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Ein magischer Blick aus den dunklen Augen von Wüstenprinz Tariq al Hassan und Eloise durchströmt ein sinnliches Feuer. Natürlich widersteht sie dem Charme des mächtigen Scheichs, schließlich wird er eine arrangierte Ehe mit ihrer Freundin eingehen. Da diese ihren Bräutigam nicht persönlich kennt, soll sich Eloise vorab ein Bild von dem stolzen Herrscher machen! Aber als der Thronfolger ihr sein Land zeigt, kommt Eloise ihm näher als erlaubt. Und schon bald entdeckt sie nicht nur Tariqs Geheimnis, sie begeht auch einen fatalen Fehler …
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Seitenzahl: 202
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2023 by Clare Connelly Originaltitel: „Desert King’s Forbidden Temptation“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe 2024 in der Reihe JULIA, Band 2632 Übersetzung: Nicole Lacher
Abbildungen: Harlequin Books S. A, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 01/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751524476
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Dicht unter der Oberfläche war das Wasser immer am dunkelsten, obwohl es nicht so sein sollte. Dort, in den wenigen Zentimetern unter der Luft, wo die Wärme der Sonne das Meer durchdrang, sollte es eigentlich hell sein. Die Wasseroberfläche sollte schimmern. Aber dies war nicht die Wirklichkeit, sondern ein Traum, ein Albtraum, und die Gesetze der Physik mussten nicht gelten.
Er schnappte nach Luft, fand aber nur Wasser, ging unter, riss die Arme hoch, berührte, fühlte, erinnerte sich. Da war etwas Fremdes und gleichzeitig schmerzlich Vertrautes, nah, aber immer, immer außer Reichweite. Je näher er den bruchstückhaften Erinnerungen seines Unterbewusstseins kam, desto zügiger glitten sie davon. Eine flüchtige Berührung, sanft und unermesslich tröstlich, ein Duft von Vanille und Kaki, Sonnenstrahlen, die auf uralten Holzdielen tanzten, Staubkörnchen und Gelächter – sein eigenes und das von jemand anders, eine Stimme, eine ferne Stimme ohne Gesicht aus der Vergangenheit.
Etwas riss ihn aus seinem Traum. Ein Junge war dem Ertrinken nahe gewesen, unfähig, in den Tiefen des Meeres Halt zu finden, doch jetzt erwachte ein Scheich, und der ließ sich nicht mal den Hauch jenes quälenden Albtraums anmerken.
In seiner Vergangenheit gab es Rätsel. Fragen, die ihn verfolgten, wenn er sie denn zuließ. Aber eins wusste er mit Bestimmtheit: Ihm allein oblag die Pflicht, über Savisia zu herrschen, und diesem Schicksal würde Scheich Tariq al Hassan noch mit seinem letzten Atemzug gerecht werden. Was auch immer ihm das abverlangte, wollte er mit Freuden tun. Es war das Mindeste, was er diesem Land schuldete.
Obwohl sie sich nicht bewusst darum bemüht hatte, war Eloise Ashworth inzwischen eine Meisterin darin, Menschen zu beobachten und einzuschätzen. Wie alle Fähigkeiten war auch diese aus der Not heraus entstanden. Ihre turbulenten jungen Jahre mit den bösartigen Streitigkeiten ihrer Eltern und ihr Leben nach deren Tod hatten ihre ohnehin ausgeprägte Beobachtungsgabe geschärft.
Heute konnte sie diese Gabe nicht mehr abschalten, deshalb verweilte ihr Blick etwas zu lange auf dem Gesicht des Scheichs. Während andere Menschen lediglich huldvolle Gleichgültigkeit wahrnahmen, registrierte Eloise mehr – sein leichtes Stirnrunzeln, das minimale Verengen der Augen und den kaum wahrnehmbaren Zug um den Mund, der für zusammengebissene Zähne sprach. Wie hätte sie sich nicht fragen sollen, was passiert war, um den Mann zu verstimmen?
