Mord in vier Gängen - Klaus Ranzenberger - E-Book

Mord in vier Gängen E-Book

Klaus Ranzenberger

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Beschreibung

In einer ehemaligen Apotheke betreibt Matthias Krantz ein Bistro - Treffpunkt der Bedeutenden und Schönen von Burgheim und jener, die sich dafür halten. Und natürlich der Ort, an dem nicht nur gegessen und getrunken, sondern auch geflirtet, getratscht und intrigiert wird. Wen wundert es da, dass die Fäden des Kriminalromans in dieser Apotheke zusammenlaufen? Matthias Krantz kocht Mörder wie Opfer so genial ein, dass dem Leser das Wasser im Mund zusammenläuft! Ein herrlicher kulinarischer Krimi, der Lust auf mehr macht! Nach seinem Gastronomieführer Feinspitz im Innviertel und seiner köstlichen Typologie des Innviertlers mit dem Titel Der Onkel Franz lässt Klaus Ranzenberger nun im Innviertel morden - genauer gesagt in der fiktiven Kleinstadt Burgheim, wo der Leiter des Bauamtes erschlagen wurde.

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Klaus Ranzenberger

Mord in vier Gängen

Ein Burgheim-Krimi

Klaus Ranzenberger

MORD

in vier Gängen

Ein Burgheim-Krimi

Seit Eva den Apfel aß,hängt viel vom Abendessen ab.

Lord Byron

Vorwort des Autors

Ein Regionalkrimi ist es also geworden. Ist ja nichts Neues. Macht ja jetzt jeder. Ich hingegen wollte eigentlich gar keinen solchen schreiben. Aber ist nicht fast jeder Kriminalroman ein regionaler? Irgendwo muss er ja spielen. Ich hielt mich bei Vorliegendem einfach nur an die oberste Direktive für Autoren: Schreibe über etwas, das du sehr gut kennst. Und mein Innviertel kenne ich nun mal sehr gut. Dauerhaft bin ich hier die letzten fünfzig Jahre nicht weggekommen und habe die Topografie, die Befindlichkeiten der darin Lebenden und deren Verflechtungen gleichsam verinnerlicht. Insbesondere die Städte unseres Viertels haben es mir angetan. Bei einer Größe von bis zu knapp zwanzigtausend Einwohnern ergibt sich eine eigene »Semi-Urbanität«. Eigentlich auf dem Dorf, umgeben von landwirtschaftlichen Nutzflächen und Industrieanlagen und der daraus resultierenden Einwohnerschaft, gibt man sich dennoch urban. Großbürger oder solche, die sich dafür halten, Damen in mehr oder weniger schickem Outfit, die ihrem Prosecco-Stammtisch zustreben, und geschäftig wirkende Herren beim Mittagessen in einer gerade angesagten Lounge der Stadt vermitteln ein Bild, wie wir es auch aus Salzburg oder gar Wien kennen. Dennoch befinden wir uns in der tiefsten Provinz. Wir tun nur so. Aber das darf man auch.

Meine Stadt heißt Burgheim. Sie werden sie auf der Innviertler Landkarte nicht finden. Ich habe mich für einen fiktiven Schauplatz entschieden, da eine der existierenden Innviertler Bezirkshauptstädte mich zu sehr in das Korsett der Realität gezwungen hätte. So wie auch meine Figuren frei erfunden sind. Und dennoch in ähnlicher Form real existieren. Der ortskundige Leser mag so mancher Parallele nachspüren oder glauben, ein Vorbild des einen oder anderen Protagonisten erkannt zu haben. Ich aber sage Ihnen: Keiner meiner Charaktere meint bewusst eine reale Person, und auch oft frappierende Ähnlichkeiten Burgheims mit meiner Heimatstadt sind lediglich eingangs erwähnter oberster Direktive geschuldet. So ist sie entstanden, die Bühne, auf der das Folgende spielt.

Und hier entwickelt unsere Romanhandlung eben andere Züge als jene, die man vom ländlichen Krimi gewohnt ist. Hier wird nicht der Mistgabelmörder vom Dackel des Postenkommandanten überführt, weil der typische Geruch des zurückgelassenen Gummistiefels eben nur zum Roider Sepp passt. Wir haben es nicht nur mit knorrigen Charakteren zu tun, die uns wegen ihrer lustigen Dialektfärbung schmunzeln oder deren Rückständigkeit und Verbohrtheit uns schaudern lassen. Es ist vielmehr oft Selbstüberschätzung und bourgeoises Getue, das den einen oder anderen Protagonisten auszeichnet. Und so versuche ich, das Bild eines mir vertrauten Biotops nachzuzeichnen und befördere meine Figuren mit dem Werkzeug des Kriminalromans in nicht alltägliche Grenzsituationen.

