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Das idyllische Kleinstadtleben in Glastonbury gerät aus den Fugen, als der junge Straßenmusiker Rusty plötzlich verschwindet. Whalley, der ihn oft mit Kaffee versorgt und sich mit ihm angefreundet hat, macht sich Sorgen. Doch als Rustys Hund Otis plötzlich allein durch Glastonbury streift, ist für June klar, dass mehr hinter seinem Verschwinden steckt, als sie zunächst vermutet. Denn Rusty hätte seinen Hund niemals im Stich gelassen... June, Whalley und Pomona stellen Nachforschungen an und ahnen nicht, dass sie sich damit selbst in große Gefahr begeben.
Über die Serie:
Traumhafte Gärten, eine wunderschöne Landschaft und mystische Orte - dafür steht die Grafschaft Somerset. Als die junge Londonerin June das Cottage und den Buchladen ihrer Tante erbt, beschließt sie, dort neu anzufangen. Doch auch in der südenglischen Idylle gibt es dunkle Schatten und Verbrechen ... Wie gut, dass ihr die quirlige Pomona mit ihrem Hang zu Tarot und Esoterik und der sympathische Antiquar Mr. Whalley bei ihren Ermittlungen zur Seite stehen. Und dann gibt es da den attraktiven Detective Sergeant Sean Darcy, der bei der Verbrecherjagd auch noch ein Wörtchen mitzureden hat ...
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Seitenzahl: 230
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Traumhafte Gärten, eine wunderschöne Landschaft und mystische Orte – dafür steht die Grafschaft Somerset. Als die junge Londonerin June das Cottage und den Buchladen ihrer Tante erbt, beschließt sie, dort neu anzufangen. Doch auch in der südenglischen Idylle gibt es dunkle Schatten und Verbrechen … Wie gut, dass ihr die quirlige Pomona mit ihrem Hang zu Tarot und Esoterik und der sympathische Antiquar Mr. Whalley bei ihren Ermittlungen zur Seite stehen. Und dann gibt es da den attraktiven Detective Seargeant Sean Darcy, der bei der Verbrecherjagd auch noch ein Wörtchen mitzureden hat …
Das idyllische Kleinstadtleben in Glastonbury gerät aus den Fugen, als der junge Straßenmusiker Rusty plötzlich verschwindet. Whalley, der ihn oft mit Kaffee versorgt und sich mit ihm angefreundet hat, macht sich Sorgen. Doch als Rustys Hund Otis plötzlich allein durch Glastonbury streift, ist für June klar, dass mehr hinter seinem Verschwinden steckt, als sie zunächst vermutet. Denn Rusty hätte seinen Hund niemals im Stich gelassen … June, Whalley und Pomona stellen Nachforschungen an und ahnen nicht, dass sie sich damit selbst in große Gefahr begeben.
Juniper »June« Morgan (34) zieht aus London in den kleinen Ort Lower Foxdale in der Grafschaft Somerset. Von ihrer verstorbenen Tante Sheila hat sie ein hübsches kleines Cottage und einen Buchladen im nahegelegenem Glastonbury geerbt. Außerdem ein Päckchen Tarotkarten, dass June trotz ihrer Skepsis oft erstaunlich hilfreiche Hinweise zu liefern scheint. In der scheinbar heilen Welt des ländlichen Idylls möchte June die persönliche und berufliche Krise überwinden, in der sie gerade steckt. Doch kurz nach ihrer Ankunft kommt June einem Verbrechen auf die Spur und hat plötzlich ganz andere Probleme …
Pomona »Mona« Quimby (60) war die beste Freundin von Junes verstorbener Tante und ihre Geschäftspartnerin im Buchladen. Sie ist ein lebenslustiger Freigeist, Expertin für Tarot und Esoterik und beherrscht das kreative Chaos. Eine gute Tasse Tee und eine Kuscheleinheit mit ihren Katzen ist für sie ein Allheilmittel.
Rufus Whalley (55) ist der Inhaber des Antiquariats gegenüber dem Buchladen. Natürlich kennt er sich bestens mit Literatur, Geschichte und den Mythen und Legenden rund um Somerset aus. Er ist stets akkurat, sehr belesen, intelligent und heimlich in Pomona verliebt.
