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Der Kommunikationskurs für Führungskräfte Miteinander reden ist von zentraler Bedeutung für Führungskräfte. Weder ihre fachlichen Kompetenzen noch ihre Position schützen sie vor Missverständnissen, Unklarheiten und verfehltem Gesprächsaufbau. Ihre Aufgaben in Teams und hierarchisch strukturierten Unternehmen verlangen aber, dass sie auf der Grundlage sachlicher und menschlicher Klarheit ihre Kontakte und Beziehungen effektiv und erfreulich gestalten, auch und gerade bei konfliktgeladenen Themen. An den besonderen Aufgaben von Führungskräften orientiert, verbindet dieses Handbuch Anleitungen, eingefahrene Kommunikationsweisen zu hinterfragen, mit lehrreichen Fallbeispielen und Übungen für konstruktives Miteinander-Reden.
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Seitenzahl: 216
Friedemann Schulz von Thun • Johannes Ruppel • Roswitha Stratmann
Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte
Mit Zeichnungen von Nina Kurth
Ihr Verlagsname
Der Kommunikationskurs für Führungskräfte
Miteinander reden ist von zentraler Bedeutung für Führungskräfte. Weder ihre fachlichen Kompetenzen noch ihre Position schützen sie vor Missverständnissen, Unklarheiten und verfehltem Gesprächsaufbau. Ihre Aufgaben in Teams und hierarchisch strukturierten Unternehmen verlangen aber, dass sie auf der Grundlage sachlicher und menschlicher Klarheit ihre Kontakte und Beziehungen effektiv und erfreulich gestalten, auch und gerade bei konfliktgeladenen Themen.
An den besonderen Aufgaben von Führungskräften orientiert, verbindet dieses Handbuch Anleitungen, eingefahrene Kommunikationsweisen zu hinterfragen, mit lehrreichen Fallbeispielen und Übungen für konstruktives Miteinander-Reden.
Friedemann Schulz von Thun, Jahrgang 1944, war bis 2009 Professor für Psychologie an der Universität Hamburg mit dem Schwerpunkt Beratung und Training. Seine Trilogie «Miteinander reden 1–3» hat sich zum Standardwerk in Schule und Beruf entwickelt. In seinem Institut für Kommunikation entwickelt er in Kooperation mit dem Arbeitskreis Kommunikation und Klärungshilfe Curricula für unterschiedliche Zielgruppen, um soziale Kompetenzen durch fachliches Lernen, methodisches Üben und menschliches Reifen zu fördern.
[email protected], www.schulz-von-thun-institut.de
Johannes Ruppel, Diplom-Psychologe, Jahrgang 1964, arbeitete über 20 Jahre als freiberuflicher Kommunikationsberater und -trainer im Schwerpunkt mit Führungskräften aus privatwirtschaftlichen Unternehmen und öffentlichen Institutionen. Er gehört seit 1991 dem Arbeitskreis Kommunikation und Klärungshilfe an. Seit 2002 ist er Veranstalter der Weiterbildungsreihe «Kommunikation und Führung», seit 2014 außerdem Veranstalter der Fortbildungsreihe «Kommunikations-Beratung und Training».
[email protected], www.kommunikation-fuehrung.de
Liebe Leserin, lieber Leser,
sollten Sie den Wunsch haben, das Thema «Kommunikation» persönlich und praxisnah zu vertiefen, nutzen Sie gern eines unserer Angebote zur Weiterbildung:
als Führungskraft im Wirtschaftsbereich: die Weiterbildungsreihe «Kommunikation und Führung»
(www.kommunikation-fuehrung.de)
als Führungskraft, Projektverantwortlicher, Manager: offene Seminare von elbdialog (www.elbdialog.com)
als Führungskraft oder Berater zum «Reinschnuppern»: Impulstage am SvT-Institut (www.schulz-von-thun.de)
als Berater, Trainer, Coach, Personalentwicklerin im Wirtschaftsbereich: die Fortbildungsreihe «Kommunikations-Beratung und Training» (www.kbt-seminare.de)
last not least: für Menschen aus dem psychosozialen, Gesundheits- und politischen Bereich: die Zusatzausbildung Kommunikationspsychologie (www.zkp-online.de).
Wir würden uns freuen, Sie hier persönlich kennenzulernen und beraten Sie gern bei der Auswahl des passenden Angebots.
