Mundtot auf Wangerooge - Malte Goosmann - E-Book

Mundtot auf Wangerooge E-Book

Malte Goosmann

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Beschreibung

Mitten in der Hochsaison macht eine Schulklasse während einer Wattwanderung, einen grausamen Fund. In seinem neuen Fall stößt Petersen auf ein Geflecht krimineller Handlungen, die ihn direkt in den Bereich des organisierten Verbrechens führen. Ein unverhofftes Wiedersehen, eine kämpferische junge Kollegin, ein Abstecher nach Helgoland, enge Zusammenarbeit mit der Kripo in Bremen und Oldenburg, sowie die Mitarbeit von Bundespolizei und SEK sorgen für große Spannung, als Petersen sich einmal mehr in Lebensgefahr begibt.

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Seitenzahl: 348

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Mundtot

auf

Wangerooge

Petersens vierter Fall

*******

Kriminalroman

von

Malte Goosmann

Copyright: © 2019 Malte Goosmann

Cover Design & Buch-Layout : Monika Goosmann

Self-publisher

Druck: epubli GmbH, Berlin,www.epubli.de

Titelfoto: Andree Hugel / Deichwork Wangerooge

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Jedwede Verwendung des Werkes darf nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors erfolgen. Dies betrifft insbesondere die Vervielfältigung, Verbreitung, Übersetzung und Verfilmung.

1

Es hatte aufgehört zu regnen. Der Asphalt glänzte noch nass und schwarz. Dieser Montagmorgen, Mitte des Monats August, sollte ein schöner Tag werden. Die Bedienung der Back-Factory begann damit, die Tische und Stühle auf den Bürgersteig zu stellen. Nebenan vor dem Handy-Shop stand schon eine Gruppe von Männern, die darauf wartete, Platz nehmen zu können. Der Wind hatte aufgefrischt. Die gelben Säcke für die Müllabfuhr wurden auf die Fahrbahn geweht und dort von den vorbeifahrenden Autos niedergewalzt. Der Plastikmüll verteilte sich auf Fahrbahn und Bürgersteig. Mittlerweile hatte die Gruppe von Männern an den Tischen der Back-Factory Platz genommen. Einige von ihnen hatten sich bereits mit Kaffee und belegten Brötchen versorgt. Es war noch nicht einmal 6 Uhr und die letzten Übriggebliebenen der vergangenen Nacht wankten nach Hause. Bremen-Gröpelingen ist ein Stadtteil, wie es ihn in so vielen deutschen Großstädten gibt: Abgehängt und von den Regierenden vernachlässigt. Knapp 40 % der Wahlberechtigten gingen überhaupt noch an die Urnen. In den hier existierenden Parallelgesellschaften herrschen eigene Regeln und Gesetze, ein abgeschotteter Mikrokosmos.

Die Zahl der Männer, die sich an der Back-Factory aufhielten, war gestiegen. Jeden Morgen spielten sich hier die gleichen Szenen ab. Nicht umsonst wurde diese Ecke auch „Arbeiterstrich“ genannt. Eine Bezeichnung, die das, was sich hier abspielte, durchaus treffend charakterisierte. Die Männer, die an den Tischen saßen oder daneben vor dem Handy-Shop standen, warteten auf „Kunden“, die ihnen für einen oder mehrere Tage schlecht bezahlte Jobs anboten. Für die meist aus Osteuropa stammenden Männer war das in der Regel die einzige Möglichkeit, an Arbeit zu kommen.

Stanimir Yordanov und Radomil Zankov schoben ihre Reisetaschen unter den Plastiktisch und begannen, ihre belegten Brötchen zu essen. Die beiden aus dem bulgarischen Varna stammenden Männer hatten am Vortag per WhatsApp die Nachricht erhalten, dass sie für mehrere Tage auf einer Baustelle außerhalb Bremens gebucht waren. Mehrere Tage bedeutete für sie eine begrenzte Zeit lang eine sichere Einnahmequelle, wenn auch der Lohn, den sie bekamen, bei weitem nicht dem entsprach, was ihnen in Varna von dem Arbeitsvermittler versprochen worden war. Über die Art der Arbeit hatten sie keine Informationen bekommen. Bisher hatten sie auf einer Werft in Bremerhaven Tankreinigungen vorgenommen, eine äußerst schmutzige und gesundheitsgefährdende Tätigkeit. Dann waren sie auf Baustellen in der Bremer Überseestadt zum Einsatz gekommen. Unter anderem hatten sie als Trockenbauer bei der Errichtung eines Übergangswohnheimes für Flüchtlinge gearbeitet. Neidisch hatten sie die Ausgestaltung der Räumlichkeiten beobachtet. Sie selbst wohnten in einer der Nebenstraßen in Bremen-Gröpelingen in einer sogenannten Schrottimmobilie. Ein findiger Immobilienunternehmer hatte dort sanierungsbedürftige Häuser aufgekauft und diese mit rumänischen und bulgarischen Arbeitern vollgestopft. Stanimir und Radomil selbst wohnten mit vier anderen Männern in einem 35 m² großen Raum. Eine Dusche und eine Toilette mussten sie sich mit insgesamt zwölf Männern teilen. Deutschland und die dortige Arbeit war ihnen von ihrem Arbeitsvermittler völlig anders beschrieben worden. Sie seien EU-Bürger und als solche stände ihnen das Tor für eine auskömmliche Arbeit weit offen. Umso größer war nach den ersten Monaten die Enttäuschung. Lohn und Unterkunft stimmten mit ihren Erwartungen bei weitem nicht überein. Radomil drohte des Öfteren, in die Kleinkriminalität abzugleiten. Stanimir war in dieser Hinsicht gefestigter und machte sich so seine Gedanken. Sein Vater war Lehrer in Varna gewesen und ein aktiver KP Funktionär. Nach den Umwälzungen im Ostblock hatte er seinen Job verloren. Sein Sohn Stanimir hatte sein Studium an der Universität Sofia abgebrochen, um seine Familie zu unterstützen. Und so hatte Stanimir gezwungenermaßen das Angebot der Arbeitsvermittlung in Varna angenommen. Bremen war genauso wie Varna eine Hafenstadt. Der Arbeitsvermittler vor Ort hatte ihm von anspruchsvollen Tätigkeiten im maritimen Bereich vorgeschwärmt. Mit diesen Aussichten war Stanimir geködert worden. Maschinenbau, mit dem Schwerpunkt Schiffbau, war seine Fachrichtung im Studium gewesen.

