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Wenn ein Date zur tödlichen Falle wird ... Im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen der niedersächsischen Polizei werden die Kommissare Maria Fortmann und Peter Goselüschen nach Aurich abkommandiert. Als ob die Eingewöhnung nicht schwierig genug wäre, hat es ihr erster Fall gleich in sich: Auf Norderney und in Aurich werden die Leichen zweier Frauen gefunden, die augenscheinlich nach demselben Muster ermordet wurden. Schnell vermuten sie einen Zusammenhang zwischen den Morden und einem Dating-Portal. Maria stimmt dem Vorschlag Goselüschens zu, als Lockvogel zu agieren und ein Profil anzulegen. Nach einigen Fehlschlägen ziehen sie bereits eine Planänderung in Erwägung, doch ein neuer Dating-Interessent erregt die Aufmerksamkeit der Kommissare. Können sie den vermeintlichen Serienmörder schachmatt setzen oder durchschaut er ihren Zug und Maria wird zum Bauernopfer?
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Mordseeflüstern
Maria-Fortmann-ermittelt
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.dnb.de abrufbar.
Impressum:
© 2018 Marcus Ehrhardt
Klemensstraße 26
49377 Vechta
E-mail: [email protected]
Korrektorat / Lektorat: Tanja Loibl
Titelgestaltung: MTEL-Design
Bildnachweis: pixabay
Alle Rechte vorbehalten. Jede Weitergabe oder Vervielfältigung in jeglicher Form ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors erlaubt.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Epilog
Nachwort
Danksagung
Über den Autor
Eine Bitte am Schluss
Maria schaute ihren Kollegen Peter Goselüschen mit großen Augen an.
»Was soll das heißen, du gehst zurück nach Ostfriesland?«
»Streng genommen ist das ja deine Schuld«, entgegnete er und sah sie mit einem breiten Grinsen an. Maria stand komplett auf dem Schlauch. Die Fragezeichen in ihren Augen schienen größer zu sein als die Leinwand des ehemaligen Autokinos in Bruchhausen-Vilsen, einem kleinen Ort etwas südlich von Bremen gelegen.
»Hä?«
»Okay, damit du nicht dumm stirbst, kläre ich dich auf: Durch deine Aktion vor eineinhalb Jahren hast du für richtig Bewegung in der Politik und unserer Führungsebene gesorgt.« Langsam fiel bei Maria der Groschen. Klar, sie hatte unter Missachtung einiger Dienstvorschriften – wohlwollend formuliert – dafür gesorgt, dass eine geheime Organisation aufgeflogen war, die Selbstjustiz an deren Meinung nach unzureichend bestraften Vergewaltigern und Mördern verübte. Zu diesem Kreis zählten Polizisten, Politiker und weitere Personen, die hohe Ämter in der Justiz bekleidet hatten. Worauf hingegen Goselüschen genau hinauswollte, erschloss sich ihr nicht.
»Ja, die Sache ist mir leider noch sehr präsent im Schädel. Aber trotzdem: Hä?« Er schlug ihr freundschaftlich auf die Schulter und schüttelte den Kopf.
»Ach, ich vergesse immer, dass du seitdem ja mehr beurlaubt oder verurlaubt warst, als dass du deinen Hintern hier im Büro geparkt hast.«
»Ja, nun komm mal zum Punkt«, forderte Maria und stöhnte auf.
»Entspann dich, Blondie. Also: Unser höchster Dienstherr hat vor ungefähr sechs Monaten erlassen, dass präventiv Beamte aus verschiedenen Kommissariaten für eine gewisse Zeit in andere Dienststellen abgeordnet werden. Das heißt nicht, dass es jeden betreffen wird, aber die Teams sollen immer mal wieder etwas aufgesprengt werden, damit es nicht wieder zu solchen Dingen kommt wie damals.« Nun hatte auch Maria verstanden. Sie meinte, irgendwann so etwas in der Art gelesen zu haben, am Schwarzen Brett oder im Net, konkret wusste sie jedoch nichts darüber.
