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Das Nachschlagewerk zu «Miteinander reden 1–3» Friedemann Schulz von Thuns dreibändiges Werk «Miteinander reden» ist ein Klassiker der Kommunikationspsychologie. Mittlerweile haben er und seine Mitstreiter das Konzept in vielen Büchern weiterentwickelt und auf die verschiedensten Bereiche angewendet. «Miteinander reden von A bis Z» ermöglicht nun, sich schnell einen Überblick zu verschaffen und Grundbegriffe nachzuschlagen. «Wenn es um Kommunikation oder Rhetorik geht, kommt man um den Namen Schulz von Thun nicht herum.» Psychologie heute
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Seitenzahl: 256
Friedemann Schulz von Thun • Kathrin Zach • Karen Zoller
Miteinander reden von A bis Z
Lexikon der Kommunikationspsychologie
Rowohlt Digitalbuch
Nanu, ein Lexikon? Gibt es die nicht zuhauf? Kann man nicht notfalls bei Wikipedia nachsehen? Nein, dieses Lexikon soll ein besonderes sein!
Erstens, es ist ein rein kommunikationspsychologisches Lexikon. Es nimmt nur Stichwörter auf, die für die zwischenmenschliche Kommunikation und für unsere Arbeit als Lehrer, Beraterinnen, Coaches und Trainer wichtig sind.
Zweitens, wir wollen nicht nur und nicht vorrangig lexikalische Definitionen zum Besten geben, sondern dem Leser vermitteln, was den jeweiligen Begriff für unsere Arbeit so wichtig macht. Welcher Gedanke, welche Erkenntnis in ihm steckt! Begriffe sind Werkzeuge des Geistes, insofern ist dies eine Werkzeugkiste.
Drittens, die Lektüre möge inspirierend sein, und zwar dadurch, dass lebensnahe Beispiele immer wieder kleine Brücken in die Praxis bauen. Und sie soll neugierig machen «auf mehr», soll Lust wecken, die Sache zu vertiefen.
Wo man Genaueres findet, ist bei vielen Stichwörtern angegeben. Die Reihe «Miteinander reden – Praxis» umfasst mittlerweile 16 Bände. Da sind die drei Grundlagenbände von Schulz von Thun noch nicht einmal mitgerechnet, auch nicht der aktuelle Ergänzungsband «Fragen und Antworten». Deshalb wurde es Zeit, einen Navigator zu schaffen, der den interessierten Leser zum richtigen Kapitel im richtigen Buch lotst. Wer sich aber nur kurz orientieren will, für den steht das Wichtigste in Kürze bereits hier im Lexikon.
Aber was ist das Wichtigste? Wir wollten bei jedem Stichwort vor allem herausarbeiten, welchen Bezug es zur Kommunikation(spsychologie) hat. So werden Sie z.B. bei «Motivation» kein Referat über Motivationstheorien und empirische Befunde finden, sondern nur eine Antwort auf die Frage: Welche Bedeutung hat dieser Begriff für die Kommunikation?
Abschließend eine kleine Gebrauchsanweisung, wie Sie dieses Lexikon benutzen können: Vielleicht suchen Sie im Register nach einem Stichwort, z.B. nach «Introjektion». Dann kann es sein, dass es dafür einen Lexikoneintrag gibt. Tatsächlich! Kann aber auch sein, dass Ihr Suchbegriff, z.B. «Innere Ratsversammlung», keinen eigenen Eintrag hat, sondern innerhalb eines anderen Stichwortes erklärt wird. Dann werden Sie dorthin verwiesen, in diesem Fall zum Eintrag «Inneres Team».
Wenn Sie Ihren Suchbegriff gefunden haben, wird es oft vorkommen, dass im Text Begriffe auftauchen, die in diesem Lexikon einen eigenen Eintrag haben. Solche → Begriffe werden mit einem Pfeil gekennzeichnet. Erscheint ein Begriff dagegen fett gedruckt, bedeutet dies: der Begriff wird nachfolgend direkt erklärt – und er taucht dann im Index mit einem Hinweis auf dasjenige Stichwort auf, unter welchem er erklärt wird.
Bei den Literaturhinweisen zur Vertiefung benutzen wir für die Grundlagenbände «Miteinander reden» Band 1–3 Abkürzungen, z.B. bedeutet «Miteinander reden 3»:
Schulz von Thun, F.: Miteinander reden 3. Inneres Team und situationsgerechte Kommunikation, Reinbek bei Hamburg 1998.
Bei den Grundlagenbänden MR1–3 gibt es noch eine Komplikation: In den Auflagen ab 2011 ist die Schrift etwas größer, daher haben sich die Seitenzahlen verändert. Wir geben diese neuen Seitenzahlen an, zusätzlich für die «Altleser» in Klammern die alten.