Gerade hatten Stanimir und Radomil ihren zweiten Kaffee getrunken, als ein weißer Ford Transit auf den Bürgersteig vor dem Handy-Shop vorfuhr. Für die beiden Bulgaren war das das Signal zum Aufbruch. Sie griffen sich ihre Taschen und bewegten sich in Richtung Fahrzeug. Der Fahrer des Fords war ihnen wohlbekannt. Ismail Ellek war ihr örtlicher Ansprechpartner der Arbeitsvermittlungsagentur. Ellek betrieb in Bremen eine Art Agentur für ausländische Arbeitskräfte. Er half bei Behördengängen oder beantragte Sozialleistungen bei der Agentur für Arbeit. Ellek galt bei der Bremer Politik als „Vorzeigetürke“, der sich sozial engagierte und sich als gutes Vorbild für gelungene Integrationsarbeit eignete. Nach kurzer Begrüßung stiegen die beiden Bulgaren in den Ford Transit. Auf der letzten Rückbank saßen bereits drei Männer, deren nationale Herkunft für Stanimir auf den ersten Blick nicht erkennbar war. Bisher hatte Ellek auch nichts über das Ziel der Fahrt verlauten lassen, da er pausenlos mit dem Handy Telefonate führte. Stanimir fühlte sich dabei nicht sehr wohl, da Ellek den Kleinbus ausschließlich mit einer Hand fuhr, während er mit der anderen das Handy an sein Ohr hielt. Nach einer halben Stunde hatten sie die Autobahn erreicht. Stanimir, der kaum Deutsch lesen konnte, entzifferte dennoch das Schild, Oldenburg 28 Kilometer. Danach döste er vor sich hin. Ein Ruckeln ließ ihn wieder wach werden. Augenscheinlich hatten sie die Autobahn verlassen. Sie fuhren jetzt auf einer Art Allee, wobei die Bäume alle eine leichte Neigung gen Osten hatten. Nach etwa 20 Minuten tauchte eine Hinweistafel auf: Carolinensiel 8 Kilometer.

2

Er saß an seinem Schreibtisch und blickte aus dem Fenster. Melancholie hatte ihn erfasst. Nun war es endgültig. Wangerooge würde seine neue Heimat werden. Die Endgültigkeit seiner Entscheidung wurde ihm bewusst. Nicht, dass nun noch Zweifel an ihm nagten, denn sein Entschluss war nach eingehender Beratung und Abwägung aller Argumente gefallen. In dieser Hinsicht hatte er sich nichts vorzuwerfen, aber, wie so häufig, spielten seine Emotionen nicht mit. Der Rückweg nach Bremen war jetzt unwiderruflich abgeschnitten. Sicher, er hatte dort noch Freunde und er würde zu dem einen oder anderen Werder-Spiel ins Weser-Stadion fahren. Das Provisorium Wangerooge aber hatte ein Ende. Er würde zwar kein Insulaner werden, denn diesen Titel konnte man ausschließlich durch Geburt auf der Insel erwerben. Allerdings, „Wangerooger“ hörte sich doch auch ganz gut an.

