Moderne Bibel oder modernes Babel - Michael Kotsch - E-Book

Moderne Bibel oder modernes Babel E-Book

Michael Kotsch

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Beschreibung

Neue Bibelübersetzungen stellen die Bibel in Frage: Der Junior Chef: Die Bibel als lockere Unterhaltung? Die Volxbibel: Jesus, als Kumpel aus der Disco? Bibel in gerechter Sprache: Gerechtigkeit für Feministinnen? Dieses Buch will Christen helfen, in der kontroversen Diskussion um diese neuen Bibelübersetzungen eine eigene Meinung zu finden. Außerdem geht der Autor hier folgenden Themen nach: - Vor- und Nachteile der bekannten Bibelübersetzungen - Test für Studienbibeln - Die Geschichte der Bibelübersetzungen: Von den ersten Christen bis in die Gegenwart - Internationale Bibelübersetzungen und aktuelle Bibelübersetzungs-Projekte

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Michael Kotsch

Moderne Bibel

oder modernes Babel?

Michael Kotsch

Moderne Bibel oder modernes Babel?

© 2013 Lichtzeichen Verlag GmbH, Lage

Satz/Umschlag: Manuela Bähr-Janzen

ISBN: 9783869549613

Bestell-Nr.: 548961

E-Book Erstellung: LICHTZEICHEN Medien www.lichtzeichen-medien.com

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1.

Der Junior Chef - Das Evangelium zum Lachen?

1.1.

Der Junior Chef - Autor

1.2.

Der Junior Chef - Zielsetzung

1.3.

Der Junior Chef - Weihnachten

1.4.

Der Junior Chef - Johannes der Täufer

1.5.

Der Junior Chef - Predigten und Wunder Jesu

1.6.

Der Junior Chef - Esoterische Geschichtefälschung

1.7.

Der Junior Chef - Bibel nach Biff

1.8.

Der Junior Chef - Ahnen heutiger Zeitgeistbibeln

2.

Volxbibel - oder Jesus bei McDonalds

2.1.

Die Volxbibel fördert falsche Lesegewohnheiten

2.2.

Die Volxbibel vertieft den Generationenkonflikt

2.3.

Die Volxbibel - Anpassung statt Herausforderung

2.4.

Die Volxbibel fragmentisiert die Christenheit

2.5.

Die Volxbibel - voll zum Lachen

2.6.

Die Volxbibel betreibt Bibelkritik

2.6.1.

Historische Fälschungen

2.6.2.

Kulturelle Mißverständnisse

2.6.3.

Irreführende Assoziationen

2.6.4.

Sprachliche Probleme

2.6.5.

Übersetzungsprinzipien

2.7

Die Volxbibel verfälscht die Person und den Charakter Jesu

2.8

Die Volxbibel stellt den Menschen statt Gott in den Mittelpunkt

3.

Gerecht für Frauen, Juden und Arme

3.1

Bibelübersetzung in gerechter Sprache (BgS)

3.2

Entstehung der Bibel in gerechter Sprache

3.3

Gerechte Sprache?

3.4

Beobachtungen am Rande

3.5

Offensichtliche Bibelkritik

3.5.1

Menschliche Bibel

3.5.2

Bibel mit Irrtümern

3.5.3

Vorgeblich historische Irrtümer

3.5.4

Vorgeblich theologische Irrtümer

3.5.5

Bibel verbessern

3.6

Ideologischer Ansatz

3.6.1

Bibel für Frauen!?

3.6.2

Bibel für Juden!?

3.6.3

Bibel für Arme!?

4.

Kleine Geschichte der Bibelübersetzungen

4.1

Die griechische Bibel

4.2

Die lateinische Bibel

4.3

Orientalische Bibeln

4.4

Aramäische Übersetzungen

4.5

Die arabische Bibel

4.6

Die Bibel im Mittelalter

4.7

Keine Bibeln in Landessprache

4.8

Englische Bibeln

4.9

Bibelübersetzungen in Skandinavien

4.10

Niederländische Bibeln

4.11

Bibelübersetzungen in Frankreich

4.12

Italienische Bibelübersetzungen

4.13

Portugisische Bibelübersetzungen

4.14

Spanische Bibeln

4.15

Bibelübersetzungen in die finno-urgischen Sprachen

4.16

Slawische Bibelübersetzungen

4.17

Russische Bibeln

4.18

Bibelverbreitung und Bibelübersetzungen heute

5.

