Mit unsern Mörsern gegen West und Ost - Unbekannter Autor - E-Book

Mit unsern Mörsern gegen West und Ost E-Book

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Beschreibung

Nach einer schweren Erkrankung befindet sich der deutsche Major Blümner im Sommer 1914 zur Genesung im Offiziersheim Taunus. In den idyllischen Frieden dieses Paradieses schlägt plötzlich die Nachricht vom Ultimatum Österreichs an Serbien wie eine Bombe ein. Die Kriegserklärung folgt. Russland macht mobil. Das bedeutet auch Krieg für Deutschland. Die Genesenden haben keine Ruhe mehr, einer nach dem andern tritt die Heimreise an. Auch der Major verlässt das Offiziersheim, obwohl der Arzt noch eine mehrmonatige Erholung für notwendig hält. Alle spüren die drohende Kriegsgefahr und erwarten das Unvermeidliche. Als der Mobilmachungsbefehl am 1. August eintrifft, hat die quälende Ungewissheit endlich ein Ende. Sofort sind nur noch hastende Soldaten und Offiziere zu sehen. Der Ernst des Krieges wird immer mehr bemerkbar. Ohne sich groß besinnen zu können ist Major Blümner mit seinem Bataillon bald Teil des großen Vormarschs. Nur wenige Tage später überschreiten deutsche Truppen die luxemburgische Grenze und geraten bald in heftiges Feuer.

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Mit unsern Mörsern

gegen West und Ost

 

_______

Erstmals erschienen im:

Verlag von E. S. Mittler & Sohn,

Berlin, 1916

__________

Vollständig überarbeitete Ausgabe.

Ungekürzte Fassung.

Buchbearbeitung: Nadja Mondy

Klarwelt-Verlag, Leipzig, 2022

© Alle Rechte vorbehalten.

www.klarweltverlag.de

 

 

Meiner lieben Frau

in Dankbarkeit

zugeneigt.

 

In meinen schwersten Tagen

Hast du mit mir getragen,

Dein Herz nahm mir die Sorgen,

Dein treues, heißes Herz.

 

Und schmerzten meine Wunden

In manchen langen Stunden,

Du legtest Rosen drauf,

Der Liebe rote Rosen.

 

Viel Monde Tag und Nacht

Hast du bei mir gewacht,

Dein Wort war Ruh und Friede,

Der Liebe Wunderwort.

Inhaltsverzeichnis

 

Titel

Vorwort.

1. Kriegserwachen in der Festung.

2. Unsichere Quartiere.

3. Vormarsch nach und durch Luxemburg.

4. Zum ersten Male im feindlichen Feuer.

5. Der Fall von Longwy.

6. Der Kaiser kommt.

7. Über die Maas.

8. Im Rücken der Sperrforts.

9. Nachtmarsch bei Sturm und Regen.

10. Ein Ausfallgefecht bei Verdun.

11. Es geht vorwärts bei der Fünften Armee.

12. Bilder von Septsarges und Umgebung.

13. Beschießung eines Forts.

14. Wir und die Einwohner.

15. Beim Feldmarschall v. Hindenburg.

16. Marsch durch Russisch-Polen.

17. Gefecht bei Ilow und Wszeliwy.

18. Erstürmung der russischen Stellung.

19. Kampf um den Bzura-Abschnitt und Verwundung.

Vorwort.

 

Wenn draußen im Felde die Kameraden bei ungeheuren Anstrengungen und Entbehrungen um den deutschen Sieg ringen und die Heimgebliebenen für die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Lebens unermüdlich schaffen, so lastet die Untätigkeit infolge langer Krankheit schwer auf dem, der mit seinem ganzen Fühlen und Denken bei dem Weltkriege ist. Da greift er statt des Schwertes zur Feder, um wenigstens etwas Befriedigung in der Arbeit zu finden, und versenkt sich in die Erinnerungen, die ihn an den Krieg binden.