Detective Sergeant Sean Darcy (35) heißt nicht nur wie der Protagonist in Jane Austens Stolz und Vorurteil, sondern kann auf den ersten Blick auch ziemlich überheblich und arrogant wirken. Doch der erste Eindruck täuscht, denn eigentlich ist er ganz umgänglich …
Der verschwundene Zeuge
Sean Darcy gähnt und steigt aus dem Auto. Die Lichter des Rettungswagens flackern über die dämmrige Hofeinfahrt hinter dem öffentlichen Parkplatz an der Butt Close. Trotz der sommerlichen Temperaturen der letzten Tage fröstelt er – wahrscheinlich der späten Stunde und der Müdigkeit wegen. Er entdeckt Sergeant Darnell Harris und geht zu ihm hinüber.
»Morgen, Harris. Was hat’s hier gegeben?«
PS Harris zuckt mit den Schultern. Er wirkt ebenfalls verschlafen. »Hallo, Chef. Oder vielmehr Morgen. Ich habe noch kein klares Bild. Männliche Person, schwer verwundet, nicht ansprechbar, vermutlich Stichverletzungen. Ein Umzugsunternehmer, der seinen Transporter hier abstellt, hat ihn angetroffen, als er spät von einer Tour zurückkam. Anfangs war er noch bei Bewusstsein, sagte wohl noch, er solle nicht die Polizei verständigen. Dann wurde er ohnmächtig, und der Zeuge hat den Notruf gewählt. Von ihm habe ich nur schnell die Personalien aufgenommen und ihn nach Hause geschickt. Der arme Kerl war ohnehin spät dran und übermüdet. Die Spurensicherung ist unterwegs.«
Sean sieht sich um und entdeckt den dunklen Fleck am Boden der Einfahrt, dessen Oberfläche im blinkenden Licht des Rettungswagens feucht glänzt. »Da hat er gelegen?«
Harris nickt, und Sean tritt an den Rettungswagen heran. Er schaut durch die geöffnete Tür ins Innere. Eine Sanitäterin ist über den Verletzten gebeugt. Der Kollege überprüft die Transportsicherung und sieht auf.
»Detective Sergeant Darcy, Somerset and Avon Police«, stellt sich Sean vor. »Was können Sie mir sagen?«
»Wir haben ihn so weit stabilisiert.« Der Sanitäter wischt sich mit dem Unterarm der behandschuhten Hand über die Stirn. »Anscheinend hat er Glück gehabt. Es sah vermutlich dramatischer aus, als es ist. Wir bringen ihn jetzt nach Taunton.«
»Ins Musgrove Park?«
Der Sanitäter nickt. »Personalien konnten wir feststellen. Moment. Die war in seiner Jacke. Scheint also kein Raub gewesen zu sein.« Er reicht Sean eine Geldbörse. Sean zieht ein Taschentuch aus der Jacke und nimmt sie an. »Die stellen wir erst einmal sicher und händigen sie ihm im Krankenhaus aus, wenn er hoffentlich wieder vernehmungsfähig ist. Danke.« Dann geht er zurück zu Harris, der Rettungswagen schließt die Türen und fährt davon. Sean reicht Harris die Brieftasche mit dem Taschentuch, zieht Handschuhe über und inspiziert den Inhalt. Er pfeift durch die Zähne, als er einen Blick auf den Führerschein wirft, und hält das Dokument seinem Kollegen hin, der es ebenfalls inspiziert.
»Sieh an, Marty Fuller, ein alter Bekannter.« Harris zieht die Brauen hoch. »Ich konnte ihn nicht einordnen, aber ich habe ihn auch nur kurz gesehen, die Sanitäter waren schon mit ihm beschäftigt, als ich ankam.«
»Dann braucht es wohl nicht viel Fantasie, um anzunehmen, dass es bei der Sache irgendwie um Drogen ging, was?« Sean grinst und steckt den Führerschein zurück in die Brieftasche. »Und ich könnte mir auch denken, wer dahintersteckt. Außer dem Typ mit dem Transporter irgendwelche Zeugen?«
Harris schüttelt den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste.«
Sean sieht zu den Häusern hinüber, die hinter der Mietgarage am anderen Ende der Hofeinfahrt liegen. In der Mitte befindet sich eine schwarze Tür und daneben einige Fenster, die mit Brettern verbarrikadiert sind, doch die Fenster auf der rechten Seite scheinen zu einer Wohnung zu gehören. Es sind Gardinen und Pflanzen auf der Fensterbank zu erkennen. Im Haus links von der Mietgarage gibt es ebenfalls vier Fenster, die auf den Hof hinausblicken. Sean guckt auf die Uhr. Es ist halb zwei. Wahrscheinlich schlafen die Bewohner, dennoch ist es einen Versuch wert.