»Und du hast dich dafür gemeldet? Freiwillig?«
»Klar, Hase«, sagte der aus Emden stammende Goselüschen. »Sylvia leidet in letzter Zeit eh etwas unter Heimweh nach den Dünen und dem Blöken der Deichschafe, und in Aurich gehen zwei Kollegen ebenfalls per Abkommandierung.« Goselüschen hielt kurz inne und kratzte sich am Kinn. »Da habe ich doch glatt eine Idee: Warum kommst du nicht mit?«
»Du spinnst wohl, was soll ich denn da? Wollt ihr mir ein Zimmer untervermieten, in das du dann einziehst, wenn du es das nächste Mal mit deiner Frau verkackst?« Sie bedachte ihn mit einem herausfordernden Lächeln, doch er blieb entspannt und stieg nicht auf das spielerische Scharmützel ein.
»Jetzt mal im Ernst. Darüber habe ich bisher gar nicht nachgedacht, aber du warst doch eh die letzten Monate kaum im Dienst und fängst sozusagen neu an, warum dann nicht gleich ganz woanders?« Maria schüttelte den Kopf. Was für ein Quatsch, darauf konnte auch nur Gose kommen, dachte sie und befasste sich mit den Unterlagen zu ihrem aktuellen Fall.
***
Am Abend saß Maria gelangweilt vor der x-ten Wiederholung eines Hollywood-Blockbusters aus den späten 1980ern mit Bruce Willis in der Hauptrolle. Das Yippie-Ya-Yeah, Schweinebacke konnte sie langsam nicht mehr ertragen.
Sie streichelte ihren Kater Pinky, der es sich auf ihrem Schoß bequem gemacht hatte, nippte ab und zu an ihrem Tee und musste zum wiederholten Male heute an das kurze Gespräch mit Goselüschen denken.
»Wir sollten es uns einfach mal anschauen, was meinst du?«, richtete sie das Wort an ihr Haustier. Pinky würdigte sie keines Blickes, was sie jedoch nicht als negative Antwort wertete – Herr Pinky war halt manchmal desinteressiert an Dingen, die seine Katzenperson nicht unmittelbar betrafen.
Er versuchte erfolglos, sich mit ausgefahrenen Krallen festzuhalten, als sie ihn vorsichtig von ihren Oberschenkeln schob, um sich ihren Laptop vom Schreibtisch zu holen.
Sie surfte auf der Seite der Polizei Niedersachsen und nach Sichtung erster Informationen forschte sie im gesicherten und nur Polizeibeamten zugänglichen Bereich nach den Details.
Wenn sie es richtig begriff, bestand die Möglichkeit einer Abordnung zwischen 6 und 24 Monaten. »Das ist überschaubar«, sagte sie leise und suchte nach versteckten Fallstricken. Doch es schien sich soweit wirklich um eine reine Vorsichtsmaßnahme zu handeln, die kleinere Mauscheleien und vor allem ausgeprägte Korruption verhindern sollte.
Maria nahm sich vor, eine Nacht darüber zu schlafen und morgen dann zu entscheiden. Denn Goselüschen hatte recht: Sie startete nach sehr aufreibenden 18 Monaten, in denen sie mehrere Höllen durchleben musste, quasi neu. Und sie war ungebunden. Kurt Stohmann, ihr letzter Freund, verbüßte eine lange Haftstrafe, da er massiv in die üblen Taten der Selbstjustiz-Organisation involviert gewesen war. Und ihr Urlaubsflirt Verena, mit der sie eine schöne und aufregende Zeit auf Langeoog und danach mal bei ihr in Hamburg, mal bei sich in Cloppenburg verbracht hatte, überstand den Alltag und die räumliche Entfernung nur ein paar Wochen. Sie hielten lose Kontakt, doch mehr würde daraus nicht entstehen. »Na gut, Maria, aber nur eine Stunde, dann geht es ins Bett«, ermahnte sie sich und besuchte die Homepage einer Maklerin aus Aurich.