Lars Petersen hatte lange mit sich gerungen, ob er das Angebot der Bundespolizei annehmen sollte. Nach der Vereitelung eines vermeintlichen Terroranschlags auf eine der Hauptschifffahrtsstraßen war das Bundesinnenministerium auf ihn aufmerksam geworden und hatte ihm Hoffnung auf einen gehobenen Posten bei der Bundespolizei gemacht. Nach den vielen Kränkungen, die er in Bremen erfahren hatte, die dann auch noch in einer Disziplinarstrafe gipfelten, fühlte er sich geschmeichelt. Lob und Anerkennung waren für seine gekränkte Seele wertvoller Balsam. Doch so ganz verfing die Schmeichelorgie bei ihm nicht. Wollte er das eigentlich? Petersen hatte vielleicht noch acht bis neun Dienstjahre vor sich. Die Aufgaben der Bundespolizei waren ihm wohlbekannt. Brisante Einsätze wie Terrorabwehr, bundesweite Razzien gegen Clankriminalität und Abschiebungen würden dann sein tägliches Geschäft werden. Eine tiefe Unruhe hatte ihn befallen, und er hatte etwas getan, was er noch vor einiger Zeit für undenkbar gehalten hätte. Er rief seine alte Liebe Mona Behrens an, die mittlerweile frischgebackene Kommissarin war, um sie um Rat zu fragen. Vor einigen Wochen hatten sie sich in Oldenburg, in einem Lokal am Lamberti-Markt, zum Essen verabredet. Mona hatte sich aufrichtig gefreut, dass sie der „lonesome Cowboy“, so sah sie Petersen, um Rat fragte. Seine emotionale Unnahbarkeit war immer ein Thema zwischen ihnen gewesen, und nun bat dieser erfahrene Polizist, von dem sie viel gelernt hatte, um Hilfe. Petersen und sie hatten dieses Treffen auf ein ausgedehntes Arbeitsessen beschränkt. Beide wussten, was bei einer Übernachtung Petersens in Oldenburg passieren würde. Sie wären mal wieder im Bett gelandet. Beide waren übereingekommen, ein sachlich konstruktives Gespräch zu führen. Diese Wortwahl Petersens hatte Mona amüsiert, aber sie sagte nichts. Zum ersten Mal hatte er sie in einem Sommerkleid gesehen. Bisher kannte er sie nur in Jeans oder in Uniform. Neben ihr war er sich in seinem viel zu kleinem T-Shirt und seiner abgewetzten Jeans komisch vorgekommen. Neben dieser äußerst attraktiven Frau, schien ihn zum ersten Mal der Altersunterschied von 30 Jahren erheblich zu belasten. Hielten die Leute im Lokal ihn vielleicht für einen „Sugardaddy“, der seine gekaufte Braut ausführte? Gott sei Dank war Mona sofort zur Sache gekommen und hatte ihn aufgefordert, die Pro und Contra Argumente des Bundespolizei-Angebotes gegenüberzustellen. Petersen musste bei diesem Vorschlag grinsen. Mona wandte ihr neu erworbenes Wissen von der Polizeiakademie profimäßig an. Folgsam unterzog er sich dieser Prozedur. Die Argumente auf beiden Seiten der Liste hielten sich die Waage. Nun aber stellte sie die entscheidenden Fragen.

„Was willst du eigentlich, was sagt dein Bauch?“

Petersen verzog sein Gesicht und begann zu schwitzen. Mona setzte nach.

„Ist dir in deinem Alter, entschuldige die Anspielung, Karriere noch wichtig? Fremde Umgebung, ständig wechselnde Einsatzorte bei der Bundespolizei, Misstrauen der Kollegen, was will der Inselfuzzi hier? Soweit ich es beurteilen kann, bist du auf Wangerooge ein respektiertes Mitglied der Inselgemeinde. Du bist mit deiner Gitarre in der Kulturszene verankert und nicht zu vergessen, das schöne Feierabendbier beim Magister.“

Nach diesen letzten Worten war die Entscheidung gefallen. Er würde Wangerooge nicht aufgeben.

Gedankenversunken blickte er aus dem Fenster seines Büros. Durch die Erinnerung an dieses Treffen mit Mona war seine Melancholie verflogen. Er war sich der Richtigkeit seiner Entscheidung wieder sicher. Langsam blätterte er im Tagebuch des Reviers. Günter Naumann, der auch in diesem Sommer wieder auf der Insel aushalf, hatte Nachtbereitschaft gehabt. Außer einer Ruhestörung auf der Zedeliusstraße war nichts vermerkt. Neben dem Tagebuch lag die Akte einer Polizeischülerin, die auf Wangerooge ihr Einsatzpraktikum machen sollte. Es war nun schon das dritte Mal, dass ihnen während seiner kurzen Zeit auf der Insel eine Auszubildende bzw. Auszubildender zugewiesen wurde. Onno Behrens, der Leiter des Reviers, hatte mehrfach um personelle Unterstützung für die Sommersaison gebeten. Aber gekommen waren nur Polizeischüler. Wieder einmal fiel Petersen die Aufgabe zu, die Betreuung der Anwärterin zu übernehmen. Onno war nicht mehr voll einsatzfähig. Seine Herzschwäche machte ihm zu schaffen. In ein paar Monaten würde er in Pension gehen. Der Posten des Revierleiters war Petersen versprochen worden, und vor diesem Hintergrund konnte er sich schlecht der Praktikumsbetreuung verweigern. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er sich nun langsam in Richtung Bahnhof bewegen musste. Am „Hangar 7“, dem Bahnhofskiosk, holte er sich noch eine Zeitung. Einige Vermieter warteten mit ihren Bollerwagen auf neue Gäste. Innerlich war Petersen etwas angespannt. Seine erste Anwärterin war Mona gewesen. Mit ihr hatte alles angefangen. Sie hatten sich gegenseitig das Leben gerettet und waren gemeinsam durch viele emotionale Höhen und Tiefen gegangen. Mittlerweile war sie frisch gebackene Kommissarin und arbeitete in Oldenburg im Referat für Organisiertes Verbrechen. Dann kam Anwärter Simon Bernhard, gegenüber dem Petersen sich nicht ganz fair verhalten hatte. Bernhard hatte in Oldenburg ein Verhältnis mit Mona gehabt. Nur schwer hatte Petersen seine Eifersucht beherrschen können, sondern hatte stattdessen seine ungezügelten Emotionen an dem jungen Mann ausgelassen. Für dieses Verhalten verachtete er sich noch heute.