»Wir sollten feststellen, wer da oben wohnt. Der Eingang dürfte auf der anderen Seite der Häuser liegen, an der High Street. Da können wir gleich mal einen Blick aufs Klingelschild werfen und die Namen notieren, damit wir die Bewohner später befragen können. Vielleicht hat jemand etwas gesehen.«
Harris nickt und macht sich eine Notiz. »Gute Idee. Ich glaube, in dem Gebäude befindet sich unten ein Drogeriemarkt. Wahrscheinlich liegt der Eingang irgendwo daneben. Ich schaue gleich mal nach. Was ist hinter dem Tor?« PS Harris deutet zu dem hölzernen Tor an der nächsten Einfahrt. An der Mauer daneben hängt ein weißes Schild. Sean geht näher heran. »Eine Künstleragentur. Flint Artist Management oder so. Wahrscheinlich haben die im Hof hinter dem Tor ihre Stellplätze.«
»Unwahrscheinlich, dass um die Zeit noch jemand da war.« Harris verzieht den Mund, und Sean nimmt die nächste Einfahrt unter die Lupe. »Da hinter der Hecke ist der Biergarten von Beckett’s Pub. Ich war neulich erst dort, da kann man ganz gemütlich sitzen, aber die schließen um elf. So spät ist da auch niemand mehr.« Er geht zurück zu Harris.
»Videoüberwachung?«
Sean sieht sich auf dem Parkplatz um. Er entdeckt eine Kamera an einem Laternenpfahl in der Nähe des Kassenautomaten. »Erfasst vermutlich nur den vorderen Bereich des Parkplatzes, sollten wir aber auf jeden Fall überprüfen.« Sean unterdrückt ein Gähnen. »Nicht gerade vielversprechend. Aber warten wir mal ab, was die Kollegen von der Spurensicherung gleich sagen, und ob der gute Marty morgen schon vernehmungsfähig ist. Vielleicht wissen wir dann mehr.«
»Na endlich! Wurde aber auch Zeit.« Harris deutet auf das Einsatzfahrzeug, das gerade auf den Parkplatz einbiegt. »Dann wollen wir mal.«
June sah auf, als die Glöckchen über der Eingangstür des Ladens bimmelten.
»Ach, hallo Rufus!«, grüßte sie. »Wie geht es dir? Wie war das Wochenende bei deinem Bruder?«
»Schön war es, aber ziemlich quirlig.« Rufus lachte. »Meine Nichte und die Kinder waren zu Besuch. Da war natürlich viel Trubel. Den bin ich gar nicht gewöhnt.«
»Kann ich mir vorstellen. Ich hoffe, du konntest es trotzdem genießen.«
»Natürlich! Aber an den Kindern merkt man erst, wie alt man wird. Unglaublich, dass meine Nichte schon eigene Kinder hat und der Große schon in der zweiten Klasse ist.« Rufus seufzte. »Jedenfalls war es sehr schön, alle einmal wiederzusehen, aber jetzt bin ich froh, wieder meine Ruhe zu haben. Und was hast du getrieben?«
June zuckte mit den Schultern. »Ach, du weißt doch, ich habe das Sozialleben einer verrückten Katzenoma, nur ohne Katzen.« Als hätte er die Bemerkung gehört, sprang in diesem Augenblick Ozzy, der stattliche Maine-Coone-Kater von seinem Sonnenplätzchen im Schaufenster hinunter. Mit einem dumpfen Geräusch landete er auf dem Boden und kam herübergelaufen, um Rufus zu begrüßen. »Keine eigenen Katzen, meinte ich natürlich. Ich wollte dich und Mac nicht unterschlagen, mein Dickerchen«, sagte sie und wandte sich dann wieder Rufus zu. »Am Freitagabend war ich bei Simon und Colin zum Spieleabend, und den Rest des Wochenendes habe ich größtenteils im Garten verbracht.«
»Das Wetter ist ja auch herrlich!« Rufus bückte sich, um Ozzy hinterm Ohr zu kraulen. June war ihm dankbar, dass er nicht weiter nach ihrer Freizeitgestaltung fragte. Sie hatte sich noch nicht ganz vom krachenden Scheitern ihrer aufkeimenden Beziehung mit Sean Darcy erholt. Und sie konnte noch nicht einmal wütend auf ihn sein, denn dieses Mal war es eindeutig ihre Schuld. Ihr war vollkommen bewusst, dass sie diese Sache mit Schwung an die Wand gefahren hatte. Nicht nur, dass sie mit ihrer blöden Unentschlossenheit und diesen irrationalen Ängsten wieder einmal alles unnötig verkompliziert hatte, sie hatte auch den Fehler gemacht, nicht offen mit ihm zu reden. Deswegen hatte er einiges missinterpretiert und glaubte nun, sie hinge noch an ihrem Ex-Freund. Ironischerweise war genau das Gegenteil der Fall. June war sich ihrer Gefühle noch nie so klar gewesen. Endlich hatte sie ihre Beziehung mit Mark abhaken und ihren Frieden damit schließen können. Erst jetzt war sie offen und bereit, sich auf eine neue Beziehung einzulassen. Mit Darcy. Zu dumm nur, dass zwischen ihnen vorerst Funkstille herrschte und sich das so schnell wohl auch nicht ändern würde.
