertragen. Der Ablauf ist derselbe, allerdings hört der Prozess mit dem Absterben eines Baumes nicht auf. So wie Bäume absterben, schaffen sie Platz für neue, junge Bäume, die wieder wachsen und als Kohlenstoffsenken wirken.
Dazu ein Zahlenbeispiel: Würden in einem Jahr in der Europäischen Union 16 Millionen Hektar Flächen neu aufgeforstet werden – das entspricht zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche –, so würden diese Wälder in zwanzig bis dreißig Jahren, wenn sie im vollen Wachstum sind, jährlich etwa 110 Millionen Tonnen CO2 binden. Im Jahr 2019 betrugen jedoch die Kohlendioxidemissionen der Union 3055 Millionen Tonnen CO2. 16 Millionen Hektar neuer Wald würden also nur 3,5 Prozent der jährlichen Emissionen aufnehmen, und das erst in zwei, drei Jahrzehnten und nur durch einige Jahrzehnte hindurch, solange der Wald im vollem Wachstum ist.16
Wird ein Wald nicht bewirtschaftet, sondern sich selbst überlassen, so bildet sich ein Nebeneinander von alten, absterbenden Bäumen, die wie Kohlenstoffquellen wirken, und jungen, dynamisch wachsenden Bäume, die Kohlenstoffsenken sind. In Summe und auf Dauer ist ein solcher Urwald ein Kohlenstoffspeicher, der eine wechselnde Menge an Kohlenstoff dauerhaft bindet, aber er ist keine Kohlenstoffsenke. Die Nichtbewirtschaftung der europäischen Wälder, die dann als Folge ihrer Überalterung ihre Funktion als Kohlenstoffsenken weitgehend verlieren, kann daher nicht Teil der Lösung des Klimaproblems sein.
Absterbende Bäume: Kohlenstoffquellen, immer kleinere Kohlenstoffspeicher, keine Kohlenstoffsenken
In einem nachhaltig bewirtschafteten Wald dagegen stehen die Bäume nicht, bis sie umfallen, sondern werden zum überwiegenden Teil geerntet, bevor sie ihr Wachstum einstellen und zu Kohlenstoffquellen werden. Dadurch wird rechtzeitig Platz für junge Bäume geschaffen, die wieder als dynamische Kohlenstoffsenken wirken. Auf diese Weise kann laufend Holz für die Holzwirtschaft und für die Energiewirtschaft entnommen werden, ohne dass die Funktion des Waldes als Kohlenstoffspeicher kleiner wird. So erzeugte Biomasse ist klimaneutral, weil in dem nachhaltig bewirtschafteten Wald mindestens so viel Kohlenstoff der Luft entnommen wird, wie bei der Verbrennung der Biomasse frei wird. Im Gegenteil, mit der entnommenen Biomasse werden fossile Rohstoffe ersetzt und dadurch die Emissionen des Energiesystems verringert.
Diese allgemeinen Überlegungen wurden durch wissenschaftliche Untersuchungen verifiziert. So berichtet Ernst-Detlef Schulze: „Der Wirtschaftswald hat höhere Zuwächse als der nicht-bewirtschaftete Wald und ist daher bei gleichem Vorrat jünger als der nicht-bewirtschaftete. Der bewirtschaftete Nadelwald wächst jährlich um vier Festmeter pro Hektar mehr als der nicht-bewirtschaftete.“ Und weiter: „Wird das Holz nicht zum Bau oder zur Energiegewinnung genutzt, verrottet es im Wald, dabei gelangt das CO2 wieder in die Atmosphäre. Der Zeitraum bis zur Zersetzung des Totholzes ist mit der durchschnittlichen Abbaudauer von Holzprodukten vergleichbar.“17
Die besondere Bedeutung des Waldes für den Klimaschutz beruht daher auf zwei Effekten. Diese sind der Speichereffekt und der Substitutionseffekt. Der Substitutionseffekt besteht darin, dass ein Teil des Holzzuwachses zur Substitution fossiler Energieträger eingesetzt wird und damit die CO2-Emissionen sinken, ohne dass deswegen die Speicherleistung kleiner wird. Nur ein nachhaltig bewirtschafteter Wald ermöglicht die für den Klimaschutz so wichtige Kombination beider Effekte.
Nachhaltig bewirtschafteter Wald sichert zwei Effekte für den Klimaschutz:
Substitutionseffekt: Biomasse ersetzt fossile Energien.
Speichereffekt: Er bindet große Mengen Kohlenstoff in der wachsenden Biomasse.