Das Pfeifensignal der Lokomotive der Inselbahn ertönte, ein sicheres Zeichen dafür, dass der Deichschart passiert war und die Ankunft des Zuges bevorstand. Er ärgerte sich über sein flaues Magengefühl. Wenn er jetzt schon wegen der Ankunft einer Anwärterin Muffensausen bekam, war es scheinbar nicht gut um sein Nervenkostüm bestellt. Die Bremsen der Inselbahn quietschten. Der Zug war, so mitten in der Woche, nur mäßig besetzt. Die Rampe für die Rollstuhlfahrer wurde an den entsprechenden Waggon geschoben. Petersens Muskeln spannten sich an. Mit Argusaugen scannte er den Bahnsteig. Aus Richtung der Gepäckcontainer kam eine junge, mittelgroße Frau zielgerichtet auf ihn zu. Sie trug eine Art Trainingshose mit den drei Streifen an der Seite, weiße Turnschuhe und eine schwarze Jacke, die ebenfalls die drei Streifen zeigte. Sie hatte einen Rucksack auf dem Rücken und zog einen Trolley. Irgendwie erinnerte sie ihn wegen ihrer sportlichen Figur und ihres Outfits an eine Spielerin der deutschen Fußballnationalmannschaft der Frauen. Nun fixierte Petersen ihr Gesicht. Sie hatte eine Kurzhaarfrisur, ihre knallroten Haare leuchteten über den ganzen Bahnsteig. Ihr Gesicht hatte freundliche Züge, drückte aber auch eine gewisse Entschlossenheit aus. „Die Frau weiß, was sie will“, murmelte Petersen in sich hinein. Und nun stand sie vor ihm und streckte ihm lachend ihre Hand entgegen.

„Sie müssen Herr Petersen sein. Mein Name ist Rieke Hinrichs, Ihre neue Praktikantin.“

Ihr Händedruck war fest und stark. Für Petersen ein Zeichen für ein starkes Selbstbewusstsein, was in diesem Beruf nicht unbedingt schlecht sein musste.

„Wo kommen Sie eigentlich her?“ Petersen versuchte sich in Smalltalk.

„Delmenhorst bei Bremen, falls Sie das kennen“, kam es zurück.

„Kenn‘ ich, ich komme selbst aus Bremen, außerdem sage ich nur Getränke Hoffmann.“

Rieke Hinrichs lachte.

„Element of Crime, ein Kommissar, der sich in Musik auskennt.“

Das Eis schien gebrochen. Petersen war mächtig stolz auf seinen Einfall mit GetränkeHoffmann. In Höhe Leuchtturm grüßte Frank Eden vom Fahrradverleih.

„Hier kennt wohl jeder jeden, oder?“

„Im Prinzip ja, aber in der Saison sind die Touristen in der Mehrheit“, antwortete Petersen.

Höflich schob er noch eine Frage nach.

„Sie sehen so sportlich aus, treiben Sie Sport außerhalb des üblichen Polizeisports?“

„Danke für das Kompliment. Ich mach‘ in meiner Freizeit Taekwondo.“

„Oha, also richtig Kampfsport“, entfuhr es Petersen.

„Joo, ich bin so eine richtige Kampflesbe!“

Petersen war komplett verdutzt. Ihm fehlten die Worte. Durch seine Sprachlosigkeit entstand eine peinliche Pause.

„Jetzt sind Sie wohl schockiert, oder?“, beendete Rieke Hinrichs die Stille.

„Haben Sie was gegen Lesben, kommen wir trotzdem miteinander klar?“

Petersen versuchte, seine Fassung wieder zu erlangen.

„Natürlich nicht, aber warum erzählen Sie mir das?“

„Damit Sie wissen, woran Sie sind mit mir. Ich bin für klare Verhältnisse.“

„Das spielt doch im Dienst keine Rolle und ist doch auch nicht wichtig. Ich erzähle Ihnen doch auch nicht, worauf ich beim Sex so stehe.“

Er war sich, nachdem er den letzten Satz ausgesprochen hatte, unsicher, ob er zu weit gegangen war. Hinkte sein Vergleich?

Über Rieke Hinrichs Gesicht huschte ein breites Grinsen.

„Wäre aber doch ganz interessant.“

Dann fing sie herzhaft an zu lachen, so dass Petersen auch grinsen musste.

„Spaß beiseite, das war jetzt übergriffig von mir, Entschuldigung. Ich will ja nicht mit Ihnen über unsere sexuellen Orientierungen diskutieren, sondern etwas von Ihnen lernen. Manchmal spielt mir mein vorlautes Mundwerk einen Streich.“

Irgendwie huschte ein Lächeln über Petersens Gesicht. Mit dieser vorlauten Frau würde er noch viel Arbeit haben, aber einen Funken Sympathie konnte er nicht verhehlen. Sie bogen nun in die Charlottenstraße ein. Petersen zeigte auf das kleine geklinkerte Häuschen.

„Da wird nun in nächster Zeit Ihr Arbeitsplatz sein. Eine Bitte habe ich noch, wenn ich Sie gleich den Kollegen vorstelle. Bitte nicht wieder die Lesbennummer machen.“

Rieke Hinrichs lächelte.

„Keine Bange, Chef, das bleibt jetzt unser Geheimnis.“

Von Petersen kam nur ein kurzes „Oha.“

Die Kollegen Siebelts und Naumann schienen schon gespannt auf ihre neue Kollegin gewartet zu haben. Petersen erkannte sofort, dass sie krampfhaft so taten, als hätten sie etwas zu tun. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde wurde Rieke Hinrichs in ihr Zweizimmerappartement im Obergeschoss der Wache geschickt. Für 15 Uhr hatte Petersen einen Inselrundgang in Uniform angesetzt. Als er wieder ins Dienstzimmer zurückkam, grinsten ihn seine Kollegen an.

„Ich glaube, dat ist ‘ne patente Deern“, kam es von Onno. Günter Naumann assistierte.

„Scheint sportlich trainiert zu sein.“

Petersen nickte.