Und Sie? Wer mögen Sie sein? Schüler, Lehrerin, Student, Trainerin, Coach oder Führungskraft? In jedem Fall wünschen wir (unbedingt) viel Erfolg und (möglichst) viel Freude bei der gezielten Lektüre! Ihre
Friedemann Schulz von Thun, Kathrin Zach und Karen Zoller
Zur Kontaktfähigkeit des Menschen gehört sowohl → Empathie (sich in den anderen hineindenken und hineinfühlen) als auch Abgrenzung (nicht mit ihm verschmelzen, sondern grenzziehend zwischen ihm und sich selbst zu unterscheiden, den «Eigenton» zu bewahren und nicht von der Melodie des anderen übertönt zu werden). Beispiel: Stefanie arbeitet als Pflegerin im Krankenhaus. Ihre anteilnehmende Art ist bei den Patienten sehr beliebt. So wird sie immer wieder ins Vertrauen gezogen und erfährt zum Teil von schicksalhaften Erfahrungen und Ereignissen. Fehlte es ihr an Abgrenzungsfähigkeit, könnte ihr das geschilderte Elend so unter die Haut gehen, dass sie die Gedanken daran und die damit verbundenen Gefühle kaum wieder los wird und sich eventuell sogar allein dafür verantwortlich fühlt, den Betroffenen Linderung zu verschaffen. Dann geriete sie in einen emotionalen Sog, der die Grenze zwischen «Ich» und «Du» zum Verschwimmen bringt. Dieser Zustand wird auch als Konfluenz bezeichnet. Neben der Fähigkeit zur Anteilnahme und zum Mitgefühl braucht es daher auch die Fähigkeit sich abzugrenzen (s. Abb. 1).
Abgrenzung im Wertequadrat
Aus diesem Grund benötigt man im → Inneren Team außer den mitfühlenden und anteilnehmenden Mitgliedern auch jemanden, der deutlich macht: «Dies ist (zwar tragisch, aber) sein Schicksal, nicht meins!», jemanden, der auch auf die eigenen Bedürftigkeiten und Sorgen guckt: «Jetzt geht es mal wieder um mich!», und jemanden, der je nach Kontext auch distanziert bzw. fachlich-professionell auftritt: «Ich bin für die Niere zuständig, nicht für die Lebensgeschichte.»
Schulz von Thun unterscheidet zwischen äußerer und innerer Abgrenzung. Wer auf die geäußerte Not eines anderen mit dem Satz reagiert: «Das ist dein Problem!», der ist nach außen (in seinen → Äußerungen) gut abgegrenzt. Aber ist er auch innerlich abgegrenzt? Vielleicht spürt er, wie stark er dazu neigt, sich von dem geschilderten Problem bekümmern zu lassen oder die Schuld bei sich zu suchen, und versucht mit seiner brüsken Reaktion diesen Impuls in sich selbst zu bekämpfen. Wäre er innerlich gut abgegrenzt, müsste er nicht so brüsk abweisend reagieren und könnte einfühlend teilhaben an der Not des Gegenübers, ohne davon über Gebühr innerlich erfasst zu werden und ohne sich selbst unter Druck zu setzen, für Lösung und Abhilfe zuständig zu sein. Fehlende innere Abgrenzung wird also häufig durch äußere Abwehr ersetzt. Wer aufgrund von fehlender Abgrenzung zu stark in Mitleidenschaft gezogen wird (häufig in helfenden Berufen) und deshalb versucht, sich zu schützen, der landet manchmal in der Überkompensation (→ Werte- und Entwicklungsquadrat), in einer abgestumpften Gleichgültigkeit.
Ein anderer Aspekt betrifft die Abgrenzung gegenüber Vorwürfen und Kritik. Hier kommt es darauf an, nicht nur mit dem Beziehungs-Ohr (→ Beziehung, → Vier Ohren) darauf zu hören, welche vermeintliche Kritik oder Konfrontation in einer Äußerung stecken könnte, sondern auch mit dem Selbstkundgabe-Ohr (→ Selbstkundgabe, → Vier Ohren) mitzubekommen, was der andere über sich selbst mitteilt. Beispiel: Hans kommt von der Arbeit nach Hause und betritt die Küche mit den Worten: «Wie sieht es denn hier aus!?» Hört seine Frau Hannah dies nur mit dem Beziehungs-Ohr («Du bist für das Aufräumen der Küche zuständig!» und «Du bist säumig!»), dann setzt sie sich sofort selbst auf die Anklagebank. Mehr Abgrenzung gelingt ihr mit dem Selbstkundgabe-Ohr, wenn sie beispielsweise auch hören kann: «Ich hatte einen so schlechten Tag, dass mich alles auf die Palme bringt, das nicht perfekt ist» (s. Abb. 2).
Das Beziehungs- und Selbstkundgabe-Ohr im Wertequadrat
Auch das Hören mit dem Selbstkundgabe-Ohr darf natürlich nicht übertrieben werden, da sonst die Gefahr besteht, immun gegen kritisches → Feedback zu werden und sich jeglicher Betroffenheit und Verantwortung zu entziehen. Hält man es jedoch in dynamischer Balance (→ Werte- und Entwicklungsquadrat) zum Beziehungs-Ohr, so kann es in Konflikten eine gute Möglichkeit zur Abgrenzung darstellen und den → Teufelskreis einer reflexartig aufflammenden Empfindlichkeit und Kränkbarkeit unterbrechen.
