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Beschreibung

"MOREAU: Historischer Roman" von Klabund, dem Pseudonym des vielseitigen deutschen Schriftstellers Alfred Henschke, bietet eine fesselnde Erkundung der französischen Revolutionsära durch die Augen seines Protagonisten General Moreau. Der Roman zeichnet sich durch seine tiefgründige Charakterzeichnung und seinen lebendigen historischen Kontext aus, der typisch ist für Klabunds Fähigkeit, geschichtliche Genauigkeit mit dramatischer Erzählung zu verbinden. Dieses Werk steht sowohl in der Tradition des historischen Romans als auch in der spezifischen literarischen Bewegung der 1920er Jahre, geprägt von einer Rückkehr zu narrativer Struktur und einer tiefen psychologischen Darstellung geschichtlicher Figuren. Als Repräsentant der Weimarer Literatur nutzte Alfred Henschke seine literarische Begabung, um die zerrütteten gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse seiner Zeit zu reflektieren. 'MOREAU' ist somit nicht nur eine historische Erzählung, sondern auch ein Kommentar zu den universellen Themen von Macht, Ehre und dem menschlichen Streben nach Gerechtigkeit. Klabund, bereits bekannt für seine lyrischen Werke und Dramen, verwendet seine profunde Kenntnis der Literatur, um diesem Roman eine echte Tiefe zu verleihen, die über das einfache historische Narrativ hinausgeht. Dieses Buch ist eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die sich für Geschichte und Literatur begeistern. Durch den Zugang zu Klabunds einzigartiger literarischer Stimme bietet 'MOREAU' eine eindrucksvolle Mischung aus historischer Aufklärung und literarischem Genuss. Leser, die tiefere Einblicke in die komplexen Umstände der Revolutionszeit und deren Darstellung in der Literatur suchen, werden hier auf vielfältige Weise angeregt und bereichert.

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Klabund / Alfred Henschke

MOREAU: Historischer Roman

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0811-1

Inhaltsverzeichnis

Cover
Titelblatt
Text

Moreau schlug mit der Hand in die Luft.

Die Bretagne blendete.

Mütterliche Güte strich über seine Stirn.

Seine Wimpern zitterten. Er wollte weinen. Aber er schlief ein.

Hallo! Welch ein Lärm! Zusammenklang der blechernen Trompeten und hölzernen Schwerter. Schreie der kleinen Puppen mit Muschelaugen und grasgrünen Kleidern. Moreau tritt in die Reihe der Geschwister mit einem Papierhelm und einer Haselnußstaude als Degen.

Papa blickt über seine Hornbrille von den grauen Akten auf.

»Was willst du werden, Victor?«

Moreau salutiert: »General.«

Man lacht. Soweit man mit einem verstaubten Herzen noch lachen kann. Selbst die Akten lachen.

»Sieh da, General! Natürlich General! Madame, hören Sie nur, er will General werden! Der Tausend.«

Am Abend gab es Käse zum Diner.

Moreau aß keinen Käse.

Papa setzt die Hornbrille ab. Seine Augen hängen ihm wie Quallen aus dem Gesicht. Pfui, was für häßliche Augen, denkt Moreau.

»Du mußt den Käse essen.«

Moreau sah dem Alten starr auf die Stirn:

»Nein.«

Der Alte nahm die Haselnußstaude, die heute morgen Moreau als Degen gedient hatte.

Moreau sprang auf. Ein Puma. Er riß dem Alten den Stock aus der Hand.

»Mein Schwert,« schrie er, »mein Schwert.«

Dann warf er sich auf den Boden, biß die Zähne in die Diele und blieb die ganze Nacht so liegen.

Jeannette ist die Tochter des Bäckermeisters Renoir zu Morlaix.

Sie ist gleichaltrig mit Moreau, vierzehn Jahr.

»Ein kleines Weißbrot, bitte«, sagte Moreau. Er spart sich Sous, um Weißbrot zu kaufen.

Er hat so viel Überfluß an Weißbrot in seiner Schublade, daß er seinen Hund Rire damit zu Tode füttert.

»Wo ist Ihr kleiner Hund?« fragt Jeannette, ich sehe ihn nicht mehr.«

»Er ist tot. Er hat zuviel Weißbrot gefressen.«

Jeannette lacht.

»Oh, lala …«

»Aber Sie leben noch, Victor, Sie essen doch auch ungewöhnlich viel Weißbrot?«

Man muß den Hund begraben.