Die nächsten Tage nahm die anfangs völlig absurd erscheinende Idee immer mehr an Kontur an. Nicht zuletzt Goselüschen, der Maria immer wieder darauf ansprach, gab den entscheidenden Ausschlag, ein Gespräch mit ihrem Chef zu führen. Nein, so ganz der Wahrheit entsprach das nicht: Sie musste sich eingestehen, dass sie sich in ihrer Cloppenburger Dienststelle einfach nicht mehr wohl fühlte und der Vorschlag ihres Kollegen genau zur richtigen Zeit kam.
»Nun, ich habe etwas in dieser Richtung bereits befürchtet, Maria«, sagte Dr. Mühlenhardt mit Resignation in der Stimme. »Es ist aber auch sehr viel auf Sie eingeprasselt in den letzten Monaten. Daher kann ich Ihren Schritt verstehen, auch wenn ich ihn nicht begrüße.«
»Danke, Chef, ich habe mir die Entscheidung wirklich nicht einfach gemacht.«
»Das ist ja wohl auch das Mindeste«, erwiderte er mit einem kleinen Lächeln. »Ich vermute, Sie möchten an der Seite von Peter den zweiten Kollegen aus Aurich ablösen?« Maria zögerte mit ihrer Antwort.
»Wenn das klappt, wäre es schön. Aber ehrlich gesagt, würde ich auch woanders eine Stelle annehmen. Ich muss nur mal für eine Zeitlang hier weg. Andere Leute, andere Luft, Sie wissen schon ...«
»Okay, Maria, geben Sie mir den Antrag rein, wenn Sie ihn fertig haben, und ich schaue mal, was ich in Sachen Aurich machen kann.« Maria nickte, stand auf und drehte sich im Türrahmen noch einmal herum.
»Vielen Dank.«
Ein Gefühl der Leichtigkeit durchströmte sie auf dem Weg in ihr Büro. Es fühlte sich an, als ob sie sich gerade aus einer Presse befreit hätte, die sie ganz langsam zu zerquetschen drohte.
Goselüschen blieb der beschwingte Zustand seiner Kollegin nicht verborgen, als sie sich hinter ihren Schreibtisch auf den Stuhl fallen ließ.
»Was grinst du so dämlich?«, neckte er sie. »Hast du im Lotto gewonnen oder wirst vorzeitig pensioniert bei vollen Bezügen?«
»Ach Gose, du bist so ein Herzchen. Nein, ich war gerade beim Chef.«
»Und?«
»Ich bin dabei.«
»Hä?« Maria grinste ihn nur an und langsam schien der Groschen bei ihm zu fallen. »Nein!«
»Doch.« Nun strahlte auch er mit einem breiten Lächeln, das ihn aussehen ließ wie die gelben Smilys auf den Messengern. »Aber der Antrag muss noch abgesegnet werden. Und natürlich muss ich ihn dazu erstmal abgeben.«
»Dann hau in die Tasten, Mädel.« Goselüschen war bereits um den Schreibtisch herumgekommen und saß ihr jetzt schräg gegenüber auf ihrer Schreibtischplatte. »Das freut mich wirklich. Wer weiß, was sie mir sonst für einen trotteligen Partner zur Seite gestellt hätten. Bei dir weiß ich ja schon, mit welchen Marotten ich klar kommen muss.« Er legte seine Hand auf ihre Schulter und drückte leicht zu.
»Nun komm mal wieder runter. Wie gesagt: Der Antrag muss noch durch die Instanzen.«
3 Monate später
Der Mann mit der halbmondförmigen Narbe über der rechten Augenbraue nippte an einem Long Island Icetea – dem seiner Meinung nach passenden Getränk für den Inselkurztrip, auf dem er sich befand. Es war das zweite Glas, das er sich in der Disco Lux im Nachtleben Norderneys genehmigte. Der dröhnende Bass der Technomusik nervte ihn und die aufgekratzten, jungen Hühner, die auf der Tanzfläche herumzappelten, machten es nicht besser. Es kam ihm vor, als wären die alle auf Speed oder Ecstasy oder was auch immer die Jugend von heute sich hinein pfiff, um draufzusein. Er grunzte. Dem Anfang 40-Jährigen waren Drogen – abgesehen von Bier, Schnaps, Zigaretten und vielleicht hin und wieder mal etwas Gras – suspekt und er konnte ihnen nie etwas abgewinnen. Aber es half nichts. Außer diesem Schuppen hatte kein anderer bis in die Morgenstunden geöffnet. Jedenfalls hatte er auf die Schnelle keinen finden können. Und irgendwie musste er ja die Zeit bis zum frühen Morgen überbrücken, bis er mit der ersten Fähre aufs Festland zurückkehren würde.