Durch hervorragende fachliche Leistungen nach oben gekommen, haben wir Führungskräfte es plötzlich folgenreich mit Menschen zu tun! Dem Strategen mit dem kühlen Kopf geht jetzt vieles ans Herz und manches an die Nieren. Und manchem, der das Herz auf dem richtigen Fleck hatte, wird plötzlich klar, dass dieses Herz auf dem Feld der Professionalität gar nichts zu suchen hat. Oder doch? Jedenfalls: In dem Maß, wie wir es mit Menschen zu tun bekommen, bekommen wir es auch verstärkt mit uns selbst zu tun. «Mit sich selbst und anderen klarkommen»: Das ist das Ziel der so genannten sozialen Kompetenzen, die nun gleichgewichtig oder sogar vorrangig neben die Fachkompetenzen zu treten haben.
Die Bedeutung der sozialen Kompetenz im Berufsleben ergibt sich aus dem Umstand, dass bei gleicher Qualität und gleichen Preisen der Produkte der menschliche Faktor zum Zünglein an der Waage des Wettbewerbs wird. Wer beim Kunden besser «ankommt», wem es gelingt, in der Qualität der Zusammenarbeit Synergie-Effekte hervorzubringen, wer die Motivation der Mitarbeiter hebt und Krankenstand, Fluktuation und innere Kündigungen senkt, wer also ein hervorragendes Mannschaftsspiel aufzubauen in der Lage ist, der wird im schärfer gewordenen Wettbewerb die Nase vorn haben. Ob dabei immer und überall die harmonische Unterstellung zutrifft, dass eine an der Menschenwürde und den menschlichen Bedürfnissen orientierte Form der Führung und Zusammenarbeit (Humanität) auch eine höhere (quantitative und qualitative) Effektivität nach sich zieht, mag man skeptisch in Frage stellen. Auf jeden Fall aber gehören Humanität und Effektivität, gehören Menschlichkeit und Professionalität in einer lebenswerten Welt zusammen; auch und gerade für eine zweckrational ausgerichtete Führungskraft wird es unerlässlich, die kluge und sensible Gestaltung der menschlichen Beziehungsebene als Teil der professionellen Aufgabe zu begreifen. Aus diesem Grunde haben Schulungs- und Entwicklungsprogramme zur Steigerung der sozialen Kompetenz von Individuen und Teams seit einem Vierteljahrhundert auch in Deutschland Hochkonjunktur.
Für all die notwendigen Prozesse der Aufgabenverteilung, der Zielvereinbarung und Leistungsbewertung, der Motivation und Zusammenarbeit, der Gestaltung des Wandels – für all dies wird die Qualität der Gesprächskultur entscheidende Bedeutung bewahren. Und wer prägt die Gesprächskultur am stärksten? Ganz gewiss die Führungskraft, jedenfalls innerhalb des Teams, der Abteilung!
Gespräche und Auseinandersetzungen sind aber auch riskant. Manches wird viel schlimmer, wenn man darüber redet. Manche zwischenmenschliche Komplikation entsteht erst, während man über etwas spricht. Vor dem Gespräch war man vielleicht nur unterschiedlicher Meinung über irgendetwas, nach dem Gespräch ist man befremdet, entsetzt und verzagt über die Art und Weise, wie man sich vom anderen behandelt fühlt. Jetzt entstehen erst die richtigen Gräben! Wäre es nicht vielleicht doch besser, möglichst wenig miteinander zu reden? Auch dies ist kein Ausweg: Worüber man nicht rechtzeitig gesprochen hat, das kommt knüppeldick durch die Hintertür wieder herein. Aus Kontaktlosigkeit entsteht Befremden und aus Befremden nicht selten Feindseligkeit und Intrigen. Nein, der sachliche und menschliche Erfolg einer Führungskraft steht und fällt damit, dass sie mit den Leuten redet.
Aber kann man das denn lernen? Ist der gute Umgang miteinander, das Etablieren einer fruchtbaren Gesprächskultur, ist die dafür notwendige Kontakt- und Beziehungsfähigkeit nicht etwas, was man entweder hat oder nicht hat? Oft werden wir das gefragt. Ist nicht die Art, wie jemand mit sich selbst und anderen umgeht, sehr in seiner Natur, in seiner Art des Menschseins verankert? Können in diesem Bereich Schulungsprogramme überhaupt «greifen»?