So entstand dies Büchlein. Möge es zu den alten neue Freunde für unsere schöne Waffe werben. Denen aber, die mit mir, Gurt an Gurt, in die Bahn des Krieges geritten sind, sei es ein Gruß aus der Heimat und Dank für treue Mitarbeit in großer, schwerer Zeit. Für die mir in zuvorkommender Weise überlassenen Abbildungen spreche ich dem Kommando Pionier-Regiments Nr. 20, Feldluftschiffer-Abteilung 4, Herrn Werner Voigt und Herrn Leutnant Schröter meinen herzlichsten Dank aus, ebenso Herrn Professor Paul Voigt für den künstlerischen Entwurf der Umschlagzeichnung.

 

Wiesbaden, Dezember 1915.

Der Verfasser

 

1. Kriegserwachen in der Festung.

 

Nach schwerer Erkrankung befand ich mich im Sommer 1914 zur Genesung im Offiziersheim Taunus. In den idyllischen Frieden dieses Paradieses schlägt plötzlich wie eine Bombe die Nachricht vom Ultimatum Österreichs an Serbien. Die Kriegserklärung folgt. Russland macht mobil. Das bedeutet auch Krieg für uns. Wir Genesenden haben keine Ruhe mehr, einer nach dem andern reist ab. Auch ich kehre am 31. Juli zum Regiment zurück, trotzdem der Arzt noch eine mehrmonatige Erholung für notwendig hält.

Auf der Fahrt komme ich mit einer Französin, die von einem Besuch in Schlesien heimfährt, in ein interessantes Gespräch. Als sie erzählt, es gäbe dieses Jahr guten Wein in Frankreich, meine ich, wir Deutschen wären bereit, ihn in Frankreich selbst zu proben. „Nein”, sagt sie, „wir haben erst Gegenbesuch zu machen, Sie waren ja 1870 da.” Darauf ich: „Wir nehmen aber den Besuch nicht an.” Weiterhin sprechen wir davon, dass den Franzosen der Krieg jetzt gar nicht passt. „Sie fühlen, dass sie nicht schlagfertig sind”, sage ich — „vor allem fehlen ihnen Stiefel, und ohne Stiefel kann man nicht marschieren.” „Ja, deutsche Offiziere in Gleiwitz haben mir schon geraten, doch einige Paar nach Frankreich mitzunehmen,” erwidert sie kleinlaut. „Und bei uns, da fehlt kein Hosenknopf!”, „wirft stolz ein Saarbrücker Herr, der in demselben Abteil fährt, dazwischen.

Die Französin, die zu ihrem Bruder, einem Leutnant in Lunéville, reist, sieht erstaunt, dass schon alle Brücken und Tunnels, an denen wir vorübereilen, mit Posten besetzt sind.

Am Bahnhof erwartet mich meine Familie, tief bewegt. Statt der Hoffnung, mich nun vollends kräftig pflegen zu können, steigt das Gespenst baldiger Trennung wieder vor ihrem Auge auf. — Mein liebenswürdiger Regimentskommandeur lässt mir so viel wie möglich Schonung angedeihen und mich als Artilleriekommandeur vom Abschnitt durch einen anderen Herrn vertreten. Ich habe nur die Tätigkeit innerhalb der Stadt.

Ein Ultimatum soll an Russland und an Frankreich gestellt sein. „Drohende Kriegsgefahr” wird verkündet. Alle sind wir voll fiebernder Erwartung. Als endlich der Mobilmachungsbefehl am 1. August ½ 8 Uhr abends eintrifft, ist’s eine Erlösung nach der schwülen Ungewissheit.

Nun beginnen Tage angestrengter Arbeit für alle Truppenteile; mein Bataillon ist als schwere Artillerie des Feldheeres aus den Kriegsstand zu erheben, auszurüsten und zu bespannen. — Unsere Stadt bildet ein großes Feldlager. Überall hastende Soldaten, teils bunt, teils feldgrau. Selbst vom Sonntag merkt man nichts. Der Militärgottesdienst fällt aus. An allen Brücken, an der Reichsbank, am Bahnhof stehen die Vertreter des „Militarismus”. Vor und auf dem Platz treten Hunderte von Armierungsarbeitern an. Auf Krümperwagen fahren Mönche, die die Seelsorge in den Lazaretten der Umgegend übernommen haben, zur Stadt hinaus. — Ein ergreifendes Bild ist’s, als aus den Altersstiften die schwachen, gebrechlichen Mütterchen mit ihren weißen lothringischen Häubchen, von Nonnen gestützt, aus der erbarmungslosen Festung wanken, die ihnen die Hoffnung auf einen ruhigen Lebensabend nicht erfüllt.