Die naheliegende Antwort lautete: Er wollte diese Ehe nicht eingehen. Was wenig Sinn ergab angesichts der Tatsache, dass sein Palast die Hochzeit vor drei Monaten vorgeschlagen hatte. Es sei denn, jemand anders zog die Strippen? Ihr Blick wanderte zu den sechs Männern, die den mächtigen Scheich von Savisia flankierten. Aus irgendeinem Grund glaubte sie keine Sekunde, dass man ihn zu etwas zwingen konnte, was er nicht tun wollte. Die Ehe war seine eigene Idee gewesen. Trotzdem gefiel sie ihm offenbar nicht.
Eloise lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und betrachtete den Mann unverhohlen. Von den zwölf Personen, die zusammengekommen waren, um die Möglichkeit dieser Ehe zu erörtern, war sie die einzige Frau und die einzige Teilnehmerin ohne Regierungsamt. Sie saß am Ende des Tisches. Bisher hatte niemand den Kopf in ihre Richtung gedreht, um sie nach ihrer Meinung zu fragen. Was für eine Ironie, denn ihre allerbeste Freundin, Kronprinzessin Elana von Ras Sarat, hatte Eloise hergeschickt, um zu entscheiden, ob die Hochzeit stattfinden sollte. Der Scheich galt als heldenhaft, klug und patriotisch. Sein Volk betete ihn an, doch daraus ließ sich nicht folgern, was für ein Mann er war. Sein Privatleben war ein gut gehütetes Geheimnis. Im Internet fand man zwar etliche Fotos von offiziellen Anlässen, doch nichts Interessantes darüber hinaus.
Deshalb war Eloise mit dem Auftrag hier, sich ein Bild von dem Mann und von dem Potenzial einer Ehe mit ihm zu machen. Anschließend sollte sie nach Ras Sarat zurückkehren und Elana beraten.
Von ihrer Empfehlung hing es ab, ob Elana in die Hochzeit einwilligte. Oh, heiraten wollte die Prinzessin Scheich Tariq schon – genauer gesagt sah sie die Notwendigkeit dazu ein. Im Grunde wollte sie allerdings niemanden heiraten. Wäre sie eine Bürgerliche gewesen, hätte sie den Rest ihres Lebens um ihren verstorbenen Verlobten getrauert. Ihn hatte sie innig geliebt. Wahrscheinlich würde sie nie wieder lieben können. Doch darum ging es hier nicht. Diese Ehe würde aus politischer Zweckmäßigkeit geschlossen.
Im Gegensatz zu Tariqs großem, wohlhabenden Königreich befand sich das kleine Ras Sarat nach Jahrzehnten der Misswirtschaft finanziell und politisch in einer prekären Lage. Die Hochzeit mit einem Mann von Tariqs Kaliber würde Elanas Regierung stützen und dringend benötigtes Geld in die Kassen spülen. Außerdem würde sie eine enorme Last von Elanas Schultern nehmen – eine Last, die nur ihre beste Freundin nachempfinden konnte. Deshalb wollte Eloise den Scheich mögen. Glauben, dass er ein guter Ehemann sein würde.
Sie beobachtete ihn, während er sprach, aber auch, während er zuhörte. Letzteres war am aufschlussreichsten. Winzige Bewegungen des Kinns, wenn er mit einem Argument nicht übereinstimmte. Das leichte Anspannen der Haut um Mund und Augen. Die meiste Zeit über blieb seine Miene regungslos, doch Eloise erspähte kaum merkliche Veränderungen in seiner Körpersprache. In diesen Momenten kam es ihr vor, als würde die Luft um ihn herum vibrieren. Niemandem außer ihr schien es aufzufallen.
Akten wurden zusammengerafft und Stühle zurückgeschoben. Regungslos saß Eloise da. Jetzt allerdings weniger, damit ihr keine Reaktion des Scheichs entging, sondern weil sich ihre Beine seltsam schwer anfühlten und sie sich nicht rühren konnte. Jetzt starrte sie den Mann aus egoistischem Verlangen an. Aus dem sehnsüchtigen Wunsch, ihn anzuschauen.