Die Antwort lautet: Ja und Nein. Zu einem hohen Anteil führe ich so, wie ich bin, und nicht nach Maßgabe psychologischer Lehrinhalte oder geschulter Verhaltensweisen. Hoffentlich, denn im Umgang mit Menschen zählt das Wahrhaftige. Alles Antrainierte und Gekünstelte ist für die Gestaltung und Aufrechterhaltung intakter Beziehungen eine Gefahr. Einen Kommunikationskurs kann man nicht «absolvieren» wie einen EDV-Kurs. Wir bewegen uns hier an einer schwer zu definierenden, aber hochinteressanten Grenzlinie von Professionalität und Menschlichkeit. Rhetorisches Know-how und menschliche Entwicklung müssen zusammengehen, damit etwas Gutes daraus wird. Für diesen Prozess der eigenen professionellmenschlichen Weiterentwicklung gibt es aber – und das ist jetzt die gute Nachricht – viel versprechende Startimpulse und Begleithilfen. Von daher lohnt es, sich mit der Psychologie der zwischenmenschlichen Kommunikation näher zu befassen, sofern man bereit ist, diese Inhalte und Modelle nicht nur mit dem Verstand zu erfassen (als etwas, was man sich schnell und effektiv «draufschafft»), sondern auch wirklich an sich herankommen zu lassen. Dann (und nur dann) sind beachtliche Fortschritte möglich, können der Profi und der Mensch gleichermaßen profitieren und ein harmonisches Duo werden. Mut machende Erfahrungsberichte darüber liegen vor (Schulz von Thun, 1996, S. 207ff., und Boecker, 2000).
Die drei Bände «Miteinander reden» von Friedemann Schulz von Thun (1981, 1989 und 1998) bilden die Grundlage unserer Seminare und Übungen. In diesem Buch stellen wir daraus zusammen, was für Führungskräfte im Beruf von besonderer Bedeutung ist – nicht als wissenschaftliche Publikation, sondern als praktische Handreichung. Damit ist die erste von drei Besonderheiten angesprochen, die den vorliegenden Band kennzeichnen und von den Grundlagenbüchern abheben: die Spezifität der Zielgruppe.
Die zweite Besonderheit: Wir wollen verstärkt die Gesprächsdidaktik betonen (Wie führe ich konkret ein Gespräch?). In unseren Kommunikations- und Entwicklungskursen steht dieser Baustein zwar erst an zweiter Stelle. An erster Stelle stehen grundlegende Einsichten in menschliche und zwischenmenschliche Dynamiken, wie in den Grundlagenbänden dargestellt. Aber nach Theorie und Selbsterfahrung verlangt auch das «Handwerkliche» sein Recht.
Die dritte Besonderheit ist darin zu sehen, dass wir die in «Miteinander reden 1–3» nacheinander und im Lauf der Jahre entwickelten Modelle hier integrativ und in ihrer Zusammenschau verwenden.
Noch einmal:
Ausrichtung auf die Zielgruppe Führungskräfte
Betonung der konkreten Gesprächsführung
Integration der kommunikationspsychologischen Modelle
sind die Leitgedanken dieses Buches. Da wir nicht davon ausgehen (können), dass jeder praxisorientierte Leser und (zunehmend!) jede praxisorientierte Leserin[*] alle drei Grundlagenbände bereits durchgearbeitet haben, werden wir die Modelle in Kurzform und mit besonderem Bezug auf Führung im Kapitel 2 darstellen.
«Wir» – das sind die drei Autoren, eine Teilgruppe aus dem «Arbeitskreis Kommunikation und Klärungshilfe». Roswitha Stratmann und Johannes Ruppel haben in den letzten zehn Jahren viele Seminare für Führungskräfte in verschiedenen Berufsfeldern durchgeführt und dabei erfahren, wo es besonders «kniffelig» wird. Dieses Buch ist aber auch durch den ständigen Austausch mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus dem Arbeitskreis möglich geworden: mit Regine Heiland, Gabi Manneck, Ruth M. Maul, Karl Benien, Stephan Bußkamp, Eberhard Stahl und Christoph Thomann. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Zunächst waren wir skeptisch, ob ein Buch das geeignete Medium ist für das, worum es hier geht («Das muss man doch erleben!»). Aber dann haben wir uns zu der Hoffnung durchgerungen, dass ein Buch manchmal erst den nötigen Bewusstseinshorizont schafft – und für eine gute Nachbereitung des Erlebten ohnehin unerlässlich ist. Wohlan denn, mögen Sie es als kleine Leitlinie für Ihre eigene Entwicklung nutzen – und es soll ja (auch heute noch) Menschen geben, die aus Büchern für sich etwas lernen. Vielleicht gehören Sie am Ende dazu!?