Literatur
Miteinander reden 2, 104ff., 266ff. (S. 89ff., 223ff.)
Aktives Zuhören hat zwei Bedeutungen und zwei Komponenten. Erstens ist damit eine innere Einstellung während eines Gespräches gemeint, die sich intensiv auf das, was der andere mitteilt, konzentriert: Ich bin «ganz Ohr»! Zweitens ist es aber auch eine ganz bestimmte Art, auf den anderen in der Rückäußerung zu reagieren: Ich gebe das, was ich von ihm aufgenommen und atmosphärisch erspürt habe, mit meinen eigenen Worten möglichst prägnant wieder. Anders ausgedrückt: Ich mache das Ergebnis meines Zuhörens zum Inhalt meiner Rückäußerung. Dabei enthalte ich mich eigener Wertungen und wähle die Formulierung so, dass der andere sich maximal gut verstanden fühlt.
Nicht immer passt ein solches Kommunikationsverhalten zur Situation und zur Beziehung (→ Stimmigkeit), aber wenn es passt, kann es für den anderen überaus wohltuend sein und ihn zu weiterer und vertiefter → Selbstklärung anregen. Daher gehört das Aktive Zuhören in der Gesprächstherapie nach Carl Rogers zum Basisverhalten des Therapeuten. Freilich setzt das Aktive Zuhören viel Einfühlungsvermögen (→ Empathie) und weiterhin auch die Fähigkeit voraus, in der «Sprache des Herzens» die treffenden Worte zu finden. Es will also gekonnt sein, deshalb gehört es zu den Grundübungen jedes Kommunikationstrainings.
Ratsam ist, dieses Gesprächsverhalten in Verbindung mit der dazu passenden menschlichen Haltung in verschiedenen Stufen zu vermitteln: Die erste Stufe des Aktiven Zuhörens ist das Herstellen einer Beziehung, indem man dem Gegenüber Interesse und Aufmerksamkeit signalisiert, z.B. durch so genannte Telefonlaute («Hmm», «Ah ja …»).
Im zweiten Schritt werden die verstandenen Inhalte vom Zuhörer in eigenen Worten wieder gegeben; diese Stufe des Aktiven Zuhörens wird auch Paraphrasieren genannt: «Ich möchte mal wiedergeben, was ich bis jetzt verstanden habe (…) Stimmt das so?» Hilfreich ist dabei die innere Grundhaltung des «einfühlenden Verstehen-Wollens», bei der man einen Perspektivwechsel vornimmt und versucht, die Welt des anderen mit seinen Augen zu sehen.
Die dritte Stufe des Aktiven Zuhörens, das Verbalisieren, geht über das Gesagte hinaus: Der Zuhörer versucht nun, auch das Unausgesprochene, die (emotionalen) Zwischentöne des Gesagten herauszuhören und wiederzugeben. Dies sollte immer mit einem «inneren Fragezeichen» geschehen, da letztlich nur der Gesprächspartner wissen und rückmelden kann, ob die vom Zuhörer geäußerten Vermutungen zutreffen: «Das klingt so, als wärest du nicht nur anderer Meinung, sondern auch regelrecht empört?»
Das Aktive Zuhören gehört zu den Kernkompetenzen der → Gesprächsführung, es ist die Basis für gegenseitiges Verstehen und klaren Austausch. Dies gilt besonders für kontroverse Auseinandersetzungen, in denen man versucht, das Interesse hinter der Position des Gesprächspartners zu erkunden und sich im weiteren Gespräch auf dieses Interesse zu beziehen. Die Sichtweise des anderen zu verstehen und sein Interesse zu erkennen heißt jedoch nicht, damit einverstanden zu sein. In einem Gespräch sollte die Fähigkeit zum Aktiven Zuhören ergänzt sein um die Fähigkeit, persönlich Stellung zu beziehen, damit beide Gesprächspartner in ihren Positionen füreinander greifbar und deutlich werden.
Aktives Zuhören kann, wenn es übertrieben wird, zum Psychologisieren verkommen und erscheint dann als gekünstelte Marotte oder als → Oberhand-Technik, die es dem Betreffenden erspart, selbst Farbe zu bekennen, und die den Fokus penetrant auf der Befindlichkeit des Gegenübers belässt. Beispiel: Susi sagt zu ihrem Mann Bernd: «Du hast den Mülleimer immer noch nicht runtergebracht!» Antwort von Bernd: «Ist es so, Liebling, dass du ungeduldig und auch schon etwas ungehalten bist, wenn du merkst, dass ich Dinge, die Dir sehr wichtig sind, auf die lange Bank schiebe?»
Im Alltag ist Aktives Zuhören in vielen Fällen nicht angebracht, nämlich immer dann, wenn in der Situation nicht wirklich Einfühlung und Perspektivenübernahme gefragt sind. Wohldosiert, an der richtigen Stelle und ergänzt um die Bereitschaft, selbst Farbe zu bekennen, kann das Aktive Zuhören in Kontroversen und emotional aufgeladenen Situationen jedoch überaus sinnvoll und hilfreich sein.