Dank der Internetrecherche und der Akte vom Sicherheitsdienst war sie mit seinem Äußeren vertraut. Allerdings hatte er etwas an sich, das zweidimensionale Bilder nicht erfassten. Zweifellos war er attraktiv, doch im wirklichen Leben besaß er eine Anziehungskraft und eine Ausstrahlung, die sich nicht ignorieren ließen.
Er war … faszinierend. Einen Wimpernschlag kurz fühlte Eloise, wie seine Anziehungskraft sie einhüllte. Umgarnte.
Als könnte er ihre vorübergehende Schwäche spüren, während die Berater und Diplomaten zu einer kurzen Pause aufstanden, richtete er den Blick direkt auf sie.
Wunderschöne Augen hatte er. Fesselnd und ausdrucksstark, verlockend und unwiderstehlich, sodass Eloise nicht das Kluge tun und wegsehen konnte. Stattdessen tauchte ihr Blick in seinen. Etwas Unvertrautes, Ungebetenes entzündete sich in ihren Blutbahnen, weckte ihr Bewusstsein für jeden Atemzug und für die Weise, wie sich die feinen Härchen auf ihren Armen aufrichteten.
Er betrachtete sie genauso eingehend, wie sie ihn in der letzten Stunde unter die Lupe genommen hatte – nur tat er es wesentlich demonstrativer. Mit mehr Recht dazu, denn er war ein Scheich. Selbst wenn sein Charisma irgendeinen Zweifel daran gelassen hätte, was nicht der Fall war, hätte dieser Saal Aufschluss über sein Vermögen und seine Macht gegeben. Die Decken waren mindestens dreimal so hoch wie üblich. An einer Seite des Saales reihte sich ein langes Fenster an das andere. Von hier aus blickte man auf spektakuläre Gärten mit Teichen und uralten Dattelpalmen. Die Saalwände waren vergoldet, der Tisch aus Marmor, und der große Stuhl in der Mitte wirkte kaum weniger dramatisch als ein Thron. Hier saß der Scheich und strahlte eine selbstverständliche Souveränität aus. Man hatte ihn zum Herrscher erzogen. Vor fünf Monaten, nach dem Tod seines Vaters, des beliebten Scheichs Samir al Hassan, hatte Tariq jene Rolle übernommen, auf die er sein Leben lang vorbereitet worden war.
Sein Volk verehrte ihn, seit seine Eltern den Thron bestiegen hatten und er in die Rolle ihres Erben katapultiert worden war.
Er verkörperte alle Charakterzüge, die sein Volk am meisten bewunderte: Mut, Ehrenhaftigkeit, Stärke, Furchtlosigkeit. Und er war nicht nur Scheich, sondern auch ein Teenageridol, ein Frauenschwarm, eine gefeierte Berühmtheit.
Jetzt betrachtete er Eloise völlig unverblümt.
Ohne den Hauch einer Entschuldigung.
Als sie endlich zur Besinnung kam, ihren Stuhl zurückschob und mit leicht zittrigen Händen ihren Aktenordner vom Tisch nahm, sagte Tariq in einem Ton, der keine Widerrede duldete: „Sie bleiben noch kurz.“
An diesem Morgen hatte sie ihn schon einige Male sprechen hören. Warum also fühlten sich ihre Knochen bei diesen Worten an, als würden sie dahinschmelzen? Sie hob die rechte Hand und legte sie auf ihren Oberkörper. „Ich?“ Innerlich wand sie sich, weil ihre Frage solche Verunsicherung offenbarte. Sein Befehl brachte sie aus dem Konzept.