Vom Innern Deutschlands treffen die Reservisten ein; in großen Kolonnen ziehen sie vorüber, in völliger Ordnung ohne Führung von Soldaten. Tag und Nacht klingt's durch die winkligen Straßen unserer alten Festung: „Haltet aus, haltet aus im Sturmgebraus”, das rechte Marschlied für unsere Feldgrauen in diesem Kriege. Wir blicken in Augen, die von Abschiedsweh, Opferfreudigkeit und Kampfesmut reden, sehen die schwieligen Hände, wie sie ihre kleine Tasche, ihr Bündel fest umspannen, alle bereit, mit uns an derselben Aufgabe zu arbeiten, nun es sein muss mit Blut und Eisen neue Ruhmesblätter deutscher Geschichte zu schreiben.

 

Wir alle stehen dann

Mutig für einen Mann,

Kämpfen und bluten gern

Für Thron und Reich.

 

Welche Begeisterung überall! Bei einer Kompagnie der Pioniere 20 wird die Parole verlesen: „Es lebe der Kaiser”; da ruft die ganze Kompagnie plötzlich dreimal Hurra und singt „Deutschland, Deutschland über alles”.

O ihr unvergesslichen Augusttage 1914!

 

Am 5. August hat nun auch England uns den Krieg erklärt. Unsere Siegeszuversicht wird dadurch nicht gemindert. Der Zorn gegen das „perfide Albion” kennt keine Grenzen. Italien verhält sich sehr lau, ein eigenartiger Bundesgenosse, der Jahrzehnte lang die Vorteile des Dreibundes genießt, in der Stunde der Not aber kühl zur Seite steht.

Meine Frau richtet einige Zimmer mit Betten, Wäsche und Geschirr zur Aufnahme von Kranken her, doch sollen in Metz schon 1200 Betten für Verwundete bereitstehen. Opferfreudigkeit und Organisation wohin man schaut!

Mit den Meinen vereint mich noch ein Buß- und Betgottesdienst, eine ernste zu Herzen gehende Feier, für die unser Militäroberpfarrer erhebende und begeisternde Worte findet. Danach nehmen wir gemeinsam das Abendmahl, das einen tiefen Eindruck auf mein durch den baldigen Abschied bewegtes Gemüt macht.

Der Ernst des Krieges wird immer mehr bemerkbar. Kanonendonner in der Ferne sagt uns, dass unsere Luftzielbatterien feindliche Flieger zurückweisen. Vor der Kommandantur begrüßt eine große Volksmenge die ersten Gefangenen, elf französische Jäger; Kompagnie Rasch von den 144ern hat nordwestlich St. Privat französische Vorposten überfallen. Der durch seine Erzwerke für uns wertvolle Landstrich von Briey wird von unseren Truppen besetzt. Leutnant Rechenberg, der diesen schönen Erfolg mit seinem Leben bezahlte, wird auf unserem Garnisonfriedhof beigesetzt, vielleicht der erste Offizier, der in diesem Kriege für Deutschlands Ruhm und Freiheit gefallen ist.

Am 7. August abends geht aus der Kommandantur die Fahne hoch. Großer Jubel! Lüttich ist vom X. Armeekorps gestürmt worden. Wie dort die ehrwürdige Kaiserglocke, so kündet hier die „Mutte”, die alte Sturmglocke von Metz, den Sieg an. Am nächsten Tage prangt unsere lothringische Festung im Flaggenschmuck. In der Umgebung aber verbirgt sich noch manche französische Gesinnung; im kleinen Vorort St. Julien sind allein fünf Bewohner von Gendarmen festgenommen worden.