Deutsche Bibelübersetzungen: Geschichte und Vergleich

5.1

Deutsche Bibeln: Vergangenheit

5.2

Deutsche Bibeln: Gegenwart

Literatur:

EINLEITUNG

Die Bibel ist Grundlage und Glaubensdokument gleichermaßen für alle Christen. Sie selbst bezeichnet sich als ewig gültiges und autoritatives Wort Gottes. Christen aller Jahrhunderte haben in diesem Buch Trost und Orientierung, Gottes Nähe und seine Ermahnungen erfahren. Alles, was wir heute von Gott und seinem „Botschafter” Jesus Christus wissen, entstammt der Heiligen Schrift. Deshalb sollte es Christen ganz besonders interessieren, wie mit diesem Buch umgegangen wird. Bemühte man sich über zwei Jahrtausende hinweg den Inhalt der Bibel möglichst genau zu erhalten und in andere Sprachen zu übersetzen, wird sie seit einiger Zeit immer mehr zur Verfügungsmasse der Unterhaltungsindustrie und zur beliebig veränderbaren Werbeschrift für alle möglichen Ideologien.

Dieses Buch soll auf der einen Seite die beindruckende Geschichte der Bibelüberlieferung vor Augen führen und die Stärken wie auch die Schwächen der einzelnen deutschen Bibelübersetzungen erklären. Auf der anderen Seite sollen drei relativ neue, weit verbreitete Bibelübersetzungen näher untersucht werden. Dazu gehört die humoristisch-säkulare Der Junior Chef, die jugendsprachlich-evangelikale Volxbibel und die evangelisch-feministische Bibel in gerechter Sprache.

1. DER JUNIOR CHEF1 - DAS EVANGELIUM ZUM LACHEN?

„Lammfromm und unbekümmert schildert Michael Korth das Erdenwallen des Junior-Chefs. Bei allem Drive und Witz wahrt Korth den guten Geschmack. Der Junior, ausgesprochen locker, gewinnt durch unorthodoxe Lehren die Herzen im Flug. - Ein schwerer Schlag für Pharisäer und Schriftgelehrte.” „Das Neue Testament neu erzählt - ein schönes Beispiel unverklemmter Frömmigkeit”, urteilt der Wochenspiegel2

Die leicht lockere Nacherzählung des Neuen Testaments knüpft an eine ähnliche Ausgabe des Alten Testaments an, die im selben Verlag unter dem Titel „Der große Boss. Das Alte Testament. Unverschämt fromm neu erzählt” 1984 von Fred Denger herausgegeben wurde.3

1.1. Der Junior Chef - Autor

Michael Korth ist 1946 in Niedersachsen geboren. Er studierte am Mozarteum in Salzburg Musiktheorie und Aufführungspraxis alter Musik. Als Bühnenautor schrieb er Musical- und Opernlibretti, u.a. für das Theater an der Wien, das Theater des Westens und die Deutsche Oper Berlin. Er verfasste bisher 28 Bücher. Seine Werke wurden in 13 Sprachen übersetzt. Michael Korth lebt im österreichischen Waldviertel.4 Neben reiner Unterhaltungsliteratur und einigen musikspezifischen Veröffentlichungen, widmet er sich auch esoterisch- indianischer Religiösität: Meine Worte sind wie Sterne, sie gehen nicht unter. Reden der Indianerhäuptlinge (William Arrowsmith und Michael Korth) Goldmann, München 1986. Die Erde ist unsere Mutter. Die großen Reden der Indianerhäuptlinge (William Arrowsmith und Michael Korth) Heyne, München 1995. Der Große Geist spricht. Reden berühmter Indianerhäuptlinge (William Arrowsmith und Michael Korth) Patmos, Düsseldorf 2004.5 Die „kraftvollen” Reden der Indianerhäuptlinge strahlten eine visionäre Weisheit ihrer untergegangenen Kultur aus und offenbaren nach Korth „ein kosmologisches Denken, das der europäischen Kultur im ausgehenden Mittelalter verloren gegangen ist.”

