Mitarbeiterbindung - Jörg Felfe - E-Book

Mitarbeiterbindung E-Book

Jörg Felfe

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Beschreibung

Wie wichtig ist es Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in genau dem Unternehmen tätig zu sein, bei dem sie gerade angestellt sind und nicht in irgendeiner anderen Organisation? Haben Ihre Mitarbeiter das Gefühl, sich mit dieser Organisation und ihren Zielen identifizieren zu können und empfinden sie vielleicht sogar Freude oder Stolz, dazuzugehören? Mitarbeiter, die sich ihrem Unternehmen in hohem Maße verbunden fühlen und die sich mit ihrer Organisation identifizieren, engagieren sich meistens stärker für die Interessen und Ziele ihres Arbeitgebers. Sie sind eher bereit, Veränderungen und neue Entwicklungen zu akzeptieren und bleiben der Organisation auch dann treu, wenn sich eine attraktive Beschäftigungsalternative bietet. Damit ist Mitarbeiterbindung ein wesentlicher Erfolgsfaktor, der nicht dem Zufall überlassen werden sollte, sondern besonderer Aufmerksamkeit und aktiver Gestaltung bedarf. Dieses Buch zeigt psychologische Dimensionen und Mechanismen der Mitarbeiterbindung auf und vermittelt notwendige Kenntnisse und Handlungsansätze, um sie zu erhalten bzw. zu fördern. Der Leser erhält einen komprimierten Überblick über die einschlägigen Konzepte und die relevanten empirischen Befunde zu Bedingungen und Konsequenzen von Commitment und Identifikation. Besonders thematisiert werden Bindung und Identifikation im Zusammenhang mit Fusionen, im Kontext von Zeitarbeit sowie in unterschiedlichen Kulturen. Der Autor gibt konkrete Hinweise und Empfehlungen für ein aktives Bindungsmanagement und zeigt abschließend Perspektiven für die künftige Forschung auf.

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EPUB

Seitenzahl: 663

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Jörg Felfe

Mitarbeiterbindung

2., überarbeitete und erweiterte Auflage

Wirtschaftspsychologie

Mitarbeiterbindung

Prof. Dr. Jörg Felfe

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Heinz Schuler

Prof. Dr. Jörg Felfe, geb. 1963. 1983 – 1988 Studium der Psychologie. 1991 Promotion zum Dr. phil. Seit 1993 Praxistätigkeit als Trainer, Coach und Berater. 2003 Habilitation. 2006 – 2010 Professor für Sozial- und Organisationspsychologie an der Universität Siegen. Seit 2010 Professor für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Arbeitsschwerpunkte: Führung, Commitment, Gesundheit, Personalentwicklung, Mitarbeiterbefragungen.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Deutschland

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www.hogrefe.de

Umschlagabbildung: © iStock.com by Getty Images / malerapaso

Satz: ARThür Grafik-Design & Kunst, Weimar

2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2020

© 2008 und 2020 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2505-4; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2505-5)

ISBN 978-3-8017-2505-1

https://doi.org/10.1026/02505-000

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Anmerkung:

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|5|Vorwort zur 2. Auflage

Die Bindung von Beschäftigten ist für das jeweilige Unternehmen bzw. eine Organisation im weitesten Sinne (Verwaltung, Non-Profit, Vereine etc.), aber auch für die Menschen selbst in den unterschiedlichen Organisationen von hoher Bedeutung. In der wissenschaftlichen Literatur wird Mitarbeiterbindung auch als Commitment bzw. organisationales Commitment bezeichnet. Seit die erste Auflage dieses Bandes 2008 erschienen ist, sind nun über 10 Jahre vergangen. Durch zahlreiche neue Studien ist der wissenschaftliche Erkenntnisstand in der Bindungs- bzw. Commitmentforschung seitdem erheblich gewachsen. Viele Befunde sind jetzt klarer und eindeutiger und zahlreiche neue Studien haben das bisherige Bild ergänzt und vervollständigt. 2012 ist das Befragungsinstrument COMMIT erschienen, mit dem unterschiedliche Aspekte der Mitarbeiterbindung differenziert und valide erfasst werden können. Zudem kann mittlerweile auf umfangreiche Vergleichsdaten zurückgegriffen werden, um das Ausmaß bzw. die Stärke von Bindung im Vergleich einschätzen zu können.

Das Interesse der wissenschaftlichen Forschung ist nach wie vor hoch und ein Ende ist nicht abzusehen. Auch vor dem Hintergrund von Digitalisierung und demografischem Wandel hat die Bedeutung des Themas Mitarbeiterbindung auch aus Sicht der in Organisationen verantwortlichen Entscheider und Führungskräfte eher zu- als abgenommen. Aus diesem Grund wurde eine umfassende Überarbeitung und Aktualisierung vorgenommen. Neu sind vor allem die zahlreichen Befunde in Kapitel 8.5 aus Studien, die im öffentlichen Dienst und im sozialen bzw. Dienstleistungssektor durchgeführt wurden. Hierzu zählen unter anderem Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser, Kirche, Polizei und Bundeswehr. Aktuelle Entwicklungen in der Forschung untersuchen verstärkt das Zusammenspiel unterschiedlicher Bindungen, die gleichzeitig bestehen und sich ergänzen, aber auch konfligierend neutralisieren, können. Das Kapitel 10 zu diesem „Dualen Commitment“ ist ebenfalls neu. Methodisch etabliert sich seit einigen Jahren ein neuer methodischer Ansatz, um individuelle Bindungsprofile identifizieren zu können. Die aktuellen Studien hierzu sind ebenfalls in einem neuen Kapitel (10.3) dargestellt. Erheblich erweitert wurde auch das Kapitel 6.3 zu Mitarbeiterführung als wichtiger Einflussgröße für den Erhalt und die Entwicklung von Bindung. Neu aufgenommen wurden hier unter anderem Konzepte wie das der gesundheitsförderlichen Führung, aber auch destruktive Führung.

Damit steht der interessierten Leserschaft wieder ein hochaktuelles Überblickswerk zur Verfügung, das die theoretischen und konzeptionellen Grundlagen darstellt und vor allem über den aktuellen Forschungsstand informiert. Dabei geht es auch immer um die Frage, welche konkreten Hinweise und Empfehlungen sich aus dem Stand der Diskussion zum Thema Mitarbeiterbindung für ein aktives Bindungsmanagement ableiten lassen.