„Sie macht Taekwondo“, klärte er auf.

„Wat is dat denn?“, tat Onno erstaunt.

„Das ist eine asiatische Kampfsportart“, erläuterte Naumann.

„Joo, dann haben wir ja jemanden für unsere Kneipenschlägereien.“

Onno klopfte sich auf die Schenkel. Petersen schüttelte nur den Kopf.

„Etwas mehr Ernsthaftigkeit meine Kollegen, keine Vorschusslorbeeren, abwarten.“

Pünktlich um 15 Uhr meldete sich Rieke Hinrichs in frisch gebügelter Uniform im Dienstzimmer.

„Dat steht dir aber“, bemerkte Onno. Er handelte sich aber sogleich einen strafenden Blick von Petersen ein, der nicht einschätzen konnte, ob Rieke diese Bemerkung als frauenfeindlich empfinden würde.

„So, nun wollen wir mal Flagge zeigen“, mit diesen Worten leitete Petersen den Inselrundgang ein. Über die Charlottenstraße und die Anton-Günther-Straße gelangten sie an die Promenade. Die neue Schirmbar war gut besetzt und am Strand herrschte ein buntes Treiben. Die Volleyballfelder waren besetzt, und an den Strandkörben flatterten die Fahnen verschiedener Fußballklubs. Petersen gab, so wie er es immer machte, wenn Gäste da waren, einige kurze maritime Erklärungen zum Besten. Rieke Hinrichs lauschte gespannt seinen Ausführungen. In Höhe „Strandkorb“ winkten einige der üblichen Verdächtigen ihnen zu.

„Bei den Kneipengängern scheinen Sie ja richtige Fans zu haben“, kommentierte Rieke Hinrichs das Winken aus dem „Strandkorb.“

„Na ja, ich kenne hier halt viele, das bleibt auf so einer Insel nicht aus“, versuchte Petersen das Winken runterzuspielen. Seine Auszubildende sollte nicht gleich den Eindruck bekommen, dass er Kneipengänger sei. Allerdings befürchtete er, dass sich dies auf lange Sicht nicht vermeiden ließ. Rieke Hinrichs setzte aber nach.

„Was macht man denn hier abends so?“

„‘Ne Disco gibt’s hier nicht, da muss ich Sie enttäuschen.“

„Ach so, Sie schätzen mich als Discomaus ein, das ist ja interessant.“

„Nein“, wand sich Petersen, „aber junge Leute fragen das hier immer.“

„Was machen Sie denn abends, wenn Sie keinen Dienst haben?“

Jetzt saß er in der Falle.

„Na ja, ab und zu treffe ich mich mit meinen Musikerkumpels zum Üben. Ich spiele Gitarre, ja und nach den Proben gehen wir schon mal ein Bier trinken.“

Rieke lächelte verschmitzt. So richtig nahm sie Petersen die Antwort nicht ab. Schon bahnte sich die nächste Klippe an. Vor dem „Café Treibsand“ saß der Magister bei einem Cappuccino. Petersen versuchte noch, auf die linke Straßenseite zu wechseln. Aber da war es schon passiert.

„Meister Eder und sein Pumuckl“, dröhnte es in Anspielung auf die roten Haare von Rieke Hinrichs über die Straße. Rieke drehte sich sofort zur Seite und wollte auf den Magister losgehen. Petersen zog an ihrer Uniformjacke.

„Cool bleiben, nicht provozieren lassen, weitergehen“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Sie ging zwar weiter, aber ihr Zorn war noch nicht verflogen.

„Was war das denn für ein Vollpfosten, das muss man sich doch nicht gefallen lassen?“

„Nein, das kläre ich auf meine Art. Das war der Magister, der Wirt vom „Störtebeker“, so eine Art Kultfigur, der hat hier Narrenfreiheit, der leidet unter Gag Tourette.“

Gespannt wartete Petersen auf ihre Reaktion. Für einige Sekunden war Stille, dann brach ein herzhaftes Lachen aus ihr heraus.

„Geiler Spruch, Chef! Sie haben Humor, wo haben Sie das denn her?“

„Ist nicht von mir, hab‘ ich mal irgendwo so gehört.“

„Trotzdem darf man dem das doch nicht durchgehen lassen“, antwortete Rieke, „Sie müssen das nicht für mich klären. Ich kann das schon selbst regeln“, dabei stemmte sie leicht trotzig ihre Hände in die Hüfte.

„Das glaube ich Ihnen aufs Wort bei Ihren Taekwondo-Kenntnissen. Aber als Polizist wird man häufig provoziert. Der meint das nicht böse, der ist halt so, der haut einen Spruch nach dem anderen raus, und genauso werden wir es ihm heimzahlen“, zwinkerte er ihr zu.

„Was soll das denn nun heißen?“

„Demnächst gehen wir zusammen zu einem Feierabendbier ins „Störtebeker“, halbdienstlich, vorher keine Einzelaktionen, verstanden?“

„Aye, aye Sir!“

Irgendwie begann Rieke Hinrichs ihren Chef zu mögen.

3

Am nächsten Morgen saßen alle Beamten des Polizeipostens Wangerooge bei einem gemeinsamen Frühstück zusammen. Rieke Hinrichs hatte zu ihrem Einstand für Brötchen und Aufschnitt gesorgt, was bei ihren neuen Kollegen gut ankam. Zwanglos wurden die Abläufe des Dienstalltags beraten. Die junge Anwärterin bekam auf diese Art und Weise schon einen kleinen Einblick in die Polizeiarbeit auf Wangerooge. Gerade als Onno Siebelts, der formal immer noch der Dienststellenleiter war, über die Verteilung der künftigen Nachtbereitschaften referierte, klingelte das Telefon. Günter Naumann nahm das Gespräch entgegen und aktivierte sogleich die Mithörtaste. Am Apparat war der Küster der St. Nikolai Kirche, Fokko Janssen.