Als Beispiel für diese klimaschützende Wirtschaftsweise kann die österreichische Forstwirtschaft angeführt werden. Der jährliche Zuwachs an Holz liegt bei 30,4 Millionen Festmeter, der jährliche Einschlag bei 25,9 Millionen, sodass der Holzvorrat um 4,5 Millionen Festmeter zunimmt. So steigt die jährliche Kohlenstoffspeicherung im Wald um 0,9 Millionen Tonnen Kohlenstoff, zu dessen Speicherung die Pflanzen der Atmosphäre 3,3 Millionen Tonnen CO2 jährlich entnehmen.18 Gleichzeitig werden 25,9 Millionen Festmeter Holz geerntet, die direkt oder am Ende der Nutzungsperiode energetisch genutzt werden und auf diese Weise fossile Energieträger ersetzen, deren Nutzung 10 bis 15 Millionen Tonnen CO2 emittiert hätte. Diese Form der Nutzung ist auf Dauer möglich, ist also ein Paradebeispiel für eine nachhaltige Wirtschaftsweise, da jährlich dem Wald weniger Holz entnommen wird als zuwächst.
Nachhaltig bewirtschaftete Wälder: unverzichtbar für die Energiewende
Durch die Nichtbewirtschaftung der Wälder würden zwar zunächst größere Mengen an CO2 gebunden werden, aber diese Wirkung der Wälder als Kohlenstoffsenke wäre nicht von Dauer, sondern würde mit der Überalterung der Wälder aufhören, denn nach einiger Zeit bildet sich in Urwäldern ein Äquilibrium zwischen Kohlenstoffaufnahme und -abgabe. Als Folge der Nichtbewirtschaftung würden parallel statt der geernteten Holz-Biomasse zusätzlich fossile Energien zum Einsatz kommen, deren Nutzung laufend CO2 emittiert, auch dann, wenn die überalterten Wälder kein CO2 mehr aufnehmen. So würde im Laufe der Zeit die CO2-Konzentration der Atmosphäre immer weiter steigen. Dieses Konzept der Nichtbewirtschaftung von Wäldern, um so zusätzlich Kohlenstoff zu binden, ist daher nicht auf Dauer möglich, es ist nicht nachhaltig, im Gegenteil, es ist ein Irrweg, macht die Erreichung der Klimaziele unmöglich, verschiebt die Probleme von heute auf die nächste Generation und begünstigt den Absatz fossiler Energieträger. Treffend schreibt Zwettler im Hinblick auf die Waldstrategie der EU-Kommission: „Es bedarf großer Anstrengungen, um die ideologie-getriebenen Ansätze durch klare Fakten zu entkräften.“ Denn „weniger Holz zu nutzen, würde die Klimakrise nur weiter anheizen“.19
Die Idee der EU-Kommission, einen Teil der Wälder außer Produktion zu nehmen, wie dies im Entwurf zu einer europäischen Waldstrategie formuliert wurde, ist daher kontraproduktiv, weil dadurch die Wälder früher oder später von Kohlenstoffsenken bestenfalls zu Kohlenstoffspeichern, im ungünstigen Fall zu Kohlenstoffquellen werden, während gleichzeitig die fossilen Energien weiter zum Einsatz kommen. In dieser Frage geht es um beachtliche Energiemengen.
Im Jahr 2020 lieferte die feste Biomasse in der Europäischen Union annähernd 1300 Terawattstunden Primärenergie, das ist etwa die gleiche Menge, die alle übrigen erneuerbaren Energieträger wie Wasserkraft, Wind, Fotovoltaik, Umgebungswärme und Biotreibstoffe zur Energieversorgung beisteuerten.16 Würde dieses Angebot an forstlicher Biomasse nur um zehn Prozent reduziert, so käme mehr Öl und Gas zum Einsatz, mit dem Effekt, dass die CO2-Emissionen jährlich um 35 Millionen Tonnen steigen, das entspricht der Hälfte der CO2-Emissionen Österreichs.
Daraus folgt sehr klar:
•Die erste und wichtigste Aufgabe zur Verringerung des Klimawandels ist das rasche Aus für fossile und ihr Ersatz durch erneuerbare Energieträger.