Er neigte den Kopf und zeigte auf den Stuhl gegenüber. „Bitte.“
Das Wort klang nicht, wie es normalerweise klang. Es war kein höfliches Angebot, kein hoffnungsvolles Ersuchen. Ablehnung kam nicht infrage. Mit einem Schlag war Eloise alles sehr bewusst. Wie ihr der lange Leinenrock um die Beine schwang, als sie um den Tisch herumging. Ihre zittrigen Knie. Wie das Sonnenlicht durch die Fenster strömte und auf die Tischplatte fiel. Der riesige Saal, in dem das Echo des Befehls nachhallte. Wie viel Zeit sie brauchte, um den Stuhl zu erreichen – Sekunden, die ihr wie Jahre erschienen. Wie sich die hölzerne Stuhllehne unter ihren Fingerspitzen anfühlte, kühl und glatt, abgenutzt. Der Scheich, der sie mit derselben ungenierten Neugierde musterte wie sie ihn zuvor.
Sie zog den Stuhl zurück und setzte sich. Als Kind hatte sie getanzt. Es war ihr Leben gewesen. Ihre Großtante hatte den Tanzunterricht missbilligt, doch die intuitive Anmut und Musikalität waren Eloise geblieben und zeigten sich sogar bei einer Bewegung wie dem Platznehmen.
Erst jetzt hob sie den Kopf und sah den Scheich an. In dem Moment, als sich ihre Blicke trafen, schien ihr Kreislauf zum allerersten Mal zum Leben zu erwachen. Sie konnte förmlich spüren, dass das Blut durch papierdünne Arterien rauschte, die der reißenden Flut fast nicht gewachsen waren.
Ihr gegenüber saß der Scheich. Dies war sein Palast, seine Besprechung, und er wollte, dass sie blieb. Also regte sie sich nicht und schwieg, obwohl sie vor unbändiger Neugierde und Nervosität am liebsten mit der Frage herausgeplatzt wäre: Was wollen Sie?
Nein, sie blieb still sitzen, die Hände im Schoß gefaltet, um das verräterische Beben zu verbergen, mit zusammengedrückten Knien und einem merkwürdig energiegeladenen, prickelnden Körper.
„Sie wurden mir nicht vorgestellt“, sagte der Scheich.
Eloise verzog den Mund leicht. „Nein, Eure Majestät.“ Was sonst konnte sie sagen? Dass die Delegierten aus Ras Sarat keine Notwendigkeit für ihre Anwesenheit hier sahen? Dass sich die Männer mit Zähnen und Klauen gegen sie wehrten, seit Elana die beste Freundin zur Beraterin ernannt hatte? Wenn sie bloß gewusst hätten, wie wichtig Eloises Einschätzung war, um diese Ehe Realität werden zu lassen! Falls sie der Kronprinzessin etwas Negatives berichtete, würde es keine Hochzeit geben.
„Lassen Sie uns das jetzt korrigieren.“ Wieder ein Befehl, und es ging um mehr als eine Formalität. Offenbar kannte der Mann gern sämtliche Fakten. Er war wachsam und reserviert. Aus irgendeinem Grund missfiel es ihm, über diese Ehe zu verhandeln, aber wenn er es schon tat, dann nur im Beisein vertrauter Berater, nicht in der Gegenwart unbekannter Ausländerinnen. „Ihr Name?“
„Eloise, Eure Hoheit.“
Seine Augen weiteten sich. Gleich darauf wurden sie noch dunkler. Angesichts seines mutmaßenden Blicks strömte das Blut heißer durch Eloises Adern. Ihr Herz pochte schneller.
„Eloise?“ Seine Stimme klang rau und unglaublich anziehend. Ein Jammer, dass Elana geschworen hatte, ihren künftigen Ehemann nie zu mögen, schon gar nicht zu lieben. Eloise konnte den Liebeskummer ihrer Freundin nachvollziehen, aber es wäre ganz einfach gewesen, auf Scheich Tariq zu stehen.
Auf ihn zu stehen?
Wohl eher, von ihm zu fantasieren.
„Ashworth“, ergänzte sie.
„Engländerin?“
Sie nickte.
