U-Boote im Eismeer - Unbekannter Autor - E-Book

U-Boote im Eismeer E-Book

unbekannter Autor

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Beschreibung

Ganz nah, nur wenige hundert Meter voneinander entfernt, liegen die deutschen und die russischen Schützengräben einander gegenüber. Ein Schuss fällt von drüben, ein zweiter, dritter, zehn, hundert, tausende. Das vereinzelte Krachen schwillt an, es vereinigt sich zu einem brüllenden Tosen. Hoch, wie von der Gewalt ein-es Vulkans gehoben, spritzt die braune Erde unter dem ehernen Hagel der berstenden Granaten empor. Unerschöpflich scheint die Munition, über die der Russe verfügt. Die Luft zittert unter dem Pfeifen und Heulen der Geschosse, unter dem Surren der Sprengstücke. Schwer, träge wälzt sich in dichten Schwaden brauner und grünlichgelber Rauch heran, dann, mit einem Schlage, verstummt das Feuer. Die braunen Gestalten der Russen brechen aus ihren Gräben hervor, Welle auf Welle, unübersehbar fast stürmen sie heran . . . in den Tod. Ratternd und peitschend stürzt er sich ihnen aus den deutschen Gewehren und Maschinengewehren entgegen, reihenweise, zu Hunderten fegt er sie hinweg. Jede Scholle scheint Leben bekommen zu haben, speit Verderben und Vernichtung. Ein Stutzen, ein Zögern! Ein einzelner wendet sich, zwei, ein Zug, ein Regiment. In wilder Todesangst klettern sie über die zu Bergen getürmten Leiber gefallener Kameraden, suchen Schutz, Deckung, fliehen . . . fliehen . . . in die eigenen Maschinengewehre hinein, die jetzt den Überfluss an Munition gegen sie kehren.

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U-Boote im Eismeer

 

 

_______

Erstmals erschienen bei:

August Scherl G.m.b.H.,

Berlin, 1916

__________

Vollständig überarbeitete Ausgabe.

Ungekürzte Fassung.

© 2020 Klarwelt-Verlag

ISBN: 978-3-96559-220-9

www.klarweltverlag.de

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Ausfahrt

Grubenholz für England

Verfolgt

In Sturm und Eis

Kreuzerkrieg

Die Begegnung

Alexandrowsk

Reiche Beute

Die Bistritza

Der Überfall

Trommelfeuer

Ausfahrt

„ . . . Sie stehen also vor einer schweren, aber außerordentlich wichtigen Aufgabe, deren gelungene Durchführung von ganz gewaltiger Tragweite sein kann. Russland ist in seiner Zufuhr von Munition, Kriegsmaterial und sonstigen Erfordernissen auf den Seeweg um das Nordkap angewiesen; den Leistungen der transsibirischen Eisenbahn kommt bei den Erfordernissen des heutigen Krieges nur ganz beschränkte Bedeutung zu.

Diese Zufuhrstraße zu unterbinden und nach Möglichkeit auszuschalten, ist Ihre Aufgabe. Nebenbei werden Sie bei dieser Tätigkeit auch England durch Störung der Holztransporte von Archangelsk empfindlich treffen können.

Die Durchführung fordert von Ihnen und Ihren Mannschaften die Hergabe des Äußersten und Letzten; es werden Anforderungen an Sie herantreten, wie sie bisher noch kaum an unsere Waffe herangetreten sind: das Fehlen jeglichen Stützpunktes, die große Entfernung von der Heimat, äußerst unsichere und ungünstige Witterungsverhältnisse, schwere See, Nebel, Kälte, vielleicht gar Eis, nichts wird Ihnen erspart bleiben. Unsere Waffe aber kennt das Wort „unmöglich“ nicht. Sie dürfen stolz sein auf das Vertrauen, das in Sie gesetzt worden ist, indem man Ihnen die Durchführung einer derart schwierigen Aufgabe übertragen hat.“

Der Flottillenchef sitzt mit dem Kommandanten der 14. Unterseeboots-Halbflottille in der Offiziersmesse des Wohnschiffes in Wilhelmshaven. Der Tisch ist mit Karten und Handbüchern bedeckt. Alle, wie sie da um die Tafel in dem stillen Raum sitzen, weisen in ihrem Äußeren Gemeinsames auf. Die scharfen Züge, in die der harte Dienst draußen in See, der keine Minute der Ruhe und Erholung kennt und immer gespannteste Aufmerksamkeit fordert, seine Zeichen eingegraben hat, die kühlen, willensstarken Augen, aus denen eiserne Entschlossenheit spricht. Keine Bewegung verrät den Stolz und die Freude, die sie über den ihnen erteilten Auftrag empfinden.