Als Schauplatz eines großen Teiles der Handlung dient ein Gastlokal. Hier gibt man sich die Klinke in die Hand und so manches Gerücht weiter. Hier laufen etliche Fäden zusammen und die geneigte Leserschaft erhält ausgiebig Einblick sowohl in die Befindlichkeiten der Burgheimer als auch in die Kochtöpfe. Und wird dabei gleichsam zum Ermittler wie zum Zeugen lokaler Kochkunst und Lebensart. Auf dass Spannung und ebenso Appetit aufkommen mögen bei der Lektüre des Folgenden.

Prolog

Er blickte über das Geländer auf den in schwindelerregender Tiefe liegenden Lago di Valvestino. Dort versank gerade mit einem letzten Glucksen (er hörte es bis hier oben hin – es war unheimlich still) das grob zusammengeschnürte Bündel. Die Steine, die zur Beschwerung mit hineingepackt waren, hatte er kurz vor der Brücke gesammelt, die den seltsam geformten Stausee überspannte. Falls die Kleine je wieder auftauchen würde, sollte nichts auf den Tatort (den Unfallort, verbesserte er sich) hinweisen.

Der Platz war ideal. Hier auf annähernd fünfhundert Meter Seehöhe war er sicher, von niemandem beobachtet zu werden. Es war etwa vier Uhr früh und die nächsten Ansiedlungen jenseits des Stausees – Valvestino und Capovalle – wirkten selbst tagsüber wie von ihren Bewohnern längst aufgegeben. Keine zwanzig Kilometer vom belebten Gardasee entfernt, schien es hier oben, als wäre die Zeit vor mehr als hundert Jahren stehen geblieben. Die meisten der an die Berghänge geschmiegten kleinen Dörfer waren tatsächlich seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten verlassen und dem Verfall preisgegeben.

Er steuerte den schweren Wagen vorsichtig über die engen Serpentinen hinunter nach Gargnano. Für die Schönheit, den der erwachende Gardasee von hier oben bot, hatte er kein Auge. Ihn beschäftigten andere Gedanken.

Das Wochenende in der kleinen Villa am See – der Herrenausflug, wie sie es nannten – hatte vielversprechend angefangen. In Salzburg auf die Autobahn, gelangten sie über das Deutsche Eck nach Tirol. Am Brennerpass passierte man die offene Grenze zu Italien und durchquerte das Trentino. Bei Rovereto nahmen sie die Abfahrt und nach kurzer Zeit war über gewundene Bundesstraßen zuerst Torbole und danach Riva, der Hauptort am See, erreicht. Dann auf der Westseite die malerische Uferstraße mit den engen Felstunnels über Limone, Tignale und Maderno bis Gardone. Diese Orte gehörten bereits zur Lombardei. Kurz hinter Gardone waren sie am Ziel. Babarano bestand aus wenigen Häuschen, einer Tankstelle mit Indoor-Imbiss und eben jener kleinen Villa, die ihnen für das Wochenende zur Verfügung stand.

Die vier Herren – von ihrem flüssigen Reiseproviant schon etwas aufgekratzt – bezogen das Haus. Der Kühlschrank wurde mit mitgebrachten Getränken bestückt, Essen ließ man sich liefern. Sie waren spät in Österreich aufgebrochen und hatten beschlossen, den ersten Abend im Haus zu verbringen. Bald waren alle halbwegs angetrunken und die ersten Joints machten die Runde. Nur er hielt sich wie immer zurück. Er behielt eben gerne die Kontrolle. Ihm gefiel das Gefühl, dadurch eine gewisse Macht über die anderen zu haben.

Als etwas später der Rotwein ausging, machte sich einer von ihnen auf den Weg zum Tankstellen-Imbiss, um Nachschub zu besorgen. Von dort brachte er dann das Mädchen mit. Die Kleine war etwas verwahrlost, aber ganz hübsch. Die Herren waren begeistert.

Was dann geschah, spielte sich in seinem Kopf wie eine Rückblende im Schnelldurchlauf ab. Noch mehr Alkohol, weitere Joints, Koks. Die Herren bedienten sich abwechselnd. Hinter der Fassade des gesetzten Bürgers kam das Schwein im Manne zum Vorschein. Dann passierte es. Einer von ihnen zog die Kleine in den Nebenraum. Den Geräuschen nach zu urteilen, hatte dort höchstens einer Spaß. Das Mädchen schrie. Plötzlich verstummten die fast tierischen Laute und der Mann kam allein in den Wohnraum zurück. Mit hängendem Unterkiefer und stumpfem Blick hielt er den anderen seine Hände entgegen. Ungläubig stierte er auf das Blut an seinen Fingern.

Er erfasste die Lage blitzschnell und handelte. Diese Idioten waren dazu nicht fähig. Er hatte das Problem also allein am Hals. Brachte den, der die Kleine angeschleppt hatte, mit ein paar Ohrfeigen halbwegs zur Besinnung und ließ sich die Situation an der Tankstelle schildern. An der Straße habe er das Mädchen aufgelesen, keiner habe gesehen, wie sie zu ihm ins Auto gestiegen war. Gut. Als alle Spuren des »Unfalls« in der Villa beseitigt waren, hatte er sich zu seinem nächtlichen Ausflug in die Berge aufgemacht.