Jeannette pflanzt eine Rose auf seinem Grab.

Ihre Hände begegnen sich.

Moreau packt sie an den Handgelenken.

Glück einer Sekunde. Glück einer Ewigkeit. Sterne läuten von allen Türmen.

Die kleine Kathedrale von Morlaix dröhnt.

Die Wälder sind voll Echo.

Der Himmel schlägt wie Meer rauschend an die Gestade seiner Brust.

Victor! Viktoria! Sieg!

Die Gartentür knarrt.

Jeannette ist nicht mehr da.

Er sinkt an einen Baum.

Die rauhe Rinde schneidet in seine Stirn.

Himmel, ein Zeichen! Gib ein Zeichen!

Winde verdüstern den Glanz.

Eine Wolke platzt donnernd.

Regen rast.

Moreau läuft durch den Garten.

Von den Nelken zu den Rosen.

Von den Rosen zu den Aprikosenbäumen. Zum Salatbeet. Zu den Kartoffeläckern, draußen, wo der braune Fluß der Felder strömt.

Die Strähnen schwarz und feucht in die Stirne hängend, verglommen und beklommen, tritt er ins Haus. Seine blaue Bluse klatscht am Körper. An seinen Sandalen klebt Lehm und Wiese.

Seine Augen sind betaut vom Regen wie zwei violette Blüten.

Madame ist entsetzt.

»Aber Victor, du blutest ja an der Stirn!«

Sie eilt, ein nasses Tuch zu holen.

Er sieht in den Spiegel: ein schmales rotes Kreuz ist in seine Stirn gepreßt. Ein Kreuz, wie es die schlanken Bäuerinnen Sonntags zum Kirchgang an einer silbernen Kette um den Hals tragen.

Der Baum! Jeannette! Das Zeichen!

»Nicht stillen, die Wunde! Mutter! Nicht stillen! Laß das Blut laufen!«

Seine Augen rollen wild und groß.

Madame fürchtet sich. Vor Stolz.

Er wird groß, ihr Junge. Er erwächst.

Sie erzählt es am Abend ihrem Gatten.

»Victor müßte ein Ritter werden.«

»Warum? Es gibt keine Ritter mehr.«

Sie blätterte in ihrer zierlichen Anthologie französischer Verse.

»Er ist tapfer und fromm.«

»Fromm?«

»Er betet jeden Abend zu Gott.«

»Zu welchem Gott? Voltaire hat die Götter abgeschafft.«

»Voltaire ist ein Dichter und braucht keinen Gott. Sein Stil ist sein Gott. Ihm mag’s genügen. Aber du bist ein Advokat. Wenn du keinen Gott hast, was hast du dann?«

Er schob die Hornbrille auf die Stirn.

»Ich habe dich, meine Teure.«

Zärtlich führte er ihre Hand an seine Lippen.

Sie lächelte.

»Ich lasse mich gern durch Komplimente aufklären, aber bitte, versuch’ es nicht mit Diderot bei mir. Und gönne Victor seinen Gott. Er wird schwer genug an ihm zu tragen haben. So schwer, wie eine Mutter an ihrem Kinde trägt.«

Der Advokat hörte nicht hin.

»Ich bin müde, Madame. Das Licht, bitte.«

Sonderbar, dachte sie: er ist das Sinnbild einer ganzen Generation, die müde wurde und die sich mit einer Kerze zum Schlaf geleiten läßt. Und nur bei einem öligen Nachtlicht schlafen kann.

Victor, glaube ich, fühlt sich wohler im Dunkeln.

Victor nimmt, siebzehnjährig, Dienst in einem Infanterieregiment. Er schläft mit fünfzig in einem Saal.

Der Geruch der vielen Männer betäubt ihn.

Wie ihn einst der Erdgeruch betäubte, als er mit Jeannette ins Gras sank.

Wie roch eigentlich Jeannette?

Er wußte es nicht mehr.

Oder: doch. Sie duftete wie leichter, ganz leichter Südwind.

Die Männer nahmen ihn in ihre Mitte.

Er war nun selbst ein Mann.

Das machte ihn stark.

Jeden Morgen um fünf tönte die Reveille.

Er sprang zur Tür und sah nach dem Wetter.

Rosengrau dämmerte der Osten. Der Horizont lag leer und unausgefüllt da wie ein schlaffer Schlauch.

Der Schritt der Schildwache tickte wie eine Uhr regelmäßig im Hof.

Ein alter Korporal stand am Brunnen und wusch sich.