„Als ich heute Morgen die Kirche aufgeschlossen habe, fehlte der Opferstock im Vorraum. Der Kasten ist fest an die Wand gedübelt. Jetzt ist er nicht mehr da. Könnt ihr euch das mal ansehen? Wer macht denn sowas hier?“

„Bleiben Sie bitte in der Kirche. Wir kommen gleich und nichts anfassen.“

Naumann legte den Telefonhörer zurück auf die Station. Onno, als alteingesessener Insulaner, war fassungslos.

„Haben die denn vor nichts mehr Respekt? Jetzt wird schon Spendengeld geklaut und das auf unserer kleinen Insel. Ich fasse es nicht.“

Betretenes Schweigen in der Runde. Lars Petersen beendete die Sprachlosigkeit.

„Es hilft ja nichts. Es gibt Arbeit. Ich gehe mit der Kollegin Hinrichs zur Kirche. Wenn wir mehr Informationen haben, müssen wir einen Aufruf starten. So unter dem Motto, wer hat den Opferstock gesehen? Sachdienliche Hinweise usw. Günter, machst du das?“

Naumann nickte. Petersen hatte, wie immer in letzter Zeit, schon die Chefrolle übernommen. Onno protestierte nicht. So kurz vor der Pensionierung hatte er nicht mehr die Kraft für solche Aktionen.

„Wo ist eigentlich unser Spurensicherungskoffer?“, fragte Petersen.

Onno ging an den hinteren Schrank und stellte einen metallic silbernen Koffer auf den Tisch.

„Hier is‘ he.“

In letzter Zeit brachte Onno immer häufiger wieder plattdeutsche Redewendungen an den Mann. Petersen musste dann immer schmunzeln. Es erinnerte ihn an seine Großeltern, die ausschließlich plattdeutsch miteinander sprachen.

Ohne zu murren, nahm Rieke Hinrichs den Spurensicherungskoffer. Nachdem Petersen sich die Uniformjacke angezogen hatte, zogen beide in Richtung St. Nikolai Kirche los.

Die St. Nikolai Kirche war die evangelische Kirche der Insel und befand sich in der Nähe des Bahnhofs. Sie lag auf einer leichten Anhöhe. Der geklinkerte Kirchenbau war an seiner Rückseite von alten Bäumen umringt. Durch die ständige Ostwanderung der Insel musste die alte Kirche aufgegeben werden. 1866 wurde an gleicher Stelle eine kleine Kapelle errichtet, die dann durch den heutigen Bau, errichtet im Jahre 1910, abgelöst worden war. Petersen, der selbst nicht gläubig war, hatte die Kirche einmal anlässlich eines Gospelkonzertes besucht und sich danach über die Geschichte der Kirche informiert. Er hütete sich, sein geballtes historisches Wissen bei Rieke Hinrichs an die Frau zu bringen. Bei solchen Sachen musste er sich immer etwas zurücknehmen, um wegen seines historischen Interesses nicht oberlehrerhaft rüberzukommen.

Am Eingang der Kirche wurden sie schon von Küster Janssen erwartet. Dieser hatte die Kirche wieder abgeschlossen, um zu verhindern, dass normale Besucher das Gotteshaus betraten. Petersen bat ihn, die Kirchentür noch nicht zu öffnen.

„Wann haben Sie den Diebstahl bemerkt?“

„Heute Morgen als ich aufgeschlossen habe.“

„Ist denn die Kirchentür gewaltsam geöffnet worden?“

„Nein, ich glaube nicht. Ich erkenne keine Aufbruchspuren.“

Petersen begutachtete das Schloss.

„Mmh, ich erkenne auch nichts, schließen Sie mal auf.“

Vorsichtig betraten sie den Eingangsbereich der Kirche. Petersen musterte die Wände. Das Außenfenster war mit einer schönen Glasmalerei versehen. Auf der linken Seite hing ein Regal mit Postkarten, die Naturmotive darstellten. Janssen zeigte auf die Stirnwand.

„Hier sind noch die Löcher der Dübel zu erkennen. Sie sind ausgefranst, wahrscheinlich durch das Aushebeln.“

Petersen nickte. Rieke Hinrichs wurde aufgefordert, Fotos von der Wand zu machen.

„Wenn Sie das heute Morgen bemerkt haben, und die Tür nicht aufgebrochen wurde, dann muss das doch schon gestern passiert sein?“, wandte sich Petersen an den verunsicherten Küster, der bei Petersens Frage einen leicht roten Kopf bekam.

„Ja, darüber denke ich die ganze Zeit schon nach. Ich habe gestern gegen 20 Uhr die Kirche abgeschlossen, aber nichts bemerkt. Wahrscheinlich habe ich den Diebstahl übersehen im alltäglichen Trott. Mir ist das richtig peinlich.“

„Okay, kann passieren. Wer hat denn noch einen Schlüssel?“

„Der Pastor.“

„Den müssen wir dann auch noch sprechen. Jetzt lassen Sie meine Kollegin und mich mal unsere Arbeit machen. Ach, noch was, was war denn da so immer für eine Summe drin, wenn sie den Kasten geleert haben?“

Küster Janssen verzog seinen Mund und wiegte seinen Kopf.