Rufus strich Ozzy noch einmal über den Kopf und richtete sich auf. »Eigentlich wollte ich fragen, ob du und Pomona Lust habt, etwas essen zu gehen. Ich könnte nämlich euren Rat gebrauchen.«
June schaute auf die Uhr. »Geht es vielleicht etwas später? Carolyne müsste in zwanzig Minuten da sein und kann dann für uns übernehmen. Wollen wir uns in einer halben Stunde im Blue Note treffen?«
»Gut, dann gehe ich schon mal vor und sichere uns einen Tisch«, sagte Rufus. »Bis später dann.«
»Bis später.« June sah Rufus nach, als er aus der Ladentür verschwand. Sie schüttelte den Kopf, als sie das rote »Sorry, we’re closed«-Schild hinter der Scheibe am Eingang des Antiquariats gegenüber sah. Um Sheila’s Book Nook halbwegs profitabel zu halten, hatte der Buchladen täglich acht Stunden geöffnet, auch am Wochenende. Dafür hatten June und Pomona zwei Aushilfen: Janet war dienstags, freitags und am Wochenende im Laden, und Carolyne, die in Taunton Design studierte, half flexibel stundenweise im Book Nook aus, um Pomona und June zu entlasten. June hatte sich schon oft gefragt, wie Rufus von dem leben konnte, was er mit dem Antiquariat erwirtschaftete. Schließlich waren die Ladenmieten direkt in der Innenstadt von Glastonbury nicht ohne, und das Antiquariat zog bei Weitem nicht so viel Laufkundschaft an wie die anderen Läden.
So gesehen hatte June mit Whalley und seinem Antiquariat einiges gemeinsam. Ihre extrovertierte Freundin und Kollegin Pomona passte perfekt nach Glastonbury. Sie hatte einen Hang zur Esoterik, einen recht eigenwilligen Kleidungsstil und war ein wenig schräg. In Glastonbury und Umgebung wimmelte es von Menschen auf der Suche nach einem höheren Sinn, einem alternativen Lebensstil. Kreative, Yogabegeisterte, Anhänger fernöstlicher Philosophien und Religionen, Künstler und Musiker gaben sich hier ein Stelldichein. In diese bunte Mischung passte Pomona perfekt hinein. June hingegen war eher introvertiert, hatte einen nüchternen und faktenbasierten Blick auf das Leben, brauchte Ordnung und Routine und schrieb lieber To-do-Listen, als sich von spontanen Eingebungen und Gefühlen leiten zu lassen. Unter den bunten Vögeln in Glastonbury kam sie sich bisweilen langweilig und bieder vor, eben wie ein altmodisches Antiquariat inmitten von Läden voller ausgefallener Mode, Schmuck, Räucherstäbchen, Kristallen, Esoterikbedarf und allem möglichen Schnickschnack für Möchtegernmagier und Fantasyfans.