«Die ideale Führungspersönlichkeit braucht: die Würde eines Erzbischofs, die Selbstlosigkeit eines Missionars, die Beharrlichkeit eines Steuerbeamten, die Erfahrung eines Wirtschaftsprüfers, die Arbeitskraft eines Kulis, den Takt eines Botschafters, die Genialität eines Nobelpreisträgers, den Optimismus eines Schiffbrüchigen, die Findigkeit eines Rechtsanwalts, die Gesundheit eines Olympiakämpfers, die Geduld eines Kindermädchens, das Lächeln eines Filmstars und das dicke Fell eines Nilpferds.» Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Ingo Kleist, zum idealen Profil eines neuen Polizeipräsidenten für Hamburg.
So pointiert dieses Bonmot auch formuliert ist, viel Wahres ist doch daran: Die Anforderungen an eine moderne Führungskraft sind überaus vielfältig und widersprüchlich. Für ständig wechselnde Situationen braucht die Führungskraft von heute eine große «personale Bandbreite» oder, anders ausgedrückt: eine Vielzahl von inneren Möglichkeiten, zu reagieren und zu agieren, die fast übermenschlich erscheinen will. Übermenschlichkeit ist aber kein gutes und realistisches Ideal für einen Menschen. Das ist der Grund, warum wir in unseren Fortbildungen für Führungskräfte ein anderes Ideal anpeilen, nämlich das Ideal der Souveränität 2. Ordnung. Was ist damit gemeint?
Wer auf Souveränität 1. Ordnung aus ist, der versucht, immer «Herr der Lage zu sein», jede Situation optimal zu meistern, sich keine Blöße zu geben, unangreifbar und unverwundbar zu sein, kurzum: ein perfekter Profi, der keine menschlichen Schwächen, Verwundbarkeiten kennt, der durch nichts und niemanden zu beirren ist, der sich keine Nachdenklichkeit anmerken lässt.
Demgegenüber bevorzugen wir ein Verständnis von Professionalität, die ein menschliches Antlitz trägt, die menschliche Schwächen und Fehlbarkeiten, menschliche Empfindlichkeiten und momentane Verwirrtheiten einschließt. Dieses Verständnis von Professionalität eignet sich möglicherweise weniger für einen Piloten im Cockpit, jede Unperfektheit kann hier schnell gefährlich werden. Sie eignet sich aber umso mehr für einen anderen Kontext, von dem hier ja die Rede ist, für die Begegnung von Mensch zu Mensch.
Wenn die Souveränität 2. Ordnung, also die Verbindung von Professionalität und Menschlichkeit, das Ideal ist, dem eine Führungskraft nachstrebt: Was bedeutet das nun für ihr Verhalten in einer konkreten Situation? Wie soll sie z.B. reagieren, wenn eine Mitarbeiterin, die noch neu im Team ist, folgendermaßen auf sie zukommt: «Also, ich weiß nicht recht: Ich werde das Gefühl nicht los, dass mich die neuen Kollegen regelrecht abblitzen lassen. Mir scheint es, als würden persönliche Gespräche abgebrochen, sobald ich in die Nähe komme …»
Soll sich die Führungskraft zuständig fühlen und Maßnahmen zur Teamintegration einleiten? Oder wäre es nicht besser, die Mitarbeiterin zu ermutigen, das Problem selbst anzugehen, unter Umständen, sie zu coachen bei der Art, wie sie es lösen kann? Oder wäre es richtig, die Angelegenheit bei der nächsten Teamsitzung auf die Tagesordnung zu setzen und gemeinsam im Team zu besprechen? Oder wäre nicht gerade dies ein großer Fehler, da etwas, das noch unklar ist und vielleicht auch nicht alle betrifft, zu einem Tagesordnungspunkt gemacht wird?
Da wir davon ausgehen, dass sich ein richtiges, gutes Führungsverhalten nur aus den Besonderheiten der Situation und den Besonderheiten der menschlichen Verfassung in dieser Situation ableiten lässt, kann nur die Führungskraft selbst, die sich in dieser Situation befindet, die für sie passende Antwort finden. Das richtige Führungsverhalten ist nicht auf Rezept zu haben, man muss es an sich herausfinden und entwickeln, es ist also immer eine kleine Erfindung «Marke Eigenbau». Jeder ist dabei selbst der kompetenteste Experte für seine Führungssituationen und für sich selbst.
Aber auch Experten können Beratung brauchen. Deshalb wollen wir Sie im Folgenden dabei unterstützen, für sich herauszufinden, welches Führungsverhalten das richtige in den unterschiedlichen Situationen Ihres Führungsalltags ist. Grundlage des Selbst-Herausfindens muss einerseits eine klare Bewusstheit über die Situation sein, in der ich mich befinde, und des Systems, in dem ich mich bewege, andererseits eine klare Bewusstheit meiner selbst in dieser Situation. Versuchen wir also diese doppelte Bewusstheit nach innen und nach außen zu entwickeln.