Literatur
Schulz von Thun, F./Ruppel, J./Stratmann, R.: Miteinander reden. Kommunikationspsychologie für Führungskräfte, S. 70ff.
Schulz von Thun, F./Stierlin, L.: Zur Psychologie des guten Zuhörens. In: Klarkommen mit sich selbst und anderen, S. 234ff.
Ambiguität bezeichnet eine Doppel- oder Mehrdeutigkeit. Von Ambiguitäts-Toleranz spricht man, wenn jemand es innerlich aushalten kann, dass eine Entscheidung oder ein Dafürhalten auch negative Seiten oder Nachteile hat, ohne diese verleugnen oder verdrängen zu müssen. Ein ambiguitätstoleranter Mensch kommuniziert souveräner. Zum Beispiel musste ein Vorgesetzter eine Entscheidung treffen und entschied sich für die Alternative A. Ein Mitarbeiter schimpft lautstark darüber und verweist auf die Nachteile dieser Entscheidung. Ist der Vorgesetzte ambiguitätstolerant, dann kann er es aushalten, dass seine Entscheidung nicht unter allen Aspekten optimal ist: «Sie könnten recht behalten mit Ihrer Befürchtung, das ist wirklich ein Nachteil. Trotzdem habe ich mich dafür entschieden, weil …» Ist er nicht ambiguitätstolerant, bringt ihn diese Vorhaltung aus der Fassung: «Meine Güte, Sie finden auch überall ein Haar in der Suppe!»
(«zwiespältige Bewertung») ist ein seelischer Zustand, bei dem jemand zwischen zwei Seiten hin- und hergerissen ist. Beispiel: Eine Jugendliche will für ein Jahr nach Australien. Die Mutter steht dem ambivalent gegenüber: Einerseits bewundert sie den Mut ihrer Tochter und sieht in der Reise große Entwicklungschancen. Andererseits ist sie voller Angst und Sorge über mögliche Gefahren. Im Zustand der Ambivalenz ist eine klare und eindeutige Kommunikation erschwert. Das Modell vom → Inneren Team stellt die Zerrissenheit bildhaft dar und bietet konstruktive Möglichkeiten zur Selbstklärung (s. Abb. 3).
Ambivalenz im Inneren Team
Von Ambivalenzspaltung spricht man, wenn die beiden entgegengesetzten Impulse von zwei ambivalenten Menschen arbeitsteilig gefühlt und vertreten werden. Im Beispiel: Der Vater spürt nur die «tolle Chance», die in dem Auslandsaufenthalt steckt (und fühlt seine Angst nicht), die Mutter nur noch die Sorge. Ursprünglich haben beide Eltern beide Seelen in der Brust, aber im Kontakt miteinander polarisieren sie sich (→ Polarisierung). Eine solche Ambivalenzspaltung ist auch in der politischen Kommunikation ein bekanntes Phänomen: Zum Beispiel ist die eine Gruppe hundertprozentig pazifistisch eingestellt und verteufelt mögliche militärische Einsätze als kriegslüstern, die andere Gruppe tritt zu hundert Prozent für die humanen Ziele eines militärischen Engagements ein und verteufelt die «feige Mentalität des Wegschauens» bei den Pazifisten.
Der seelische «Vorteil» einer solchen Spaltung liegt in der (scheinbaren) Erlösung von der Ambivalenz: Der innerseelische Kampf wird auf die zwischenmenschliche Ebene verlegt. Als Klärungshelfer bemühen wir uns, die Spaltung rückgängig zu machen, sodass im Gegner jemand entdeckt werden kann, der ein Anliegen vertritt, das auch in der eigenen Brust schlägt. Aus dieser Sicht wird das Aushalten von Ambivalenz zu einem wichtigen Teil der emotionalen Kompetenz.
Literatur
Miteinander reden 2, S. 147ff. (S. 125ff.)
Eine Anfangsrunde bietet zu Beginn eines zielgerichteten Zusammenkommens den Rahmen, miteinander in → Kontakt zu treten und zu erfahren, mit wem man es zu tun hat. Jeder sagt hier etwas über sich selbst. Was er dann äußert, hängt von seiner Offenheit, vom Charakter des Zusammentreffens sowie von möglicherweise vorgegebenen Fragen ab, zum Beispiel: Wer bin ich? Was hat mich hierher geführt und was hätte mich abhalten können, heute hier zu sein? Mit welchen Gedanken bin ich hierher gekommen? Welche Erwartungen habe ich?
Bei wiederkehrenden Zusammenkünften (z.B. Teamsitzungen oder Übungsgruppen) dient die Anfangsrunde der gemeinsamen Einstimmung der Anwesenden, denn kurz zuvor hatte jeder noch mit eigenen Themen, Gesprächspartnern und Aufgaben zu tun. Sich mit Aufmerksamkeit und Präsenz auf die Zusammenkunft einlassen zu können gelingt leichter, wenn jeder Anwesende sagt (und von jedem anderen hört), was für ihn sachlich, persönlich oder zwischenmenschlich aktuell bedeutsam ist. So formieren sich die Anwesenden als Gruppe.