„Und doch arbeiten Sie für die königliche Familie von Ras Sarat?“
„Ja, Eure Hoheit.“ Obwohl der Begriff Familie irreführend war. Es gab nur Elana und einen betagten eingeheirateten Onkel, der zwischen dem Tod ihres Vaters und ihrer Volljährigkeit als Regent fungiert hatte.
Wieder veränderten sich Tariqs Augen auf diese faszinierende Weise. Jäh rührte sich etwas tief in Eloises Bauch. Sie verlagerte das Gewicht ein wenig und wünschte prompt, sie hätte es nicht getan, denn Hitze flutete ihren Körper und bündelte sich zwischen ihren Beinen. Um sich zu sammeln, grub sie die Fingernägel in die Handballen.
„Seit wann?“
Sie neigte den Kopf zur Seite, hin- und hergerissen zwischen ihrer Pflicht als Repräsentantin von Ras Sarat und ihrem Selbstvertrauen als Frau im einundzwanzigsten Jahrhundert. Erstere setzte sich durch – wenn auch nur knapp. „Seit drei Jahren.“
Der Scheich runzelte die Stirn. „Dafür sehen Sie nicht alt genug aus.“
Eloise lächelte einen Hauch amüsiert. „Ich bin fünfundzwanzig, Eure Hoheit.“
Er rieb sich mit einer Hand das Kinn. „Genauso alt wie die Kronprinzessin.“
„Ja.“
„Kennen Sie die Prinzessin gut?“
„Ja.“
Jetzt lehnte er sich vor und sah sie forschend an. „Sind Sie befreundet?“
Seine Scharfsinnigkeit überraschte sie. „Ja.“
„Eng befreundet?“
„So könnte man es ausdrücken.“
Er zog eine Braue hoch, und Eloise musste sich in Erinnerung rufen, dass er der mächtige Herrscher dieses reichen Landes war. Obwohl sie es leicht fand, mit ihm auf gleicher Augenhöhe zu reden, war er es nicht. „Ja, wir stehen einander nahe, Eure Hoheit“, murmelte sie respektvoll.
Seine Augen verengten sich. „Die Prinzessin hat Sie gebeten, an den Verhandlungen teilzunehmen und ihr zu berichten?“
Mit der Frage hatte Eloise nicht gerechnet. Andererseits war sie daran gewöhnt, herausgefordert zu werden, und falls der Scheich ihre Anwesenheit ablehnte, würde die Hochzeit in Gefahr sein. „Ist das ein Problem?“
„Keineswegs. Es ist klug. Die Prinzessin und ich sind uns vor einigen Jahren begegnet, allerdings nur kurz. Ich müsste sie für eine Närrin halten, wenn sie ohne weitere Informationen zustimmen würde.“
„Prinzessin Elanas Berater werden die Vorzüge dieser Verbindung beurteilen“, erwiderte Eloise nach kurzem Zögern, eigenartig zufrieden mit seiner vernünftigen Antwort. „Meine eigene Aufgabe ist … persönlicherer Natur.“
„Ich verstehe.“ Davon war sie überzeugt. Genau wie von der Tatsache, dass dieser Mann wie sie das Talent besaß, Menschen einzuschätzen. „Und falls Sie die Verbindung nicht befürworten?“
„Der Rest der Delegation ist von Ihrem Vorschlag begeistert“, wich sie aus.
„Ich frage aber nach Ihrer Zustimmung.“
„Gibt es einen Grund, aus dem Sie denken, dass ich nicht zustimmen werde, Eure Hoheit?“
Seine Lippen zuckten kurz. Ihre Reaktion gefiel ihm. „Um das beurteilen zu können, weiß ich nicht genug über Sie. Schließlich wird Ihre eigene Lebenserfahrung Ihr Urteil beeinflussen, nicht wahr?“
„Ich versuche, objektiv zu sein, wenn ich Ihre Hoheit berate.“
„Sogar in einer Angelegenheit wie dieser?“
Eloise hob die schmalen Schultern und ließ sie wieder sinken. „Dies ist der erste Heiratsantrag, mit dem ich mich in ihrem Auftrag beschäftige.“
Noch einmal zuckten seine Lippen, und ihr Herz wurde leichter. Sie sah ihn gern lächeln. Richtig gern. Die Erkenntnis erschreckte sie. Rasch setzte sie sich aufrecht hin, ließ das leichte Lächeln verschwinden und bemühte ihre kühle, souveräne Miene.