1.2. Der Junior Chef - Zielsetzung

„Respektvoll frech, salopp und mit viel Einbildungskraft wird hier das Neue Testament nacherzählt”, wirbt der Verlag. Ein Internet-Rezensent gibt seinen Leseeindruck folgendermaßen wieder: „Wer sich dabei nicht vor Lachen kringelt, dem ist auch nicht zu helfen! Locker, umgangssprachlich und ohne die Botschaft des Neuen Testaments zu verfälschen ist diese ‘Zusammenfassung’ der vier Evangelien geschrieben. Für Nicht-Bibelkundige genauso zu empfehlen, wie für alte Hasen!”6 Ein anderer Leser beschreibt das Buch als „einfach genial”. Auf unterhaltsame Weise lade es zur unverkrampften Auseinandersetzung mit dem Leben Jesu ein.7 Auf dem Buchcover ist Folgendes zu lesen: „Lammfromm und unbekümmert schildert Michael Korth das Erdenleben des Gottessohnes. … Ein Lesevergnügen für alle, die … sich locker vorstellen können, dass der Junior und seine Jünger als Männer aus dem Volk und nicht als muffige Frömmler einst durch die Lande zogen.”8

Sollte aus diesem Kommentar die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Originalbibel und bisherige Übersetzungen von Jesus Christus das Bild eines solchen „muffigen Frömmlers” vermitteln? Eines jedenfalls zeigt Der Junior Chef klar, über Jesus, seine Worte und Taten einmal ordentlich zu lachen und auch etwas zu spotten ist kein Problem. Jesus hätte auch nichts dagegen, meint Korth. Der Junior Chef ist die Biographie einer kirchlichen Witzfigur. Jesus als Schöpfer der Welt (Kol 1,16; Hbr 1,2), als Opfer für die Sünden der Menschen (Eph 1,7; Hbr 9,11f), als ethische Autorität (Mt 5-7) oder als himmlischer Richter (Mt 16,27; 25,31-46) kommt hier gänzlich unter die Räder. Nachdem ein erstes Lachen verklungen ist stellt sich schnell auch eine gewisse Gewohnheit und Langeweile ein. Entweder lässt sich der Leser dann noch durch eine verstärkte Verulkung Jesu zur weiteren Beschäftigung mit dessen Leben animieren oder er lässt die biblischen Berichte, die ihren unterhaltenden Zweck erfüllt haben gänzlich beiseite. Hawaklar schreibt: „Der Junior Chef von Eichborn … ist eine ziemlich originalgetreue Übertragung des Neuen Testaments in eine neue, moderne (Jugend)sprache. … Der Reiz am ‘Junior Chef’ erschöpft sich irgendwann, wenn man sich an den durchaus prägnanten Formulierungen satt gelesen hat. Ich habe das Buch damals dann irgendwann beiseite gelegt, weil mir der Inhalt bekannt war und ich die Übersetzung’ nicht mehr lustig fand.”9 Keiner der Rezensenten berichtete von einem besseren Verständnis der neutestamentlichen Ereignisse oder einer neuen Motivation, sich mit der Bibel auseinander zu setzen. Doch wahrscheinlich will Der Junior Chef das auch gar nicht erreichen. Das Buch lebt nur von der Parodie noch bekannter Ereignisse aus dem Leben des Sohnes Gottes.

1.3. Der Junior Chef - Weihnachten

Ob es sich bei Dem Junior Chef tatsächlich um eine ziemlich originalgetreue Übertragung des Neuen Testaments handelt, wie Hawaklar meint, kann jeder anhand der folgenden Beispiele selber überprüfen.