„Sie werden in den nächsten Tagen noch genügend mit der Ausrüstung ihrer Boote zu tun haben. Nach den Erfahrungen, die Sie in letztem Winter ja reichlich zu sammeln Gelegenheit hatten, werden Sie die nötigen Vorkehrungen für diese besondere Fahrt selbst am besten beurteilen können. Sollten sonstige Wünsche vorliegen, betrachten Sie diese selbstverständlich vorweg als erfüllt. Und nun, meine Herren, wollen wir keine Zeit verlieren!“

Ein fester Händedruck, eine kurze Verbeugung, und die Tür schließt sich hinter ihnen.

Nebeneinander, scharf nach den Türmen ausgerichtet, liegen die Boote der Halbflottille aneinander festgemacht im Hafen. Unter den Leuten herrscht größte Spannung. Die Dienstfreien stehen an Deck und sehen nach ihren Kommandanten aus, die plötzlich vor zwei Stunden zum Chef gerufen wurden. Irgendetwas liegt in der Luft. Alles ist klar, wohin aber soll es diesmal gehen?

Ein jeder äußert eine andere Vermutung. Ob wieder einmal gegen England, ins Mittelmeer oder vielleicht gar nach Amerika? Je schwerer die Aufgabe, desto größer die Freude. Die Kommandanten sind an Bord.

Sofort werden die Befehle für die Ausrüstung der Boote gegeben. Proviant, Munition und sonstige Ausrüstungsgegenstände werden in großen Mengen herangewacht, auch an stärkenden Getränken, dem „Allheilmittel“ gegen die draußen zu erwartende große Kälte fehlt es nicht.

Alles ist klar.

Die Post wird gebracht, die letzten Feldpostbriefe und Karten zurückbleibenden Kameraden zur Beförderung übergeben. Die Boote sind seeklar gemeldet, die Schleuse ist benachrichtigt.

„Leinen los! „Absetzen! Langsame Fahrt voraus!“

Weißer Ölqualm stößt ruckweise aus dem Schornstein, das Dröhnen und Knattern der Motoren erfüllt die Luft. Langsam gleitet „U 195“ als erstes auf die Einfahrt zu, deren Schleusentor zur Aufnahme geöffnet ist. Längsseit machen die übrigen Boote der Halbflottille fest. Minuten darauf sind die Tore nach der Hafenseite geschlossen, das Wasser sinkt, bis es den Spiegel der Jade erreicht hat. Dann öffnen sich die Tore nach See zu, und ein Boot nach dem anderen rundet die Mole. In hellem Sonnenschein des klaren Herbsttages gleiten sie die Jade abwärts, vorbei an mächtigen Linienschiffen und Kreuzern, aus deren Schornsteinen dünner Rauch zieht und in der lichterfüllten Luft zittert und flimmert. Über grüne Deichkronen ragen die roten Dächer kleiner Sieldörfer, weiter binnen dehnen sich verstreute Baumgruppen. Gegen Wind und Wetter schützen sie die Gehöfte, die unter ihnen hingeschmiegt liegen. An Backbord gleiten Rüstersiel und Hooksiel vorbei; an Steuerbord Eckwaarden und weiter abwärts das weiße Strandhotel von Tossens. An einzelnen Stellen waten drüben Leute dicht unter Land bis an die Hüften im Wasser. Granatfischer, die ihrem schweren, aber jetzt so einträglichen Gewerbe nachgehen. Die Küste tritt an Steuerbord zurück, hellgelb flammt der Sand der Mellumplatte in der Mittagssonne auf. Weiter geht es in flotter Fahrt mit dem Ebbstrome der Nordsee zu, vorbei an Schillighörn. Die Sanddünen von Minsener-Oldeoog und dahinter der weiße Sand von Wangeroog kommen auf.

In hoher Fahrt braust ein halbes Dutzend auslaufender Torpedoboote vorüber. Dicken Rauch lassen sie zurück, der die Aussicht vom Turm eine Weile völlig behindert. Allmählich nur treibt der leichte Westwind ihn nach der Butjadinger Küste hinüber. Blutigrot leuchtet die Sonne nach einem Augenblick durch den Qualm, der allmählich verweht. . . In leichten Brechern kommen die Heckwellen an die Boote heran, jagen Spritzer auf Vor- und Achterdeck, dass die dort stehende Mannschaft sich schleunigst in den Schutz der Leeseite des Turmes flüchtet. Alles, was nicht durch den Dienst unten festgehalten wird, genießt das herrliche Wetter oben an Deck. Nur zu bald heißt es wieder, hinunter in den Öldunst und in die vom Knattern und Dröhnen der Motoren erfüllten Räume.