1

Matthias Krantz kämpfte auch an diesem Morgen – einem Freitagmorgen – gegen seine Natur. Krantz war Morgenmuffel, durch und durch. Seit einem knappen Jahr versuchte er diese angeborene Eigenschaft zu ignorieren. Er stand nun regelmäßig um sieben Uhr auf (er öffnete sein kleines Lokal im Gebäude einer ehemaligen Apotheke erst um neun), duschte ausgiebig und schlüpfte in tags zuvor zurechtgelegte Sommerkleidung. Tunlichst darauf bedacht, keinem anderen Frühaufsteher in die Arme zu laufen (die meisten waren morgens immer unerträglich gut gelaunt), verließ er das Haus. Durch kleine Seitengassen erreichte er den Abgang zum Flussufer. Hier war er um diese Zeit noch allein. Das würde sich aber bald ändern, denn der Rad- und Fußweg am Wasser erfreute sich bei den Bürgern der Stadt und ihren Gästen großer Beliebtheit. Er genoss die noch herrschende Stille und setzte sich auf eine der Bänke am Ufer. Das Wasser übte wie immer eine fast meditative Beruhigung auf ihn aus. Davon gönnte er sich seine tägliche Dosis von fünfzehn Minuten, bevor er die Stufen zum Stadtplatz hinaufstieg.

Die kleine Bezirksstadt Burgheim empfing Krantz mit aufgesetzter Geschäftigkeit.

»Guten Morgen! Zehn Semmerl, fünf Kipferl, zwei Baguette, wie immer, Herr Krantz?« Viel zu laut, viel zu schrill und gar nicht dazu angetan, seine Laune zu heben, skandierte die Bäckereifachverkäuferin ihre tägliche Frage, die er wie jedes Mal bejahte. »Schönen Tag noch, grüße Sie!« Was soll’s, es gab hier eben die besten Kaisersemmeln in ganz Burgheim.

Nun war nur noch der Hauptplatz zu überqueren, um den Haselgraben, einen kleinen Park an der alten Ringbefestigung der Stadt, zu erreichen. Der Besitzer des unangefochten ersten Bekleidungshauses am Platz grüßte Krantz jovial und gab ihm in Gestik und Mimik zum wiederholten Mal zu verstehen, dass er in Matthias einen Waffenbruder im Kampf um Stil und Qualität sah. Langsam zeigte die Strategie Wirkung. Seit sich Krantz nämlich frühzeitig der guten Laune seiner Mitmenschen aussetzte (jedoch mit der Option versehen, dieser im Härtefall noch auszuweichen), war er gegen halb neun in der Lage, seine Übellaunigkeit abzulegen und sich seinen Gästen und anderen Mitmenschen als verträglicher Zeitgenosse zu präsentieren.

Am Haselgraben angelangt, verweilte er wie üblich kurz. Der an die innere Stadtmauer geschmiegte Park war ursprünglich ein Wehrgraben der mittelalterlichen Stadt gewesen. Um 1900 aufgeschüttet und bepflanzt, bildete er nun eine kleine grüne Oase zwischen Hauptplatz und Vorstadt. Vom ursprünglichen Graben war nur noch der etwa fünf Meter tiefer gelegene Stadtbach übrig, der über eine gewundene Steintreppe zu erreichen war. Diese beschritt Matthias nun, um über einen Holzsteg und weitere nach oben führende Stufen den Haselgraben wieder zu verlassen. Oben angelangt, würde ihn sein Lokal erwarten, etwaige erste Gäste und vor allem ein frisch aufgebrühter Kaffee. Die großen braunen Papiersäcke in seiner Hand erinnerten ihn an das bevorstehende Frühstück.

Auf dem Holzsteg angekommen, warf Matthias einen Blick auf den höchstens einen halben Meter tiefen, träge dahinfließenden Bach. Auch hier ein bekanntes Gesicht. Der Leiter des Stadtbauamtes von Burgheim, Diplomingenieur Gerhard Grabl, allseits geachteter Bürger und honoriges Mitglied der meisten örtlichen Vereine, lag grotesk verdreht auf dem Rücken im seichten Wasser. Einer seiner Maßschuhe hatte sich unten am Steg eingehakt und das nicht gerade saubere Rinnsal zerrte an seinem Leinenanzug. Eine klaffende Kopfwunde und der dazugehörige blutige Pflasterstein vervollständigten die Szenerie.