Hamburg, im Oktober 2019

Jörg Felfe

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 2. Auflage

1 Einleitung

1.1 Was bedeutet Bindung an eine Organisation?

1.2 Chancen und Risiken von Mitarbeiterbindung

1.3 Globalisierung, Digitalisierung und Flexibilisierung: Ist Bindung noch möglich und zeitgemäß?

1.3.1 Erschwerung von Bindung

1.3.2 Perspektiven und offene Fragen

2 Mitarbeiterbindung: Das psychologische Band zwischen Mitarbeiter und Unternehmen

2.1 Organisationales Commitment

2.1.1 Commitment als emotionale Bindung

2.1.2 Commitment als Fortsetzung von Handlungen

2.1.3 Commitment aufgrund von Normen

2.2 Das aktuelle TCM-Modell: Komponenten und Foci (Richtungen)

2.2.1 Drei Komponenten

2.2.2 Multiple Richtungen der Bindung (Foci)

2.3 Soziale Identifikation in Organisationen

2.3.1 Theoretischer Hintergrund: Soziale Identitätstheorie

2.3.2 Theoretischer Hintergrund: Selbstkategorisierungstheorie

2.3.3 Reduktion negativer Distinktheit

2.3.4 Identifikation als multidimensionales Konzept

2.4 Commitment und Identifikation: Ein Vergleich

2.4.1 Gemeinsamkeiten und Überschneidungen

2.4.2 Unterschiede und Trennendes

3 Instrumente zur Messung von Mitarbeiterbindung

3.1 Messung von Commitment

3.1.1 Organizational Commitment Questionnaire (OCQ)

3.1.2 Drei-Komponenten-Modell (TCM)

3.1.3 COMMIT: Drei Komponenten

3.1.4 COMMIT: Multiple Foci (Richtungen)

3.1.5 K. U.T als unidimensionale Skala

3.2 Messung von organisationaler Identifikation

3.2.1 OIQ, OIS und IDPG

3.2.2 Multiple Komponenten und Foci

3.3 Empirische Unterschiede zwischen Commitment und Identifikation

4 Wie verbunden sind die Mitarbeiter? Zahlen für Deutschland und Europa

4.1 Commitment im europäischen Vergleich

4.1.1 Repräsentative Befragungen

4.1.2 Befunde auf Basis europäischer und internationaler Einzelstudien

4.2 Commitment in Deutschland: Foci und Komponenten

4.3 Vergleichswerte aus deutschen Stichproben

5 Die Bedeutung von Commitment für den Unternehmenserfolg

5.1 Positive Konsequenzen

5.1.1 Arbeitsleistung

5.1.2 Organizational Citizenship Behavior (OCB)

5.1.3 Commitment und Leistung: Ursache und Wirkung?

5.1.4 Kundenzufriedenheit

5.2 Negative Konsequenzen

5.2.1 Fluktuation

5.2.2 Absentismus

5.3 Commitment und Gesundheit

5.3.1 Ressource oder Risikofaktor?

5.3.2 Kurvilineare Zusammenhänge?

5.4 Commitment als Moderator

5.4.1 Commitment als Puffer?

5.4.2 Commitment als Verstärker?

5.5 Zusammenhänge auf Gruppenebene

6 Bindungsmanagement: Mitarbeiterbindung erhöhen

6.1 Mitarbeiterbefragungen als Teil des Bindungsmanagements

6.2 Ansatzpunkt: Merkmale der Arbeit

6.3 Ansatzpunkt: Mitarbeiterführung

6.3.1 Transformationale Führung

6.3.2 Gesundheitsförderliche Führung

6.3.3 Identitätsstiftende Führung

6.3.4 Negative Führung: Abusive Supervision

6.4 Ansatzpunkt: Merkmale der Organisation

6.5 Individuelle Faktoren: Merkmale der Person

6.5.1 Demografische Merkmale

6.5.2 Persönlichkeitsmerkmale

6.5.3 Bindungsstil

6.5.4 Kulturelle Wertorientierungen

7 Korrelate und verwandte Konzepte von Commitment

7.1 Die Relation von Commitment und Arbeitszufriedenheit

7.1.1 Beziehung zu Antezedenzien und Konsequenzen

7.1.2 Arbeitszufriedenheit und Commitment: Die Frage nach Ursache und Wirkung

7.2 Involvement

8 Bedeutung des Kontextes: Commitment in unterschiedlichen Kontexten

8.1 Commitment in neuen Arbeitsformen

8.1.1 Organisationales Commitment bei unterschiedlichen Arbeitsformen

8.1.2 Berufsbezogenes Commitment bei unterschiedlichen Arbeitsformen

8.1.3 Commitment gegenüber der Beschäftigungsform bei unterschiedlichen Arbeitsformen

8.1.4 Zusammenhänge zu Antezedenzien und Outcomevariablen

8.1.5 Zusammenfassung der Ergebnisse

8.2 Commitment gegenüber Verleiher und Entleiher bei Zeitarbeitern

8.2.1 Verleiher oder Entleiher: Wem fühlen sich Zeitarbeiter verbunden?

8.2.2 Die Bedeutung des Commitments gegenüber Zeitarbeit

8.2.3 Antezedenzien und Konsequenzen von Commitment gegenüber Verleiher und Entleiher

8.2.4 Fazit

8.3 Bedeutung von Führung in unterschiedlichen Kontexten

8.3.1 Unterschiedliche Einflüsse von Führung

8.3.2 Integrativer Ansatz

8.3.3 Erweiterung der organisationsspezifischen Befundlage

8.3.4 Äußere Bedrohung als Moderator für Commitment

8.4 Kulturelle Einflüsse

8.4.1 Individuelle Wertorientierung als Moderator

8.4.2 Unterschiede zwischen Kulturen

8.4.3 Methodische Besonderheiten kulturvergleichender Studien

8.4.4 Übertragbarkeit des Commitmentkonzepts auf andere Kulturen

8.4.5 Commitmentunterschiede zwischen China und Deutschland

8.4.6 Unterschiedliche Zusammenhänge in China und Deutschland

8.4.7 Internationale Vergleiche

8.5 Non-Profit- und Werteorganisationen

8.5.1 Universität

8.5.2 Kindertagesstätten

8.5.3 Sinnstiftende Organisationen: Kirche und Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft

8.5.4 Sicherheit: Polizei und Bundeswehr

9 Commitment in Veränderungsprozessen

9.1 Fusionen und Übernahmen – Mergers und Acquisitions

9.1.1 Empirische Befunde

9.1.2 Empfehlungen zur Förderung von Commitment und Identifikation bei Unternehmenszusammenschlüssen

9.2 Commitment to Change und Change Management

10 Duales Commitment

10.1 Duales Commitment bei Global Playern

10.1.1 Mitarbeiter lokaler Niederlassungen multinationaler Konzerne

10.1.2 Commitment bei Expatriates

10.1.3 Commitment bei Repatriates

10.2 Duales Commitment in einer Organisation

10.2.1 Duales Commitment und Konfliktverhalten

10.2.2 Duales Commitment und OCB, TOI und SWE

10.3 Duales und multiples Commitment: Personenzentrierter Ansatz

10.3.1 Profile für organisationales Commitment mit drei Komponenten

10.3.2 Profile für mehrere Foci

11 Entwicklung und Risiken von Commitment

11.1 Wie verändert sich Mitarbeiterbindung mit der Zeit?

11.2 Risiken zu hoher Mitarbeiterbindung

11.2.1 Gesundheitliche Risiken von Overcommitment?

11.2.2 Diskriminierung und unethisches Verhalten

11.2.3 Unethisches Verhalten und Korruption

12 Ausblick

Literatur

|11|1 Einleitung

1.1 Was bedeutet Bindung an eine Organisation?

Wie wichtig ist es Ihnen, gerade in dem Unternehmen oder in der Organisation tätig zu sein, bei der Sie gerade angestellt bzw. beschäftigt sind und nicht in irgendeinem anderen Unternehmen, in dem Sie mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls Ihr Geld verdienen könnten? Die Antwort auf diese einfache Frage hängt direkt mit der individuellen Verbundenheit und Identifikation mit dem Unternehmen zusammen. Das gilt selbstverständlich nicht nur für Unternehmen der Privatwirtschaft, sondern allgemein für alle möglichen Organisationen, wie Behörden, öffentliche Verwaltungen, Schulen, Krankenhäuser, Kirchen etc. Die meisten Menschen verbringen einen großen Teil ihres Lebens in Organisationen, um Ziele, die ihnen wichtig sind, verfolgen zu können. Solche Ziele sind Ausbildung, Geld verdienen, gesellschaftlichen Nutzen stiften oder einfach Spaß haben und sich selbst verwirklichen. Angefangen bei Kindergarten, Schule, Sportvereinen etc. und später im Berufsleben kommen wir in der Regel nicht umhin, in unterschiedliche Organisationen einzutreten, um diese Ziele zu erreichen und jeweils Bindungen unterschiedlicher Qualität und Bedeutung zu entwickeln und zu erleben.

Das Spektrum unterschiedlicher Organisationen ist ebenso vielfältig wie die Ziele, die sie verfolgen. Ganz allgemein versteht man unter einer Organisation ein soziales Gebilde, das dauerhaft ein Ziel verfolgt und eine formale Struktur aufweist, mit deren Hilfe Aktivitäten der Mitglieder auf das verfolgte Ziel ausgerichtet werden. Damit gehören neben klassischen Unternehmen, die wirtschaftliche Ziele verfolgen, Behörden und Verwaltungen des öffentlichen Dienstes sowie Einrichtungen des Gesundheitswesens als Non-Profit-Organisationen ebenfalls zu diesem breiten Spektrum. Nicht zu vergessen sind Organisationen, bei denen ehrenamtliches Engagement im Vordergrund steht. Hierzu gehören Vereine, Verbünde, Parteien etc. Häufig wird die Bindung zu diesen Organisationen außerhalb des Arbeitslebens als wichtiger und persönlich bedeutsamer erlebt als die Bindung an das Unternehmen oder die Organisation, die materielle Sicherheit gewährleistet oder sogar einen gewissen ökonomischen Wohlstand bietet.

Die Frage nach der Qualität der Bindung zu unterschiedlichen Organisationen lässt sich damit ganz allgemein stellen und gilt innerhalb wie auch außerhalb des Erwerbslebens. Auch wenn wir uns in diesem Buch, wie der Titel „Mitarbeiterbindung“ ankündigt, insbesondere der Frage nach Bindung im Arbeitsleben zuwenden, sollte dieser erweiterte Blickwinkel nicht außer Acht gelassen werden. Der Focus auf die Bindung an Unternehmen und Organisationen im Arbeitsleben ist, wie wir weiter unten sehen werden, durchaus gerechtfertigt.

Das Interesse privater und öffentlicher sowohl Profit- als auch Non-Profit-Organisationen daran, wie sich Mitarbeiter1 zukünftig gewinnen und langfristig binden lassen, hat vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen zugenommen:

1)

|12|Da ist der demografische Wandel mit seinen vielfältigen Konsequenzen wie dem häufig diskutierten Fach- und Führungskräftemangel und dem daraus resultierenden „war for talents“. Wenn die Gewinnung neuer Mitarbeiter immer schwieriger wird, kommt es zunehmend auf die Bindung an! Will man den Pegel eines Wasserbehälters ausgleichen, ist man gut beraten, erstmal zu prüfen, ob ein Leck zu beheben ist, bevor man versucht, immer weiter nachzufüllen.

2)

Zunehmende Herausforderungen und die damit verbundenen permanenten Veränderungsprozesse, die mit dem Akronym „VUKA“ umrissen werden, das für die Begriffe Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität steht, erhöhen die Anforderungen in den Bereichen Change Management und Innovationsfähigkeit. Dafür braucht es Mitarbeiter, die bereit sind, sich langfristig an ihr Unternehmen zu binden und sich dafür zu engagieren.

3)

Eine neue Generation von Mitarbeitern, die viel zitierte Generation Y ist auf dem Vormarsch. Sie stellt zunehmende Erwartungen an sinnerfüllte und gesunde Arbeit und an die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In der Gesellschaft wie auch bei den Beschäftigten wird dies an den Forderungen nach einer verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Karriere, nach sinnvoller Arbeit, ökologischer Nachhaltigkeit und nach gesamtwirtschaftlicher Verantwortung deutlich, wie Diskussionen zur Bankenkrise oder Leiharbeit zeigen. Mittlerweile steht auch schon die Generation Z in der Tür und die nächste Generation folgt mit Sicherheit. Um Menschen binden zu können, muss man ihre Bedürfnisse kennen.

Arbeitgeber, die diesen Entwicklungen Rechnung tragen, dürften von potenziellen Bewerbern als attraktiver wahrgenommen werden und eher in der Lage sein, ihre Mitarbeiter zu binden. Investition in Bindung erhöht damit auch die Chancen der Gewinnung. Aktuelle Studien zeigen, dass betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) und damit die Aussicht auf gesunde Arbeit und eine gesunde Unternehmenskultur als wichtiger Bestandteil der Arbeitgeberattraktivität gesehen wird. Regelmäßige Umfragen und Wettbewerbe (z. B. „Great Place to Work“) versuchen dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Diese Initiativen und Maßnahmen werden aber nur erfolgreich sein, wenn die gelebte und erlebte Führungskultur den Erwartungen der Mitarbeiter entspricht und es dadurch gelingt, diese auch langfristig an das Unternehmen zu binden.

Kehren wir zu der eingangs gestellten Frage zurück. Mit welchen Empfindungen und Gedanken haben Sie bei der Frage nach der Organisation oder dem Unternehmen, für das Sie gerade tätig sind, reagiert? Haben Sie das Gefühl, sich mit diesem Unternehmen oder dieser Organisation und ihren Zielen identifizieren zu können und empfinden Sie vielleicht sogar Freude oder Stolz, dazuzugehören? Oder sind Ihre Empfindungen eher neutral und weniger emotional geprägt? Zum Vergleich werden ein paar Zahlen aus Deutschland und Europa angeführt. Wie die Ergebnisse einer europaweiten repräsentativen Studie bereits vor ein paar Jahren zeigten (Eurobarometer, zit. in Six & Felfe, 2006), gaben immerhin 52.4 % der über 6 000 befragten Arbeitnehmer an, dass ihre persönlichen Werte mit den Werten des Unternehmens, in dem sie tätig sind, übereinstimmen. Sogar 62 % waren stolz, für ihr Unternehmen bzw. für ihre Organisation zu arbeiten. Entsprechend würden es ca. 50 % ablehnen, einen besser bezahlten Job anzunehmen, um in ihrem derzeitigen Unternehmen zu bleiben. Umgekehrt sahen 19.3 % eher keine gemeinsame Wertebasis und 10.8 % waren auch nicht stolz darauf, in ihrem Unternehmen zu arbeiten und immerhin 27.8 % würden ihr Unternehmen für einen Job mit einer besseren Bezahlung verlassen.

Wie sahen die entsprechenden Zahlen für Deutschland aus? Nur ein vergleichsweise geringer Prozentsatz von 14.2 % der über 900 Befragten beantwortete die Frage nach gemein|13|samen Werten negativ. Ähnlich wie in der Gesamtstichprobe gab die Hälfte (50 %) der deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer Übereinstimmungen bezüglich der Werte an. Bei der Frage nach dem erlebten Stolz zeigten die deutschen Befragten im europäischen Vergleich allerdings etwas mehr Zurückhaltung. Dennoch waren es auch in Deutschland immerhin 54 %, die die Frage nach dem erlebten Stolz positiv beantwortet haben und nur 14.4 % lehnten dies ausdrücklich ab.