Er schnaubte verächtlich, als er daran dachte, was ihm Friederike Claaßen vorhin an den Kopf geworfen hatte, nachdem sie über eine Stunde lang wie tollwütige Hunde übereinander hergefallen waren und sich gegenseitig zu einigen Höhepunkten trieben. Trotzdem sagte sie danach:
»Warst ganz okay, Kleiner, aber dir ist hoffentlich klar, dass dies eine einmalige Sache war?«
»Natürlich, Baby, wo denkst du hin?«, hatte er erwidert und rau aufgelacht. Was dachte sich die Schlampe, Sex mit ihm ganz okay zu nennen? Und was sollte das, ihn abzuservieren? Dachte sie im Ernst daran, dass sie für ihn mehr sein könnte, als eine weitere Kerbe in seinem Colt? Das Dreckstück hatte ihn an seiner Ehre gepackt, an seinem wunden Punkt. Aber nicht mit ihm! Das hatte sie bitter bereuen müssen.
Er hob sein Glas und dachte mit Genugtuung an ihren Blick, den letzten Gesichtsausdruck, den er von ihr sah, und stieß mit einem imaginären Trinkpartner an.
Zwei Cocktails weiter und drei Stunden später legte die Fähre mit ihm an Bord ab und erreichte nach etwa 45 Minuten den Hafen von Norddeich.
***
Dr. Mühlenhardt hatte sein Wort gehalten und Marias Abordnung erfolgreich unterstützt. Pünktlich betrat sie an der Seite Goselüschens das Büro ihrer neuen Chefin. Die unscheinbare, brünette Frau im Kostüm begrüßte sie freundlich:
»Moin, Frau Fortmann, moin, Herr Goselüschen. Kommen Sie rein und setzen Sie sich«, forderte sie sie auf und wies auf zwei Stühle ihr gegenüber. Fast mittig auf dem Schreibtisch, der sie von der Dienststellenleiterin trennte, sprang Maria das längliche, dreiseitige Namensschild aus Holz ins Auge, auf dem der Name Marion Dünemann zu lesen war. Das Schild erinnerte Maria an eine Kombination aus einer Toblerone-Schokolade und dem Scrabble-Spielbrettchen, auf dem man seine Buchstabensteine parkte.
»Moin, Frau Dünemann«, erwiderten die beiden fast gleichzeitig. Nachdem sie sich die Hände geschüttelt und Platz genommen hatten, erklärte Marion Dünemann ihnen in groben Zügen, was sie von beiden erwartete.
»Nun, Herr Goselüschen –«
»Peter reicht«, warf er ein. Sie lächelte und begann erneut.
»Nun, Peter, Sie kennen Aurich ja noch von früher. Daher sollten Sie sich hier schnell zurechtfinden. Zwar bin ich die dritte, die seitdem auf diesem Stuhl sitzt, aber es wurden keine revolutionären Neuerungen eingeführt. Und das wird sich auf kurze Sicht auch nicht ändern.«
»Jo, ich habe auf dem Flur einige wiedererkannt.« Die Chefin nickte und wandte sich an Maria.