*

»Die Semmeln sind von mir, die hab ich fallengelassen, aber sonst hab ich nichts angerührt.« Diese Worte richtete Matthias Krantz an Horst Schartner, den Chef der Burgheimer Polizei. »Bin dann sofort zu dir gelaufen, bist ja gleich ums Eck. Hätte vielleicht dableiben sollen und anrufen, aber du weißt ja, mein Handy hab ich fast nie dabei.«

Gruppeninspektor Schartner legte ihm die Hand auf die Schulter. »Jetzt beruhigst du dich erst mal, Matthias, war schon richtig so.«

Während die Beamten der örtlichen Kriminalabteilung die Fundstelle der Leiche sicherten, stellte der Amtsarzt von Burgheim den Tod des prominenten Bürgers fest. Krantz und Schartner saßen währenddessen im hinteren Bereich des Lokals, das heute aus verständlichen Gründen geschlossen hielt. Matthias hatte seine ersten Frühstücksgäste nach Hause geschickt und Nachbarin Marlies schenkte sich und den beiden Männern Kaffee ein. Auf Semmeln und Kipferl musste man heute verzichten.

»Der Grabl tot, ich kann’s noch gar nicht glauben«, meinte er. »Und dann noch gewaltsam, wie es aussieht, wer macht denn so was!«

»Jetzt müssen erst mal die Kollegen von der Kriminalabteilung in Linz kommen«, sagte Schartner, »vorher sollten wir da gar nicht herumspekulieren.« Letztere Bemerkung des Polizisten galt offensichtlich Marlies Frohwein, die – wie jeder in Burgheim wusste – das örtliche Wochenblatt an Aktualität und Mitteilsamkeit in den Schatten stellte.

Prompt meldete sich die Nachbarin auch zu Wort: »Aber die Christl (Christine Grabl, die Frau des Toten), die muss ich doch anrufen, ihr wisst ja, ich kenn sie gut, wir sehn uns ja immer im Espresso, oh Gott, die Arme, wo ist denn mein Telefon …«

Der sonst so gesellige und verbindliche Schartner zeigte nun, dass er bei Dingen dieser Tragweite durchaus andere Töne anzuschlagen imstande war.

»Niemand rufst du an, Marlies, das überlässt du schön uns, und es wäre mir übrigens recht, wenn die Gerüchteküche mal ein, zwei Tage geschlossen bliebe!« Dermaßen gerügt, zog es Fräulein Frohwein vor, sich zu verabschieden.

2

Samstagvormittag ging Matthias Krantz wieder seinem gewohnten Tagwerk nach. Obwohl er diesen Morgen auf sein Ritual verzichten musste (er hatte mit Horst Schartner am Vorabend eine benachbarte Weinstube aufgesucht und fand vor acht Uhr nicht aus dem Bett), war seine Laune den Umständen entsprechend gut. Die vier Gäste, die nun kurz nach neun bereits sein kleines Lokal bevölkerten, zählten allesamt zum Stammpublikum. Kaffee in verschiedenster Form, frisch gepressten Orangensaft und auch zwei Gläser Prosecco servierte Matthias genauso wie Semmerl, Kipferl, Schinken, Käse und Marmelade. Aus den versteckt installierten Lautsprechern war leise portugiesischer Fado von Ana Moura zu hören. Die übliche Atmosphäre um diese Tageszeit in Matthias Krantz’ Apotheke.

Die Apotheke war im Parterre eines schmalen Eckhauses im historischen Burgheimer Stadtzentrum untergebracht. Matthias hatte sie – ebenso wie das ganze Haus – von seinem Onkel Maximilian geerbt. Nach dem Tod von Matthias’ Eltern war der alleinstehende, kinderlose Mann eine Art Vaterersatz geworden. Ihm zuliebe hatte er ein Pharmaziestudium begonnen, es jedoch – sehr zum Missfallen des Onkels – im zweiten Semester abgebrochen. Danach folgten verschiedene Jobs im Gastgewerbe. Dabei entdeckte Matthias sein Talent zum Kochen. In Wien gelang es ihm dann, den Besitzer eines der renommiertesten Restaurants der Hauptstadt von seinen Qualitäten und seiner Liebe zur Gastronomie zu überzeugen. So konnte er trotz seines nicht mehr ganz jugendlichen Alters die Koch- und Kellnerlehre im altehrwürdigen »Schwarzen Kameel« absolvieren. Eine harte Schule. Der Standard in Küche und Service war in diesem Haus sehr hoch. Und wurde von allen Mitarbeitern bedingungslos eingefordert. Dennoch – oder gerade deswegen – dachte Matthias gerne an diese Zeit zurück und nutzte jeden Aufenthalt in Wien zu einem Besuch im »Kameel«. Dann gönnte er sich stets einige der berühmten Aufstrichbrötchen nebst ein, zwei Gläsern Veltliner in der Tagesbar und abends das nicht minder berühmte, fünfgängige »Kameel-Menü«. Bereits 1618 war das Lokal gegründet worden, seit 1901 befand es sich nun am gleichen Platz in der Bognergasse und aus dieser Zeit stammte auch die Einrichtung. Krantz liebte dieses Ambiente. Als er seine Lehre abgeschlossen hatte, zog es ihn dennoch fort. Man ließ ihn ungern gehen.