Nach Korth begann die Weihnachtsgeschichte folgendermaßen: „Vor fast 2000 Jahren (um genau zu sein, es war an einem Donnerstag) hatte der GROSSE BOSS wieder einmal eine Idee. Die Zeit näherte sich gerade dem Nullpunkt. Ein günstiger Moment, von vorn zu beginnen, dachte der GROSSE BOSS. In Rom brachte der Generalsekretär des Römischen Reiches, Kaiser Augustus, seine fetten Bürokraten auf Trab. Sie sollten alles zählen, Kinder, Kartoffeln, Nägel, Goldstücke, alles. Denn in der römischen Welt ging es zu wie seinerzeit nur in Sodom und Gomorrah: überall Wirtschaftskriminelle, steuerhinterziehende Politiker, Lustmörder, Terroristen, Waffenschieber und Dealer.”10

Korths Nacherzählung des NT will offensichtlich nicht so sehr über die eigentlichen historischen und theologischen Hintergründe des Lebens Jesu informieren, als vielmehr mit Ironie und Witz unterhaltend einige spannende Szenen der Evangelien dem modernen Leser vermitteln. Dabei benutzt er den Bibeltext lediglich als Ideengeber und als Folie, um seine Kommentare zu gegenwärtigen sozialen, politischen und theologischen Problemen anzubringen. Die Ankündigung der Geburt Jesu an Maria liest sich bei Korth folgendermaßen: „Da das unzuverlässige Gewürm immer wieder aus Evas Töchtern hervorkroch, hatte der GROSSE BOSS an jenem denkwürdigen Donnerstag DIE zündende Idee: Wir müssen die entartete Bande mit etwas besserem GenMaterial veredeln. Der GROSSE BOSS schlug sich vor Freude über die Blitzidee an seine Denkerstirn, dass die Funken bis zum Kollegen Zeus drüben auf dem Olymp schossen. Genial. Jesusmaria, frohlockte er. … Evas Sündenvolk musste mit einer Frischblutkonserve verbessert werden. Eine göttliche Rose auf einem falschen Trieb der alten Sorte gepfropft werden. Auf den Stamm Davids versteht sich. Denn die Rotzbengel waren zwar religiös unzuverlässig, aber immerhin gehörten sie zur Ursippe. … Der GROSSE BOSS ließ sein göttliches Dreiecksauge wohlgefällig über die hübschen Jungmädels schweifen. Und plötzlich sah er eine, die ihn an die kurvenreiche Urmutter Eva erinnerte. Maria!”11 „Kaum war Joseph am nächsten Tag ächzend zur Tür hinaus, flog Chefsekretär Gabriel nach Nazareth in Galiläa, wo die Auserwählte des GROSSEN BOSSES missmutig die Betten machte. … Da kam er gleich zur Sache: Schau, schöne Maria, der GROSSE BOSS ist aus Sorge um sein heruntergekommenes Volk ganz verliebt in dich. Er will es erretten. Dazu braucht er eine verständige, mutige Frau, um als Gefäß für die Fleischwerdung des göttlichen Geistes zu dienen. … Und dein Sohn soll denn so eine Art König werden, um die Leute moralisch aufzubauen.”12

Die Grenze zur Gotteslästerung dürfte hier für einige Christen eindeutig überschritten sein. Gott flucht und verhält sich sexuell anzüglich. Die Realität oder eben Nichtrealität anderer Götter und Religionen wird in Der Junior Chef wie selbstverständlich vorausgesetzt. Der Absolutheitsanspruch Jesu Christi wird weder hier noch an irgendeiner anderen Stelle des Buches auch nur ernsthaft genannt. Statt dessen spielt Jesus lediglich moralische Stütze. Doch all das bedeutet Korth herzlich wenig. Kritiker seiner Scherze sind für ihn lediglich „engherzige Pharisäer und Schriftgelehrte”.