Der wichtigste erneuerbare Energieträger ist die Biomasse und hier wieder die forstliche Biomasse. In der Europäischen Union machte die Biomasse 2020 insgesamt knapp sechzig Prozent aller erneuerbaren Energieträger aus und deckte rund zehn Prozent des Primärenergiebedarfs der Union. Daraus folgt zweitens:
•Der rasche Ersatz der fossilen Energieträger erfordert nicht nur den dynamischen Ausbau von Wind und Fotovoltaik, sondern auch den von Bioenergie aus nachhaltiger Produktion.
Ein Kipppunkt markiert einen Moment, in dem sich der Zustand eines Systems abrupt ändert. Ein einfaches Beispiel ist ein Bleistift, der zu zwei Drittel auf einem Tisch liegt und zu einem Drittel über den Tischrand hinausragt. Der Zustand ist stabil, auch wenn der Bleistift langsam über den Tischrand hinausgeschoben wird. Doch wenn mehr als die Hälfte des Stiftes über den Tischrand geschoben wird, ändert sich der Zustand abrupt und der Stift fällt zu Boden. Das ist ein sehr einfaches Beispiel für einen Kipppunkt, aber es erklärt das Prinzip recht anschaulich.
In der modernen Klimawissenschaft geht man davon aus, dass sich das aktuelle Klimasystem nicht abrupt ändern wird, sondern dass zunächst einzelne Subsysteme kippen könnten, wodurch weitere, immer größere Veränderungen ausgelöst werden. Solche kritischen Subsysteme sind beispielsweise die Zirkulationsmuster in der Atmosphäre wie die großen Windströmungen über Europa (Jetstreams) oder der Energietransport in Ozeanen durch Meeresströmungen wie den Golfstrom.
Das Überschreiten von Kipppunkten kann aufgrund von Rückkoppelungsmechanismen zu einer Eigendynamik der Erwärmung führen. Beispiele für solche Rückkoppelungen sind das Auftauen großer Permafrostgebiete und die damit einhergehende Erhöhung des Methanausstoßes sowie das Verschwinden der Gletscher und die damit verbundene geringere Energierückstrahlung in das All. Beide Prozesse tragen zu einer weiteren Erwärmung bei und damit zu einer Überschreitung weiterer Kipppunkte, denn maßgebend für die Überschreitung der Kipppunkte ist der Temperaturanstieg.
Neueste Untersuchungen zeigen, dass schon innerhalb der Bandbreite der Pariser Klimaziele Kipppunkte in einzelnen Teilsystemen überschritten werden könnten.
Temperaturanstieg: maßgebend für das Überschreiten von Kipppunkten
Das gilt für das Grönlandeis und die alpinen Gletscher. So berichten dänische Wissenschaftler, dass das Grönlandeis im Sommer 2021 doppelt so rasch abschmilzt wie in früheren Jahren, weil die Temperaturen auf über 20 °C gestiegen sind, mehr als doppelt so hoch wie durchschnittlich im Sommer.20 Mit einem so raschen Abschmelzen hat man noch vor einigen Jahren nicht gerechnet. Dazu muss man sich vor Augen halten: Diese Beschleunigung der Eisschmelze in Grönland ist bei einer Erhöhung der Durchschnittstemperatur um 1,25 °C im Jahr 2020 eingetreten. Wenn es in diesem Jahrhundert zu einer Erwärmung um 2 °C oder mehr kommt, dann ist zu befürchten, dass der Kipppunkt Abschmelzen des Grönlandeises überschritten und allein dadurch der Meeresspiegel um sechs Meter steigen wird. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es wäre, den Temperaturanstieg nicht auf 2 °C, sondern auf unter 1,5 °C zu limitieren.
Die Beschränkung der Erwärmung auf diese kritischen Temperaturwerte kann nur gelingen, wenn die gesamte Menge an fossilem Kohlenstoff, die noch aus der Erdkruste in die Atmosphäre verfrachtet wird, limitiert bleibt. Mit dieser Erkenntnis war die Idee des Kohlenstoffbudgets geboren.
Dieser gedankliche Ansatz wurde vor etwa zehn Jahren entwickelt und hat für die aktuelle Klimadiskussion eine außerordentliche Bedeutung. Das Kohlenstoffbudget gibt an, wie viele Treibhausgase in einer bestimmten Periode insgesamt global emittiert werden dürfen, um die Erwärmung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf ein festgesetztes Maß zu beschränken. Demnach kommt es nicht nur auf die Emissionen eines Jahres an, sondern auf die Gesamtmenge an Emissionen, die innerhalb einer Periode von mehreren Dekaden ausgestoßen wird. Je weniger die Emissionen am Beginn der Periode reduziert werden, umso drastischer müssen die Einschränkungen gegen Ende der Periode sein, um eine Überschreitung des Budgets zu verhindern. Vor diesem Problem stehen jetzt die Industrieländer, insbesondere auch die Europäische Union und ihre Mitgliedsländer.
