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Mozart – Storys, Theaterstücke und Gedichte
Mozart und seine Schwester Nannerl im Freizeitsaal der Engel
Mozart in der Entführung aus dem Serail
Zauberkuss und Zauberflöte
Figaro auf dem Planeten Mozart
Così fan tutte und eine Mozart-Kugel aus Kristall
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Mozart – Storys, Theaterstücke und Gedichte
Mozart und seine Schwester Nannerl im Freizeitsaal der Engel
Mozart in der Entführung aus dem Serail
Zauberkuss und Zauberflöte
Figaro auf dem Planeten Mozart
Così fan tutte und eine Mozart-Kugel aus Kristall
Mozart: "So sieht man sich wieder. Wusste schon, warum ich den Freizeitsaal der Engel gemieden habe – doch der Steinway-Flügel zieht uns beide mächtig an, wir umkreisen ihn, wie es Planeten mit der Sonne zu tun pflegen. Bist Du noch meine Nannerl? Bevorzugst Du andre Anrede? Ein förmliches 'Maria Anna Walpurga Ignatia Mozart'? Wobei der Schwester-Status Dir doch erhalten bleibt, es ist nicht so wie bei einem Amt, von dem man zurücktreten könnte. Dennoch gibst Du Dir Mühe, mir finster entgegenzublicken, vorwurfsvoll; am besten, ich rede weiter und lasse Dich nicht zu Worte kommen ..."
Sie hebt die Hand.
Nannerl: "Vielleicht besteht hier Gelegenheit zur Aussprache, mag sein, es sind Fehl-Vermutungen, irregeleitet durch die Realitätsbande. Du siehst, ich bemühe mich um eine Metapher aus Deinem Lieblings-Sport Billard. Das zeugt doch von Entgegenkommen."
Sie setzen sich an den Flügel und spielen vierhändig.
Mozart: "Die Wunderkinder wieder vereint; einst zogen wir durch Europa; vagabundierten – wie es die Aristrokrätchen mit gerümpftem und erhobenem Näschen bezeichneten. Das ist bezeichnend: Sich über die stemmen wollen, die ihnen mit geflügelten Schuhen auf der Nase herumtanzen; das ging flott, die Muse beflügelt – und auch Du bist eine Anverwandte der Muse, gleichst ihr in manchem; mir Mut gebend, wenn ich aufgeben wollte. Was haben die Krankheiten uns belagert – doch uns besiegt man nicht so schnell. Albernheit, Vertrauen – wer hat es zerschlagen, wer ist schuld? Solange wir Rücken an Rücken gekämpft haben, konnte uns keiner in den Rücken fallen, wir hatten Vertrauen zur Welt, wollten sie erobern. Dann plötzlich war ich es, der das unstete Leben führte, unser Vater Leopold wollte nicht, dass Du mit uns auf Reisen kommst, Dein Spiel fand fortan in Salzburg statt, als ob es eine Fußfessel wäre. Begierig nach Freiheit, mich eventuell beneidend, dass ich frei umherflog mit einem Zauberteppich, gewebt aus Arien und Symphonien. Weben – gutes Stichwort, was ich mir da vorlege – die Weber-Geschwister: Aloisia und Constanze. In die eine verliebt und die andere geehelicht. Schief von Anfang an. Was sollte ich anfangen mit einer nur Halb-Geliebten? Als Engel hat man nicht mehr diese Wut, Leidenschaft – Piano, Forte fehlen – wie medioker es mich dünkt; dünkt es Dich in gleicher Weise?"
Er schaut sich um.
Mozart: "Könnte sein, dass Petze-Engel hier rumschweben. Selbst hier auf seine Wortwahl bedacht sein müssen ... Ich liebe das Wortspiel, Kapriolen der Sprache bis hinab ins Vulgäre und hinauf ins berauschend Sinnliche. Sie wollen einem das hier verleiden, es einem austreiben. Kaum vorstellbar, ich habe bereits in der Hölle angefragt, ob sie Untermieter nehmen würden – so probehalber."