Damit fühlte sich die überwiegende Mehrheit der Deutschen, die an dieser Befragung teilgenommen haben, wertemäßig und emotional mit dem Unternehmen verbunden. Entsprechend würden es 45.2 % ablehnen, für ein lukratives Angebot das Unternehmen zu verlassen und nur 25.2 % würden solch eine Möglichkeit nutzen. Nicht übersehen werden darf allerdings, dass die Gruppe der Unentschiedenen, welche sich nicht festlegen wollte, in Deutschland etwas größer ausfällt als im europäischen Mittel. Offenbar war man hier etwas vorsichtiger und zurückhaltender, sich klar zu positionieren.

Die Gründe für Freude oder Stolz können vielfältig sein. Möglichweise sind es eine unübertroffene Qualität der Produkte oder Dienstleistungen, eine besondere Technik oder eine andere herausragende Leistung, die Sie begeistern. Meist führen solche Qualitätsmerkmale auch zu einem besonders positiven und hohen Image in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Mitgliedschaft in einer solchen Organisation ist dann mit einem erheblichen Prestige verbunden. Vielleicht ist es aber auch die langjährige Tradition und Geschichte, die für Beständigkeit und kontinuierlichen Erfolg steht und damit ihren Respekt und Bewunderung verdient.

Manchmal braucht es etwas zeitlichen oder räumlichen Abstand, um die Qualität einer Beziehung besser einschätzen zu können. Wie geht es Ihnen z. B. bei dem Gedanken an die Hochschule oder Schule, die Sie viele Jahre besucht haben, oder die Organisation, in der Sie früher viele Jahre tätig waren? Gehören Sie möglicherweise sogar zu denen, die noch regelmäßig mit ehemaligen Mitschülern in Klassen- oder Jahrgangstreffen zusammenkommen oder sich freuen, wenn sie als Alumni regelmäßig kontaktiert werden?

Bei all diesen Fragen geht es weniger um die täglichen Freuden oder Ärgernisse, denen wir in unserer Arbeit begegnen und die unsere aktuelle Zufriedenheit beeinflussen, sondern um die Beziehung zwischen den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der einen und der Organisation bzw. dem Unternehmen auf der anderen Seite. Wie lässt sich die jeweils individuelle Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an ein Unternehmen charakterisieren und welche Bedeutung haben unterschiedliche Formen der Bindung für das Unternehmen wie für den Einzelnen? Beziehungen können – wie in anderen Lebensbereichen auch – von unterschiedlicher Qualität sein. Die Qualität von Beziehungen lässt sich nicht nur danach unterscheiden, wie gut oder schlecht wir sie insgesamt beurteilen, sondern weist darüber hinaus weitere Merkmale auf, mit denen sich die Qualität differenzierter betrachten lässt. Beziehungen oder Bindungen können eher eng und fest mit einem hohen Grad an gegenseitiger Verpflichtung und Verbindlichkeit ausgestattet oder locker und damit unverbindlich sein und den jeweiligen Partnern weitgehende Spielräume erlauben.

Bindungen können zudem unterschiedlich motiviert sein. Ausgangspunkt können rationale oder instrumentelle Erwägungen, wie z. B. die Erreichung eines Ziels, oder Austauschprozesse im weitesten Sinne sein (z. B. Leistung gegen Geld). Aber auch emotionale Beweggründe wie Sympathie, gemeinsame Werte und Interessen oder soziale Bedürfnisse nach Kontakt, Anerkennung und Zugehörigkeit wirken beziehungsstiftend.

|14|Außerdem definieren wir uns und unsere Identität über die Mitgliedschaft in Gruppen und Organisationen, denen wir angehören. Wir wissen, wer wir sind, indem wir uns bewusst sind, wo wir dazugehören und wo nicht. Diese Zugehörigkeit kann unserem Selbstwert zuträglich sein oder auch nicht. In Beziehungen können die Partner unterschiedlich stark sein. Entsprechend lassen sich partnerschaftliche Beziehungen, bei denen beide Seiten eher gleichberechtigt sind, von Beziehungen, die eher durch ein klares Machtgefälle und einseitige Abhängigkeit gekennzeichnet sind, unterscheiden. Auch hinsichtlich der zeitlichen Perspektive lässt sich unterscheiden, ob die Zeitperspektive unbegrenzt ist oder, wie bei einem befristeten Arbeitsvertrag, nach einer vorher vereinbarten Zeit endet. All diese Aspekte charakterisieren auch die Beziehungen zwischen einer Organisation und ihren Mitgliedern.

1.2 Chancen und Risiken von Mitarbeiterbindung

Es ist leicht nachvollziehbar, dass eine positiv erlebte Beziehung in mehrfacher Hinsicht eine bedeutsame Ressource darstellen kann. Zunächst sind Menschen bestrebt, sich anderen anzuschließen. Die Gewissheit dazuzugehören, vermittelt das Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit sowie Orientierung und verhindert umgekehrt soziale Einsamkeit und Isolation. Partnerbeziehungen, Familie, Vereine sind Beispiele für Gruppen, die wir selbst bilden oder denen wir uns anschließen, um das Motiv nach Zugehörigkeit und Anschluss zu befriedigen.

In gleicher Weise ist naheliegend, dass auch durch die Zugehörigkeit zu einer Organisation oder einem Unternehmen das Bedürfnis nach Bindung befriedigt werden kann. Neben der Befriedigung emotionaler Bedürfnisse, wie z. B. Anerkennung und Kontakt, erhöhen Beziehungen die Chancen sozialer Unterstützung bei der Bewältigung unterschiedlicher Probleme. Personen, die über enge und stabile Netzwerke von Beziehungen verfügen, haben in der Regel bessere Aussichten, schwierige Probleme erfolgreich zu bewältigen.

Darüber hinaus bilden soziale Beziehungen einen wichtigen Teil unserer Identität. Wir definieren uns selbst als Individuum nicht nur durch bestimmte Eigenschaften, Fähigkeiten und individuelle Erfahrungen, die uns von anderen Menschen unterscheiden, sondern auch durch die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Gruppen. Wir sind Mitglieder von Vereinen, gehören einer Familie an oder zählen uns aufgrund bestimmter Merkmale und Kategorien, wie Alter, Interessen, Geschlecht etc., zu bestimmten sozialen Gruppen. Die Merkmale, die die jeweiligen Gruppen charakterisieren, treffen auch mehr oder weniger auf die einzelnen Mitglieder zu oder färben auf diese ab.

Auch Organisationen können zweifellos zu diesen sozialen Gruppen gezählt werden. Demnach sind Mitgliedschaften in Organisationen ebenfalls Teil unserer Identität. Dies bedeutet, dass Attribute, die der Organisation zugeschrieben werden, auch für das einzelne Mitglied gelten. Lässt sich die Organisation als erfolgreich und innovativ charakterisieren, sind es ihre Mitglieder ebenfalls, wenn sie sich mit der Organisation identifizieren. Diese und ähnliche positive Eigenschaften rufen Gefühle von Freude und Stolz hervor, stärken den eigenen Selbstwert.

Die sogenannte „Selbstaufwertung“ ist ein wichtiges Motiv, das das Bedürfnis erklärt, sich mit erfolgreichen Gruppen zu identifizieren. Umgekehrt dürfte es mit erheblichen psychischen Kosten verbunden sein, einer Organisation anzugehören, deren Werte und Merkmale mit den eigenen Vorstellungen wenig gemein haben oder diesen sogar zuwiderlau|15|fen. Neben direkten positiven Einflüssen auf den Selbstwert, die durch eine positive Bindung zu erwarten sind, kann eine positive Verbundenheit auch indirekt wirken. Solche indirekten Effekte sind zu erwarten, wenn der schädigende Einfluss von Stressoren, Belastungen und Unannehmlichkeiten abgemildert und abpuffert wird, indem eine positive Bindung im Hintergrund für Orientierung und Sicherheit sorgt sowie das Selbstvertrauen stärkt.

Zusammengefasst: Bedeutung der Bindung für den Mitarbeiter

Es kann festgehalten werden, dass eine positiv erlebte Bindung an eine Organisation bzw. an ein Unternehmen zum einen wichtige Motive nach Zugehörigkeit befriedigt und damit die Chancen auf Kontakt, Anerkennung und soziale Unterstützung erhöht.

Zum anderen kann eine positiv erlebte Bindung wesentlich zu einem hohen Selbstwert und einem stabilen Selbstbild beitragen.

Darüber hinaus kann angenommen werden, dass eine positiv erlebte Bindung die Auswirkungen negativer Faktoren abmildern und abpuffern hilft und damit die verbundenen Risiken reduziert. Somit kommt Bindung eine wichtige Ressourcenfunktion zu.

Aus Unternehmenssicht stellt eine positive Mitarbeiterbindung ebenfalls eine wichtige Ressource dar. Sie bietet die Gewähr, dass Mitarbeiter nicht das Unternehmen verlassen, sobald sich eine attraktivere Alternative bietet und vor allem auch in schwierigeren Zeiten dem Unternehmen „treu“ bleiben. Besteht eine starke Bindung aufseiten der Mitarbeiter, ist auch eher mit erhöhtem Engagement und loyalem Auftreten gegenüber Dritten zu rechnen, wenn dies erforderlich ist.

Insbesondere im Kontakt mit Kunden und mit der Öffentlichkeit dürfte sich eine positive Bindung der Mitarbeiter vorteilhaft für das Unternehmen auswirken. Umgekehrt werden Kunden wenig Vertrauen in Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens entwickeln, wenn die Mitarbeiter selbst eine kritische, distanzierte Haltung einnehmen. Kundenbindung beginnt demnach bei der Mitarbeiterbindung.

Die Forschung zur Arbeitszufriedenheit hat gezeigt, dass es durchaus nicht allein von der aktuellen Zufriedenheit abhängt, inwieweit sich Mitarbeiter engagieren oder ob sie das Unternehmen verlassen. Tatsächlich verlassen Mitarbeiter ein Unternehmen, obwohl sie eigentlich ganz zufrieden sind, während andere im Unternehmen bleiben, obwohl sie eigentlich mit vielen Dingen unzufrieden sind. Ebenso engagieren sich einige mehr als andere, obwohl sie sich hinsichtlich ihrer Zufriedenheit nicht unterscheiden. Unterschiede in der Verbundenheit könnten diese Widersprüche erklären helfen. Selbstverständlich soll hier aber nicht einer bedingungslosen, naiv unkritischen Bindung, die durch Abhängigkeit, bedingungslosen Gehorsam und blindes Vertrauen gekennzeichnet ist, das Wort geredet werden.