Nahezu spiegelglatt liegt die Oberfläche der See, in leichter, kaum sichtbarer Bewegung nur hebt und senkt sie sich, wie im Schlummer die Brust eines schlafenden Riesen. Der schmutzige, graugelbe Strom der Jade ist längst zurückgeblieben und hat dem klaren, glasgrünen Wasser der Nordsee Platz gemacht. Steuerbord voraus leuchten die Sandsteinfelsen Helgolands herüber, recht voraus pflügt langsam ein Finkenwärder Fischer mit hohem braunen Segel vor der Kurre durch die See. Tiefer Friede überall. Die Vorpostenboote kommen in Sicht und werden passiert. Sie haben ihren guten Tag. Ist ihnen auch wohl zu gönnen, nach den vielen Wochen schwerer See, in denen ununterbrochen ein Brecher nach dem anderen heranrollte, in denen sie sich die Seele aus dem Leibe schlingerten. Die ganze Mannschaft ist an Deck, weiß leuchtet an den Waschjollen das frischgewaschene Zeug. Einige Leute sitzen an der Reling und suchen durch den Fang feister Schollen die etwas eintönige Speisenfolge abwechslungsreicher zu gestalten.

Die Sonne geht zur Rüste. Gleißend und schimmernd zeichnet sich ihre Bahn, wie reines Gold leuchten die Spitzen der kleinen Wellen. Langsam, allmählich setzt sie auf das Wasser auf, dann sackt sie weg, die Nacht bricht herein. Weit schon außerhalb des Sicherungsgürtels stehen die U-Boote. Von hier ab heißt es doppelt vorsichtig sein, scharfen Ausguck halten.

In gleichförmigen Takt stampfen die Motoren, ruhig, eintönig mahlen die Schrauben durch das Wasser. Trotz der vorgerückten Jahreszeit ist die Luft lind und warm. Vom Turm aus spähen scharfe Augen hinaus, suchen Nachtgläser das Dunkel der Nacht zu durchdringen. Phosphoreszierend glänzt in bläulich-silbernem Schimmer das Schraubenwasser. — Meerleuchten. Ein herrliches Schauspiel dem Laien, doppelt unangenehm dem U-Bootsmann, der etwas bewegtere Oberfläche lieber sieht. Nur zu leicht kann ihn das Blitzen von Bugwellen und Schraubenwasser feindlichen Spähern verraten. An Steuerbord voraus leuchtet dicht über dem Wasser ein Licht auf. Anscheinend ein dänischer Motorfischer, der in leichtem Bogen umfahren wird. Wachwechsel. Mit leisen Worten wird an Oberdeck vom Wachoffizier, Rudergänger und Ausguck der Dienst übergeben. Wenige Minuten später tauchen aus den geöffneten Niedergängen die Köpfe der abgelösten Mannschaft und des Maschinenpersonals auf, um sich vor dem Schlafengehen noch einmal oben die Lungen voll frischer Luft zu pumpen. Ruhig, ohne Zwischenfall geht die Fahrt auf Nordkurs weiter. Der Tag dämmert herauf, klar kommt die Sonne hoch. In Nordwest steht auf Sekunden nur eine im Winde verwehte Rauchfahne, das Schiff selbst bleibt unter der Kimm. Sonst wird nichts gesichtet.

An Steuerbord liegt das Skagerrak. über das Schlachtfeld zieht „U 195“ hinweg. Unten, über 60 Meter tief, ruhen die Opfer des 31. Mai. „Queen Mary“, „Invincible“, „Indefatigable“ und wie sie alle heißen. Auch von deutscher Seite schläft hier manch lieber Kamerad letzten Seemannsschlaf. Ein Augenblick nur des Gedenkens an den Tag, da Englands Trafalgarruhm unter dem krachenden Bersten deutscher Granaten hier in Trümmer geschlagen wurde. Die Seeschlacht ist kein Wirkungsfeld für das U-Boot. Anderes, vielleicht Härteres noch verlangt die Eigenart der Waffe vom U-Bootsmann. Von allen Seiten umgeben ihn die Gefahren, nicht ein Augenblick der Ruhe, der Entspannung. Ein Jäger, der lautlos sich an das Wild heranpirscht, im nächsten Augenblick selbst gehetzt, gejagt. Keine Zeit gibt es, daran zu denken. Weit noch ist der Weg, hoch im Norden liegt das Ziel·