Beginnen wir mit der grundsätzlichen Situation, in der ich mich als Führungskraft befinde. Ein Wesensmerkmal dieser Situation ist die Widersprüchlichkeit der Anforderungen.
Führungskräfte müssen in ihrem Alltag sehr unterschiedlichen, nicht selten auch gegensätzlichen Anforderungen gerecht werden. Einer dieser grundsätzlichen Gegensätze ist z.B. der folgende: Auf der einen Seite muss eine Führungskraft dafür sorgen, dass Ziele erreicht, Aufgaben erfüllt, Ergebnisse produziert, Termine eingehalten werden und dadurch der «Shareholdervalue» maximiert wird. Auf der anderen Seite heißt es dann aber auch, darauf zu achten, dass «die Mitarbeiter das wichtigste Kapital des Unternehmens sind», dass nur zufriedene Mitarbeiter gut arbeiten und die Atmosphäre im Team stimmen muss.Was auf den ersten Blick wie unvereinbare Gegensätze aussieht, sind nicht selten zwei Seiten einer Medaille, zwei positive Ausrichtungen, die nur für sich genommen, ohne den Ausgleich der anderen Seite, Gefahr laufen, in ein negatives Extrem abzurutschen. Stehen sie in einem positiven Spannungsverhältnis, können sie eine gelungene Ergänzung bilden (das dieser Darstellung zugrunde liegende Modell, das Werte- und Entwicklungsquadrat, wird im Kapitel 2.4 erklärt):
Es gilt also, die positiven Werte – Effektivität und Humanität – so auszubalancieren, dass man auf Dauer weder in das eine noch in das andere Extrem abrutscht. Es handelt sich dabei allerdings um eine dynamische Balance. Dies wird einem spätestens dann bewusst, wenn eine Situation eine Entscheidung verlangt, die in das eine oder das andere Extrem tendiert, wenn man z.B. einen fähigen Mitarbeiter entlassen muss. Umso wichtiger ist es dann, den anderen positiven Wert nicht aus den Augen zu verlieren und die Balance möglichst bald wiederherzustellen, indem man sich z.B. dem zu entlassenden Mitarbeiter gegenüber so offen und fair wie in dieser Situation möglich verhält.
In ihrem Alltag bekommt eine Führungskraft die Gegensätzlichkeit dieser und anderer Anforderungen oft dadurch unmittelbar zu spüren, dass sie von unterschiedlichen Personen an sie gestellt werden, es besteht ein so genannter Intra-Rollenkonflikt.
Da diese Anforderungen von oben und von unten gestellt werden, nennt man diesen Intra-Rollenkonflikt auch die «Sandwich-Position» der Führungskraft im mittleren Management. Vergegenwärtigt man sich die Vielzahl der Rollenpartner, die irgendetwas von der Führungskraft wollen, wie z.B. Mitarbeiter, Vorgesetzte, Personalentwickler, Kunden, bekommt man den Eindruck, eine Führungskraft im mittleren Management müsse sich wie ein «armes Würstchen» fühlen, eingewickelt in ihre Führungsrolle, zu keiner freien Bewegung mehr fähig (s. Abb. 1, S. 18, und vgl. Schulz von Thun, 1998, S. 166ff.).
Die in der Abbildung auftretenden Rollenpartner sind noch nicht einmal alle, die in der Praxis Einfluss auf die Führungskraft nehmen können. Hinzu kommen Kollegen, Vertreter anderer Unternehmensbereiche, der Betriebsrat usw. Sie alle können mit unterschiedlichen Mitteln mehr oder weniger großen Druck auf die Führungskraft ausüben.
Um nun nicht tatsächlich als «armes Würstchen» in der «Sandwich-Position» eingequetscht zu werden, muss eine Führungskraft ihre eigene Linie entwickeln. Sie sollte eine klare Vorstellung davon haben, was sie als ihre Aufgabe sieht und was nicht, wo sie anderen entgegenkommt, wo sie ihre Grenzen zieht und was sie ihrerseits von anderen erwartet. Hat sie diese klaren Vorstellungen nicht und versucht sie es allen recht zu machen, ist die Gefahr groß, dass die Führungskraft zum Spielball ihrer Rollenpartner und deren unterschiedlichen Erwartungen wird. Hat sie sich nicht rechtzeitig abgegrenzt und klar Stellung bezogen, wird sie für die unvermeidbaren Versäumnisse – denn sie kann ja nicht allen widersprüchlichen Erwartungen gleichzeitig gerecht werden – zur Verantwortung gezogen und wird zum «multiplen Prügelknaben» (s. Abb. 2, S. 19 oberer Teil, und Schulz von Thun, 1998, S. 168).