Nach einigen Wanderjahren und dem Tod Onkel Maximilians kehrte Matthias Krantz schließlich nach Burgheim zurück und bezog die Wohnung im zweiten Stock des geerbten Hauses. Den hohen Dachboden eingerechnet, war dieser eine von vier Ebenen mit einer Grundfläche von jeweils circa achtzig Quadratmetern. Im ersten Jahr half Matthias ab und zu in der Küche der »Bürgerstuben« aus. Ein – wie der Name schon erahnen lässt – gutbürgerliches Gasthaus am Ende des Stadtplatzes. Matthias’ Haus lag in der sogenannten Vorstadt, man könnte sagen, der kleinen Schwester des Hauptplatzes, von diesem nur durch einen mächtigen Torturm getrennt. Krantz mochte diese mittelalterliche Atmosphäre des historischen Stadtkerns. Ein bisschen mediterran, wie er fand – auch die Mentalität der Bewohner war nicht unbedingt von Hektik geprägt. Kurz, er fühlte sich hier wohl.

So begann er sich mithilfe einer nicht unbeträchtlichen Summe Geldes aus dem Erbe seines Onkels dauerhaft in Burgheim einzurichten. Den zweiten Stock seines Hauses – der einzig bewohnbare, hier hatte auch Onkel Max Tisch und Bett gehabt – richtete sich Matthias als Wohnzimmer ein. Aber auch ein großer, schwerer Tisch mit sechs Stühlen fand Platz. Seine »Beletage«, wie er es gerne nannte. Ein kleinerer Esstisch stand im ersten Stock, hier investierte Krantz einiges in eine großzügige Küche. Der ehemalige Dachboden des Hauses beherbergte nach erfindungsreichem Umbau nun Schlafzimmer und Bad. Die steile Treppe zog sich durch das schmale Stiegenhaus vom Parterre bis hier herauf. Eine Besonderheit des Hauses war zudem eine Art kleiner Materialaufzug, dessen Schacht kaminartig vom Dachboden bis ins Erdgeschoß reichte. Von irgendeinem Urgroßonkel eingebaut – die Apotheke befand sich schon seit Generationen im Besitz der Familie –, diente er dazu, Waren aus dem Lager unterm Dach in den Laden zu befördern. Mühevoll gereinigt und instandgesetzt, transportierte er nun hauptsächlich Speis und Trank.

Es hatte viel Zeit und auch Etliches an Geld gekostet, das Haus so zu verändern, dass Matthias sich wohlfühlte. Auch musste dem Denkmalschutz Genüge getan werden. So war er besonders stolz auf seine Dachterrasse. Einen Teil der Dachbodenfläche nahm eine Art Lichthof ein, der sich durch alle Etagen gezogen hatte und nach oben offen war. Krantz hatte einen Boden einziehen und ihn zum Innenraum hin wintergartenartig verglasen lassen. Schob man die Glastüren rund um die so entstandene Terrasse zur Seite, fühlte es sich an, als befände sich das Schlafzimmer im Freien. In schwülen Sommernächten ein unschlagbarer Vorteil.

Ein besonderes Schmuckstück war die Apotheke selbst. Dunkle Eiche beherrschte die über hundert Jahre alte Einrichtung und das Portal. In Gold und Schwarz darüber das gläserne Firmenschild, das fast die ganze Breite des Gebäudes einnahm: »M. Krantz – Apotheke«. Der Name musste nicht verändert werden und auch die Bezeichnung Apotheke konnte bleiben. Der Wortherkunft aus dem Altgriechischen nach war die Apotheke ursprünglich ein im obersten Stock des Hauses gelegenes Weinlager. Dort wurden auch wohlschmeckende und heilende Kräuter aufbewahrt. Und unter anderem genau das gedachte Matthias hier in Zukunft den Burgheimern zu kredenzen.

Auf beiden Seiten des Eckgebäudes erstreckten sich jeweils drei hohe Bogenfenster bis zum Boden. Sie hatten der Apotheke früher als Schaufenster gedient, nun beherbergten sie Stehtische nebst Hocker. Genau wie diese passten auch die vier Bistrotische und die dazugehörigen Stühle perfekt zur alten Einrichtung. Die bestand zum einen aus einer Verkaufstheke, deren vordere Hälfte ein geschickter Tischler auf Bar-Niveau erhöht hatte. Zum anderen fanden sich dahinter Regale bis unter die Decke, teils mit offenen Fächern, teils mit einer Unzahl verschieden großer Schubladen versehen. Messingbeschläge, Einlegearbeiten im Jugendstil und Beleuchtungskörper, die schon eher dem Art Deco zuzurechnen waren, vervollständigten das stimmige Bild. Auch die beiden Barcelona-Sessel, die Matthias in einem kleinen Gebrauchtmöbel-Handel in Salzburg entdeckt hatte, fügten sich harmonisch ein. Sie standen im hinteren Bereich des Lokals um einen Kartentisch selber Epoche. Hier pflegte Matthias Krantz – so er Zeit dazu fand – in den verschiedenen Magazinen, Tages- und Wochenzeitungen zu blättern, die er für seine Kundschaft auflegte. Insgesamt war die Atmosphäre der im »Schwarzen Kameel« in Wien nicht ganz unähnlich.