„Stört meine Anwesenheit Sie, Eure Hoheit?“
„Nein.“ Er sah ihr in die Augen. „Aber Ihre Antworten sind aufschlussreich.“
„Oh?“ Ihr Herz schlug rascher.
„Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihre Stellungnahme für die Prinzessin am bedeutsamsten sein wird?“
Vor Überraschung öffnete sie die Lippen leicht. Er senkte den Blick auf ihren Mund und ließ ihn gerade lange genug verweilen, um sie völlig aus dem Konzept zu bringen, bevor er ihr wieder in die Augen sah. Eloise fuhr sich mit der Zungenspitze über die Unterlippe und zog die Stirn kraus.
„Die Frage ist nicht schwierig.“
„Nicht?“, murmelte sie. Unwillkürlich verzog sie den Mund, weil sie amüsiert war.
„Sagen Sie es mir.“
„Nun, Eure Hoheit, obwohl ich ungern widerspreche …“
„Fahren Sie fort.“
„Wenn ich Ihre Frage bejahe, erkläre ich im Grunde, wichtiger als die Berater der Prinzessin zu sein. Außerdem würde ich nahelegen, dass Ihre Zeit, die gewiss sehr wertvoll ist, in den zurückliegenden Besprechungen über eine Amnestie und Schuldenerlass vergeudet wurde.“
„Weil die Prinzessin mich nicht heiraten wird, wenn Sie ihr erzählen, dass Sie mich nicht mögen? Trotz der vernünftigen Vorschläge, die zu beiden Themen auf dem Tisch liegen und die Ras Sarat eindeutig nützen würden?“
„Es spielt keine Rolle, ob ich Sie mag oder nicht.“ Sie räusperte sich. „Eure Hoheit.“
„Aber ob Sie mit mir einverstanden sind?“
„Das trifft es eher.“
„Und was ist Ihr Maßstab?“
„Wie bitte?“
„Anhand welcher Kriterien beurteilen Sie meine Eignung?“
„Ganz so wissenschaftlich gehe ich nicht vor, fürchte ich. Prinzessin Elana ist meine beste Freundin, schon seit vielen Jahren. Eigentlich sind wir eher wie Schwestern. Sie verdient es, glücklich zu sein. Und ich wäre gern davon überzeugt, dass Sie sie glücklich machen können. Erst recht nach allem, was sie durchgemacht hat.“
Wieder rieb er sich mit einer Hand das Kinn. „Ich habe von ihrem Verlobten gelesen.“
Es war eine furchtbare Zeit in Elanas Leben und damit auch eine furchtbare Zeit für Eloise gewesen. Sie schluckte und suchte nach einer passenden Erwiderung, fand aber keine.