Nannerl: "Hör bloß auf mit 'zur Untermiete': Hast ja gesehen, was passiert ist mit der Weber-Familie. Sie haben ein gar feines Netz um Dich gestrickt, Du hattest es nicht begriffen. Gingst ihnen in die Fänge. Als Untermieter – im vertrauten täglichen Umgang mit Constanze Weber bist Du gleichsam hineingerutscht in den Trichter der Verzweiflung, die mit öligen Worten geschmierte Bahn hat Dich nicht stutzig werden lassen. Ich und Vater haben Dich gewarnt, beschworen – doch Du missverstandst es, als ob wir Dir die große Liebe ausreden wollten, damit Du ja eine ehelichst, die vermögender ist. Ich habe dieses Opfer gebracht, bin der Versuchung Franz Armand d'Ippold nicht erlegen, habe statt meiner großen Liebe, einen Griesgram mir an Land gezogen. Fünf Kinder hatte er schon, das musste ich mir aufhalsen, weil ich es für richtig befand, erschien mir vernünftig. Ach, wie fluche ich heutzutage auf meine Vernunft! Nun tritt es zu Tage, was töricht war – zeichnet sich prima ab. Wer soll die Entscheidungen treffen dürfen? Die Vernunft war uns ein schlechter Ratgeber; die Vernunft sieht alles schnurgerade, ihre Logik ist beeindruckend – und dennoch grundverkehrt. Das Verkehrte ist das Richtige, wenn Dein Gefühl dem zujubelt, ihm applaudiert. Dann greife nach dem Verrückten und halte es fest! Das ist meine Lehre aus meinem beschissenen Leben! Und Du hättest eingreifen können, hast es versäumt ... Gut, Du hast mir zugeredet, in Briefen mich angefleht, nach Wien zu gehen, auf eigenen Beinen zu stehen, die doch sehr kräftig sind – gut trainiert von klein auf, doch ich getraute mich nicht, dachte, ich brauche jemanden, der mich hält, an den ich mich lehnen kann. Doch Vater war es nicht – ich redete mir ein, dass es mir gelingen könnte, ihn für mich zu gewinnen, dass ich Dich ihm abspenstig machen konnte; doch er hing so sehr an Dir, vergötterte Dich, auch wenn er sich Mühe gab, es zu verbergen mit rüder Art; es war pure Zärtlichkeit, die er Dir entgegenbrachte, Dir, seinem von Gott gesandten begnadeten, überreichlich beschenkten Sohn. Wie sollte ich da gleichziehen? Ich könnte mich im Gehorsam hervortun, übereifrig sein, seinem Wink sogleich zu folgen. Was für ein Unglück, welches Desaster habe ich angerichtet? Kein Talent gefördert, mich begnügt, mit dem erreichten, darauf sitzen geblieben, statt zu komponieren, zu reisen, wie Du es Dich getraut. Ich fühlte mich gebunden an die Erwartungen – und die gaben nicht viel her. Eine Frau zu sein – mag sein, in einigen Jahrhunderten ist das kein Fluch mehr. Man will ja nicht mannstoll sein, aber es so toll treiben wie ein Mann – mit der Welt, mit den Möglichkeiten. Einfach sich eine Stadt aussuchen, Vorspiel, sich hervortun, seine Gefühle zu Papier bringen, sie in Noten verwandeln, die die Welt begeistern. Mag sein, da schwang viel Neid mit, unbewusst, bei meinem Aufbrausen; wer weiß schon, was da gärt im Seelchen? Ach, diese Aussprache war nötig, fällig. Wie soll man gefällig sein, wenn da so vieles zwischen einem steht? Wie es beiseite räumen? Du machst mutig den Anfang. Thread of Love – das Band der Liebe – es verknüpft uns noch immer. Wie ein Ariadnefaden; wie anders hätte ich Dich wiederfinden sollen? Unendlich groß der Himmel, wir tragen keine Signatur so wie 'n Buch, dass wir im Archiv wieder auffindbar wären. Wir brauchen so etwas wie den Magnetsinn der Vögel, uns orientieren an den Feldern, die uns leiten, wenn wir es zulassen, wenn wir Gespür dafür uns bewahren. Das geht weit über die normalen Familienbande – es ist fester – ich vergleiche es mit einem Bindfaden und einem derben Tau: Wir könnten Segelschiffe damit vertäuen. Schön, wenn man dieses Verbindende hat – wir verdanken es unserem Vater, er ließ Talent nicht brachliegen, opferte seine eigene Karriere, um uns zu fördern. Warum blieb er bei mir auf halbem Weg stehen? Wie ein störrischer Esel. Welche Karotte hätte ich ihm anbieten sollen, die Aussicht auf ein zweites Wunderkind, das die Welt in Atem hält? Unnötig – kein Bedarf für Reserve. Wärest Du nicht, dann hätte er auf mich gesetzt, ich wäre sein Trumpf. So blieb ich sitzen mit einer Horde von fünf fremden Kindern. Und meinen eigenen Erstgeborenen – darum kümmerte sich mein Vater, hat ihn zu einem zweiten Mozart heranziehen wollen, er verbat sich da Einmischungen ... Ich überließ ihn ihm – und es reute mich. Ich war mir noch fremder als zuvor; wie weit würde ich in meinem Gehorsam gehen, wie selbstverleugnend …?"
Sie weint. Mozart tröstet sie.