Es darf aber auch nicht verschwiegen werden, dass ein Übermaß an Bindung und Loyalität erhebliche Risiken birgt und negative Konsequenzen nach sich ziehen kann. Kadavergehorsam und Korpsgeist sind sattsam bekannte Erscheinungen, die als Kehrseite der Medaille bezeichnet werden können. Sie begünstigen die Duldung oder Vertuschung von unethischen Handlungen, wie Diskriminierung, Korruption, Betrug etc., oder verleiten Mitarbeiter, selbst unethische bzw. kriminelle Handlungen zu begehen oder sich für die Organisation „aufzuopfern“.

|16|Zusammengefasst: Bedeutung der Bindung für die Organisation

Wenn sich die Mitarbeiter einer Organisation in hohem Maße verbunden fühlen und sich mit der Organisation identifizieren, werden sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit stärker für die Interessen und Ziele der Organisation engagieren, eher bereit sein, Veränderungen und neue Entwicklungen zu akzeptieren und dem Unternehmen auch dann treu bleiben, wenn sich attraktive Beschäftigungsalternativen bieten. Damit ist Mitarbeiterbindung ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Eine übermäßig starke Bindung an das eigene Unternehmen oder den eigenen Bereich erhöht ebenfalls die Wahrscheinlichkeit, tatsächliche Probleme und Risiken nicht mehr richtig einzuschätzen. Dieses Phänomen ist in der Sozialpsychologie auch unter dem Stichwort Gruppendenken erforscht und bekannt geworden. Gruppen mit einem hohen Zusammenhalt (Kohäsion) und homogener Zusammensetzung laufen unter bestimmten Bedingungen (Zeit- und Entscheidungsdruck, direktive Führung etc.) besonders Gefahr, ihr Denken einzuengen und wichtige Alternativen auszublenden. Die starke Bindung untereinander erhöht den Konformitätsdruck. Die Forderung nach Loyalität und Geschlossenheit befördert Selbstzensur, Engstirnigkeit und Selbstüberschätzung. Vermeintliche Abweichler werden von sogenannten „Mindguards“ in ihre Schranken gewiesen und wieder „auf Kurs“ gebracht.

Im Zuge der Selbstüberschätzung werden das eigene Unternehmen bzw. der eigene Bereich aufgewertet und idealisiert: „Wir sind die Guten“. Eigene Probleme und Fehler werden übersehen, verschwiegen oder abgestritten. Im Gegenzug werden andere Unternehmen abgewertet und mit Vorurteilen belegt: „Die schaffen das doch wieder nicht“. Diese Schwarz-Weiß-Malerei mag die Bindung an das eigene Unternehmen sogar noch weiter verstärken und damit zunächst selbstwertdienlich sein. Allerdings besteht die Gefahr, dass Chancen und Risiken des Marktumfeldes nicht mehr realistisch eingeschätzt und Fehlentscheidungen getroffen werden.

Mitunter verlaufen die Grenzen in Organisationen, wie bereits angedeutet, nicht nur zwischen Organisationen bzw. Unternehmen, sondern können insbesondere bei großen Organisationen mitten hindurch laufen. Die Mitarbeiter identifizieren sich dann aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr mit der Organisation als Ganzem, sondern in erster Linie mit einzelnen Bereichen, Standorten etc. Sogenannte „Bereichsegoismen“ sind häufig vor allem in größeren Organisationen anzutreffen und deuten darauf hin, dass die Bindung gegenüber der Gesamtorganisation in ihrer Bedeutung erheblich hinter die Bindung an den unmittelbaren Bereich zurücktritt. Das erklärt auch, warum es zum Teil stabile Fronten mit deutlichem Konfliktcharakter zwischen Bereichen in Unternehmen zu beobachten gibt (Markt – Verwaltung; Entwicklung – Vertrieb; Frühschicht – Spätschicht). Wer Unterstützung und Solidarität bekommt, und wem Unterstützung verweigert wird oder wer sogar befürchten muss, diskriminiert zu werden, hängt davon ab, ob es einen gemeinsamen Bezugspunkt der Identifikation gibt oder ob sich die Beteiligten unterschiedlich gebunden und verpflichtet fühlen.

Diese Problematik wird auch bei Fusionsprozessen offensichtlich. Starke Bindungen können sich hier auch als hinderlich erweisen, wenn im Rahmen von Fusionen und Übernahmen (Merger & Acquisition) oder Umstrukturierungen alte Bindungen aufgelöst und neue Bindungen aufgebaut werden sollen. Spezielle Programme zur Post-Merger-Integration sollen zum Beispiel helfen, bisherige Unterschiede zu überwinden und neue Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu stellen, damit eine Bindung an das neue Unternehmen bzw. |17|die neue Organisationseinheit entwickelt werden kann. Tabelle 1 gibt einen Überblick über Chancen und Risiken von Commitment aus Mitarbeiter- und Organisationssicht.

Tabelle 1: Chancen und Risiken der Mitarbeiterbindung

Chancen

Risiken

Organisation

Einsatzbereitschaft

Motivation, Leistung, Engagement

keine unerwünschte Fluktuation

Konformität, Rigidität

Group-Think

„Korpsgeist“ und blinder Gehorsam

„eskalierendes“ Commitment

Mitarbeiter

Selbstaufwertung

Zufriedenheit durch Befriedigung sozialer Bedürfnisse nach Zugehörigkeit

Ressource zur Stressabwehr (soziale Unterstützung)

Überlastung, Aufopferung

Burnout, Stress, Abhängigkeit

Stagnation

Rollenkonflikte

Es stellt eine besondere Herausforderung vor allem in großen Organisationen dar, die Bindung der Mitarbeitenden auf den unterschiedlichen Ebenen auszubalancieren. Dabei wird ein Dilemma offensichtlich. Auf der einen Seite ist ein hohes Commitment gegenüber dem eigenen Bereich und der eigenen Gruppe für das Engagement und den Einsatz förderlich, andererseits kann ein hohes bereichsbezogenes Commitment den Blick und das Interesse für das Gesamtunternehmen verstellen. Hierdurch können Kooperation und Zusammenarbeit erschwert werden.

1.3 Globalisierung, Digitalisierung und Flexibilisierung: Ist Bindung noch möglich und zeitgemäß?

Die Erkenntnis, dass nichts beständiger sei als der Wandel, hat sich seit Beginn der 90er Jahre mittlerweile als Leitphilosophie im organisationalen Kontext etabliert. Diese Beständigkeit des Wandels ist mittlerweile ein „geflügeltes Wort“ zum Ausdruck einer eher hilflosen, resignierten Feststellung und Beobachtung, dass Werte wie Kontinuität, Sicherheit, Tradition und Verlässlichkeit zunehmend in den Hintergrund treten. Stattdessen sehen sich der Einzelne sowie die Unternehmen ständig neuen Anforderungen ausgesetzt, auf die sie reagieren müssen. Das Akronym „VUKA“, das für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität steht, versucht die Hintergründe und Merkmale aktueller Herausforderungen zu skizzieren.

Als eine stetige Herausforderung an Organisationen und Unternehmen wird immer wieder der steigende Wettbewerbsdruck angeführt. Durch die Entwicklung neuer Informationstechniken verändern sich die Märkte und stellen neue Anforderungen an die Innovationsfähigkeit der Unternehmen. Betroffen vom Innovationsdruck sind nicht nur Produkte und Dienstleistungen, sondern auch Organisationsformen und Vertriebswege. Schlagworte wie Digitalisierung, Industrie 4.0 und künstliche Intelligenz charakterisieren aktuelle Ver|18|änderungen, die der Entwicklung neuer Informationstechniken geschuldet sind. Welche Konsequenzen ergeben sich für die Bindung, wenn Technik zunehmend entgrenztes und virtuelles Arbeiten ermöglicht und persönliche Begegnungen an einem Ort zunehmend weniger erforderlich werden? Wahrscheinlich wird es eher herausfordernder als leichter, in einem virtuellen Kontext Bindung aufrechtzuerhalten. Wenn sich Crowd- und Clickworker projektbezogen in Clouds und auf virtuellen Plattformen netzwerkend bewegen und begegnen, scheint die Entwicklung von Bindung an eine Organisation schwer vorstellbar.

Eine weitere zentrale Rolle spielt die wachsende Internationalisierung bzw. Globalisierung, die insbesondere im Dienstleistungssektor zu beobachten ist. Hohe Qualität und ausgeprägte Kundenorientierung sind in Zeiten zunehmender Markttransparenz zentrale Wettbewerbsfaktoren. Gleichzeitig hat der Kostendruck auf die Unternehmen vonseiten der Kapitalmärkte (Shareholder Value) zugenommen. Wie können die Unternehmen auf die stetig wachsenden Anforderungen reagieren, geschweige denn noch eine aktiv gestaltende Rolle einnehmen und welchen Sinn macht es noch für Mitarbeiter und Organisationen, sich aneinander zu binden? Zeitliche Kontinuität, Verlässlichkeit und Vertrauen als wesentliche Voraussetzungen für eine Bindung scheinen zumindest infrage gestellt, wenn die Partner vor dem Hintergrund eines hohen Veränderungs- und Flexibilisierungsdrucks ihre Verlässlichkeit einbüßen.

Zahlreiche Managementkonzepte versuchen den massiven Veränderungsdruck aufzugreifen und konstruktiv umzusetzen. Für die Gestaltung des organisationalen Wandels stehen unterschiedliche Strategien bereit. Mit Fusionen und der Entwicklung zum Global Player sollen einerseits Rationalisierungspotenziale ausgeschöpft und andererseits durch Diversifizierung die Abhängigkeit von einzelnen Märkten abgebaut werden. Durch Veränderungen der Organisationsstrukturen (Lean Management, Business Reengineering, SCRUM, agiles Management) sollen Effizienz und Flexibilität gesteigert werden.

Mit der Ausgliederung von Unternehmensteilen, die nicht dem Kerngeschäft zugerechnet werden (Outsourcing, Profit-Center), werden zusätzliche Wettbewerbsstrukturen geschaffen und unternehmerische Kompetenz und Verantwortung an Bereiche delegiert, die bislang weitgehend unselbstständig agiert haben. Diese dynamischen Veränderungen und Wachstumsstrategien erschweren möglicherweise ebenfalls die Bindung an ein Unternehmen, da dieses kaum noch als Einheit wahrgenommen werden kann.

Diese Veränderungen haben auch gravierende Auswirkungen auf die Organisationsmitglieder. Die an sie gestellten Anforderungen sind ebenfalls einem stetigen Wandel unterworfen. Vonseiten der Mitarbeiter wird ein hohes Maß an Flexibilität und Veränderungsbereitschaft erwartet. Die Flexibilisierung von Arbeitszeit, Arbeitsplatz und Arbeitstätigkeit führt zu einer Erhöhung der Individualisierung und kann auch mit erheblichem Stress verbunden sein.