Nicht weniger phantasievoll setzt Korth seinen Bericht der Geburtsgeschichte Jesu fort. Dabei will er sich auf die Angaben aus Mt 1+2, sowie Lk 2 stützen. „Die Statistiker in der Bundeshauptstadt Rom hatten sich wieder etwas Geniales einfallen lassen. Sie dachten, wenn jeder Familienvorstand seinen Volkszählungszettel in seinem Geburtsort ausfüllt, belebt das ungeheuer den InlandsReiseverkehr. Die Tourismus-Industrie blüht auf, die Kohle bleibt im Land und wird nicht von fremden Negerkönigen in goldenen Betten verjubelt …”13

Wenig später beobachten Maria und Joseph die jubelnden Engel: „Ein Mordsgetöse braust aus dem Himmel. Es klingt gewaltig nach Meister Bachs Weihnachtsoratorium. Nur englischer, irgendwie ein bisschen nach Beatles. Scharen von himmlischen Musikcorps singen siebenstimmige Sphärenmusik. Das ganze Weltall swingt, und die Sterne tanzen wie besoffen am Himmelszelt.”14 Dann teilt Gott den Hirten von Bethlehem die Geburt seines Sohnes mit: „Der Erzbote Raphael schnappt sein Tamburin und saust los. … Eine Bande versoffener Schweinehirten erzählt sich beim Schweinskotelette schmutzige Witze, als plötzlich ein Blitz neben ihnen einschlägt. Schreckensklamm und zähneklappernd sehen sie, wie der Glühball Gestalt annimmt. Der BOSS sei bei uns, flüstert angstschweißtriefend der Kleinste. Doch da tönts: Hallo Jungs, nur keine Bange. Ich lade euch zu ’ner kleinen Geburtstagsparty ein, im Stall vom Hotel ZUM GUTEN STERN. Wein gibt’s gratis. Heut ist nämlich der Messias geboren.”15

Manches dieser frei nacherzählten Weihnachtsgeschichte ginge vielleicht als phantasiereiche Ausgestaltung eines in der Bibel nur knapp geschilderten Geschehens durch, anderes hingegen ist offensichtliche historische (Bach/Beatles) und kulturelle (Juden essen kein Schweinefleisch) Verfälschung.

Auf der Suche nach ihrem 12jährigen Sohn bekommt Maria den Hinweis: „Vielleicht ist es der Wunderknabe, der seit drei Tagen im Tempel altkluges Zeug quatscht. So einer mit roten Borsten und aquamarinblauen Glubschaugen. Die Weiber sind alle scharf auf ihn, und die Professoren der Tempel-Uni können zu seinen Wortklaubereien weder piep noch papp sagen.”16

1.4. Der Junior Chef - Johannes der Täufer

Johannes der Täufer wird als „ein anderer Redekünstler” vorgestellt. „Der schaut genau so aus, wie sich die Jerusalemer Wohlstandsbürger einen Alternativo vorstellen: ein langer, dünner Lulatsch mit Hippiemähne und Waldschratbart. … Der Wundermann wohnt in einer Höhle am Jordan-River und erzählt den Playboys und -girls der Jerusalemer Hotvolley unterhaltsame Geschichten über pikante Sündenfälle und Bußverfahren. Toll! Endlich mal was los in diesem öden Provinzkaff! Alle braten nackt in der Sonne und kleben dem Alleinunterhalter an den Lippen. Wenn sein Redefluss zu anstrengend wird, wird geschmust, und wenn’ s zu heiß wird, schmeißen sich die Nudisten ins Wasser und lassen sich von Bademeister Johannes durch Untertauchen im Jordan erfrischend ihre Sünden abwaschen.”

Hier wird ein vollkommen falscher Eindruck einer billigen Unterhaltungsshow vermittelt. Die Ernsthaftigkeit Johannes des Täufers und die Bereitschaft zur echten Lebensveränderung unter seinen Zuhörern bleibt auf der Strecke.

Unter anderem erklärt Johannes seinen Zuhörern was Sünde ist: „Alles was zuviel ist, ist zuviel und damit Sünde … zuviel essen, viel zuwenig essen … zuviel baden … Ja, schön und gut fragt eine wissbegierige Nymphe, aber warum soll ich denn meine Sünden beichten?. Weil dir dann leichter ums Herz wird und du wieder leichter von vorn und hinten anfangen kannst, kapito?”17 Von der ernsthaften Gefahr der Sünde steht hier kein Wort auch nicht von deren katastrophalen Auswirkungen auf die Beziehung zu Menschen und Gott.