In Glastonbury verwoben sich christliche und heidnische Mythen und Legenden zu einem bunten Teppich und machten die Umgebung zu einem Anziehungspunkt für Sinnsuchende aller Art. Jeder Fleck hatte eine mystische Bedeutung. Hier sollte sich einst die sagenumwobene Apfelinsel Avalon befunden haben, und direkt am Fuße des Glastonbury Tor hatte Joseph von Arimathäa der Legende nach den Kelch vergraben, in dem er das Blut Christi aufgefangen hatte: den Heiligen Gral. Daraus war dann eine Quelle entsprungen, die Chalice Well, die noch heute täglich Besucher anzog und deren eisenhaltiges Wasser wegen seiner rötlichen Färbung an Blut erinnerte. An der Stelle, wo Joseph seinen Wanderstab in die Erde gestoßen hatte, war der Legende nach ein blühender Dornbusch gewachsen. Dort war später die Abtei entstanden, deren Ruinen noch heute eine Touristenattraktion waren. Kurzum, Glastonbury war eine faszinierende und facettenreiche Stadt voller Geheimnisse und Magie, die viele schräge und interessante Menschen anzog. Nicht zuletzt, weil hier einmal im Jahr eines der weltweit größten Open-Air-Musikfestivals stattfand.
Rufus wirkte stets, als wäre er unterwegs zu einem Gentlemen’s Club. Selbst jetzt im Sommer trug er Anzug, Weste und Krawatte, dazu ein buntes Einstecktuch, und den akkuraten Henriquatre-Bart hatte er immer ordentlich gestutzt. Einzig die etwa kinnlangen Haare schienen ein kleines Zugeständnis an den revolutionären Geist der Stadt zu sein. Rufus hatte durchaus seine treue Kundschaft, denn auch an Bücherwürmern mangelte es in Glastonbury nicht, sodass der Book Nook und Whalleys Antiquariat mit zahlreichen anderen kleinen Buchläden in friedlicher Koexistenz bestehen konnten. Reich wurde er allerdings mit dem Antiquariat sicher nicht.
Nun ja, eigentlich ging es ja nur Rufus etwas an, und sie musste sich darüber jetzt nicht den Kopf zerbrechen.
Eine halbe Stunde später saß June mit Pomona und Rufus auf der Terrasse des Blue Note Café, wo sie regelmäßig mittwochs gemeinsam ihre Mittagspause verbrachten. Der Außenbereich des Cafés befand sich im Glastonbury Experience Courtyard, einer Passage direkt neben einem esoterischen Buchladen, die sich zu einem hübschen Innenhof öffnete und einige kleine Geschäfte mit Fokus auf Kunst, Handwerk und Esoterik sowie den Goddess Temple beherbergte, ein Zentrum für Spiritualität mit keltisch-druidischem Bezug. Die Glastonbury Experience war in den späten Siebzigern von einem niederländischen Ehepaar gegründet worden und seitdem ein fester Bestandteil des Stadtbilds und beliebte Touristenattraktion. Hier inmitten der bunten Lädchen, zwischen üppig bepflanzten bunten Blumenampeln und begrünten Pergolen konnte man sehr gut sitzen und sich vegetarische Köstlichkeiten schmecken lassen.
»Also, schieß los«, sagte June, nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten. »Du hast gesagt, du möchtest unseren Rat wegen irgendetwas?«
»Richtig«, sagte Rufus. »Ich bin mir nicht sicher, was ich tun soll. Ihr kennt doch vielleicht Rusty. Das ist der junge Mann mit der Gitarre und dem kleinen Hund, der oft am Marktkreuz steht.«
»Na klar«, sagte Pomona. »An den erinnere ich mich noch gut. Der Hund heißt Otis. Er hat damals die Spendendose gefunden, die aus unserem Laden gestohlen wurde. Was ist mit Rusty?«
»Genau das ist es ja, ich weiß es nicht«, sagte Whalley. »Er kommt oft zu mir in den Laden, um sich einen Kaffee zu holen, und wir reden über dies und das, vor allem über Musik. Aber jetzt habe ich ihn schon fast eine Woche nicht mehr gesehen. Weder im Antiquariat noch am Marktkreuz, und ich fange an, mir Sorgen zu machen.«
»Vielleicht hat er den Standort gewechselt«, vermutete June. »Könnte doch sein, oder?«
»Ich habe ihn aber auch sonst nirgends gesehen. Außerdem hat er mal gesagt, dass es sich auf dem Marktplatz am meisten lohnt. Da kommen immer viele Touristen vorbei, und die Leute setzen sich auch gern auf die Stufen und hören länger zu. Jedenfalls finde ich es eigenartig, dass ich ihn schon so lange nicht mehr gesehen habe, und ich frage mich, ob ich nicht vielleicht zur Polizei gehen sollte. Was meint ihr?«
»Zur Polizei?« June runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, ist das nicht vielleicht ein bisschen übertrieben? Er ist schließlich ein erwachsener Mann. Gut möglich, dass er sich einfach mal eine Auszeit nimmt. Vielleicht besucht er auch jemanden oder so.«
»Ja, oder er hatte die Nase voll von Glastonbury und macht jetzt woanders Musik«, mutmaßte Pomona. »Ich glaube auch nicht, dass die Polizei in so einem Fall irgendetwas unternehmen würde. Eine erwachsene Person kann durchaus mal für eine Woche oder länger verschwinden, ohne dass gleich etwas Schlimmes passiert sein muss. Das könnte alle möglichen Gründe haben.«
»Ach, wahrscheinlich habt ihr recht. Ich habe bloß irgendwie so ein ungutes Gefühl.« Whalley strich mit Daumen und Zeigefinger über seinen Bart und schob die schwarzgeränderte Brille zurecht.