Zusammengefasst: Bindung in einer sich wandelnden Arbeitswelt

Angesichts zunehmender Globalisierung, Flexibilisierung und Digitalisierung stellt sich die Frage, ob Mitarbeiterbindung überhaupt noch zeitgemäß sein kann. Bindung setzt Stabilität und Kontinuität aller beteiligten Partner voraus. Geht diese Stabilität verloren, wird Bindung automatisch infrage gestellt.

|19|1.3.1 Erschwerung von Bindung

Wir beobachten, wie sich Unternehmen durch Verkäufe von angestammten Sparten trennen. Unternehmensteile werden hin und her geschoben und zum Spielball von Managemententscheidungen, die für die Mitarbeiterschaft häufig genug überraschend kommen. Dieser Trend kann auf die Mitarbeiterbindung nicht ohne Auswirkung bleiben.

Die Möglichkeit und Bereitschaft, sich immer wieder neu zu binden, dürfte begrenzt sein, sodass es immer schwieriger wird, neues Commitment aufzubauen. Werden Unternehmensentscheidungen zunehmend durch Mechanismen und Akteure anonymer Finanzmärkte wie z. B. Private Equity- und Hedge-Fonds bestimmt, entsteht zudem der Eindruck, dass das eigene Management bzw. die Geschäftsleitung fremdbestimmt ist. Die Identifikation mit der das Unternehmen repräsentierenden Geschäftsführung fällt damit schwerer.

Pfeffer (1998, S. 737) macht den kontinuierlichen Rückgang herkömmlicher, d. h. unbefristeter Vollzeit-Beschäftigungsverhältnisse, als weiteren wesentlichen Veränderungstrend aus. Diese auch als „Normalbeschäftigungsverhältnisse“ oder als „traditionell“ bezeichneten Arbeitsverhältnisse entsprechen immer weniger der Norm. Stattdessen wächst die Zahl zeitlich und inhaltlich flexibler Arbeitsverhältnisse wie Leih- oder Zeitarbeit, Interimsmanagement, Ich-AGs und Solo-Selbstständigkeit. Zugenommen hat auch die Zahl derjenigen, die gleichzeitig mehreren Jobs nachgehen müssen (Mehrfachbeschäftigung), um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. In der Regel bedeuten Arbeitsplatzunsicherheit und Arbeitsplatzabbau Risiken für die Bindung.

So willkommen aus Sicht der Unternehmen auf der einen Seite Mitarbeiter mit einer hohen Bindung an das Unternehmen sind, da von ihnen Engagement und Loyalität erwartet werden kann, wird diese Bindung zum Problem, wenn Personalabbau realisiert werden soll. Für die Mitarbeiter bedeutet dies in der Regel Verunsicherung und Unsicherheit. Das gilt zunächst für die direkt Betroffenen, aber auch für diejenigen, die „diesmal“ noch davongekommen sind. Je mehr diese Veränderungen in das Bewusstsein der Mitarbeiter rücken, umso deutlicher wird, dass die Grundlagen einer langfristigen, stabilen Beziehung zwischen Mitarbeiter und Organisation zunehmend infrage gestellt werden.

Der implizite psychologische Vertrag, bei dem sich Mitarbeiter auf der einen Seite zu Einsatz, Leistung und Treue verpflichtet haben und im Gegenzug langfristige Sicherheit und Fürsorge durch das Unternehmen erwarten konnten, wird in diesen Fällen schleichend aufgekündigt. Implizite Kontrakte, nach denen Treue mit Fürsorge belohnt wird (wenn sie überhaupt bestanden haben und tatsächlich eingelöst wurden), gehören angesichts zunehmender Deregulierungen, z. B. beim Kündigungsschutz, immer mehr der Vergangenheit an. Arbeitsplatzunsicherheit, Arbeitsplatzabbau, die zunehmende Befristung von Arbeitsverträgen, Zeit- und Leiharbeit (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz), geringfügige Beschäftigung (450-Euro-Job), Solo-Selbstständige am Rand der Scheinselbstständigkeit, Praktikanten, die bisherige Vollzeitjobs besetzen („Generation Praktikum“) sowie Click- und Crowdworker, die ihre digitalen Leistungen auf Internetplattformen anbieten, sind allgegenwärtig. Entsprechend verändern sich herkömmliche Karriere- und Berufswege. Von den Mitarbeitern wird erhöhte Flexibilität und Mobilität erwartet. Die lebenslange Zugehörigkeit zu einer einzigen Organisation wird dann zur Ausnahme werden. Auch wenn in manchen Bereichen der viel beschworene demografische Wandel und Fachkräftemangel wieder ver|20|bindlichere Kontrakte und Strukturen befördert, wird dies nicht alle Branchen und Beschäftigungsbereiche betreffen.

Demnach ist die Frage sehr wohl berechtigt, ob es von Mitarbeitern noch erwartet werden kann, sich an ein Unternehmen zu binden, das seinen Teil des Vertrages immer weniger erfüllen wird. Der Wunsch nach Bindung oder bereits vorhandene starke Bindung könnten sich dann sogar als Risikofaktor für die Beschäftigten darstellen. Sie streben danach, bestehende Bindungen aufrechtzuerhalten und verhindern damit Veränderung und Flexibilität. Die individuellen Wahl- und Handlungsoptionen werden möglicherweise durch emotionale Bindung eingeschränkt und Chancen der Veränderung und Entwicklung bleiben ungenutzt.

Folgt man dieser Sicht, scheint eher das Modell einer rationalen Beziehung zukunftsweisend, welches das individuelle Kosten-Nutzen-Kalkül in den Vordergrund stellt. Loyalität und Treue gegenüber dem Unternehmen wären dann nicht mehr zeitgemäß, da sie einer rückwärtsgerichteten, verklärten Romantisierung alter Unternehmensstrukturen entstammen. Der moderne Typ eines qualifizierten Angestellten oder Managers verfügt dann eher über ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität, um seine individuellen Ziele und Lebensentwürfe zu realisieren. Die Bindung an eine Organisation wäre hierbei nur hinderlich. Auch die dann unrealistische Erwartung, Bedürfnisse nach Bindung und Zugehörigkeit im organisationalen Kontext zu befriedigen, müsste demnach zwangsläufig zu Enttäuschungen und Unzufriedenheit aufseiten der Beschäftigten führen.

Warum ist es außerdem noch schwieriger geworden, sich mit einer Organisation zu identifizieren? Zunächst führt die Globalisierung ebenfalls dazu, dass es immer schwieriger wird, einer Organisation einen geografisch eindeutigen Platz zuzuordnen. Die Zunahme der Digitalisierung sowie die zunehmende Virtualisierung führen darüber hinaus zu tiefgreifenden Veränderungen in den Organisationsformen. Arbeitsplätze, Arbeitskollegen, Arbeitsgruppen und Abteilungen einer Organisation sind nicht mehr unbedingt an architektonisch und geografisch klar identifizierbare Orte gebunden, die von allen oder auch nur einer Vielzahl von Organisationsmitgliedern aufgesucht werden. Virtualisierung bedeutet auch, dass Organisationen einem ständigen Wandel unterliegen. Zusammenschlüsse auf unterschiedlichen Ebenen sind häufig nur von begrenzter Dauer. Ist das gemeinsame Ziel erreicht, wird die Zusammenarbeit beendet und neue virtuelle Organisationen mit anderen Partnern entstehen. Bislang ist wenig darüber bekannt, wie sich diese Entwicklung auf Commitment auswirkt. Auf der anderen Seite ergeben sich durch die Digitalisierung neue Möglichkeiten der Kommunikation und Erreichbarkeit, die durchaus das Commitment fördern können.

Zusammengefasst: Erschwerung der Bindung

Verlust der Verbindlichkeit durch den Einfluss anonymer globaler Finanzmärkte

Verlust der Erkennbarkeit und Identifizierbarkeit des Bezugspunktes durch permanente Veränderung der Organisation (Fusionen, Verkäufe)

Verlust des unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Bezugs durch Virtualisierung der Kommunikation und Strukturen (virtuelle Teams, Digitalisierung)

Zunahme der Orientierung an Netzwerken anstatt abgeschlossenen Organisationen (Plattformen, Clouds)

Rückgang herkömmlicher, d. h. unbefristeter Vollzeit-Beschäftigungsverhältnisse

Vertrauensverlust durch Auflösung des impliziten psychologischen Kontrakts

|21|1.3.2 Perspektiven und offene Fragen

Allerdings gibt es Überlegungen, die der Mitarbeiterbindung auch zukünftig einen zentralen Stellenwert einräumen. Den zuvor geschilderten Szenarien, die eine Erschwerung von Bindung bedeuten, stehen Argumente gegenüber, die bei ähnlicher Ausgangslage (Flexibilisierung, Deregulierung, Unsicherheit, Digitalisierung, Veränderungen der Kontrakte) ausdrücklich auf die zukünftige Bedeutung von Mitarbeiterbindung verweisen.

Zwar gehen auf der einen Seite zentrale Voraussetzungen für eine enge Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen verloren. Der Verlust von Zeit- und Ortsbindung, aber auch von Unmittelbarkeit (Kontakte, Feedbacks) bedeutet u. a. weniger Sicherheit, Verlässlichkeit und Sinnerleben. Bindung wird hierdurch sicherlich erheblich erschwert. Auf der anderen Seite sind Unternehmen in zunehmendem Maße auf ein hohes Engagement ihrer Mitarbeiter angewiesen, um die erforderlichen Veränderungen erfolgreich bewältigen zu können. Wie bereits erwähnt, ist durch zahlreiche Studien belegt, dass Mitarbeiter mit einer starken Bindung sich stärker für die Organisation engagieren und dem Unternehmen auch dann treu bleiben, wenn sich attraktive Alternativen ergeben.

In Zeiten von Umbrüchen und Veränderungen sind Unternehmen damit besonders auf das Commitment ihrer Mitarbeiter angewiesen. Daraus folgt die Forderung, entgegen dem bislang aufgezeigten Trend nach Möglichkeiten und Strategien zu suchen, wie Bindung von Beschäftigten dennoch erhalten bzw. gefördert werden kann. Angesichts zunehmender Deregulierung gewinnt gerade Vertrauen wieder an Bedeutung. Außerdem handelt es sich bei Verbundenheit und Zugehörigkeit um zentrale menschliche Motive, die zu ignorieren wertvolle Ressourcen verschwenden würde.

Damit stellt sich umso dringlicher die Frage, wie angesichts sich verändernder Bedingungen der Erhalt bzw. die Entwicklung von Mitarbeiterbindung gewährleistet werden kann. Unternehmen, denen es gelingt, hier gegenzusteuern, dürften von einem erheblichen Wettbewerbsvorteil profitieren, weil sie als besonders attraktiver Arbeitgeber gelten. Maßnahmen zur Verbesserung der Employability, aber auch personale Führung, dürften eine entscheidende Rolle spielen, um Bindung der Mitarbeiter zu gewährleisten.