1.5. Der Junior Chef - Predigten und Wunder Jesu

Die Versuchung Jesu wird als „Halluzination” bezeichnet. Der Teufel spricht: „Hallo, Jessy. Ich komme zufällig auf ’nem Spaziergang vorbei … Haste gar keinen Hunger? Wenn de wirklich der JUNIORCHEF bist, brauchste doch bloß aus diesen Kieselbrocken kleine Brötchen zu backen. … Da ist der Schwefelstinker aber an der falschen Adresse. Jesus durchschaut den Quälgeist … Nein Danke. Keine Zeit für Hokuspokus. Der Mensch lebt nicht von Brot allein … Ich lebe gerade von den Wörtern, die durch den Mund des GROSSEN BOSSES gehen.”18

Im Anschluss an seine Taufe plant Jesus sein öffentliches Auftreten, das dem Frieden und der Verständigung dienen soll „… Ich werde Aufklärungsarbeit an den Volkshochschulen leisten. Vorträge. Praktische Gruppenarbeit. Und damit diese aufgeblasenen Ignoranten auch glauben, dass das Konzept erstklassig ist, werde ich hin und wieder ein paar Wundertaten zaubern. Man muss sie in Stimmung bringen. Dann machen sie begeistert mit. Um auch hier fit zu sein, trainiert er seine magischen Kräfte, macht Redeübungen, Atemübungen, Yoga und bringt tausend andere Fertigkeiten zur Perfektion, die ein Guru braucht, um anzukommen.”19

Jesu erstes Auftreten wird als „Psychoarbeit in Kapernaum” beschrieben und hinterlässt eher den Eindruck eines esoterischen Scharlatans: „Hier gibt Jessy seine erste öffentliche Veranstaltung im Gemeindesaal: Transcendentale Meditation oder die Erneuerung aus dem Geist der Erleuchtung. Es erleuchtet Jesus von Nazareth. … Der Saal ist gerammelt voll. Jessy steht auf der Bühne mit der Pose und der Power eines Oppositionspolitikers. Das Publikum ist ganz weg. Er redet salbungsvoll geschwollen, wie einer der vor Macht kaum gehen kann. … Der Saal dröhnt, das Auditorium stöhnt. Entzücken und Zerknirschung. Geistesblitze zucken aus seinen Augen in die moralischen Schwachstellen der Gemeinde … Souverän hat Jessy sein Publikum in der Hand. Ach, wie rührend der Wundermann in Sünde und Erneuerung eindringt. … Wie gut das tut, mal wieder ein bisschen über die seinen Sünden und besonders die anderer zu weinen. Das reinigt die Psyche. Nach den in Kapernaum gewohnten knochendürren Erbauungsvorträgen netter Volkshochschuldozenten ist der Entertainer aus Nazareth ein Hochgenuss. Jessy zieht alle Psychozauberregister und wirbelt den Kapernaumern die Gefühle durcheinander. Die vier ersten CVJM- Mitglieder, in den Ecken des Gemeindesaals verteilt, heizen die Stimmung weiter an. Begeistert von ihrem Guru gebärden sie sich wie Geistesgestörte bei Vollmond und stecken mit ihrer Hysterie allmählich den labilen Teil des Publikums an, d.h. 99%.”20

Im „Clubheim in Kapernaum” feiern die CVJMler mit Kaffee und Kiwikuchen. Sie liegen „nebst einer bunten Gästeschar auf Matratzen um einen abgesägten Tisch herum und sündigen fröhlich mit Wein, Weib und Gesang. Sie singen, dass die Ölfunzeln zittern.”21

Später empfiehlt Jesus seinen Jüngern „zum Neurologen” zu gehen und weniger „zu saufen”.22 Der kranken Schwiegermutter des Petrus verschreibt er kurzerhand ein paar Essigsocken.23