„Sein Tod hat sie sehr getroffen?“
„Selbstverständlich, Eure Hoheit.“
„Die beiden haben einander geliebt.“
Sie nickte und lächelte wehmütig. „Innig.“
„Ich vermute, in dem Fall hat die Prinzessin gemischte Gefühle wegen meines Antrags.“
„Ich …“ Verdammt. Sie war zu offen gewesen. „Hätte Elana sich gegen Ihr Angebot entschieden, hätte sie mich nie hergeschickt.“
Er ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen. Schließlich nickte er knapp. „Und auch Sie wollen, dass es zu dieser Hochzeit kommt?“
Wie konnte sie antworten, ohne die heikle Lage von Ras Sarat zu verraten? „Ich lege Wert darauf, grundsätzlich unvoreingenommen zu sein.“
Der Scheich zog die Brauen auf eine Weise zusammen, die sie zum ersten Mal bei ihm registrierte. „Sie sind der Prinzessin eine loyale Freundin. Besitzen Sie darüber hinaus irgendwelche Qualifikationen, die Sie für Ihre Rolle als enge Beraterin empfehlen?“
„Die wichtigste Qualifikation ist, dass sie mir vertraut“, antwortete Eloise leise. „Allerdings habe ich weitere Qualifikationen, auf die sie sich verlässt.“
„Nämlich?“
„Ist das relevant, Eure Hoheit?“ Ihre Wangen färbten sich rot. „Es tut mir aufrichtig leid. Das war unhöflich von mir.“
„Direkt, nicht zwangsläufig unhöflich. Und falls es Ihnen noch nicht aufgefallen sein sollte: Ich bevorzuge offene Unterhaltungen.“
„Trotzdem …“
„Ihre Entschuldigung interessiert mich nicht.“ Der Scheich verschränkte die Arme und zog Eloises Aufmerksamkeit dadurch auf seine breite Brust. Er trug den traditionellen weißen Thawb seines Landes, ein weites, knöchellanges Gewand. Jetzt erspähte sie eine Andeutung jener definierten Muskeln, die ihr auf Fotos von seinen Auslandsbesuchen aufgefallen waren, wenn er westliche Anzüge trug, unter denen man seinen Körper besser erahnen konnte. Ihr Mund wurde trocken. Sie streckte eine Hand nach dem Wasserglas vor ihr aus, bevor ihr einfiel, dass es ihrem Vorgänger auf diesem Stuhl gehörte.
Der Scheich stand auf. Seine Größe brachte ihren Mund dazu, noch trockener zu werden. Dieser Mann war fast zwei Meter lang, mit einem ungewöhnlich schönen Körper und perfekten Proportionen. Eloise kam sich vor wie in der Gegenwart eines antiken Gottes. Er ging zu einem kunstfertig geschnitzten Tisch am Ende des Saales und goss Wasser in ein unbenutztes Glas. Zitronenstückchen und Granatapfelkerne schwammen an der Oberfläche. Als er es vor Eloise auf den Tisch stellte, stieg ihr der Duft in die Nase.
„Danke“, murmelte sie.
Er neigte den Kopf, doch statt zu seinem Platz zurückzukehren, setzte er sich auf die Kante des Konferenztisches – nah genug, damit der Stoff seines Gewandes ein wenig auf die Armlehne ihres Stuhls fiel. Verstohlen schob sie beide Hände Richtung Wasserglas, weg von der Verlockung. Verlockung? Sie spürte ein Schweißtröpfchen im Nacken und schaute hastig zur Seite. Jenseits des Palastfensters bot sich ihr ein exquisiter Blick auf Reihen von Feigenbäumen mit stattlichen Baumkronen.
„Ihre Qualifikationen“, hakte er nach.
Seine Stimme klang seidig, hypnotisierend. So nah, dass sie Eloise einzuhüllen und die Leere in ihrem Brustkorb auszufüllen schien. Sie trank einen Schluck und stellte das Glas zurück auf den Tisch, ohne die Hand davon zu lösen. Als wäre es ein Anker, der sie an die Wirklichkeit und an ihre Pflichten Elana gegenüber erinnerte. „Außer meiner Freundschaft mit der Kronprinzessin?“
„Ginge es nur um Freundschaft, würde man Ihre Anwesenheit hier nicht dulden.“
Sie zog die Brauen hoch. „Meine Anwesenheit wird nur mit knapper Not geduldet“, brummte sie. In der nächsten Sekunde merkte sie, wie viel ihre Bemerkung verriet. Ihre Wangen fühlten sich heiß an, und sie hoffte inständig, dass sie nicht errötete.
„Gestern waren Sie nicht hier, und niemand schien heute mit Ihnen zu rechnen.“
Er war in der Tat scharfsinnig. „Ja, Eure Hoheit. Ich bin nicht mit der Delegation gereist.“
„Wieso nicht?“
Darauf gab es zwei Antworten. Beide trafen zu. Die Delegierten wollten sie nicht dabeihaben. Entscheidender allerdings war die Tatsache, dass Eloise nie mit einem Flugzeug reiste, wenn sie es vermeiden konnte. Schon beim Gedanken an einen Flug brach ihr kalter Schweiß aus. „Ich bin mit dem Auto hergefahren“, sagte sie nach kurzem Zögern.