Abb. 1. Intra-Rollenkonflikt im mittleren Management
Hier hilft kein Jammern und kein Klagen über die unbestreitbar schwierige Rolle als Führungskraft, sondern nur die aktive Auseinandersetzung mit dieser Rolle, um eine klare Linie, ein Selbstverständnis zu entwickeln, mit dem man diese Rolle ausfüllen will. Es geht darum, sich diese Rolle anzueignen, sie sich zu Eigen zu machen, anstatt sich von ihr – und den z.T. auch nur vermeintlichen Ansprüchen anderer – einwickeln zu lassen. Das setzt voraus, dass die Führungskraft ihre Rolle innerlich annimmt, dass sie wirklich führen will und vom Sinn guter Führung überzeugt ist. Dazu gehört die Bereitschaft, in die Führungstätigkeiten Zeit zu investieren, statt sich vorrangig auf das Fachgebiet zu konzentrieren. Die Rolle anzunehmen heißt dann z.B. auch, sie gegenüber ehemaligen Kollegen auszufüllen, was oft besonders schwer fällt. Wer nun seine Führungsrolle eindeutig annimmt und zu den an ihn gestellten Erwartungen klar Position bezieht, nimmt dadurch wiederum auch Einfluss darauf, welche Erwartungen zukünftig an ihn gestellt werden.
Abb. 2. Das Ziel: eine klare Linie, ein klares Rollen-Selbstverständnis
Warum sprechen wir in einem Buch über die Psychologie des «Miteinander Redens» so ausführlich über die Soziologie der Rolle? Weil wir von Karin van der Laan und Jens Hager gelernt haben (vgl. Van der Laan & Partner, 1992), dass ein klares Rollenverständnis das A und O gelungener Kommunikation ist. Wer das «Was» nicht klar und deutlich vor Augen hat, kann im «Wie» nichts wettmachen. Das «Was» fällt einem nicht mit der Rollenübernahme in den Schoß, sondern will in reflektierter Auseinandersetzung mit der Rolle entwickelt und mit dem eigenen Selbst verträglich sein.
Eine klare Linie haben bedeutet nicht sturer Eigensinn nach dem Motto «Ich gehe meinen Weg, egal was ihr dazu sagt oder denkt». Der eigene Standpunkt hat sich immer auch im Dialog zu bewähren. Auch hier heißt es für die Führungskraft, wieder die Balance zu halten: Ein klares Rollenverständnis muss sich mit einer dialogischen Haltung verbinden, mit der Bereitschaft, sich infrage stellen und belehren zu lassen: «Die Wahrheit beginnt zu zweit!»
So weit die gute Nachricht: Das «arme Würstchen» ist den widersprüchlichen Erwartungen nicht hilflos ausgeliefert, es kann durch die Entwicklung eines klaren Rollen-Selbstverständnisses zum handelnden Subjekt werden. Nun die schlechte Nachricht: Die Rollenpartner werden einem deswegen nicht gerade umden Hals fallen – ein «Ja-Sager» ist eben kurzfristig angenehmer. Im Gegenteil, man muss nun viel miteinander reden und manches miteinander ausfechten.
Dabei liegt eine besondere Schwierigkeit darin, diese klare Linie auch in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Vorgesetzten zu vertreten. Manche Führungskräfte wenden deshalb ein, die Lehre vom Rollen-Selbstverständnis sei graue Theorie: «Im Grunde sind wir doch ‹arme Würstchen› und bleiben es auch, weil wir restriktive Vorgesetzte haben, die offene Kommunikation ablehnen und uns unter Druck setzen und einschränken.»
Tatsächlich gehört das Leiden unter dem eigenen Chef zu einem sehr verbreiteten Elend in unserer Arbeitswelt. Es ist auch wirklich unbegreiflich, dass es im aufgeklärten Zeitalter der sozialen Kompetenz immer noch so viele entmutigte, frustrierte, in ihrer Kreativität eingeschränkte Mitarbeiter gibt, die, wahrscheinlich zu Recht, eine schlechte Führung dafür verantwortlich machen. So klagen die Führungskräfte – übrigens in allen Ebenen der Hierarchien – in unseren Seminaren oft ein, dass ihre Vorgesetzten nicht selbst an einem Kommunikationsseminar teilnehmen: «Die hätten es mindestens so nötig wie wir. Wenn die mal mit gutem Beispiel vorangingen und z.B. offener kommunizieren würden, könnten wir das ja auch tun. Die geben Hochglanzbroschüren mit Führungsleitlinien heraus, aber selbst vorleben tun sie davon nichts.»