»Bestimmt taucht er bald wieder auf«, versuchte June ihn zu beruhigen. »Wir halten auf jeden Fall auch die Augen offen.«
»Das ist eine gute Idee«, meinte Whalley. »Hoffen wir einfach, dass es eine ganz harmlose Erklärung für sein Verschwinden gibt.«
Nach dem Essen verabschiedete sich June von Pomona und Whalley, weil sie im Drogeriemarkt noch ein paar Besorgungen machen wollte. Sie ging die High Street hinauf vorbei an der Kirche St John the Baptist und dem Kriegerdenkmal und konnte nicht widerstehen, unterwegs noch in dem kleinen Handarbeitsgeschäft an der Ecke nach Wolle zu stöbern. Neuerdings hatte sie nämlich das Häkeln für sich entdeckt, weil es ihr immer schwerfiel, abzuschalten und das Gedankenkarussell in ihrem Kopf zu stoppen. Sie hatte es bereits mit Meditation versucht, allerdings war sie dafür anscheinend nicht gemacht. Entweder verkrampfte sie sich dabei, oder sie schlief ein. Also war sie Pomonas Rat gefolgt und hatte es mit Häkeln versucht. Tatsächlich hatte sie festgestellt, dass sie dabei wunderbar entspannen und die Gedanken abschalten konnte. Sie erstand ein paar Knäuel Baumwollgarn in hübschen, sommerlichen Farben, aus denen sie eine gestreifte Strandtasche häkeln wollte, die sie neulich bei Pinterest entdeckt hatte.
Zufrieden verließ sie den Laden und wollte ihren Weg fortsetzen, als sie ein Schreck durchfuhr. Sean war gerade mit Sergeant Harris aus einer grün gestrichenen Tür neben der Drogerie auf die Straße getreten und wandte sich in ihre Richtung. Bisher hatte er sie nicht gesehen, also flüchtete sie blitzschnell in den nächsten Laden, die örtliche Postfiliale. Während sie so tat, als betrachte sie interessiert die Glückwunschkarten in einem Ständer, behielt sie die Tür im Auge. Ihr Herz pochte heftig, und ihr Mund fühlte sich ganz trocken an. Sie sah Sean und seinen Kollegen vorbeigehen und wartete noch eine Weile, um sicherzugehen, dass sie weit genug weg waren. Dann huschte sie wieder hinaus auf die Straße und ging weiter zur Drogerie. Während sie durch die Gänge schlenderte und ihre Siebensachen zusammensuchte, kam sie sich zunehmend albern vor. Warum war sie nicht einfach weitergegangen und hatte Hallo gesagt? Was war denn schon dabei? Herrgott, sie war eine fünfunddreißigjährige Frau und verhielt sich wie ein vierzehnjähriger Teenie. War es nicht genau dieses unreife Herumdrücken um unangenehme Situationen gewesen, mit dem sie zwischen ihr und Sean alles ruiniert hatte? Sie seufzte und nahm sich vor, beim nächsten Mal gelassener zu reagieren. Das hier war keine anonyme Großstadt, sie würden sich zwangsläufig hier oder da über den Weg laufen, zumal sie mit Seans Schwester Elizabeth befreundet war, die wie June in Lower Foxdale wohnte.
June bezahlte und ging hinaus auf die Straße. Ein paar Meter weiter die High Street hinauf auf der rechten Seite gab es einen kleinen Laden für Heimtierbedarf, und sie beschloss, noch ein paar Leckerlis für Ozzy und Mac mitzubringen. Auf der Fußmatte vor der Ladentür hockte ein kleiner Jack-Russell-Terrier und fiepte sehnsuchtsvoll.