In Seminaren und Workshops haben Anfangsrunden zum Ziel, ein Kennenlernen zu ermöglichen und allererste Kontaktbrücken zwischen den Anwesenden zu schaffen. Zu Beginn einer Veranstaltung herrscht meist Unsicherheit über das Miteinander, das Gruppenklima ist von Vorsicht und Zurückhaltung geprägt. Die Anfangsrunde erleichtert den Teilnehmern die weitere Kontaktaufnahme und ist ein wichtiger Bestandteil des Formings (→ Gruppendynamik).
Durch die Beiträge der Anwesenden in der Anfangsrunde kann in besonderer Weise die «Wahrheit der Situation» (→ Situationsmodell) deutlich werden: Welche Kräfte waren am Werk, dass dieses Treffen zustande gekommen ist? Was ist der Hintergrund? Worum soll es hier heute (nicht) gehen? Wer ist anwesend und warum? Was soll dabei herauskommen? Der Bezug des Einzelnen zu der Zusammenkunft sowie seine Vorstellung von den Inhalten werden verstehbar, mögliche Irritationen und Unklarheiten können frühzeitig angesprochen und geklärt werden. So erhöht sich die Chance, dass die Beteiligten ein gemeinsames Situationsverständnis entwickeln und arbeitsfähig sein werden.
Die Anfangsrunde kann von der → Leitung je nach Anlass, Art und Ziel des Zusammentreffens mehr oder weniger strukturiert gestaltet werden. Die wenig konkrete Aufforderung einer Leiterin zu Beginn eines Seminars «Jeder sagt mal bitte ein paar Worte über sich …» eröffnet einen weiten Raum für persönlich Erwähnenswertes. Je nach Gruppe ist jedoch die Wahrscheinlichkeit recht hoch, eine eher knappe Antwort zu bekommen: «Ich heiße Horst, bin 42 Jahre alt, Tischlermeister und komme aus Köln.» Eine so wenig strukturierte Anfangsrunde mag in Kontexten passen, die primär auf einen fachlichen Lernzuwachs (z.B. Computerschulung) und nicht auf → Persönlichkeitsentwicklung ausgerichtet sind. Handelt es sich jedoch um ein persönlichkeitsnahes Seminar (z.B. Umgang mit Konflikten am Arbeitsplatz), in dem die individuelle Auseinandersetzung mit heiklen Themen und das Sich-einlassen/Sich-öffnen der Teilnehmer im Vordergrund stehen soll, ist ein solcher Anfang ungeeignet. Warum?
Je persönlichkeitsnäher das Thema, desto aufregender wird es für den Einzelnen, sich zu zeigen, und desto bedeutsamer ist eine vertrauensvolle Atmosphäre, ein «Fallnetz». Dies kann zwischen einander fremden Menschen noch nicht existieren, sondern muss sich erst entwickeln. Vertrauen baut sich durch gemeinsam Erlebtes oder das Erleben von Gemeinsamkeit auf, dadurch, dass man «ein Gefühl» füreinander bekommt: Wie tickt der andere? Was beschäftigt ihn? Was hat sie bewogen, sich hier anzumelden? Solche Fragen und ihre individuelle Beantwortung stellen einen ersten Kontakt her und ermöglichen Orientierung.
Hierfür braucht es eine stärkere Strukturierung der Anfangsrunde durch die Leitung, beispielsweise in dieser Form: «Nachdem ich mich vorgestellt habe, bin ich natürlich gespannt darauf, wer hier sitzt und mit welchem Hintergrund! Ich möchte Sie nun bitten, sich nacheinander namentlich und mit ihrer beruflichen Tätigkeit vorzustellen und dann noch einige Worte zu folgenden Punkten zu sagen: Was haben Sie mit dem Seminarthema ‹am Hut› und wie kommt es, dass Sie heute hier sitzen? Haben Sie vielleicht schon spezielle Fragen oder Themen im Gepäck, die Sie gerne besprechen würden? Haben Sie Wünsche und/oder Befürchtungen bezüglich dieses Seminars?»
Die entsprechenden Fragen, auf Flipchart oder Pinnwand visualisiert, bieten dem Teilnehmer Halt auf dem noch unsicheren Boden und unterstützen die Öffnung bei der gegenseitigen Vorstellung: «Ich heiße Horst, bin 42 Jahre alt, Tischlermeister und komme aus Köln. Tja, ich sitze hier, weil ich mich im Laufe meiner Tätigkeit als Meister immer wieder gefragt habe, wie persönlich soll und darf ich eigentlich mit meinen Lehrlingen werden? Wenn die Konflikte untereinander haben, muss ich da eingreifen, und wenn ja, wie mache ich das?