Allerdings trägt die Selbstdefinition als «armes Würstchen» zur Aufrechterhaltung dieses großen Problems nicht unerheblich bei. So kann ein typischer zwischenmenschlicher Teufelskreis zwischen Führungskräften und ihren Vorgesetzten entstehen (s. Abb. S. 22, zur Erläuterung des Teufelskreis-Modells siehe Kapitel 2.2).
Aus der Sicht der Führungskräfte der höheren Ebene: «Wir tun unsere Arbeit (z.B. Planung einer Umstrukturierung).Wenn wir unsere Mitarbeiter (die Führungskräfte der niedrigeren Ebenen) fragen, wie die Umsetzung klappt, kommen von den meisten positive Rückmeldungen.Nur in Einzelfällen klappt mal etwas nicht ganz so, wie wir uns das vorgestellt haben. Da scheitert’s dann wohl an einzelnen Personen. Insgesamt fühlen wir uns aber bestätigt in unserem Kurs.»
Fragt man nun die Führungskräfte der niedrigeren Ebene: «Bei diesen ständigen Veränderungen weiß ja niemand so genau, wo morgen sein Schreibtisch steht – wenn er überhaupt noch einen hat. Da macht man lieber gute Miene zum bösen Spiel, auch wenn man von vornherein schon weiß, dass die Maßnahme zum Scheitern verurteilt ist, und versucht sich da irgendwie durchzuschlängeln. Wenn mich einer von oben fragt, ob wir mit der Umstrukturierung vorankommen, dann sag ich ihm doch lieber, was er hören will. Was würde es schon nützen, wenn ich ihm sage, dass das in der Praxis alles ganz anders aussieht? Der würde das doch sowieso nur meiner Unfähigkeit zuschreiben, wenn seine Pläne nicht funktionieren.»
Könnten nun beide ihren Anteil an diesem Teufelskreis erkennen, so würde deutlich werden, dass keiner schuldig, keiner nur Täter oder nur Opfer ist, sondern dass beide Seiten ihren Beitrag zum Fortbestehen des Teufelskreises leisten. Beide sind Mitspieler, beide haben es also auch in der Hand, den Teufelskreis zu unterbrechen. Eine Auflösung des Teufelskreises setzt allerdings auf beiden Seiten eine beachtliche Souveränität (2. Ordnung) voraus: Nämlich auf Seiten der übergeordneten Vorgesetzten die Fähigkeit, Kritik und «Aufmüpfigkeit» auszuhalten, ja sogar zu begrüßen, ohne den eigenen Thron wackeln zu sehen. Auf der Seite der untergebenen Führungskräfte nicht nur den Mut und die Courage, sich auch einmal unbeliebt zu machen, sondern auch die Fähigkeit, eine Kritik so vorzutragen, dass der Adressat sich nicht missachtet oder sogar verachtet fühlt, sondern gewürdigt in seinen Anstrengungen und in dem, was er erreicht hat. Anerkennung und Kritik so miteinander zu verbinden ist zwar eine seltene Gabe, aber eine, die man lernen kann und die auch in vielen anderen Lebenssituationen zur entwickelten Menschlichkeit dazugehört.
Darin, sich selber als Mitspieler in einem Teufelskreis zu verstehen, steckt sowohl eine Bürde als auch eine Chance. Die Bürde:Wer die eigene Mitverantwortung sieht, kann sich nicht mehr darauf ausruhen, dass er allein dem anderen die Schuld für eine missliche Situation gibt. Wir kennen manche, die sich zeitlebens von unfähigen Armleuchtern umgeben fühlen und den seelischen Nährwert dieser Diagnose bis zu ihrem Pensionsalter genüsslich verzehren. Die Chance: Dadurch, dass man sich nicht mehr nur als armes Opfer sieht, wird deutlich, dass eine Veränderung auch aus der eigenen Position möglich ist. Das heißt also, dass jeder innerhalb eines Unternehmens Verantwortung trägt und gleichzeitig auch Veränderungsmöglichkeiten hat. Keiner ist allmächtig, keiner ist ohnmächtig. Jedem ist es möglich, die Grenzen seiner Gestaltungsmöglichkeiten zu erweitern. Jeder muss aber auch akzeptieren, dass sein Einfluss innerhalb des komplexen Systems eines Unternehmens begrenzt ist (s. Abb. S. 24).