Am zehnten Mobilmachungstage ist Aufstellung des Mörser-Regiments vor seinem Kommandeur. Er hält eine eindrucksvolle Rede, die in ein Hoch auf den Kaiser, den König und unseren Armeeführer, den Deutschen Kronprinzen, ausklingt. Hierauf richtet der General der Fußartillerie der Festung einige Worte ans Regiment und weist auf die Tatsache hin, dass zum ersten Male in der Kriegsgeschichte ein „bespanntes Mörser-Regiment” ins Feld zieht.

Auch ich sehe hier mein Kriegsbataillon, das ich im Feldzug zu Ehre und Sieg führen soll, völlig besetzt und bespannt vor mir: den Bataillonsstab, zwei Mörserbatterien und eine leichte Munitionskolonne.

Eine schwere Stunde steht mir noch bevor, das Scheiden von den Meinen. Wie alle Offiziers- und Beamtenfamilien, deren Oberhaupt hier nicht dienstlich im Kriege tätig ist, müssen meine Lieben die Festung verlassen. Auf dem Wege zum Bahnhof finden wir den Platz davor von Truppen mit aufgepflanztem Bajonett abgesperrt. Alle Angehörigen der feindlichen Staaten werden abgeschoben; die Truppen sollen sie vor etwaigen Ausschreitungen des Volkes schützen. Doch dessen bedurfte es nicht. Mit ruhiger Würde sieht die Bevölkerung sie von dannen ziehen ein bewundernswertes Gegenstück zu der schmachvollen Behandlung der Deutschen in Frankreich und Belgien. — Nun ein innerlich bewegter, aber äußerlich ruhiger Abschied von den Meinen. „Auf Wiedersehen! auf Wiedersehen”, drängt sich’s immer wieder auf unsere Lippen. Weiter darf die Fantasie uns nicht führen. Mit brennenden Augen schaue ich dem endlos langen Zuge nach. Wann werde ich Euch, meine Lieben, wiedersehen?

2. Unsichere Quartiere.

 

Am 13. August rückt das Regiment in Quartiere nordöstlich von Metz ab. Als ich mit meinem Stabe durch das Dorf St. I. reite, sehen wir das Haus eines Verräters in Trümmern liegen. Auch die Wirtschaft am Eingang des Orts soll noch niedergelegt werden, da bei ihrem Besitzer Karten der Befestigungen gefunden wurden.

Den Marsch des Bataillons benutze ich zu einer gefechtsmäßigen Übung, um die aus den verschiedensten Waffengattungen zusammengewürfelten Teile zu einem festen Ganzen zusammenzuschweißen.

In unsere Quartiere gehen wir nicht mit großen Erwartungen. Wir kennen ja die schmutzigen Dörfer Lothringens. Die Gassen bieten ein Bild der Unordnung und Verkommenheit, und statt blumenreichen Vorgärten liegen vor jedem Hause die Düngerhaufen. Dazu kommt die Unsicherheit der Gegend. In meinem Unterkunftsort Bettsdorf ist erst in der vergangenen Nacht auf einen Posten geschossen worden. Ich drohe daher dem Ortsvorstand an, ihn festzunehmen, wenn irgend eine feindliche Handlung von Ortsbewohnern gegen unsere Truppen geschehen würde. Da der sogenannte „Maire”, das Oberhaupt einer deutschen Gemeinde, nicht deutsch versteht, muss ihm der als Gemeindeschreiber tätige Lehrer alles übersetzen. Dann lasse ich von den Bewohnern alle Waffen abliefern. Es ist hier noch Brauch, dass alle Anordnungen in französischer Sprache vom Gemeindediener unter Trommelschlag verkündet werden.