„Ich habe den Opferstock wöchentlich geleert. Mehr als 30 Euro lagen da nie drin.“

Rieke Hinrichs räusperte sich.

„Für so wenig Geld so ein Aufwand, unfassbar.“

Petersen nickte.

Als die beiden Beamten allein waren, öffnete Rieke Hinrichs den Spurensicherungskoffer.

„Fotografieren Sie mal alles aus allen Perspektiven, das reicht. Fingerabdrücke auf der porösen Wand werden wir nicht finden. Wir brauchen den Kasten. Vielleicht kann uns der Janssen ein Bild besorgen.“

Petersen kratzte sich seinen Bart und ging in das Kirchenschiff. Die Schlichtheit des Raumes beeindruckte ihn. Hinter dem Altar sah er das schlichte Holzkreuz, rechts hing ein Segelschiffsmodell an der Decke, und an der Wand war ein Rettungsring angebracht. Der maritime Charakter dieses Raumes gefiel ihm. Langsam ließ er sich auf eine der Kirchenbänke nieder und vergaß einen Moment seine Umwelt und den Grund, warum er hier war. Er war so in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkte, dass Rieke Hinrichs im Gang der Kirche vor ihm stand.

„Sind Sie gläubig, Chef?“, fragte sie vorsichtig. Er schüttelte den Kopf.

„Nee, aber ich finde Kirchen als Orte der Besinnung und als bauhistorische Denkmäler immer wieder interessant.“

„Oha, Sie sind ja ein richtiger Intellektueller“, Rieke grinste ihn schelmisch an.

„Sind Sie fertig mit den Fotos?“

Petersen ignorierte ihre Bemerkung und wurde dienstlich.

„Wer macht so etwas, Täterprofil?“

Er forderte sie mit einer Handbewegung auf, sich hinzusetzen.

Nach kurzer Pause des Nachdenkens versuchte sie zu erklären.

„Normale Inselbewohner würde ich ausschließen. Da gibt es immer noch Respekt vor der Kirche und den gesammelten Geldern, die ja für einen guten Zweck bestimmt sind. Touristen würde ich auch mal ausschließen.“

„Schulklassen?“, unterbrach Petersen.

„Ja, Mutproben, Dumme-Jungs-Streiche, das halte ich für möglich. Na ja, und dann der Klassiker, Drogis, die kennen keine Hemmungen, um an Kohle für die Befriedigung ihrer Sucht zu kommen.“

Petersen nickte.

„Einverstanden. Ich denke noch an Personen, die emotional mit der Insel nichts zu tun haben und hier nur kurzfristig arbeiten, schlecht bezahlte Leute. Okay, viel hilft uns das auch nicht weiter. Wir brauchen ein Foto von dem Opferstock, das geben wir dann an die Zeitungen.“

„Bei so einer Lappalie?“, warf Rieke Hinrichs ein.

„Stimmt, in der Großstadt würden wir bei so einem Delikt keinen Finger krumm machen und gleich einen Brief rausschicken, Verfahren eingestellt. Hier hat das aber eine andere Bedeutung. Die Kirche auf einer kleinen Nordseeinsel wird beraubt, das hat symbolische Bedeutung. Na ja, es könnte sein, dass wir durch die Bilder in der Zeitung ja tatsächlich Hinweise bekommen.“

„Vielleicht sollten wir in den Geschäften Aushänge machen“, schlug Rieke vor.

„Sehr guter Vorschlag, viele Leute lesen ja heute keine Zeitung mehr.“

Sie freute sich über das Lob ihres Chefs. Langsam erhoben sie sich, packten die Sachen zusammen und gingen in Richtung Gemeindehaus. Dort hatten sie Glück, ein Bild des Opferstocks war vorhanden. Küster Janssen versprach, es zur Wache zu mailen. Auch Pastor Jensen trafen sie an. Den Kirchenschlüssel hatte er immer am Schlüsselbund, somit konnte hier ein Diebstahl des Schlüssels ausgeschlossen werden.

In der Wache wurde sofort ein kleiner Zeitungstext mit Bild aufgesetzt und an die NWZ und an das Jeversche Wochenblatt weitergeleitet. Rieke Hinrichs kümmerte sich um die Gestaltung eines Flugblatts.

„Wo wollen wir das austeilen bzw. aushängen?“, fragte Günter Naumann.

Onno Siebelts der Noch-Leiter des Reviers und Urgestein der Insel meldete sich.

„Das übernehme ich. Es reichen die beiden Bäckereien und Supermärkte, da kommen alle vorbei.“

Er nahm sich ein paar Blätter, die gerade aus dem Kopierer rauschten und zog ab. Petersen war froh, dass Onno sich nicht ausgeschlossen fühlte und ab und an noch Aufgaben übernahm. Naumann meldete sich zu einer Streifenrunde ab. Eigentlich wollte er Rieke Hinrichs mitnehmen, aber Petersen wiegelte ab.

„Wir haben noch etwas vor, wir beide.“

Naumann grinste. Rieke sah ihren Chef zweifelnd an.

„Wir haben noch jemandem einen Besuch abzustatten.“

Rieke Hinrichs konnte mit diesem Hinweis nichts anfangen, wollte aber auch nicht weiter nachfragen. Nach etwa einer halben Stunde blickte Petersen auf die Zeiger seiner alten analogen Uhr.