Angesichts der medienträchtigen Umwälzungen und Veränderungen, die insbesondere große Unternehmen betreffen, darf nicht übersehen werden, dass sowohl die qualitative als auch quantitative Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) unterschätzt wird. Hier liegt ein erhebliches Beschäftigungs- und Innovationspotenzial. Kleine und mittlere Unternehmen haben nicht nur in der Vergangenheit eine wichtige Bedeutung gehabt, sondern werden auch in Zukunft eine wichtige Schlüsselfunktion für die wirtschaftliche Innovation sowie die Entwicklung regionaler Wirtschaftsstrukturen einnehmen. Dies bedeutet, dass die Einschätzung der Relevanz des Themas Mitarbeiterbindung nicht nur im Hinblick auf große Unternehmen, sondern vor allem auch mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen erfolgen sollte.

Letztere sind durch Fluktuationsrisiken und Abwanderungstendenzen von Leistungsträgern in stärkerem Maße gefährdet als Großunternehmen. Gleichzeitig sind kleine und mittlere Unternehmen eher in der Lage, Voraussetzungen zu schaffen, die die Bindung von Mitarbeitern fördern und unterliegen weniger den zuvor aufgezeigten Trends, die eine Bindung erschweren. Das bedeutet, dass die pessimistische Perspektive, die insbesondere vor dem Hintergrund der Situation von Großbetrieben und Global Playern entworfen wurde, nicht einfach auf das Gros der KMU übertragen werden darf. Das käme dem sprichwörtlichen „Ausschütten des Kindes mit dem Bade“ gleich.

|22|Geht man jedoch davon aus, dass die Bindung an die Organisation mittel- oder langfristig an Bedeutung einbüßen wird, stellt sich die Frage, ob hier ein Vakuum hinterlassen wird, oder ob andere Bindungen im organisationalen Kontext aufgebaut und entwickelt werden. Die klassische Konzeption von Mitarbeiterbindung, welche sich darauf bezieht, wie sehr sich Beschäftigte mit einer bestimmten Organisation identifizieren, muss daher um weitere Identifikations- bzw. Bindungsziele ergänzt werden. Dies macht es z. B. notwendig, verstärkt auch Bindungen gegenüber der unmittelbaren Arbeitsgruppe, dem Beruf, der Tätigkeit oder zusätzlich gegenüber der Beschäftigungsform in den Focus der Aufmerksamkeit zu rücken.

Zusammengefasst: Hohe Aktualität und zunehmende Bedeutung

Unternehmen sind nach wie vor und gerade in schwierigen Zeiten auf die Loyalität ihrer Mitarbeiter angewiesen, wahrscheinlich liegen hier entscheidende Erfolgsfaktoren.

Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen wird zunehmen, ihr Erfolg ist besonders auf die Bindung der Mitarbeiter angewiesen, gleichzeitig bieten sie günstigere Voraussetzungen, um Mitarbeiter zu binden.

Verlagerung der Bindung von der Gesamtorganisation zu Projekten, Aufgaben und Teams.

Folgende Beispiele zeigen die Bedeutung dieser unterschiedlichen Bindungen jenseits der Organisation.

Beispiele für unterschiedliche Bindungen:

Die Pflegekraft, welche ihren Beruf als „Berufung“ erlebt, verfügt zum Beispiel über eine ausgeprägte Bindung an ihre Tätigkeit. Für sie ist es vielleicht von eher nachrangiger Bedeutung, in welchem Krankenhaus (Organisation) sie tätig ist und wie genau ihr Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Die VW-Werkerin oder die Mitarbeiterin von Siemens, deren berufliche Identität in erster Linie durch die langjährige Betriebszugehörigkeit geprägt ist und u. U. in der Familie bereits seit mehreren Generationen Tradition hat, verkörpert hingegen den klassischen Typus der Bindung an die Organisation. Für sie ist die Bindung an eine bestimmte Tätigkeit jedoch von untergeordneter Bedeutung, solange sie unter dem Dach „ihrer“ Organisation angesiedelt ist. Für den Ingenieur oder Wissenschaftler, der seit Jahren in einer Forscher- oder Entwicklergruppe tätig ist, steht hingegen das Team, mit dem er zusammenarbeitet, im Vordergrund. Stimmen die Rahmenbedingungen für diese Arbeit nicht mehr, wechselt, bei hoher Bindung an das Team, die gesamte Mannschaft das Unternehmen bzw. die Organisation. Auch die Form der Beschäftigung kann eine wichtige Rolle spielen. So mag es für einen Sachbearbeiter in einer Verwaltung in erster Linie wichtig sein, eine feste Anstellung zu haben. Für einen sicheren Arbeitsplatz werden Abstriche bei der Organisation oder der Tätigkeit in Kauf genommen.

Es fällt außerdem auf, dass der Focus der Forschung zur Mitarbeiterbindung bislang auf klassische Erwerbstätigkeiten und Profit-Organisationen gerichtet war. Die zunehmende Zahl von Beschäftigten in sozialwirtschaftlichen Berufen und im Non-Profit-Sektor macht deutlich, dass diese Tätigkeitsfelder auch hinsichtlich ihres Bindungscharakters näher erforscht werden müssen. Hierzu zählen z. B. pflegerische, pädagogische, sozialpädagogische Berufe und Tätigkeiten. Stichworte wie Ehrenamtlichenmanagement und Bürgerarbeit wei|23|sen auf die Bedeutung von Arbeitsformen jenseits klassischer Erwerbsarbeit hin, die ein hohes Maß an Bindung voraussetzen. Bindung an die Tätigkeit oder eine bestimmte Klientel dürfte auch bei ehrenamtlichen Tätigkeiten im Vordergrund stehen. Hierzu ist allerdings bislang nur wenig bekannt.

Die folgende Auflistung gibt eine Übersicht über bereits angesprochene und weitere aktuelle offene Fragen:

Welche Ursachen von Bindung sind maßgeblich?

Warum binden sich Menschen an eine Organisation und welche Werte, Motive oder Bedürfnisse sind hier maßgeblich?

Wie lassen sich Unterschiede zwischen Personen erklären, welche Personenmerkmale spielen hierbei eine Rolle?

Wie entsteht Bindung, welche psychologischen Mechanismen und Prozesse werden hier wirksam?

Wie lassen sich Unterschiede zwischen Organisationen oder Organisationsbereichen erklären, welche Bedingungen spielen hierbei eine Rolle?

Wie entwickelt und verändert sich Mitarbeiterbindung im Laufe der Zeit?

Wie lassen sich Ausmaß sowie Art und Weise der Bindung im Sinne eines aktiven Bindungsmanagements durch die Organisation beeinflussen?

Gibt es unterschiedliche Bindungstypen?

Wie binden sich Menschen an eine Organisation und lassen sich bestimmte Bindungstypen voneinander unterscheiden?

Woran binden sich Mitarbeiter im Arbeitskontext und lassen sich auch hier bestimmte Bindungstypen voneinander unterscheiden?

Zu welchen Konsequenzen führt Bindung?

Welche Chancen und positiven Konsequenzen ergeben sich für die Mitarbeiter, Kollegen, Vorgesetzten und die Organisation?

Welche Risiken und negativen Konsequenzen ergeben sich für die Mitarbeiter, Kollegen, Vorgesetzten und die Organisation?

Welche Kontextbedingungen beeinflussen die Bedeutung von Bindung?

Ist Mitarbeiterbindung ein universelles Phänomen oder gibt es kulturabhängige Besonderheiten?

Gibt es berufs- oder tätigkeitsspezifische Bindungsmuster, z. B. für soziale Berufe?

Ausgehend von diesen Eingangsüberlegungen und den abschließend aufgeworfenen Fragen werden in den folgenden Kapiteln die zentralen Theorien, Konzepte und Forschungsergebnisse berichtet. Zum besseren Verständnis des Phänomens Mitarbeiterbindung werden zunächst die einschlägigen Theorien und Konzepte vorgestellt und diskutiert. Dabei werden auch die offenen und ungeklärten Punkte identifiziert und angesprochen (Kapitel 2 und 3).

In den folgenden Kapiteln wird der aktuelle Stand der Forschung berichtet. Ausgangspunkt ist zunächst die Frage, in welchem Maße sich Mitarbeiter in Deutschland und Europa ihrem Unternehmen bzw. ihrer Organisation verbunden fühlen (Kapitel 4). Im Anschluss geht es zum einen um gesicherte Erkenntnisse zu den Auswirkungen und Konsequenzen von Mitarbeiterbindung (Kapitel 5). Zum anderen geht es um empirische Befunde, die belegen, welche Bedingungen und Faktoren Mitarbeiterbindung erhalten, fördern und entwickeln (Kapitel 6).

|24|In den weiteren Kapiteln werden spezielle Fragen bzw. offene Punkte aufgegriffen und hierzu erste Überlegungen und, soweit vorhanden, auch erste empirische Befunde vorgestellt. Dabei geht es in Kapitel 7 um Korrelate und verwandte Konzepte wie Arbeitszufriedenheit und Involvement und in Kapitel 8 wird die Frage behandelt, welche Kontextbedingungen berücksichtigt werden müssen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf neue Arbeitsformen und kulturelle Unterschiede sowie Non-Profit-Organisationen gelegt. In Kapitel 9 geht es um Commitment in Veränderungsprozessen und in Kapitel 10 um das gleichzeitige Commitment gegenüber dem Team oder einzelnen Organisationseinheiten und der Gesamtorganisation (Duales Commitment). In Kapitel 11 werden Veränderungen und Risiken von Commitment thematisiert.

Welche konkreten Hinweise und Empfehlungen sich aus dem Stand der Diskussion zum Thema Mitarbeiterbindung für ein aktives Bindungsmanagement ableiten lassen, wird jeweils auch in diesen Kapiteln behandelt. Ausgangspunkt ist dabei die Frage, wie Chancen einer hohen Mitarbeiterbindung genutzt und Risiken gemindert werden können. Abschließend werden in Kapitel 12 Perspektiven für die künftige Forschung aufgezeigt.

1

Zugunsten einer besseren Lesbarkeit wird im Text i. d. R. das generische Maskulinum verwendet. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen alle Geschlechter (m/w/d). Die verkürzte Sprachform hat ausschließlich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. Wenn möglich, wurde eine geschlechtsneutrale Formulierung gewählt.

|25|2 Mitarbeiterbindung: Das psychologische Band zwischen Mitarbeiter und Unternehmen

Die Bindung an eine Organisation ist als Forschungsthema seit nunmehr über 30 Jahren vor allem im angloamerikanischen Raum verankert (Mowday, Porter & Steers, 1982; Mowday, Steers & Porter, 1979; Porter, Steers, Mowday & Boulian, 1974). Unter Mitarbeiterbindung verstehen wir zunächst die Verbundenheit, Zugehörigkeit und Identifikation, die Mitarbeiter gegenüber ihrem Unternehmen empfinden und erleben. In der wissenschaftlichen Literatur wird Mitarbeiterbindung auch als Commitment bzw. organisationales Commitment bezeichnet.