»Zu Ihnen, Maria, ich darf Maria sagen?«
»Ja, sicher.«
»Gut. Also,hört
Maria, lassen Sie es mich deutlich sagen: Ihnen dürfte klar sein, dass Ihnen ein Ruf vorauseilt, der das Kollegium nicht unbedingt in Jubelarien verfallen lässt.« Die beiden Frauen sahen sich in die Augen, ohne eine Gefühlsregung erkennen zu lassen. Maria hatte damit gerechnet, dass sie nicht mit Pralinen und offenen Armen empfangen werden würde, diese Art der Begrüßung überraschte sie allerdings und ihr wurde etwas mulmig zumute, was noch folgen würde. »Dr. Mühlenhardt sicherte mir zu, dass ich keine Probleme mit Ihnen haben werde.« Sie hielt kurz inne und fixierte Maria. »Wir sind weder eine Therapieeinrichtung noch brauchen wir ein weibliches Pendant zu Dirty Harry. Machen Sie Ihren Job, wie Sie ihn bis vor dieser Geheimbundgeschichte gemacht haben, und wir werden die besten Freundinnen – verfallen Sie nur ansatzweise in die Muster der letzten Monate, sind Sie schneller draußen, als der Knall des Startschusses im Ohr des Hundertmeter-Läufers hallt. Verstehen wir uns?« Maria versuchte krampfhaft, sich ihre Verärgerung nicht anmerken zu lassen, obwohl das Blut in ihren Schläfen pochte.
»Natürlich. Ich gebe mein Bestes«, erwiderte sie knapp. Abrupt schnellte Marion Dünemann von ihrem Stuhl hoch und streckte ihre Hand aus.
»Wunderbar«, sagte sie mit einem Lächeln. »Das wollte ich aus Ihrem Mund hören. Sie beide bekommen das Büro gegenüber von Kommissar Waldner – den kennen Sie ja bereits. Er wird Ihnen auch in der Anfangszeit als Ansprechpartner behilflich sein.«
Ausgerechnet Waldner, dachte Maria und seufzte unmerklich. Aus dem Augenwinkel glaubte sie, bei Goselüschen ebenfalls etwas Unwillen im Gesicht aufblitzen gesehen zu haben, als der Name fiel. Was Anderes hätte mich auch verwundert, dachte sie.
Die beiden verabschiedeten sich und machten sich auf den Weg in ihren neuen Arbeitsbereich. Maria meinte, die Abneigung gegen sich körperlich zu spüren, als sie die Blicke einiger neuer Kolleginnen und Kollegen auf dem Korridor trafen. Ganz anders bei Goselüschen, dem schon zum vierten Mal von einem früheren Kameraden auf die Schulter geklopft wurde. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, versuchte sie, sich aufzumuntern.
Zu ihrer Überraschung wartete Kommissar Waldner in ihrem Büro auf die beiden. Noch erstaunter war Maria, als er sie mit einem freundlichen Lächeln, welches ihr absolut ehrlich erschien, begrüßte.
»Da ist ja endlich unsere Cloppenburger Verstärkung.« Irritiert schaute Goselüschen zu Maria und darauf zu Waldner.
»Moin«, erwiderte er knapp, was Maria ein Schmunzeln entlockte, denn eines hatte sie bei Gose bisher noch nicht erlebt: Sprachlosigkeit.
»Moin, Herr Waldner«, sagte jetzt auch Maria mit der gebotenen Höflichkeit, die man seinem Lebensretter entgegenbringen musste. Schließlich hatte er sie vergangenen Sommer im letzten Moment vor dem Ertrinken bewahrt, als der durchgeknallte Inselpolizist von Langeoog sie umbringen wollte.
»Nun mal nicht so förmlich, schließlich sitzen wir jetzt alle im selben Boot. Nennt mich Karl-Heinz.«
»Das bekommen wir hin«, sagte Goselüschen und schob sich an ihm vorbei auf die linke Seite des doppelten Schreibtisches.
»Kein Problem, Karl-Heinz. Maria.« Sie gab ihm die Hand und besah sich darauf ihre Seite des Büros näher. Waldner ging zur Tür und drehte sich noch einmal herum. Dann schloss er sie, er schien keine zufälligen Zuhörer zu wollen.