Kohlenstoffbudget: Leitlinie für die Klimapolitik
Zu dem Thema Kohlenstoffbudget wurden von der Wissenschaft jahrelang Berechnungen durchgeführt. Bei diesen Berechnungen treten viele Einzelfragen auf, so etwa die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmtes Ziel erreicht oder wie das verbleibende Budget weltweit verteilt werden soll. Zur Frage der Verteilung hat sich weitgehend die Meinung durchgesetzt, dass das noch vorhandene Budget jedem Land nach dem Anteil seiner Bevölkerung an der Weltbevölkerung zugeteilt werden soll. Das globale Kohlenstoffbudget zur Einhaltung des 2-°C-Zieles wurde für den Zeitraum von 2010 bis 2050 ursprünglich mit 750 Milliarden Tonnen CO2 ermittelt.21
Dabei wurde eine hohe Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung angenommen. Berücksichtigt man die Mengen, die von 2010 bis 2020 schon emittiert wurden, so verbleibt für den Zeitraum von 2022 bis 2050 natürlich ein deutlich geringerer Wert.
Mittlerweile mehren sich allerdings kritische Stimmen zu den Berechnungen des globalen Kohlenstoffbudgets, die besagen, dass es angesichts des viel hohen CO2-Gehalts in der Atmosphäre kein Budget für weitere Emissionen mehr gäbe und daher die Verwendung fossiler Energien nicht erst 2040 oder 2050, sondern schon viel früher eingestellt werden sollte.22
Auch der jüngste IPCC-Bericht, der im Juli 2021 publiziert wurde, kann so interpretiert werden.23 Aus der Tabelle SPM 2 kann man entnehmen, dass das globale Kohlenstoffbudget für die Zeit ab dem Beginn des Jahres 2020 nur mehr 300 Milliarden Tonnen CO2 beträgt, wenn man das 1,5-°C-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 83 Prozent erreichen will.
Um das Überschreiten der so gefährlichen Kipppunkte zu verhindern, wäre es tatsächlich wünschenswert, die Erwärmung mit hoher Wahrscheinlichkeit auf 1,5 °C zu beschränken. Dazu kommt: Manche Publikationen verweisen darauf, dass in den Berechnungen des IPCC einige gefährliche Mechanismen der Rückkoppelung unterschätzt wurden. Sie gehen davon aus, dass mit den bisher global ausgestoßenen Treibhausgasen eine Erwärmung auf 1,5 °C schon im Gange ist und daher für die Erreichung des 1,5-°C-Zieles tatsächlich kein Budget mehr zur Verfügung steht. Auch der Synthesebericht des fünften IPCC Assessment Reports (Working group 1, Tab. 2) kommt zu dem Ergebnis, dass das Budget für das 1,5-°C-Ziel um 2020 schon verbraucht worden ist.23
Aus diesen Diskussionen ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:
•Der Klimawandel ist offensichtlich schon viel weiter fortgeschritten, als dies in weiten Teilen der Bevölkerung und der Entscheidungsträger wahrgenommen wird.
•Die Reduktion der Emissionen um knapp sechzig Prozent bis 2030 gegenüber 1990, wie sie vom Europäischen Parlament vorgeschlagen wurde, ist als Minimalpfad zur Erreichung des 1,5-°C-Zieles zu verstehen.
Die ganze Dramatik des Klimawandels wird noch deutlicher, wenn man den jüngsten Bericht des IPCC über die physikalische Evidenz des Klimawandels liest und sich gleichzeitig die Naturkatastrophen des Jahres 2021 in Erinnerung ruft. Dazu einige Beispiele:
Eine zentrale Aussage betrifft die fortschreitende Erwärmung. Im Bericht werden nicht Jahre, sondern Zeitspannen verglichen, um Jahresschwankungen auszugleichen. Demnach sind die Temperaturen auf der Erde in den letzten 140 Jahren im Durchschnitt um 1,09 °C gestiegen. Dabei gibt es große regionale Unterschiede. Der Temperaturanstieg über Land betrug 1,59 °C, über den Ozeanen dagegen nur 0,88 °C. Über dem Nordpol ist der Temperaturanstieg noch deutlich höher. Eine so rasche Erwärmung ist einmalig in der Klimageschichte der letzten 2000 Jahre.