Vor allem in der organisationspsychologischen Literatur ist dieser Begriff seit langem fest verankert. Bereits Anfang der 90er Jahre haben Mathieu und Zajac (1990) eine erste umfangreiche Metaanalyse vorgelegt. Betrachtet man vor allem auch die jüngere Literatur (Cohen, 2003; Meyer & Herscovitch, 2001; Meyer, 2016; van Dick, 2017), scheint das Interesse nicht nur ungebrochen, sondern zuzunehmen. Dies manifestiert sich nicht zuletzt in einer Reihe weiterer Metaanalysenjüngeren Datums (Cooper-Hakim & Viswesvaran, 2005; Lee, Carsfeld & Allen, 2000; Meyer, Stanley, Herscovitch & Topolnytsky, 2002; Meyer, Stanley, Jackson et al., 2012; Riketta, 2005). Unter anderem besteht die Aufgabe der Metaanalyse darin, angesichts der zahlreichen unterschiedlichen Einzelergebnisse einen sogenannten wahren Wert „ρ“ (roh) und das dazugehörige Vertrauensintervall für einen postulierten Zusammenhang oder Unterschied zu schätzen. Sind die möglichen Fehlerquellen (Stichprobenfehler, Unreliabilität der Messverfahren etc.), welche den wahren Wert verzerren und damit Artefakte produzieren, in ihrer Wirkung kontrolliert, wird nach Moderatorvariablen gesucht, die für die Streuung der Zusammenhänge in den Einzelstudien verantwortlich gemacht werden können. Diese Moderatorvariablen lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: deskriptive, theorieirrelevante Moderatoren (wie z. B. Publikationsjahr, Methoden, Messung, Instrumente, Erhebungssituation) und untersuchungsbezogene, theorierelevante, explizit in den Untersuchungen erhobene Variablen, die im Rahmen der metaanalytischen Auswertung als Moderatoren verwendet werden (z. B. bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, soziodemografische Merkmale).

Das Phänomen der Mitarbeiterbindung wird auch unter der Bezeichnung Identifikation bzw. organisationale Identifikation diskutiert (van Dick, Wagner, Stellmacher & Christ, 2004; van Dick, 2017). Beide Konzepte sind einander sehr ähnlich und haben ihre Wurzeln in Theorien der Sozial- und Organisationspsychologie, setzen aber zum Teil auch unterschiedliche Akzente. Während das Commitmentkonzept Mitarbeiterbindung eher als individuelle Einstellung gegenüber dem „Objekt“ Organisation konzeptualisiert (individuelle Perspektive), argumentiert der Identitätsansatz eher aus einer Gruppenperspektive. Organisationen und Organisationsbereiche werden demnach als soziale Gruppen betrachtet, die interagieren, kooperieren und konkurrieren. Die Zugehörigkeit zu Gruppen erklärt die Entwicklung sozialer und insbesondere organisationaler Identität. Beide Ansätze werden in den folgenden Kapiteln ausführlich dargestellt.

|26|2.1 Organisationales Commitment

Wie bereits im ersten Kapitel ausführlich dargestellt wurde, gewinnt das Konzept des organisationalen Commitments an Bedeutung. Vor dem Hintergrund organisationalen Wandels, der u. a. durch Globalisierung, flexiblere Organisations- und Beschäftigungsformen, flachere Hierarchien sowie veränderte Aufgaben und Anforderungen gekennzeichnet ist, wird die Bindung an ein Unternehmen zwar auch erschwert, aber die Organisationen sind zunehmend darauf angewiesen, dass Mitarbeiter sich über das ausdrücklich Geforderte hinaus engagieren und auch in schwierigen und unsicheren Zeiten für das Unternehmen einsetzen (Cooper-Hakim & Viswesvaran, 2005). Die Bereitschaft hierzu dürfte bei einer entsprechenden emotionalen Verbundenheit mit der Organisation größer sein, als wenn die Beziehung als unwichtig erlebt wird. Gleichzeitig sollten stark gebundene Mitarbeiter auch in Krisenzeiten weniger zu Fluktuation neigen und eher bereit sein, Unannehmlichkeiten zu tolerieren oder auf die Nutzung alternativer Chancen zu verzichten. Commitment stellt sich somit als wesentlicher Erfolgsfaktor dar.

Commitment bedeutet Verbundenheit, Verpflichtung, Identifikation und Loyalität gegenüber der Organisation. Mathieu und Zajac (1990) definieren Commitment als das psychologische Band zwischen Mitarbeitern und der Organisation: „a bond or linking of the individual to the organization“ (S. 171). Etwas allgemeiner definieren Meyer und Herscovitch (2001) Commitment als eine handlungssteuerende Kraft: „a force that binds an individual to a course of action of relevance to one or more targets“ (S. 301). Dieses Band charakterisiert die Qualität der Beziehung hinsichtlich Nähe-Distanz, Wertigkeit, Wertschätzung, Verbindlichkeit, Festigkeit und zeitlicher Perspektive: „The relative strength of an individual’s identification with and involvement in a particular organization“ (Mowday et al., 1982). Im Vergleich zu Loyalität ist Commitment eher Ausdruck einer aktiven Beziehung: „Commitment is … more than passive loyality … active relationship“ (Mowday et al., 1979) und im Vergleich zur Arbeitszufriedenheit hebt sich Commitment durch Stabilität und Langfristigkeit ab: „Commitment is more global … general affective response to the organization as a whole … develops slowly but consistently, whereas job satisfaction is an evaluative reaction to specific task environment, job or job facets, less stable over time“ (Mowday et al., 1979).

In diesem Sinne beschreibt organisationales Commitment eine Einstellung gegenüber dem Unternehmen bzw. der Organisation dem bzw. der man angehört. Mithilfe des Commitmentkonzepts wird erfasst, wie sich Mitarbeiter ihrem Unternehmen verbunden und verpflichtet fühlen. Commitment beinhaltet kognitive und emotionale Komponenten. Dabei spielt die Befriedigung von Bedürfnissen vor dem Hintergrund individueller Werte, Einstellungen und Ziele eine zentrale Rolle. Kognitive Vergleichsprozesse (Soll-Ist-Vergleich) etc. können zum Beispiel als Erklärungsmechanismen für Bindung herangezogen werden. Das Gefühl der Verbundenheit und Verpflichtung gegenüber der eigenen Organisation wird als wichtige Voraussetzung für die individuelle Leistungsbereitschaft und vor allem für die Bereitschaft, dem Unternehmen „treu“ zu bleiben angesehen. Die Attraktivität des Konzepts hat mehrere Ursachen:

Auf der einen Seite ist zu erwarten, dass Mitarbeiter mit einer hohen Bindung an ihr Unternehmen sich auch stärker für den Erfolg einsetzen und vermehrte Leistungsbereitschaft aufbringen. Gleichzeitig sollten Mitarbeiter mit hohem Commitment auf die Nutzung alternativer Chancen verzichten, d. h. weniger zu Fluktuation neigen und eher bereit sein, Unannehmlichkeiten zu tolerieren. Commitment der Mitarbeiter stellt somit einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die Unternehmen dar.

|27|Mit einer langjährigen Forschungstradition ist die Bindung an eine Organisation als Forschungsthema vor allem im angloamerikanischen Raum fest verankert. Auch im deutschsprachigen Raum wird der Ansatz seit Ende der 80er Jahre zunehmend aufgegriffen (z. B. Felfe, 2005; Maier & Woschée, 2002; Riketta, 2002; Schmidt, Hollmann & Sodenkamp, 1998; van Dick, 2017). In der Entwicklung des Commitmentkonzeptes lassen sich mehrere Entwicklungslinien und Phasen ausmachen, die im folgenden Abschnitt dargestellt werden.

2.1.1 Commitment als emotionale Bindung

Ein erster Ansatz geht auf Porter et al. (1974) zurück (vgl. auch Mowday et al., 1979). Im Mittelpunkt steht die emotionale oder affektive Bindung von Personen an ihre Organisation. Kennzeichen dieser Betrachtungsweise organisationalen Commitments sind die folgenden Komponenten: (1) starke Akzeptanz und Identifikation mit den Werten und Zielen der Organisation, (2) Bereitschaft, sich besonders für die Organisation einzusetzen sowie (3) der Wunsch, weiterhin in der Organisation zu verbleiben (Mowday et al., 1982).

In eine ähnliche Richtung weisen auch folgende Ansätze, welche die Einstellung und Identifikation („An attitude or an orientation toward the organization which links or attaches the identity of the person to the organization“, Sheldon, 1971) oder die Wertekongruenz betonen. Auf dieser theoretischen Basis entstand der aus 15 Items bestehende Organizational Commitment Questionnaire (OCQ) (Mowday et al., 1979), der in zahlreichen Untersuchungen eingesetzt wurde (z. B. Scandura & Lankau, 1997). Eine ausführliche Darstellung dieses und anderer Instrumente zur Messung von Commitment erfolgt in Kapitel 3.

Commitment als emotionale Bindung

Verlust der Verbindlichkeit durch den Einfluss anonymer globaler Finanzmärkte

Akzeptanz und Identifikation mit Werten und Zielen

Besonderes Engagement

Wunsch, in der Organisation zu verbleiben

Folgende Beispiele sollen den Charakter dieser Art von Bindung verdeutlichen. Zum besseren Verständnis sind auch Beispiele für affektiv oder emotional basierte Bindungen aus anderen Lebensbereichen aufgeführt.

Beispiel 1:

Kurt Leisig ist leidenschaftlicher Motorradfahrer. Schon früher hat er davon geträumt, später mal eine echte Harley-Davidson zu fahren. Seit einigen Jahren hat er sich bereits diesen Traum erfüllt. Wenn man ihn fragt, was denn an dieser Marke so attraktiv ist, erklärt er, dass die klassisch traditionelle Konstruktion und die solide handwerkliche Fertigung genau seinen Vorstellungen entsprechen. Andere Hersteller würden sicher auch gute und vor allem preiswertere Motorräder herstellen, die aber sehr stark aktuellen Modetrends folgen und allen möglichen technischen „Schnickschnack“ aufweisen. Wenn einem aber solides Handwerk, Tradition und ein uriges Fahrerlebnis wichtig sind, so erfahren wir, würde H.-D. diese Werte am ehesten verkörpern. So verwundert es nicht, dass Kurt Mitglied in der Harley Owners Group ist und sich regelmäßig im Internet und bei seinem Händler über aktuelle Neuigkeiten |28|informiert. Darauf, dass H-D. nicht nur Motorräder mit Kultstatus herstellt, sondern vor allem in den letzten Jahren auch ein sehr erfolgreiches börsennotiertes Unternehmen war, ist Kurt auch ein bisschen stolz. Allerdings waren die beiden doch recht kostspieligen Reparaturen im letzten Jahr sehr ärgerlich und Kurt hätte sich vor allem angesichts der hohen Werkstattpreise etwas mehr Kulanz gewünscht. Außerdem musste er eine halbe Ewigkeit auf die Ersatzteillieferung aus den USA warten. Diese Enttäuschung und auch der hohe Kaufpreis werden ihn nicht davon abhalten, seiner Marke auch weiterhin treu zu bleiben.