Hinter dem Tresen, genau neben der Schiebetür des Speiseaufzuges, wurde ein kleiner, zweiflammiger Gasherd eingebaut, darüber ein Warmhaltegerät. Die Filialküche, wie er das Ensemble nannte. Richtig gekocht wurde ja einen Stock höher, hier wurde kurz gebraten, flambiert und fertig gegart. Groß war es nicht, das Speisenangebot in Krantz’ Apotheke. Neben den Antipasti aus der Vitrine gab es einige beliebte Standards, die auf Vorrat zu kochen waren. Hier war Matthias’ Rindsgulasch – erhältlich in drei Größen – einer der Bestseller. Wechselnde Suppenkreationen, an denen er immer wieder herumtüftelte, sowie die Pasta des Tages stellten ebenfalls kein Problem in der Logistik dar. Und wer auf ein Dessert bestand, wurde an die Käsetheke verwiesen. Süßspeisen zuzubereiten war Krantz nicht gegeben, er hatte auch gar keine Lust dazu. Ungleich mehr Freude empfand er beim Auswählen und Kochen des Tagesgerichts. Und was man gern macht, macht man gut, heißt es. Dem gab der Erfolg recht, der sich hauptsächlich darin ausdrückte, dass Matthias bereits im zweiten Jahr nicht mehr auf seine Ersparnisse zurückgreifen musste, um seinen bescheidenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Krantz’ Apotheke war zum fixen und beliebten Bestandteil der Burgheimer Gastro-Szene geworden und konnte eine große Zahl heimischer Stammgäste vorweisen.

*

Der fünfte Frühstücksgast dieses Vormittags gehörte nicht zu dieser Kategorie. Der etwa fünfzigjährige, wohlgenährte Mann legte Hut und Mantel an der Garderobe ab und setzte sich an den Tresen. Krantz erkundigte sich bei dem Herrn, den er – was selten vorkam – noch nie in Burgheim gesehen hatte, nach seinen Wünschen. Nachdem Matthias Kaffee und Orangensaft serviert hatte, versuchte er seine Neugier zu befriedigen.

»Und«, begann er, »wie gefällt Ihnen unser Städtchen? Zum ersten Mal hier?«

»Karl Steiner«, stellte sich der Gast vor, »von der Kriminalabteilung der Landespolizeidirektion Linz, und so erfreulich ist der Anlass meines Besuches ja nicht, wie Sie wissen. Wenn es die Qualität des Frühstücks nicht beeinträchtigt, hätte ich da ein paar Fragen an Sie, Herr Krantz.«

Die Fragen des Kriminalbeamten bezogen sich natürlich auf die Ereignisse des Vortages, und Matthias beantwortete sie gewissenhaft. Im Gegenzug konnte er seinem neuen Gast ein paar Informationen zum Stand der Ermittlungen entlocken. So erfuhr er, dass der Tote stark alkoholisiert und in der Nacht von Donnerstag auf Freitag Gast im »Hasenstall« gewesen war. Über die Natur dieses Tanzlokals erbat Steiner nähere Auskünfte, und damit war er bei dem Gastronomen an der richtigen Adresse. Das örtliche Nachtleben war ein zentrales Gesprächsthema im Lokal des Matthias Krantz.

»Tja, der Hasenstall«, begann er seine Schilderung, »an sich ein veritables Tanzlokal. Diskothek wäre wohl nicht der richtige Name dafür, mehr Howard Carpendale und so, Sie verstehen. Das Publikum ist im Kern etwa zwischen dreißig und fünfzig und – ledig oder nicht – auf der Suche nach Zwischenmenschlichem.«

Der Kriminalbeamte verstand. »Ja, ja, so was haben wir in Linz auch zur Genüge. Könnte ich noch ein bisschen von dem Rohschinken haben, Herr Krantz, ja? Und sonst – was hört man sonst noch so?«

»Sonst …«, begann Krantz zögerlich, »na ja, man weiß nichts Genaues (eine von Matthias’ Lieblingsfloskeln), aber der Besitzer des Hasenstalls soll noch etliche Etablissements führen, deren Ruf eindeutiger ist. Und wenn man den Gerüchten glauben will (nicht, dass Krantz etwas auf Gerüchte gegeben hätte), dann soll das Tanzlokal in dieser Beziehung auch nicht ganz sauber sein, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Chefinspektor Karl Steiner von der Kriminalabteilung Linz verließ – mit Frühstück und Informationen zufrieden – die Apotheke des Matthias Krantz.