»Na, du?«, sagte June. »Lässt du mich bitte mal durch?« Vorsichtig schlüpfte sie an dem kleinen Tier vorbei in den Laden. Dann stutzte sie, blieb stehen und wandte sich noch einmal um. Stirnrunzelnd betrachtete sie den dunkelbraunen Fleck um das linke Auge des Hundes, der wie eine Augenklappe aussah. »Moment mal … du bist doch Otis.«
»Sie kennen den Hund?«, fragte die junge Frau hinter dem Tresen. »Der ist jetzt schon zum zweiten Mal da. Anscheinend hat er sich gemerkt, dass es hier etwas Gutes gibt.«
Sie kam hinter dem Verkaufstresen hervor, nahm eine Handvoll Leckerlis aus einem Glas und ging zur Tür. »Wissen Sie, wir haben immer einen Wassernapf vor der Tür stehen. Da habe ich ihn gestern trinken sehen, und dann saß er da auf der Fußmatte und guckte mich so treuherzig an. Also habe ich ihm ein Leckerchen gegeben. Normalerweise frage ich, bevor ich einem Hund etwas gebe, aber er schien allein da zu sein. Ich habe schon überlegt, was ich mit ihm machen soll, aber dann war er auch schon wieder verschwunden. Ich glaube, er gehört diesem jungen Mann mit der Gitarre, nur leider weiß ich nicht, wo er wohnt. Kennen Sie den Besitzer?« Sie warf Otis ein Leckerchen zu, und er schnappte es aus der Luft.
»Kennen wäre übertrieben«, erwiderte June. »Ich weiß nur, dass er sich Rusty nennt und oft am Marktkreuz steht und Musik macht. Ich arbeite in Sheila’sBook Nook unten in der Northload Street.«
»Otis heißt du also, was?« Die junge Frau gab dem Hund noch ein Leckerli und kraulte ihn hinter dem Ohr. »Aber Sie wissen auch nicht, wo sein Herrchen wohnt?«
»Leider nicht.« June zuckte mit den Schultern. »Allerdings hat mein Freund Rufus ihn schon vermisst. Rusty kommt wohl öfter zu ihm ins Antiquariat, war aber jetzt ein paar Tage nicht da. Und es kommt mir ziemlich seltsam vor, dass Otis hier allein herumläuft. Rusty würde ihn doch nicht einfach im Stich lassen.«
»Oje! Hoffentlich ist da nichts passiert.« Die Frau legte den Kopf schief und streichelte Otis. »Armer Kleiner. Wenn du uns nur sagen könntest, was los ist.« Sie wandte sich June zu und senkte die Stimme, als ob sie nicht wollte, dass Otis zuhörte. »Ich meine, vielleicht hatte er einen Unfall und liegt im Krankenhaus oder so etwas.«
»Hm«, machte June. »Merkwürdig ist es auf jeden Fall. Was geschieht denn jetzt mit dem kleinen Kerl?«
»Eine Freundin von mir hat eine private Tierrettung. Ich könnte sie fragen, ob sie Platz hat, ihn aufzunehmen, bis wir wissen, was mit dem Halter ist«, meinte die Frau. »Das wollte ich gestern schon tun, aber als ich das Handy geholt habe, war er schon weg.«
»Nein, wissen Sie was? Ich werde ihn so lange nehmen«, sagte June und war von ihrem Vorschlag selbst überrascht. Sie holte eine Visitenkarte aus der Handtasche. »Hier, das ist meine Karte. Dann können Sie mich anrufen, falls Sie etwas von Rusty hören. Juniper Morgan. Aber alle nennen mich June.«
»Okay, June. Das ist nett von Ihnen. Ich bin übrigens Prisha.«
»Tja, Otis«, sagte June. »Eigentlich wollte ich ja nur ein paar Leckerlis für Ozzy und Mac kaufen, aber ich schätze, ich brauche wohl auch noch Hundefutter, Gassibeutel und eine Leine. Du wirst ein paar Tage bei mir bleiben müssen.«
Whalley sah auf, als June das Antiquariat betrat. Er saß in dem blau gestreiften Ohrensessel in der Ecke. Auf dem Tischchen daneben hielt Rufus stets eine Kanne Kaffee für die Kundschaft bereit, obwohl er selbst nur Tee trank. Allerdings mischte sich der Kaffeeduft herrlich mit dem der alten Bücher, und June fand, dass man diese Mischung unbedingt als Lufterfrischer zum Sprühen herausbringen müsste.