Nach kurzem Aufenthalt zieht Jesus mit seinen Schülern weiter. Den Aufbruch begründet er folgendermaßen: „Wenn man am selben Ort immer dasselbe erzählt und denselben Hokuspokus macht, nutzt die Show sich schnell ab. Willst du was gelten, mach dich selten.’ … Jessy … tingelt durch ganz Galiläa. In Volkshochschulen zieht er seine erprobte Show ab: Exorzierungskunststücke, Wundertaten garniert mit Geschichten und anderem Klimbim. Der Teufel kriegt die Hucke voll …”24 Die Pharisäer sind bei Korth Mitglieder der Religiösen Fanatiker Partei und gefährliche Fundamentalisten.25

Unterwegs bringt Jesus seinen Jüngern „Formeln für die Dämonenbekämpfung bei. Eine Art Psychokaratetraining. … 30 Minuten Selbsterfahrung, 25 Minuten Rebirthing, 20 Minuten Reiki, 15 Minuten Reinkarnations-Therapie, 10 Minuten Neurolinguistisches Programm, 5 Minuten exorzistische Kommandos, 3 Minuten Zauberformeln, dazwischen je 1 Minute Entspannung. … Wenn ihr euch seelisch verkrampft, könnt ihr eure Energie nicht konzentrieren. Jeder von Euch verfügt über ein riesiges, ungenutztes Reservoir an Vitalität, Dynamik und Kreativität. … Um aber Energie sammeln zu können, muss man seine Seele frei machen … Nichts wollen als vollkommen sein, einfach sein, der man ist.”26Korths Jesus benutzt nicht nur faule Tricks und arbeitet mit fremdreligiösen Meditationsmethoden, im Gegensatz zur Bibel lehrt er eine Art Selbsterlösung. Keinesfalls sei der Mensch von Grund auf schlecht. Er müsse lediglich zu sich selber finden und eine ominöse „Energie” in sich aufnehmen. Das klingt weit eher nach einer esoterischen Heilmethode als nach dem Jesus des Neuen Testaments.

Die Bergpredigt heißt bei Korth „Das große Love & Peace Seminar”.27Manche Formulierungen lesen sich wie in der evangelikalen Volxbibel. Immerhin ist an diesen Stellen der ursprüngliche Text und Sinn durchaus noch erkennbar: „Wenn ihr allen verzeiht, die was ausgefressen haben, wird der GROSSE BOSS auch bei euch ein Auge zudrücken. Wer aber nicht verzeiht, dem wird der GROSSE BOSS mit seinem Prügel Nächstenliebe einbleuen …”28 oder „Schaut euch die Piepmätze in der Dachrinne an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln weder Aktien noch Briefmarken und besitzen keinen Geldschrank, und euer himmlischer Papa ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel größer und dicker als sie? Ihr Esel … halst euch Sorgen auf, soviel ihr wollt - euer Leben wird dadurch keinen Zentimeter länger, nur kurzatmiger.”29

Die Jünger sind weiterhin mit Jesus unterwegs und beobachten sein Tun. Den geheilten Gerasener lässt er mit den Worten zurück: „… Ich hab schon Verrückte genug um mich. Ich glaube, die sind eifersüchtig.”30 Den im Wasser versinkenden Petrus weist Jesus zurecht: „Ruhig, ruhig. Du musst deine Angst überwinden. Transformiere deine Angst in lichte Energie, dann schwimmst du oben.”31 Wie ein esoterischer Gesundbeter heilt Jesus die Menschen: „Und ehe der Blinde etwas entgegnen kann, drückt Jessy seine Lippen auf dessen Augen, küsst sie sanft, legt behutsam seine Hände auf die Augenhöhlen, zieht mit sicherem Griff alle schlechte Energie heraus und schüttelt sie in den Abendwind.”32 Kinder beschenkt Jesus mit Händen voller Bonbons und die Mütter bekommen je ein „After Eight”.33