„Äußerste Kraft voraus!“

Grubenholz für England

In bläulich verschwommenen Linien zieht sich recht voraus der schimmernde Strich der norwegischen Küste. Nach Stunden erst kommt „U 195“ soweit an sie heran, dass das Land deutlicher auszumachen ist. Steil stürzen schwarze Granitfelsen zum Meer hinab, tiefeingeschnittene Fjorde öffnen sich, zahlreiche kleine Inseln und Schären heben sich aus der blaugrün gefärbten See. Weiter binnenlands springen ragende Bergzüge in den klaren Himmel, blendendweiß leuchtet es von ihren Kuppen: Neuschnee. hier hat der Winter schon seinen Einzug gehalten.

Kein Haus, keine menschliche Ansiedlung meilenweit. Öde und verlassen scheint das Land, erstarrt. Und einsam, tot liegen auch die Inseln und Schären. Einzelne Seezeichen nur verraten, dass hier Menschen leben. Der Wind frischt auf. An den Granitfelsen brandet donnernd die See, hell leuchtet der Gischt zerstiebender Brecher herüber. Das Fahrwasser hier ist überaus gefährlich. . . Zahllose Klippen und Riffe lauern unter der Oberfläche. In jahrtausendelanger Zerstörungsarbeit hat die stürmische See weggewaschen, was von ihnen aus dem Wasser hinausragte.

Ein Zeichen von Leben: An geschützten Abhängen drüben ziehen dunkle Tannenwälder, dicht an der Küste liegt ein einsames Gehöft. Schäumend stürzt ein kleiner Gebirgsbach in die See.

Zahlreicher werden die Inseln und Schären voraus. Ein weißer Leuchtturm hebt sich ab. „U 195“ hält weiter in See hinaus, sie zu umgehen. Die dürftigen Spuren von Leben bleiben wieder zurück, schweigend gleitet stundenlang das Land vorbei. Das gleiche düstere, trostlose Bild: die schwarzen, starrenden Wände, die ragenden Berge. Kein Laut, keine Bewegung. Nur Möwen, die zu Tausenden in den Klippen ihre Brutplätze haben, kommen leichtbeschwingt heran, spähen gierig nach Beute und verschwinden, da sie nichts Fressbares zu ergattern vermögen, unter misstönigem Kreischen unter Land.

Mit der Dämmerung staut der Wind allmählich ab, um später, als die Nacht hereinbricht, ganz einzuschlafen. Stunde um Stunde verrinnt in gleichmäßiger, ruhiger Fahrt. Weit in der Ferne donnert die Brandung, am westlichen Horizont tauchen einzelne Lichter aus und verschwinden wieder. Die Zeit ist zu knapp zu einem Abstecher; es heißt vorwärts auf dem kürzesten Wege. Haben die Dampfer, die dort fahren, Bannware an Bord, werden sie hoffentlich einem Kameraden in die Arme laufen.

Ohne weitere Zwischenfälle vergeht die Nacht, der neue Tag kommt herauf. Gegen Abend will der Kommandant auf der Höhe von Stavanger stehen. Mehr und mehr nähert sich „U 195“ dem Jagdgebiete, unendlich vorsichtig heißt es sein. Der Schiffsverkehr ist hier sehr lebhaft. Holz und Fische gehen in großen Mengen nach England und Schottland. So wichtig sind die Transporte, dass die Admiralität sie sicherlich vor den deutschen Unterseebooten zu schützen sucht und Kreuzer einzeln oder in Verbänden auf der Strecke patrouillieren lässt.

An Steuerbord gleitet die Küste vorbei. Dunkel, kahl, das gleiche Bild wie tags zuvor. Im Hinterlande werden die Gebirge höher, schroffer und zerklüfteter ragen einzelne Bergspitzen hervor. Das Wetter ist noch milde. Wärme und Richtung des Golfstromes machen sich angenehm fühlbar. Die Stimmung an Bord ist vorzüglich. Alle Luken sind geöffnet, frei und ungehindert streicht die Luft in das Innere des Bootes. Was dienstfrei ist, hält sich oben auf Vorder- und Achterdeck auf und beteiligt sich am Ausguck. Klar und sichtig ist die Luft, weithin suchen die Gläser den Horizont ab. Nichts. Ein kleiner Segelfischer nur kriecht längs der Küste entlang.

„Schiff ein Strich steuerbord! Ein Segler!“