Die Entwicklung des Meeresspiegels ist für Millionen von Menschen, die in Küstennähe leben, von existenzieller Bedeutung. Die Messungen zeigen für den Zeitraum von 1901 bis 2018 einen globalen Anstieg um 200 Millimeter. Doch der Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt sich. Er betrug von 1901 bis 1971 im Schnitt 1,3 Millimeter pro Jahr, von 1971 bis 2006 im Schnitt 1,9 Millimeter pro Jahr und erhöhte sich in den letzten zwölf Jahren auf 3,7 Millimeter pro Jahr. Dieser Anstieg ist eine Folge des weltweiten Rückgangs der Gletscher in den Bergen, des beginnenden Abschmelzens der Eismassen in Grönland und der Antarktis. Dazu kommt die Volumenvergrößerung des Meerwassers als Folge der steigenden Wassertemperaturen. Es ist somit eine direkte Folge der Erwärmung. Die Erwärmung der Ozeane erfolgt schneller als in den letzten 11.000 Jahren, der Anstieg des Meeresspiegels ist stärker als je in den letzten 3000 Jahren und beschleunigt sich von Dekade zu Dekade besorgniserregend. Mittlerweile gibt es eine interaktive Landkarte, die sichtbar macht, welche Küstengebiete bei Anhalten der aktuellen Trends in zehn, zwanzig oder hundert Jahren von Überflutungen durch den Anstieg des Meeresspiegels betroffen sein werden.23
In mehreren Abschnitten widmet sich der IPCC-Bericht den Aussichten für die Zukunft. Diese hängen von den bisherigen Emissionen ab, die nicht mehr zu ändern sind, und von den künftigen Emissionen, deren Höhe von dem Verhalten der Menschheit abhängt. Dazu werden fünf verschiedene Szenarien präsentiert. Das mittlere Szenario geht davon aus, dass die globalen Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts auf dem aktuellen Niveau von jährlich etwa vierzig Milliarden Tonnen CO2 verbleiben. Das würde bis Ende des Jahrhunderts zu einer Temperaturerhöhung von knapp 3 °C im Mittel führen, über Land allerdings wesentlich höher.
Im Szenario SP1-1,9 wird angenommen, dass die globalen Emissionen ab 2025 bis 2050 linear auf den Wert Null sinken und bis 2100 große Menge an CO2 der Atmosphäre entzogen werden. Dies würde bis 2100 zu einer Erwärmung von 1,5 °C führen.
Die künftigen von Menschen verursachten Emissionen sind daher neben der notwendigen Kohlenstoffentnahme bestimmend für die weitere Klimaentwicklung. Die Kernaussage ist im Punkt B1 zusammengefasst und lautet:
„Die globale Oberflächentemperatur wird zumindest bis zur Mitte des Jahrhunderts bei allen untersuchten Szenarien weiter steigen. Die globale Erwärmung von 1,5 °C und 2 °C wird im 21. Jahrhundert überschritten werden, wenn es nicht in den kommenden Jahrzehnten zu tiefen Reduktionen der Emissionen an CO2 und der anderen Treibhausgase kommt.“
Diese Aussage bedeutet, dass aufgrund der bisherigen kumulativen Emissionen eine Erwärmung auf 1,5 °C bis 2050 schon vorgegeben ist und es jetzt durch eine möglichst rasche Senkung der Emissionen darum geht, eine weitere Erwärmung ab 2050 zu verhindern.24
Das ist eine dramatische Aussage im IPCC-Bericht, die sich mit den Informationen deckt, die aus dem Studium der Erdgeschichte gewonnen werden. In den letzten Jahrtausenden schwankte die durchschnittliche Erdtemperatur geringfügig um den Mittelwert von 15 °C. Der CO2-Gehalt pendelte mit geringen Abweichungen von wenigen Prozent um 280 ppm.
Doch jetzt ist die Menschheit mit einer gänzlich neuen Situation konfrontiert. Innerhalb von etwas mehr als einem Jahrhundert stieg der CO2-Gehalt von 280 ppm auf 420 ppm im April 2021, und seit Jahren nimmt dieser Wert jährlich um über 2 ppm zu. Eine so hohe Konzentration an Treibhausgasen hat es in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben.
Erreichen der Klimaziele:
Zeit ist das knappste Gut,
daher Beschleunigung im Umbau des Energiesystems.