»Hört zu, ihr beiden. Mir ist durchaus bekannt, welchen Ruf ich habe. Und ja, ich kann ein ziemliches Arschloch sein – mal zu Recht, und mal zu Unrecht. Das heißt jedoch nicht, dass ich euch nicht respektiere und euch mit allem versorgen werde, was für eine optimale Zusammenarbeit notwendig ist.« Er ließ die Worte kurz wirken. »Und solange ihr mir nicht in meine Arbeit hineingrätscht, werde ich es auch nicht bei euch tun. Und Maria –« Waldner nahm seinen Arm nach vorn und drehte die Handfläche nach oben. »Wir beide haben unsere Differenzen am Telefon damals doch ausgeräumt, oder?« Maria stutzte kurz und nickte dann.
»Ja, das haben wir. Alles okay.« Waldner machte mit Zeigefinger und Daumen die Pistolengeste und drückte in die Richtung der beiden ab.
»Na dann, herzlich willkommen.«
Fast gleichzeitig atmeten Maria und Gose laut aus, als die Tür von außen geschlossen wurde.
»Ehrlich, direkt, Dachschaden – passt schon«, resümierte Goselüschen die kurze Ansprache Waldners und Maria stimmte ihm innerlich zu. Dies war der erste Moment des heutigen Tages, in dem sie sich gut fühlte.
***
Mit zwei Fingern rieb er sich über die Narbe auf seiner Stirn. Es schien sich ein Wetterwechsel anzukündigen, dessen war er sicher. Schließlich machte sie ihn seit über zwanzig Jahren zuverlässig mit unaufhörlichem Jucken und Piksen darauf aufmerksam, sodass er auch als Wetterfrosch hätte fungieren können. Auf die Frau, die sich ihm von hinten näherte, achtete er nicht.
»Na, wie war dein Wochenende?«, fragte sie und ließ sich auf den Stuhl seitlich seines Schreibtisches fallen.
»Nichts Besonderes, Swantje«, antwortete er knapp. Doch damit wollte sich seine Kollegin hier im Büro nicht abspeisen lassen. Vor langer Zeit hatte er eine kurze Affäre mit der falschen Blondine, wie ihr dunkler Haaransatz alle paar Wochen verriet. Doch nach drei heimlichen Treffen mit durchschnittlichem Sex hatte er das Interesse an ihr verloren und sich darüber geärgert, mit einer Kollegin etwas angefangen zu haben. Zum Glück hatte sie es schnell akzeptiert, dass er es beendete und auch nichts mehr daraus werden würde, und seitdem pflegten sie ein freundschaftliches Verhältnis zueinander.
»Ach komm schon, du hast doch bestimmt wieder was flachgelegt«, sagte sie und sah ihn schelmisch an. »Oder musstest du zuhause einen auf braver Familienvater machen?« Sie hielt die Hand vor den offenen Mund.
»Das geht dich nichts an. Hast du nichts zu tun?« Sie lachte ihn an. Er hasste es, wenn sie ihn auf dieses Thema ansprach, wobei er nicht genau wusste, ob es an ihr lag, oder daran, dass sie nicht Unrecht damit hatte. Seine Ehe war nur noch eine Farce. Seit die drei Kinder größtenteils ihrer eigenen Wege gingen, stellte er fest, wie wenig er und seine Frau sich noch zu sagen hatten. Erschwerend kam hinzu, dass seine Frau niemals in der Lage war, seinen sexuellen Ansprüchen zu genügen.
»Dann lass ich dich mal lieber in Ruhe«, riss sie ihn aus seinen Gedanken und marschierte in Richtung ihres eigenen Büros, ohne es sich nehmen zu lassen, ihm über ihre Schulter noch ein verschmitztes Lächeln zuzuwerfen.
»Das ist auch besser«, sagte er, ohne dass sie es hören konnte. Er ärgerte sich immer noch ein wenig über das unwürdige Ende vorgestern auf Norderney. Aber was soll´s, dachte er im nächsten Moment. Es gab noch so viele, um die er sich kümmern könnte.
Langsam gewöhnte sich Maria an das distanzierte Verhalten ihrer Kollegen, zumindest versuchte sie es. Schließlich waren erst einige Tage vergangen, seitdem sie und Goselüschen ihren Dienst in Aurich angetreten hatten, und mit der Zeit würde es bestimmt besser werden.