3

Marlies Frohwein, Boutiquebesitzerin, fünfunddreißig und heute besonders adrett gekleidet, flötete im Vorbeigehen ihrem Nachbarn ein »Tschüss« und ein »könnte spät werden« zu, als sie Samstagabend gegen achtzehn Uhr an der offenen Türe von Krantz’ Lokal vorbeiflanierte, um ihrem mehrmals wöchentlich stattfindenden Prosecco-Stammtisch zuzustreben. Beim örtlichen Mode-Italiener traf sie sich häufig mit Damen ihres Freundes- und Kundenkreises, um verschiedene wichtige Themen der lokalen Gesellschaft zu diskutieren. »Ist gut«, echote Matthias, »viel Spaß!« Eigentlich fand er diese immer wiederkehrenden Späßchen seiner Nachbarin schon lange nicht mehr lustig, aber was soll’s. Er hatte Fräulein Frohwein ebenso geerbt wie die Apotheke. Die Boutique »Schick &Schön« im Nebenhaus war nun mal da und würde auch so schnell nicht verschwinden.

Herr Ferdinand Frohwein – Marlies’ Vater – war der Schottergrubenkönig von Burgheim. Und dessen Scheckheft ersetzte eben den fehlenden Geschäfts- und Stilsinn seiner Tochter. Er konnte es sich leisten und es blieb ihm auch nichts anderes übrig. An sich ein gestandenes Innviertler Mannsbild, konnte Ferdinand seinen beiden Damen nichts abschlagen.

Schon bei seiner Heirat hatte er klein beigegeben. Im Zuge einer Exkursion der Burgheimer Wirtschaftskammer nach dem schönen Hamburg lernte Ferdinand Schacherl seine spätere Frau kennen. Fräulein Britta Frohwein war Empfangsdame im Hotel »Hanseblick«, in dem die Herren untergebracht waren. In den späten Siebzigern war das, und zwei Monate nach dem Ausflug erreichte Herrn Schacherl in Burgheim telefonisch die frohe Kunde seiner Vaterschaft. In München am Hauptbahnhof holte er seine Zukünftige dann ab und nahm bereits auf der Heimfahrt deren Wünsche, die nahe Zukunft betreffend, entgegen. Selbstverständlich werde man baldmöglichst heiraten und er dabei ihren Namen annehmen, nicht umgekehrt. Britta Schacherl, auf gar keinen Fall! Und die Namensgebung des gemeinsamen Kindes, dessen Ankunft bevorstand, war auch schon geregelt. Holger, wenn’s ein Junge würde, und ein Mädchen hieße Marlies, basta! So kam es also, dass die traditionsreiche Innviertler Firma Schacherl sowie deren Chef und Lastwagen nun den Namen Frohwein trugen.

Klein Marlies erblickte kurz nach der Hochzeit das Licht der Welt und wuchs zu einem Ebenbild ihrer Mutter heran. Und genauso wie dieser las der Schotterbaron auch seiner Tochter von Anfang an jeden Wunsch von den Lippen ab. Da Marlies’ schulische Leistungen nicht berauschend waren, nahm sie der Herr Papa in die Firma. Kaufmännische Lehre. Dank seiner Beziehungen zur Wirtschaftskammer ging sich sogar die Lehrabschlussprüfung mit Ach und Krach aus. Da sich das Fräulein Tochter immer schon mehr für Mode als für Zahlen interessiert hatte, reifte alsbald der Wunsch nach einer eigenen Boutique in ihr heran. Auch die Mama befürwortete dieses Ansinnen und Ferdinand gab wieder einmal nach. Neben der Apotheke von Maximilian Krantz war noch ein Ladenlokal frei und die Damenboutique »Schick &Schön« war geboren.

So kam also Matthias zu seiner Nachbarin. Anfangs hatte Marlies ernsthaft mit ihm geflirtet, doch als er ihr – erst höflich, später bestimmter – klarmachte, definitiv nicht interessiert zu sein, gab sie vorerst auf. Krantz wusste allerdings nicht, was er schlimmer finden sollte: die damaligen Avancen oder die jetzigen, »freundschaftlichen Neckereien«.

*

Während er diesen Gedanken nachhing, erledigte er seine Schlussarbeiten. Er machte alles sauber und traf Vorbereitungen für den Sonntagsbrunch. Das Frühstücksgeschäft war mehr oder weniger nahtlos in einen kleinen Mittagstisch übergegangen. Meist einfachere, leichte Speisen wurden am Samstag nachgefragt. Ein paar Salate, garniert mit etwas Filet, Garnelen und Ähnlichem. Oder eine der Spezialitäten des Hauses wie das Gulasch. Alles in allem keine große Herausforderung an den Koch. Und so ging der Nachmittag mit einigen Flaschen Weißwein und Spumante in Krantz’ Apotheke einer frühen Sperrstunde entgegen. Seine Stammklientel war zu dieser Zeit eher auf Familie abonniert und das war ihm auch ganz recht. Dienstag bis Freitag konnte es dagegen ohnehin oft später werden und Matthias verbrachte die Samstagabende gerne in seiner Beletage. Er schloss ab und begab sich zwei Stockwerke nach oben.