Durchaus abweichend von den Evangelien verschafft Jesus dem Blinden Bartimäus auf dessen Wunsch hin zuerst eine nicht ganz so prächtige Opernstimme und dann sein Augenlicht.34 Auch von einem handgreiflichen Ehekrach zwischen Petrus und seiner Frau lesen wir in den biblischen Büchern kein Wort..35 Die Geschichte vom barmherzigen Samariter mutiert bei Korth zu einer Mischung von Robin Hood und Wilhelm Tell.36

Rocker säumen die Straßen Jerusalems bei dem Einzug Jesu.37 Rechtzeitig vor seinem Ende organisiert Jesus die Abfassung des Neuen Testaments, mit einigen durchaus kritischen Seitenhieben auf spätere Theologengenerationen: „Wir müssen jemanden suchen, der meine und eure Story gewissenhaft notiert. Daraus können dann Bibelforscher eine Menge hübscher Deutungsversuche zusammenbasteln und einen neuen Berufsstand gründen, der sie und ihre Familien ernährt.”38

Bevor Jesus festgenommen wird, hält er mit seinen Jüngern „das letzte Gelage”.39 Danach nehmen ihn Tempelpolizisten und Nahkampfspezialisten im Garten Gethsemani fest.40 Vor dem Hohen Rat strahlt „seine Aura” plötzlich wieder in altem Glanz.41 Sehr detailliert und historisch zuverlässig wird dann beschrieben wie Jesus am Kreuz leidet und stirbt. Beim Tod Jesu zerreißt der Vorhang im Tempel und ein römischer Legionär wird Zeuge der Gottheit Jesu. „Die toten Augen blicken ihn so intensiv an, dass er sich die Hände vors Gesicht schlägt. Er hat Mühe zu sprechen: Leute … Wenn das nicht der Sohn des GROSSEN BOSSES war, bin ich Kaiser von China.”42 Nach seiner Auferstehung erscheint Jesus Maria mitten in der Nacht, wobei dem Leser nicht klar wird, ob es sich nur um einen Traum handelt, oder Jesus tatsächlich anwesend war. Wenig später erscheint er „Andy und Piepo” (Andreas und Petrus). Kreuz und Auferstehung, „das war ein Trick, um Tod und Teufel zu überlisten und euch den Weg ins Paradies zu ebnen. Einer muss schließlich den ersten Schritt zur Erneuerung tun.”43 „Pfeilschnell sauste er [daraufhin] durch den Kamin davon.” Ihren letzten Auftrag erhalten die Jünger wenig später: Sie sollen einen weltweiten Wohltätigkeitskonzern gründen. Wer „den Egoismus fahren lässt und clean im Glauben an Wahrheit, Vernunft, Einsicht, Güte, Liebe und Menschlichkeit ist, dem werden magische Kräfte wachsen …”44

1.6. Der Junior Chef - Esoterische Geschichtefälschung

Abgesehen von seinem allzu lockeren, gelegentlich sogar gotteslästerlichen Schreibstil fällt dem Leser bald auf, dass Korth in seiner Nacherzählung der Evangelien zahlreiche Szenen unterschlägt und wieder andere frei erfunden hat. Immer wieder finden sich unpassende, eigentlich auch nicht wirklich lustige Formulierungen. Beispielsweise wird Israel als „auserwählter Chaoten-Stamm” bezeichnet.45

Mit seinen zahlreichen sexuellen Anspielungen will Korth vermutlich sowohl die Menschlichkeit Jesu hervorheben, wie auch das Interesse seiner potentiellen Leser wecken. So wird Jesus möglicherweise „von den Jerusalemer Nymphomaninnen vernascht”. Seine „Feminin-Fans” verfolgen Jesus. Petrus Frau übt sich im Nacktbaden. Eine „Märchenfee wackelt aufmunternd mit dem Hintern” und verführt Petrus. Jesus genießt es innig von Frauen abgeküsst zu werden, die bei ihm Hilfe gefunden haben. Sehr detailliert widmet sich Korth natürlich der Begegnung zwischen Jesus und der Ehebrecherin.46

Nicht unproblematisch sind auch die zahlreichen Anachronismen in Korths Der Junior Chef.