»Oh, hallo June.« Rufus klappte das Buch zu, in dem er eben gelesen hatte. Neugierig warf June einen Blick auf den Einband. Abbey Road. Offenbar ein Buch über die Geschichte des berühmten Musikstudios in London. Erst jetzt bemerkte Rufus den Hund, der aufgeregt herumschnüffelte.
»Nanu. Das ist doch Otis!«, rief er. »Hast du Rusty gefunden?«
»Nein«, sagte June und erzählte Whalley, wie sie so mir nichts dir nichts auf den Hund gekommen war.
»Das gefällt mir überhaupt nicht.« Rufus zog die Brauen zusammen. »Ohne Otis wäre Rusty nirgends hingegangen.«
»Ich weiß«, stimmte June ihm zu. »Langsam mache ich mir auch Sorgen. Ich werde morgen früh vor der Arbeit bei der Polizei vorbeifahren. Vielleicht solltest du mitkommen, du kanntest Rusty besser als ich.«
»Ich könnte dich unterwegs in Foxdale einsammeln, das ist kein großer Umweg.«
»Prima, abgemacht. Nach der Arbeit kann mich dann Pomona mitnehmen«, sagte June. »Aber ich hätte noch eine kleine Bitte.«
»Aber sicher, was denn?«, fragte Rufus.
»Dürfte ich Otis bis Ladenschluss bei dir lassen? In den Book Nook kann ich ihn nicht mitnehmen. Ozzy und Mac würden durchdrehen.«
Rufus lachte. »Das kann ich mir vorstellen. Natürlich, lass ihn gern hier. Dann habe ich ein bisschen Gesellschaft. Ich habe im Lager noch eine alte Wolldecke, daraus machen wir dir gleich ein Bettchen, und dann bekommst du noch eine Schale Wasser, was meinst du, kleiner Freund?«, sagte er an Otis gewandt.
»Na, ich sehe schon, ich muss mir keine Sorgen machen. Bei dir ist er perfekt aufgehoben.« June lächelte. »Vielen Dank, Rufus.«
»Ach, was. Dafür doch nicht. Bis später dann.«
»Bis später, ihr beiden. Und du sei schön brav, Otis, ja?«
June überquerte die Straße und betrat den Book Nook. Pomona stand an der Kasse und sah auf, als June hereinkam. »Ach, da bist du ja endlich!« Monas Blick fiel auf die Einkaufstaschen. »Huch! Da hast du aber ganz schön zugeschlagen. Ich dachte, du wolltest nur zur Drogerie.«
»Wollte ich ja auch«, erwiderte June und erklärte Pomona, was passiert war. Die peinliche Episode, wo sie vor Darcy in die Postfiliale geflohen war, ließ sie allerdings aus.
»Das ist tatsächlich eigenartig«, fand Mona. »Wie es scheint, lag Rufus mit seinem Bauchgefühl richtig. Irgendetwas stimmt da nicht. Hoffen wir, dass Rusty nichts Schlimmes zugestoßen ist. Und du bist sicher, dass du Otis vorübergehend aufnehmen möchtest? Kennst du dich denn mit Hunden aus?«
»Ein bisschen.« June öffnete die Tür zum Lager und stellte die Taschen hinein. »Mein Stiefvater und seine Frau haben einen Hund, und ich habe mich öfter um ihn gekümmert, wenn die beiden im Urlaub waren. Für eine Weile wird Otis schon mit mir klarkommen, und ich hoffe ja, dass es nur für kurze Zeit ist.«
»Ja, hoffen wir, dass es Rusty gutgeht und es eine ganz harmlose Erklärung gibt, warum Otis allein herumstreunt.« Pomona seufzte und rückte einen Bücherstapel auf dem Tresen zurecht. »Trotzdem ist es eine gute Idee, dass ihr morgen zur Polizei gehen wollt. Apropos … Noch immer Funkstille zwischen dir und Darcy?«
June seufzte. »Erinnere mich nicht daran. Ich habe ihn eben in der Stadt gesehen und bin in die Post geflüchtet, anstatt ihn einfach zu grüßen. Hoffentlich hat er es nicht gesehen, das wäre mir ziemlich peinlich, und höchstwahrscheinlich sehe ich ihn ja morgen früh auf der Wache.«