Da habe ich von der Berufsgenossenschaft dieses Seminar empfohlen bekommen. Ich muss ja sagen, ich bin auch etwas skeptisch! Diese Psychosachen sind mir persönlich oft zu vage, mal sehen wie das hier so läuft …»
So eine Vorstellungsrunde eröffnet den Raum für Fragen, Unsicherheiten, Entwicklungsbedürfnisse, Befürchtungen und Wünsche. Kurz: für all das, womit die Teilnehmer ohnehin da sitzen. Gut, wenn das zu Beginn eines Seminars ausgesprochen werden darf. Der Charakter der Anfangsrunde bestimmt auf diesem Wege maßgeblich mit, auf welcher Basis die Gruppe miteinander startet. So hat bereits die Anfangsrunde den Charakter einer → Intervention.
In Kommunikationsseminaren werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer individuell eingeladen, ein Anliegen zu formulieren. Das ist eine persönliche Fragestellung, die mit dem Wunsch verbunden ist, durch → Selbstklärung und → Beratung zu einer Lösung zu kommen. Eine Frau möchte lernen, sich im Konflikt mit ihrem Mann besser abzugrenzen, eine Studentin möchte ihre Arbeitsstörungen überwinden, ein Polizist will seine Ambivalenz gegenüber einem Einsatz bei Atommüll-Transporten klären. Mit diesen Themen, die mal mehr und mal weniger scharf umrissen sind, kommen Menschen in die Beratung.
Damit der Berater den Ratsuchenden bestmöglich unterstützen kann, braucht er einen konkreten Auftrag. Aus dem Beratungsthema, beispielsweise die Abgrenzung gegenüber dem Ehemann, soll ein Anliegen formuliert werden. Dieses wird in unserer Praxis meist als Frage formuliert: «Wie kann ich …?» In diesem Beispiel: «Wie kann ich meinem Mann deutlich sagen, dass ich zu Hause nicht die Putzfrau bin und von ihm erwarte, dass er nicht überall alles liegen lässt?»
Je nach Thema kann das Anliegen einen systemisch-strukturellen, zwischenmenschlichen oder innermenschlichen Schwerpunkt haben:
Anliegen mit systemisch-strukturellem Schwerpunkt beziehen sich im Wesentlichen auf den Aufbau, die Struktur und die Organisation eines Systems: «Wie kann ich als Abteilungsleiter die Vernetzung zweier Gruppen verbessern?» «Wie kann die Personalentwicklung ins strategische Management einbezogen werden?»
Anliegen mit dem Schwerpunkt im Zwischenmenschlichen richten sich auf die Kontakt- und Beziehungsgestaltung: «Wie kann ich meinen Chef kritisieren, ohne dabei aus der Rolle zu fallen?» «Wie bekomme ich einen besseren Draht zu meinen Studierenden?»
Bei Anliegen, die einen Schwerpunkt im Innermenschlichen haben, geht es oft um persönliche Entwicklung: «Wie kann ich lernen, mir mehr Zeit für mich selbst zuzugestehen?» oder «Ich möchte mich entscheiden, ob ich beruflich noch einmal einen Neuanfang wage oder im sicheren Hafen auf die Pensionierung warte.»
Findet die Anliegenbearbeitung in einer Gruppe statt, beispielsweise im Rahmen eines Kommunikationsseminars, würde der Ratsuchende (der «Protagonist») zunächst der Gruppe und der Leiterin sein Anliegen vorstellen, oft mit Hilfe eines kleinen Schaubildes, das er zuvor anfertigen konnte. Jede Anliegenbearbeitung läuft anders, je nach Thema und Persönlichkeit des Ratsuchenden. Im Allgemeinen lassen sich jedoch vier Phasen unterscheiden:
1. Phase: Der Ratsuchende berichtet anhand seines Bildes von seinem Anliegen. Sowohl der Leiter als auch die anderen Teilnehmer dürfen Verständnisfragen stellen, im Beispiel des Abteilungsleiters: «Wofür ist denn die Vernetzung der beiden Gruppen wichtig?» Die Erkundungsphase sollte nur so ausführlich sein wie nötig, um den Fokus für die weitere Bearbeitung zu ermitteln.
2. Phase: Vertiefung, Konkretisierung und Verlebendigung des Anliegens mit Hilfe → erlebnisaktivierender Methoden. In dieser Phase soll das Anliegen im Raum lebendig erfahrbar werden, z.B. in der Arbeit mit zwei Stühlen, die für je eine Seite einer Ambivalenz stehen. Der Ratsuchende setzt sich nacheinander auf beide Stühle und spricht jeweils nur für eine Seite der Ambivalenz. Ziel einer solchen Erlebnisaktivierung ist es, die Selbstklärung des Ratsuchenden nicht nur kognitiv, sondern auch emotional und aktional zu unterstützen.
3. Phase: Austausch in der Gruppe. Während die Gruppe in den ersten beiden Phasen nur bedingt und unter Anleitung beteiligt war, sind nun die Reaktionen der Teilnehmer auf das Erlebte gefragt: Welche Gedanken und Gefühle tauchen auf? Welche anderen Perspektiven auf das Anliegen könnte man noch einnehmen? Welche Rückmeldungen und Empfehlungen haben die Einzelnen parat? Wer kennt selbst eine ähnliche Situation?