Beispiel 2:

Franziska Gerber ist seit 20 Jahren als Informatikerin in einem IT-Unternehmen mit über 200 Beschäftigten tätig. Als sie damals als Praktikantin und Werkstudentin in der Firma anfing, gab es dort außer ihr nur noch acht Kollegen. Zwei von ihnen hatten sich nach der Uni selbstständig gemacht und die Firma gegründet. Dass sie damals von Anfang an richtig in das Team aufgenommen wurde und verantwortungsvolle Aufgaben übertragen bekommen hat, gefiel ihr besonders gut. Es hat ihr damals imponiert, wie die Geschäftsführer sie immer wieder einbezogen und nach ihrer Meinung gefragt haben, obwohl sie kaum Erfahrung hatte. Der partnerschaftliche, fast familiäre Umgang hat sich bis heute erhalten. Ihr hat man es auch immer wieder überlassen, vor allem mit schwierigen Kunden noch eine Lösung zu finden. Geduld, Kreativität und insbesondere die Fähigkeit zuzuhören sind Stärken, welche die anderen schätzen lernten. Dass es dem kleinen Unternehmen trotz hartem Wettbewerb gelungen ist, sich am Markt zu behaupten und zu wachsen und dass die Firma bei ihren Kunden einen sehr guten Ruf genießt, erfüllt Frau Gerber mit Stolz. Umgekehrt hat es ihr schlaflose Nächte bereitet, als ein wichtiges Projekt zu scheitern drohte. Es war fast selbstverständlich, dass sie später einen eigenen Verantwortungsbereich mit eigenen Mitarbeitern bekam, als die Firma immer größer wurde. Als der „neue Markt“ boomte, bekam sie einige gut dotierte Angebote, die sie abgelehnt hat, obwohl die Bezahlung durchaus besser gewesen wäre. Nachdem sich die Firma nach dem anschließenden Einbruch in der IT-Branche wieder erholt hat, ist die Geschäftssituation aktuell eher kritisch und die Zukunft etwas ungewiss. Die Geschäftsführer und leitenden Angestellten mussten sogar auf einen Teil ihres Gehalts verzichten, um einen finanziellen Engpass zu überwinden. Letzten Monat erhielt Frau Gerber einen Anruf von einem Headhunter, der auf der Suche nach einer neuen Leitung für das Rechenzentrum einer Verwaltungsbehörde ist. Dabei handelt es sich ohne Zweifel um eine sichere, anspruchsvolle und gut bezahlte Position. Frau Gerber hat das Angebot eine Woche später abgelehnt.

Die Beispiele zeigen, wie emotionale Verbundenheit das Erleben und Verhalten beeinflussen kann. Das wird insbesondere dann deutlich, wenn die Betreffenden sogar bereit sind, Risiken, Kosten oder Nachteile in Kauf zu nehmen. Unbeteiligte, die nicht über diese emotionale Bindung verfügen, würden im oberen Beispiel vielleicht stärker Ärger oder Enttäuschung erleben und die Marke wechseln. Am Ende hat jedes Motorrad nur zwei Räder! In gleicher Weise ist zu fragen, warum Frau Gerber das offenbar unnötige Risiko einer ungewissen beruflichen Zukunft eingeht. Ohne die emotionalen Beweggründe ist die Ablehnung des sicheren und attraktiven Angebots kaum nachvollziehbar. In diesem Sinne werden weder Mühen noch Kosten gescheut, um die Beziehung aufrechtzuerhalten.

|29|2.1.2 Commitment als Fortsetzung von Handlungen

Eine zweite Gruppe von Ansätzen stellt die Fortsetzung von Handlungen in den Mittelpunkt. Wovon hängt es ab, ob wir Dinge, die wir einmal begonnen haben, auch fortsetzen? Diese Frage ist besonders dann interessant, wenn es auf den ersten Blick genügend Gründe gäbe aufzuhören und eine Sache zu beenden oder zumindest eine Strategie zu ändern. Als Grundlage zur Erklärung von Bindung werden rationale Kosten-Nutzen-Abwägungen herangezogen (vgl. z. B. Ritzer & Trice, 1969). Folgende Alltagsbeispiele sollen dieses Phänomen verdeutlichen, das sich auch auf den organisationalen Kontext übertragen lässt.

Beispiel 3:

Tobias Schlosser hat sich entschlossen, am Samstagabend rechtzeitig eine Party zu verlassen, um noch mit dem Bus nach Hause fahren zu können. Leider war die Fahrplanauskunft der einladenden Freunde nur sehr vage: „Also bis um 12.30 Uhr fährt in jedem Fall noch ein Bus, aber wahrscheinlich wirst du etwas warten müssen, die fahren dann nur noch alle 40 Minuten – bleib doch lieber noch ein bisschen und dann rufen wir dir ein Taxi“. Als Tobias bereits um Viertel nach 12 an der Haltestelle eintrifft, ist er sicher, nicht lange warten zu müssen und der leichte Nieselregen ist auch nicht so schlimm. Als um fünf vor halb eins ein Taxi vorbeifährt, denkt er schon kurz daran, einfach das Taxi zu nehmen. Aber Tobias entscheidet sich dagegen, weil er annimmt, dass der Bus nun jeden Moment kommen muss und die Taxifahrt wenigstens 20 Euro kosten würde, die er als Student nicht unnötig ausgeben möchte. Der Regen ist inzwischen stärker geworden und Tobias beginnt sich zu ärgern, dass er warten muss und langsam nass wird, weil der Bus nicht kommt. Zehn Minuten später erblickt Tobias wieder ein freies Taxi. Wenn er es anhalten und einsteigen würde, wäre er bald zu Hause und könnte sich in sein warmes, trockenes Bett legen. Andererseits muss der Bus ja nun wirklich jeden Moment kommen und er stellt sich vor, wie „blöd“ es wäre, wenn der Bus käme, während er gerade in das Taxi steigt. Außerdem wären die ganze Warterei und der frühe Aufbruch von der Party umsonst gewesen, ganz zu schweigen von den hohen Fahrtkosten. Jetzt nur nicht zu früh aufgeben, denkt sich Tobias und beruhigt sich mit dem Gedanken, dass er immer noch das nächste Taxi nehmen könnte. Weitere zehn Minuten später – Tobias wartet nun seit einer halben Stunde – sind weder Bus noch Taxi in Sicht und Tobias Hoffnung, dass der Bus noch kommt, schwindet. Aber möglich wäre es noch und vielleicht hat er ja auch nur etwas Verspätung. „Jetzt ist es auch egal, wie lange ich noch warten muss“, denkt sich Tobias und nimmt sich vor, auf keinen Fall „weich“ zu werden, falls doch noch ein Taxi kommen sollte.

Beispiel 4:

Maike Robold ist dem Rat ihres Bankberaters gefolgt und hat einen ordentlichen Betrag in die Aktien eines Bio-Tech-Unternehmens investiert. Das erste halbe Jahr lief richtig gut. Der Wert stieg bis um 26 % und der Bankberater schlug sogar vor, den Gewinn mitzunehmen. Aber Maike wollte keine „Zockerin“ sein, die schnell kauft und verkauft. Eigentlich hätte sie es auch schade gefunden, durch einen Verkauf die Aussicht auf weitere Gewinne aufzugeben. Bedauerlicherweise ging der Kurs dann aber in den nächsten Wochen stetig zurück. Als dieser nur noch 5 % über dem Kaufpreis liegt, kann Petra sich auch gegen das Anraten ihres Beraters nicht entschließen, zu verkaufen. Schließlich sind 5 % kein wirklich lohnendes Geschäft, wenn sie sich an |30|die 26 % erinnert und außerdem würde sie die Chance, von einem Wiederanstieg zu profitieren, verlieren. Wochen später meldet sich Petras Bankberater erneut, um darauf hinzuweisen, dass der Kurs bereits 12 % im Minus liegt und empfiehlt, das Verlustrisiko durch einen Verkauf zu begrenzen. Petra überlegt sich, dass die 12 % dann endgültig verloren wären und die ganze Investition umsonst gewesen wäre. Daher entschließt sie sich, nicht zu verkaufen. Als der Wert 30 % im Minus ist, denkt Petra, dass es jetzt auch nichts mehr ausmacht, wenn der Kurs noch weiter fällt und beschließt, die Aktie auf jeden Fall zu behalten und auf bessere Zeiten zu hoffen.

Beispiel 5:

Carla Kohlbach studiert bereits seit einigen Semestern Philosophie und Theaterwissenschaften und hat vor kurzem erfolgreich ihre Zwischenprüfung absolviert. Sie hatte sich damals wegen ihres großen Interesses für Literatur und Theater für diese Fächerkombination entschieden. Das geschah entgegen dem Rat ihrer Eltern, die diese Fächer immer noch als brotlose Kunst bezeichnen und das Studium daher für Verschwendung halten. Tatsächlich hat die Begeisterung für das Studium einen aktuellen Tiefpunkt erreicht und die Zukunftsaussichten geben auch Anlass zur Sorge. Soll sie jetzt tatsächlich ihr Studium hinschmeißen? Die vielen Semester wären verloren und die ganze Lernerei für die Zwischenprüfung ebenfalls umsonst gewesen. Ihre Eltern hätten dann am Ende doch Recht behalten – eine ärgerliche Vorstellung. Außerdem stellt sich die Frage, was sie stattdessen studieren soll. Vielleicht wird sie dann wieder mittendrin aufgeben. Also entschließt sich Carla, ihr Studium jetzt umso zügiger fortzusetzen und zu einem Abschluss zu bringen.

Zahlreiche sozialpsychologische Experimente zeigen, dass viele Menschen dazu neigen, einen einmal eingeschlagenen Weg beizubehalten und einer einmal getroffenen Entscheidung treu zu bleiben. Wie wir weiter unten sehen werden, wird dies unter anderem mit einem Streben nach Konsistenz erklärt. Es gibt einige Sprichwörter, die genau diesen Mechanismus widerspiegeln: „Wer A sagt, muss auch B sagen“, „Was einmal begonnen wurde, muss auch beendet werden“. Gelingt es zum Beispiel, Personen zu überzeugen, einer kleinen Bitte nachzukommen, sind sie auch eher bereit, uns einen größeren Gefallen zu tun. Diese Strategie ist auch als „Foot-in-the-door-Technik“ bekannt. Leider kann dieser Mechanismus auch dazu führen, langsam und unmerklich in ein Verhalten hineinzugeraten, was man zuvor wahrscheinlich empört zurückgewiesen hätte.

Milgram (1963