In Bettsdors kommt keine Unbotmäßigkeit vor, doch wird die 6. Batterie im Schloss und Gut Chalincourt des Nachts mehrfach von Schüssen aus dem Walde beunruhigt. Die Besitzerin, eine französische Generalswitwe, flüchtete bei Kriegsgefahr sofort zum geliebten „charmant pays de France”. Auch in Menschen bei der leichten Munitionskolonne gibt’s in der Nacht Schießerei. Sofort wird alarmiert, alle Häuser werden durchsucht und eine Streife durch die Felder gemacht ohne Ergebnis. Im benachbarten Einzelgehöft Karlshof werden fünf russische Arbeiter und Arbeiterinnen entdeckt, die der Ausweisung entgangen sind, nun aber von uns abgeschoben werden. Schließlich wird noch ein sechzigjähriger Dorfbewohner verhaftet, der sich durch fortwährendes Schimpfen auf die Deutschen und auf unsere Posten verdächtig macht. Die Dorfleute erzählen, er hätte ihnen schon 1870 als französischer Freischärler viele Unannehmlichkeiten bereitet. Er hetzte auch jetzt unausgesetzt. Sie wären froh, wenn sie ihn los wären. Das ist ein echtes Bild unseres lothringischen Volkes. Wenn auch an der französischen Sprache festhaltend, haben sie sich in der Mehrzahl längst mit den deutschen Verhältnissen abgefunden — viel besser als das deutsche Elsass. Sie wollen nur endlich Frieden haben. Da gibt’s leider überall einzelne Hetzer und Eiferer, die Unruhe ins Land tragen und das Bild trüben.

Der Regimentskommandeur ordnet noch ein Umstellen und Absuchen des verdächtigen Waldstücks durch 400 Mann an. Bei diesem Kesseltreiben wurde nur eine Sau aufgestöbert. — Ich werde im Hause eines kleinen Landmanns freundlich ausgenommen. Der Mann ist als Landstürmer bei den Armierungsarbeiten der Festung beschäftigt. Die eifrig französisch schwatzende, aber fürsorgliche Frau hat ihn dort besucht und ist befriedigt von seiner Lage und Behandlung zurückgekehrt. Nur die Kinder können Deutsch und singen mir abends zur Freude: „Nun ade, du mein lieb Heimatland” und „Goldene Abendsonne, wie bist du so schön”.

Des Mittags nehmen wir unser einfaches, aber schmackhaftes Mahl mit dem Regimentsstabe zusammen in einem kleinen Zimmer der Dorfwirtschaft ein; wir nennen sie nach dem Verpflegungsoffizier des Stabes „Hotel Bonke”.

Die Batterien arbeiten fleißig, ihre Kriegsfertigkeit zu erhöhen. Mann und Pferd werden einmarschiert, die Befehlstätigkeit eingespielt. Beobachtungs- und Nachtübungen vereinigen mehrmals das Bataillon. Die Stimmung unter unseren Leuten ist gut. Die Nachrichten von den Erfolgen unserer Flotte und von der Niederlage der Franzosen bei Mülhausen entfachen Eifer und Begeisterung. Eine Siegesbotschaft, die sich immer wieder meldet, stößt bei uns auf Zweifel: die Einnahme von Belfort. Und dies mit Recht.

 

3. Vormarsch nach und durch Luxemburg.

 

Endlich soll unser Tatendrang befriedigt werden; der Friedensübungen müde, wollen wir heran an den Feind. In zwei Tagen führt uns der Marsch an die luxemburgische Grenze. Unterwegs haben wir die Freude, unserem allverehrten Armeeführer, dem deutschen Kronprinzen, zu huldigen. Er fährt im Kraftwagen an uns vorüber. Begeistert ruft alles, Offizier und Mann, ein freudiges Hurra. Der Kronprinz, im schwarzen Gewände der Totenkopfhusaren, steht auf und winkt uns freundlich zu.