Die Einhaltung der Pariser Klimaziele ist noch möglich. Doch um diese Chance zu nützen, müssen die Industrieländer größte Anstrengungen unternehmen, um noch vor dem Jahr 2040 auf fossile Energien weitgehend zu verzichten und die Länder in Entwicklung zu unterstützen, auf dass sie ihre Wirtschaft von Anfang an auf solare Energieformen aufbauen und den Weg über Kohle, Öl und Gas vermeiden. Nur so lässt sich verhindern, dass sich Rückkoppelungen entwickeln, die automatisch zur weiteren Erwärmung führen.
Doch das allein wird nicht genügen. Zusätzlich wird es notwendig sein, dass in den kommenden Jahrzehnten bis 2100 große Mengen an CO2 der Luft entnommen werden, um die Erwärmung auf 1,5 °C zu beschränken und die CO2-Konzentration in der Atmosphäre wieder unter 400 ppm, Richtung 350 ppm zu bringen.
Noch deutlicher formuliert: Die Rückkehr zu einer menschenfreundlichen Atmosphäre und die Beschränkung der Erwärmung auf unter 1,5 °C wird gelingen, wenn die Menschheit einen Großteil der Menge an CO2, die ab dem Jahr 2000 in die Atmosphäre verfrachtet wurde und die in den kommenden zwei bis drei Jahrzehnten noch emittiert werden wird, wieder aus der Atmosphäre zurückholt.
Trotz aller Schwierigkeiten, das Energiesystem rasch umzubauen, ist klar: Der rasche Verzicht auf fossile Energien und gleichzeitige Aufbau der solaren Energiewirtschaft ist der viel effizientere und billigere Weg zur Erreichung der Pariser Klimaziele, als weiter fossilen Kohlenstoff in die Luft zu blasen, um dann in einigen Jahren umso größere Kohlenstoffmengen mit hohen Kosten wieder der Luft zu entziehen.
Die Erdneuzeit; das Klima in den letzten zwanzig Millionen Jahren: Miozän, Pliozän, Pleistozän, Holozän; wie uns die Erdgeschichte helfen kann, die aktuelle Klimasituation besser zu verstehen.
Wie oft hört man die beruhigend gemeinte Bemerkung, das Problem „Klimawandel“ könne ja nicht so schlimm sein, denn einen Klimawandel hätte es immer wieder in der Erdgeschichte gegeben. Stimmt das wirklich? Dieser Frage wollen wir in diesem Kapitel nachgehen. Denn was ist naheliegender, als einen Blick in die Erdgeschichte zu werfen, um zu prüfen, ob wir aus der Geschichte unseres Planeten etwas zum besseren Verständnis der heutigen Probleme lernen können.
Ein Blick in die Geschichte der Erde zeigt, dass das Klima seit dem Bestehen der Erde nie stabil war, sondern sich in kürzeren oder längeren Perioden immer wieder geändert hat. Dabei gibt es einige Perioden von besonderer Bedeutung für das Verstehen des aktuellen Klimawandels.
Eine für die fossile Energiewirtschaft wichtige Periode aus dem Erdaltertum war das Karbon.1 Es begann vor 359 Millionen und dauerte sechzig Millionen Jahre. In dieser Zeitspanne kam es zur Bildung der gigantischen Steinkohlevorräte in vielen Teilen der Welt. Diese entstanden aus Wäldern, die durch geologische Vorgänge unter Luftabschluss in die Erdkruste eingelagert wurden und den Kohlenstoff enthielten, den die Pflanzen zuvor durch die Fotosynthese der Atmosphäre entnommen hatten.
Am Ende der Kreidezeit, vor 66 Millionen Jahren, kam es zum Einschlag eines oder mehrerer gewaltiger Asteroiden auf die Erde. Dieses außergewöhnliche Ereignis markiert das Ende des Erdmittelalters. Dieser Einschlag führte zu einem Massensterben in der damals vorhandenen Tierwelt, beendete die Ära der Dinosaurier und markierte einen tiefen Einschnitt in die Entwicklung des Lebens auf der Erde.
Nach diesem Ereignis, vor 66 Millionen Jahren also, begann das Känozoikum, die Erdneuzeit, die bis in die Gegenwart reicht. Das Känozoikum wird in verschiedene Perioden unterteilt, die in Übersicht 6 dargestellt sind.
Übersicht 6: Die Perioden der Erdneuzeit (Känozoikum)2
In der ursprünglichen Terminologie umfasst das Känozoikum als Hauptperioden das Tertiär (66 bis 2,6 Millionen Jahre zurück) und das Quartär (2,6 Millionen Jahre zurück bis heute).
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