4. Phase: Theoretische Einordnung und Generalisierung. Oft werden bei der Bearbeitung des Anliegens Themen angesprochen, die von allgemeiner Bedeutung sind, beispielsweise Hierarchiekonflikte zwischen Chef und Mitarbeiter, Schwierigkeiten mit pubertierenden Kindern oder das Nähe-Distanz-Thema innerhalb von Paarbeziehungen. Dann bietet sich ein Kurzvortrag des Leiters an, denn durch die Relevanz des Themas sind die Teilnehmer optimal aufnahmebereit für entsprechende Inputs. Nicht immer schließt die Anliegenbearbeitung mit diesem Schritt ab, manchmal ist eine theoretische Betrachtung des Themas auch überflüssig oder unpassend.
Literatur
Schulz von Thun, F.: Praxisberatung in Gruppen.
Von Antinomie spricht man, wenn zwei Eigenschaften, Haltungen oder Merkmale, die sich auf den ersten Blick widersprechen, gleichermaßen gültig sind. Beispielsweise: «Sparsamkeit ist eine wichtige Tugend, Großzügigkeit auch!» Der Antinomie-Gedanke findet sich im → Werte- und Entwicklungsquadrat wieder, welches die Balance von zwei sich ergänzenden Gegenwerten anstrebt. Ein antinomisches Denken und Fühlen ist für einen guten Dialog ein großer Vorteil, da es das Wissen enthält: «Die Wahrheit beginnt zu zweit» (Nietzsche).
Die Kommunikationspsychologie betrachtet jede Äußerung und Handlung auch unter dem Appell-Aspekt: Welche Wirkungsabsicht steckt darin? Was will der Sender beim Empfänger erreichen? Was soll der Empfänger tun, denken oder fühlen? Wenn die Führungskraft beispielsweise darauf hinweist: «Ach, Herr Meier, ich wollte Ihnen noch sagen, dass der Schlüssel für die neue Eingangstür jetzt da ist – falls Sie auch mal am Wochenende arbeiten müssen», so kann man sich hinsichtlich des Appells fragen, ob die Führungskraft vom Mitarbeiter mehr Arbeitseinsatz und Zusatzengagement erwartet, ob sie ihm signalisieren möchte, dass sie ihn für vertrauenswürdig hält, oder ob sie ihn bestmöglich informiert wissen will.
Der Versuch, Einfluss zu nehmen, kann mehr oder minder offen (explizit) oder verdeckt (implizit) sein. Bei einem offenen Appell äußert der Sender klar und deutlich, was er vom Empfänger möchte: «Herr Meyer, in Ihrer Position erwarte ich mehr Arbeitseinsatz von Ihnen, notfalls auch am Wochenende!» In vielen Situationen erleichtern offene Appelle die zielgerichtete Kommunikation. So weiß der Empfänger, woran er ist, und er erhält Gelegenheit, ebenfalls klar und deutlich dazu Stellung zu beziehen. Die kommunikationspsychologische Empfehlung lautet daher oftmals, einen offenen Appell auszusprechen (und dabei zwischen Wunsch, Bitte, Empfehlung oder Forderung zu differenzieren) anstelle einer Entwertung auf der Beziehungsebene («Nun stellen Sie sich mal nicht so an, keiner von uns hat eine 40-Stunden-Woche!»). (s. Abb. 4)
Kommunikationsempfehlung: offener Appell und Selbstkundgabe statt Entwertung auf der Beziehungsebene.
Im Kommunikationstraining wird man zudem angeleitet, den offenen Appell nicht mit einer entwertenden Beziehungsbotschaft zu versehen (statt: «Kannst du nicht wenigstens einmal den Mülleimer runterbringen?» besser: «Könntest du den Müll runterbringen? Danke!»). Die Philosophie hinter dieser Empfehlung: Lieber heute der Wunsch als morgen der Vorwurf!
Häufig werden Appelle verdeckt auf den Weg gebracht, der Sender gibt dem Empfänger dann nur implizit zu verstehen, was er von ihm will, ohne dies offen zu benennen (wie unsere Führungskraft im ersten Anlauf, siehe Beispiel oben). Der implizite Appell birgt Gefahren und Chancen.
Einerseits ist er anfällig für → Missverständnisse und Störungen in der Kommunikation. Er kann beispielsweise leicht überhört werden. Möglicherweise empfängt der Mitarbeiter lediglich die Information, dass es eine neue Eingangstür und auch einen neuen Schlüssel gibt, der im Bedarfsfall für ihn verfügbar ist, und bekommt gar nicht mit, dass die Führungskraft ihn zu mehr Engagement bewegen möchte. Auch können verdeckte Appelle leicht einen Manipulationsverdacht (→ Manipulation) und damit → Reaktanz auslösen («Wenn er erwartet, dass ich hier auch noch die Wochenenden verbringe, dann soll er das wenigstens offen und ehrlich sagen!»).