„Aus Ras Sarat? Das muss Tage gedauert haben.“
„Ja.“ Sie redete schnell weiter, um ihm zuvorzukommen. Ihre Flugangst war ein zu persönliches Thema, machte sie zu verletzlich. „Ich fahre gern landschaftlich schönen Strecken, wann immer ich kann.“
Sein Stirnrunzeln legte nahe, dass er nicht überzeugt war.
„Was meine Qualifikationen betrifft: Ich habe einen Abschluss in Jura aus Oxford und einen in Wirtschaft von der London School of Economics.“
Falls ihn das überraschte, zeigte er es nicht. „Sie haben zusammen mit der Prinzessin studiert?“
„Wir waren zusammen in der Highschool und später in Oxford, richtig.“
Er ließ einen Moment verstreichen. Dann ging er zur Tür und öffnete sie. „Wir werden jetzt fortfahren.“
Als hätten die anderen Männer direkt auf der anderen Seite der Tür gewartet, traten sie unverzüglich in den Saal. Eloise kehrte zu ihrem Stuhl am Tischende zurück.
Sie fand das Gespräch mit dem Scheich merkwürdig und unbefriedigend. Das abrupte Ende enttäuschte sie. Seine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte ihr gefallen. Jetzt sprach er wieder zu anderen Menschen, und es fiel ihr schwer, nicht gekränkt zu sein.
Doch was er sagte, schien die Welt aus den Angeln zu heben: „Die Verhandlungen werden in einer Woche wieder aufgenommen. Es ist sinnlos, sie zum jetzigen Zeitpunkt fortzusetzen.“
Der Chefdiplomat aus Ras Sarat stotterte etwas, und Eloises Puls schnellte in die Höhe. Hatte sie den Scheich abgeschreckt? Sie sollte seine Eignung als Ehemann prüfen, nicht jegliche Hoffnung auf die Ehe zerstören.
„Aber Eure Hoheit“, argumentierte der Chefdiplomat, „dies ist – mit allem gebotenen Respekt – eine sehr vorteilhafte Verbindung. Sie beabsichtigen doch gewiss nicht, die Idee gänzlich aufzugeben?“
„Sagte ich, das wäre meine Absicht?“, fragte er kühl.
„Nun, nein, aber ich verstehe nicht, welcher andere Grund Sie zu diesem Aufschub bewegen könnte.“
„Die Prinzessin hat sich noch nicht entschieden. Sollte sie mich nicht heiraten wollen, ist eine Diskussion über Einfuhrzölle für uns alle Zeitvergeudung.“
„Würde Ihre Hoheit diese Ehe nicht ernsthaft wollen, hätte sie uns nicht entsandt.“
„Und sie hätte auch keine Abgesandte geschickt, um meine Eignung als Ehemann zu überprüfen“, konterte Tariq.
Jetzt wusste Eloise, dass ihre Wangen so rot waren, wie sie sich anfühlten. Sämtliche Augenpaare im Saal hefteten sich auf sie.
„Bei einer Ehe geht es um mehr als Handelsabkommen und staatliche Kooperation“, erklärte der Scheich. Eloise fragte sich, ob jemand außer ihr die Anspannung wahrnahm, die in diesem Satz mitschwang. „Ihre Hoheit hat ein hervorragendes Urteilsvermögen bewiesen, indem sie trotz der großen Anreize für die Hochzeit Vorsicht walten lässt. Doch bis Miss Ashworth bereit ist, der Prinzessin diese Ehe zu empfehlen, wären weitere Verhandlungen Zeitverschwendung.“ Er wandte sich Eloise zu.
Jedes Fitzelchen Sauerstoff schien mit einem Schlag aus ihren Lungen zu entweichen.