Konkret kann natürlich jede Führungskraft zuallererst «vor ihrer eigenen Tür kehren», also in ihrem Verantwortungsbereich, der eigenen Abteilung oder Gruppe, Veränderungen herbeiführen. Auch das ist nicht immer leicht, da es sehr häufig mit Kräften umzugehen gilt, die sich gegen Veränderungen sperren. Trotzdem verspricht die Veränderung im eigenen Team den größten Erfolg, da ja dort der eigene Einfluss der größte ist. Nach außen hin ergibt sich dann zum einen die Möglichkeit, dass positive Veränderungen auffallen, dass das, was in einem Team erfolgreich vorgelebt wird – z.B. eine offenere Kommunikation –, auf andere Teams «abfärbt». Zum anderen besteht die Möglichkeit, sich direkt nach außen, z.B. beim nächsthöheren Vorgesetzten, für Veränderungen einzusetzen. Dies ist zwar mit dem Risiko verbunden, irgendwo «anzuecken», birgt aber auch die Chance, dass ungünstige Umstände tatsächlich verändert werden.
So wie es hier darum geht, Gestaltungswillen und Anpassungsfähigkeit unter einen Hut zu bekommen, so provoziert der Führungsalltag immer wieder in ein und derselben Situation unterschiedliche Werte und Anforderungen und verlangt dann die Entwicklung eines klaren Rollenverständnisses. Aus dem «armen Würstchen» wird ein handlungsfähiges Subjekt.
Abb. 3. Die Rollenvielfalt einer Führungskraft, repräsentiert im Inneren Team
Hinzu kommt aber noch ein ganz anderer Aspekt der Führung: Verschiedene Situationen erfordern ein unterschiedliches Rollenrepertoire. Je nach Situation muss die Führungskraft mal als einfühlsamer Coach handeln, der seine Mitarbeiter berät, ein anderes Mal als «Leitwolf», der klar sagt, woes langgeht, in der dritten Situation als Löwenbändiger, der mit der Peitsche droht usw. (s. Abb. 3. Die Art der Darstellung verweist schon auf die Metapher vom Inneren Team, die in Kapitel 2.3 beschrieben wird). In Abbildung 3 sind beispielhaft einige der Rollen aufgeführt, die die Führungskraft in unterschiedlichen Situationen ausfüllen muss. Die Führungskraft ist also nicht nur als
Fachexperte gefragt, der sich mit dem Gegenstand auskennt, an dem gearbeitet wird, sondern ebenso als
Manager, der die Arbeit anderer Experten anleitet und koordiniert, die Fäden in der Hand hält, ohne selbst in den fachlichen Details zu stecken, als
Mitarbeiter-Coach, der seine Mitarbeiter bei der Lösung schwieriger Situationen begleitet, indem er zuhört und berät, als
Teamentwickler, der die Fähigkeit der Zusammenarbeit im Team zu verbessern sucht, der Konflikte im Team erkennt und den Mitarbeitern hilft, sie zu klären, aber auch als
Verantwortlicher, der die Last der Verantwortung für Entscheidungen und für die Arbeitsergebnisse seines Teams trägt, als
Löwenbändiger, der auch mal ein Machtwort spricht, Konsequenzen aufzeigt und sie nötigenfalls zieht, als
Leitwolf, der Vorbild für seine Mitarbeiter ist und ihnen neue Wege aufzeigt, auch klar sagt, wo’s langgeht, und nicht zuletzt als
Angestellter, der sich selbst seinem Vorgesetzten gegenüber zu verantworten hat und Angestellter des Unternehmens ist.
Da Menschen- und Teamführung heutzutage eine viel größere Rolle spielen als früher, sind im Laufe der Zeit immer neue Rollen hinzugekommen. Die Führungskraft von heute ist also König (als Leitwolf und Löwenbändiger) und Diener (als Mitarbeiter-Coach, Teamentwickler und Angestellter) in einer Person. Es ist ein hoher Anspruch, innerlich solche seelischen Gegensätze zu realisieren und auch noch im richtigen Moment «Zugriff» auf den richtigen Anteil zu haben. Immer besteht die Gefahr, dass sich z.B. dort, wo der Mitarbeiter-Coach gefragt ist, der Experte nach vorne drängt und dort, wo der Löwenbändiger ein Machtwort sprechen müsste, plötzlich ein einfühlsamer Coach auf verlorenem Posten steht.