Die Wohnungstür schloss sich hinter ihm und er begann sein gewohntes »Jetzt mach ich’s mir gemütlich«-Ritual. Beine hoch, ein kleines Bier und das Fernsehprogramm studiert. Während er noch überlegte, ob er sich eine deutsche Beziehungskomödie oder eine Dokumentation über den Laichzug der Lachse in Alaska ansehen sollte, läutete das Telefon.

»Ja, Krantz«, meldete sich Matthias, offensichtlich nicht erfreut über die Störung seiner Abendruhe. Am anderen Ende gab sich Wolfgang Hartl – Jugendfreund und Autohändler – zu erkennen.

»Los, Matthias, runter vom Sofa und rein in die Schuhe, in einer halben Stunde hol ich dich ab. Wir ziehen ein bisschen um die Häuser!« Als Krantz schon ablehnen wollte, fiel ihm ein, dass ein Samstagabend bei Wolfgang Hartl unweigerlich im »Hasenstall« enden würde. So entschied er sich anders und sagte zu. Obwohl er das Lokal sonst mied, erwachte aufgrund der aktuellen Ereignisse nun doch seine Neugier. Die Überlegung, »was man denn da wieder anzieht«, endete wie immer in seiner üblichen Ausgehuniform: Jeans, schwarze Schuhe, weißes Hemd, schwarzes Jackett. Etwas einfallslos vielleicht, aber Krantz hatte nicht viel übrig für modischen Schnickschnack. Während er noch über eine Rasur nachdachte, läutete es an der Tür.

*

»Jetzt sitz ich also auf diesem Luxusschlitten, den er vor Kurzem bestellt hat, und seine Witwe werde ich auf keinen Fall damit belästigen.« Diese brisante Information erteilte der Autohändler seinem Freund zwischen zwei Bissen Rinderfilet. Man hatte sich darauf geeinigt, vor dem Besuch diverser Bars noch eine »Unterlage« zu sich zu nehmen. Zu diesem Zweck saß man in den »Bürgerstuben«, wo der Wirt es verstand, ein gutes Steak und recht ordentlichen Rotwein zu servieren. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Matthias in seiner Teilzeittätigkeit hier den Inhaber, der auch Küchenchef des Lokals war, mit ein paar diesbezüglichen Standards bekannt gemacht hatte.

Hartl hatte im Lauf der Jahre ein gut gehendes Ein-Mann-Unternehmen aufgebaut, das sich mit dem Handel von Neu- und Gebrauchtwagen der Oberklasse beschäftigte. Sein Talent, durch geschickte Gesprächsführung die Meinung seiner Mitmenschen in gewünschte Bahnen zu lenken, ließ sein Geschäft blühen. Bei Bedarf schlüpfte er mühelos in unterschiedliche Rollen, die er seinem jeweiligen Gegenüber nach für erfolgversprechend hielt. Selbst Krantz, der ihn seit Jahrzehnten kannte, war nicht immer in der Lage zu sagen, ob er gerade den »privaten« Wolfgang Hartl vor sich hatte.

»Einen Jaguar XJS mit allen Schikanen, der kostet doch mindestens …« Während Krantz noch überlegte, was so ein Auto wohl kosten könnte und ob der verstorbene Bauamtsleiter Grabl genug verdient hatte, um es zu bezahlen, kam die Kellnerin mit der verlangten Rechnung. Diesmal übernahm Hartl es, sie zu begleichen. Aus für Matthias unerfindlichen Gründen fand sein Freund es unschicklich, der Bedienung das Auseinanderdividieren der bereits ausgedruckten Gesamtrechnung aufzubürden. Matthias würde dann eben die folgenden Getränke in den noch zu besuchenden Lokalen bezahlen.

Zwei Bierlokale und drei Stunden später setzte ein Taxi die beiden bereits etwas aufgekratzten Herren vor dem »Hasenstall« ab. Ein goldkettenbewehrter Türsteher, der tagsüber im darüberliegenden Fitnessstudio arbeitete, ließ sie ein. Krantz war in den drei Jahren, die es das Lokal gab, nun zum dritten Mal hier. Auch heute fühlte er sich beim Betreten etwas unwohl. Ihm lagen weder die hier gebotene Musik noch das anwesende Publikum. Ganz anders Wolfgang Hartl. Auf dem Weg zur hintersten Bar grüßte er hier und da die verschiedensten Leute, klopfte auf Schultern und winkte tanzenden Damen zu. An der Bar angelangt, bestiegen sie zwei kuhfellbezogene Hocker und bestellten ihre Biere. Die Bardame war eine Zierde ihrer Zunft.