Kurz vor der kleinen lothringischen Festung Diedenhofen vereinigt sich unser Mörser-Regiment zu einer Marschgruppe mit dem Pionier-Regiment Nr. 20; mit ihm sollen wir in unserem ersten Waffengang Schulter an Schulter kämpfen. Die heiße Augustsonne brennt sengend auf Mensch und Tier. Eine dicke, schwüle Luft mischt sich mit dem Staub der Landstraße, und die „Schwermüter”, wie wir unsere schweren schleswig-holsteinschen Zugpferde nennen, bedecken sich mit Schweiß. Mit den stark belasteten Fahrzeugen hinter sich wird es ihnen anfangs nicht leicht, mit den flinken Pionieren Schritt zu halten. Doch das ändert sich bald. Auch die Pferde machen die Erfahrung: im Kriege lernt man schnell. Nun sind wir im deutschsprechenden Lothringen. Welch eine Änderung im Verhalten der Bewohner! Keine Feindseligkeit mehr, und an die Stelle der Gleichgültigkeit tritt Verständnis für unsere Bedürfnisse. Gern stellen die Leute Wasser vor die Häuser, um die erschöpften Menschen und Tiere zu erquicken. Ja, sie verteilen Zigarren und Brötchen unter die Feldgrauen. Auch bei der Unterkunft sind die Einwohner entgegenkommend. Süftgen, ein kleiner Ort an der luxemburgischen Grenze, ist vollgepfropft von Truppen und Kolonnen, und doch kommt auch unser Regiment noch unter. Der liebenswürdige Ortsgeistliche nimmt mich, meinen Adjutanten und den Verpflegungsoffizier freundlich bei sich auf.

Ununterbrochen zieht Infanterie durchs Dorf. Man sieht den Mannschaften an, was sie schon geleistet haben. Vom Grenzschutz in Schlesien haben sie in langer, heißer Eisenbahnfahrt ganz Deutschland durcheilt. Der unsere Führer beseligende Drang nach vorn hat sie sofort wieder in Marsch gesetzt — nach Belgien. Werden wir uns anschließen? Wird unser heißer Wunsch erfüllt, mit unseren „Brummern” in den Feldkampf einzugreifen? Nein, ein anderer, aber ebenso ehrenvoller Auftrag wartet unser: Unter der Führung von Generalleutnant v. K. sollen wir zusammen mit einer Infanterie-Brigade, einem Pionier-Regiment, zwei Bataillonen schwerer Haubitzen und einer Abteilung leichter Haubitzen die kleine französische Festung Longwy berennen.

Mit diesem Ziel vor Augen, geht uns der Marsch nicht schnell genug. Jede Stockung wird verwünscht. Nur vorwärts, nur vorwärts!

Längst haben wir die luxemburgische Grenze überschritten. In der industriereichen Gegend von Keil stehen die Bewohner zu Hunderten auf der Gasse und sehen staunend dem nicht enden wollenden Durchmarsch der Truppen zu. Immer und immer wieder Soldaten! Nimmt denn das gar kein Ende? Und unbemerkt stellt sich bei ihnen das Vertrauen ein. Man knüpft mit den schmucken Artilleristen ein Gespräch an und bietet dem und jenem eine Zigarre. Man eilt gleich zu mehreren ins Haus, um dem Major auf seinen Wunsch eine luxemburgische Zeitung zu holen. Währenddessen füttert eine kleine Langzöpfige den hübschen Goldfuchs mit Zucker.

Vor der schornsteinreichen Stadt Esch hält plötzlich die Kolonne. Man hört schießen. Was ist das? Hier auf luxemburgischem Gebiet ein Gefecht? — „Seht ihr nicht die Schrapnellwolken dort vorn, hoch am Himmel? Ein französischer Flieger wird abgewiesen. Der sollte gewiss unseren Vormarsch erkunden.” — Das Flugzeug ist heruntergeholt, wir können weitermarschieren. Am Ausgang von Esch wird gerastet, und prächtig schmeckt die während des Marsches bereitete Mittagskost. Die Vorstadtbewohner setzen uns Stühle vors Haus und letzten unseren verdursteten Gaumen mit Kaffee. „Sie könnten sich schon denken, warum wir durch diesen Winkel des Landes zögen. Wir wollten doch Longwy belagern.” So läuft die Kunde vor uns her.

Erst am späten Nachmittag rücken wir in Niederkerschen ein.