Andererseits haben verdeckte Appelle zuweilen auch Vorteile im Miteinander. Als Vorteil kann empfunden werden, dass der Empfänger den Hinweis «zwischen den Zeilen» lesen und von sich aus beherzigen kann, ohne nach außen als Kritisierter oder als bloß gehorsamer Befehlsempfänger dazustehen. Das Unausgesprochene, lediglich Angedeutete ermöglicht dem Empfänger eher, sein Gesicht zu wahren. Das ist insbesondere in kollektivistischen Kulturen (→ Interkulturelle Kommunikation) bedeutsam. Auch das Autonomiebestreben (→ Autonomie) des Empfängers kann somit mehr zur Geltung kommen, da der implizite Appell ihm zunächst die Wahl und Freiheit lässt, selbst zu entscheiden. Insofern gehört der verdeckte Appell, sensibel gehandhabt und nicht als «Wink mit dem Zaunpfahl» verabreicht, mitunter zur Kunst der indirekten Kommunikation.
Ob ein Appell Wirkung zeigt, hängt meist auch von der Art der Kommunikation auf den anderen drei Seiten des Kommunikationsquadrates ab. Auf der Sachseite: Drückt sich der Sender verständlich aus (→ Hamburger Verständlichkeitsmodell)? Auf der Selbstkundgabeseite: Wird er als Mensch auf glaubhafte Art sichtbar? Und auf der Beziehungsseite: Bietet er eine akzeptable Du-Botschaft und Beziehungsdefinition an?
Eine spezielle Form von Appellen sind die → paradoxen Appelle, bei denen der Sender dem Empfänger das Gegenteil dessen aufgibt, was er erreichen möchte.
Literatur
Miteinander reden 1, S. 32f., 242ff. (S. 29f., 209ff.)
Schulz von Thun, F.: Miteinander reden: Fragen und Antworten, S. 33ff., 41ff.
Stahl, E.: Lob der Intransparenz. In: Schulz von Thun, F./Kumbier, D.: Impulse für Kommunikation im Alltag.
Eine Äußerung bezeichnet das, was jemand von sich gibt, verbal und nonverbal (→ nonverbale Kommunikation). Zum Beispiel die verbale Äußerung unter Kollegen: «Ich habe gehört, du bist heute ausnahmsweise mal da!» oder die nonverbale Äußerung «Weinen» bei einem Streit. In der Kommunikationspsychologie von Schulz von Thun wird zwischen Äußerung und → Botschaft unterschieden. Die Äußerung ist das empirisch-faktisch wörtliche und/oder nonverbale Ereignis. Es wird in der Mitte des → Kommunikationsquadrates verortet. Die Botschaften kann man der Äußerung entnehmen, sie stecken explizit oder implizit in ihr drin und werden im Kommunikationsquadrat den vier Seiten zugeordnet. Ein und dieselbe Äußerung enthält mehrere Botschaften gleichzeitig: Sach-Botschaften, Selbstkundgabe-Botschaften, Beziehungs-Botschaften und Appell-Botschaften (s. Abb. 5 und Abb. 6).
Verbale Äußerung und ihre quadratischen Begleitbotschaften
Nonverbale Äußerung und mögliche Begleitbotschaften
Wenn eine Botschaft ausgesprochen wird, wenn sie also explizit wird, sprechen wir nicht mehr von einer Botschaft, sondern von einer Äußerung. Streng genommen müssten ausgesprochene Ich- und Du-Botschaften demnach Ich- und Du-Äußerungen heißen.
Die mit einer Äußerung einhergehenden nonverbalen Botschaften wie Tonfall, Mimik, Gestik und Körperhaltung geben ferner Hinweise darauf, wie die Äußerung zu verstehen ist. Dadurch wird sie zusätzlich qualifiziert. Stimmen die nonverbalen Signale mit der expliziten Äußerung überein, unterstreichen sie also deren Bedeutung, dann spricht man von Kongruenz (→ Authentizität). Beispielsweise die mit erfreuter Mimik und Tonlage geäußerte Aussage: «Ich komme gern zu Eurem Fest!» Inkongruent hingegen sind die Begleitbotschaften, die der Äußerung in ihrer Bedeutung entgegenstehen. Beispielsweise die im kühlen Ton und mit verärgerten Gesichtszügen geäußerte Zusage: «Ja, ich bin einverstanden!»
Werden zwei sich widersprechende Botschaften gesendet, spricht man auch von inkongruenter Doppelbotschaft (engl. double-bind). Der Empfänger (→ Empfangsvorgang) einer Doppelbotschaft gerät in ein Dilemma: Soll er der Äußerung («Ich bin einverstanden») oder der Begleitbotschaft («Es passt mir nicht!») Glauben schenken? Für den Sender liegt der Vorteil einer Doppelbotschaft darin, dass er sich nicht festlegt und sich gegebenenfalls der Verantwortung entziehen kann, indem er behauptet, es so nicht gemeint zu haben. Zum Beispiel: «Ich habe doch gesagt, ich bin einverstanden!» oder «Es war doch wohl klar, dass es mir nicht recht war!» Häufig liegt einer inkongruenten Doppelbotschaft eine innere → Ambivalenz zugrunde. Die Doppelbotschaft ist dann Ausdruck innerer Zerrissenheit und deutet auf einen inneren Widerstreit zwischen zwei Gegenspielern hin (→ Inneres Team). (s. Abb. 7, S. 28)