„Okay, wir können jetzt los.“

„Wohin los?“

„Abwarten.“

Mit einem verschmitzten Lächeln forderte er Rieke auf, ihm zu folgen. Über die Kapitän-Wittenberg-Straße bogen sie in die Friedrich-August Straße ein. Als Rieke die grünen Jever Sonnenschirme sah, ahnte sie, was jetzt kommen würde. Ein grünes Schild hing über dem Eingang der Kneipe. „Zum Störtebeker“ stand dort geschrieben. Die Leuchtreklame war noch nicht eingeschaltet. Im Fenster neben der Eingangstür sah sie eine Fotografie von einem Bierglas. An dem Bierglas befand sich Grünzeug, sieht irgendwie nach Basilikum oder Minze aus, dachte sie sich. Über dem Bild stand: „Cocktail des Tages.“ Petersen öffnete die Kneipentür. Hinter der Theke war niemand zu sehen.

Petersen brüllte ein lautes „Moin“ in den Raum. „Polizei hier.“

Rieke Hinrichs musterte den Kneipeninnenraum. Überall hingen Fischernetze, Reusen und Fischkisten von der Decke. Links auf der Empore saß der große Mann, der sie gestern auf der Straße angepöbelt hatte, Kurzhaarfrisur, dunkle Brille. Er zog langsam an seiner Zigarette, verzog keine Miene und starrte aus dem Fenster. „Der hat Gag Tourette“, hatte Petersen gestern zu ihr gesagt. Dieser Gedanke ging ihr durch den Kopf, als Petersen und sie auf die Empore kletterten.

„Die Kneipe ist noch zu. Musst du jetzt schon trinken, Sheriff? Dann machst du es nicht mehr lange“, wurde Petersen angeblafft.

„Wir sind dienstlich hier“, antwortete Petersen sehr förmlich. „Es liegt eine Anzeige gegen dich vor.“

Dem Magister entgleisten die Gesichtszüge.

„Die Musik war doch gestern gar nicht laut. Ich glaub‘, ich spinne. Deutschland ist ein Land von Querulanten geworden.“

Jetzt war es vorbei mit seiner Coolness. Etwas zittrig fingerte er eine neue Zigarette aus der Packung.

„Welches Arschloch war das?“

„Darum geht es doch gar nicht. Es liegt uns eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung vor.“

Langsam verstand Rieke, welches Spiel Petersen mit dem Wirt trieb. Krampfhaft versuchte sie, sich nichts anmerken zu lassen.

„Beamtenbeleidigung, du hast ja ein Rad ab. Wen soll ich denn beleidigt haben?“

„Du hast meine junge Kollegin als Pumuckl bezeichnet.“

„Wer will das denn angezeigt haben?“

Petersen kramte aus seiner Uniformjacke ein Anzeigenformular heraus.

„Gäste vom Café Treibsand.“

„Ich glaub mein Schwein pfeift, das war doch ein Spaß. Ich wollte das junge Mädchen doch nicht beleidigen.“

„Vorsicht, dünnes Eis, junges Mädchen geht gar nicht.“ Petersen blieb ernst. Der Magister wandte sich jetzt an Rieke.

„Ich wollte dich nicht beleidigen. Erst einmal willkommen auf Wangerooge. Ich bin der Magister, Nachfahre des einzigen akademischen Seeräubers, Magister Wygbold.“

Petersen rollte mit den Augen.

„Es gibt nur eine Möglichkeit, aus der Sache glimpflich rauszukommen, ein Bußgeld in Form zweier Getränke.“

Rieke konnte sich nicht mehr halten. Der Magister verlor die Fassung.

„Du Halunke hast mich verarscht. Das sind Mafiamethoden, die Polizei erpresst sich die Zeche. Das kenn‘ ich nur von St. Pauli, wo die Bullen im Puff umsonst vögeln durften. Also gut, was wollt ihr trinken?“

Jetzt nicht, wir sind hier in Uniform. Es wird sich noch eine Gelegenheit ergeben. Die Stimmung war jetzt entspannt.

„Und auf sowas fall‘ ich rein“, murmelte der Magister.

Dann sprach er Rieke an.

„Wo kommst du denn her?“

Brav, wie eine Schülerin, antwortete sie:

„Aus Delmenhorst bei Bremen.“

„Das ist bitter.“

Petersen konnte sich kaum halten vor Lachen. Auch Rieke musste grinsen, obwohl der Gag auf ihre Kosten ging. Danach machten die beiden Polizisten den Abgang. Vor der Kneipe lache Rieke. „Geile Nummer, Chef.“

4

Es waren zwei Tage vergangen, ohne dass es einen Hinweis auf den verschwundenen Opferstock gab. Der Diebstahl hatte zwar auf der Insel für großes Aufsehen gesorgt und wurde heiß diskutiert, aber ein Ermittlungsfortschritt war nicht erkennbar. Heute frühstückte Petersen in seiner Dienstwohnung. Onno hatte einen Arzttermin, Günter Naumann wegen seiner Nachtbereitschaft den Vormittag frei und Rieke Hinrichs wollte am Strand Joggen gehen. Gestern Abend hatte Mona angerufen, um sich nach der neuen Anwärterin zu erkundigen. Als Petersen wahrheitsgetreu den Begriff „Kampflesbe“ gebrauchte, bekam er von ihr sogleich einen Einlauf.

„Was soll denn dieser Chauvispruch?“

„Das hat sie wirklich als erstes zu mir gesagt“, hatte Petersen beteuert.

„Vielleicht wollte sie gleich einen Riegel vorschieben, damit du sie nicht angräbst.“

„Quatsch, ich grabe keine Anwärterinnen an.“

Lachen in der Leitung.

„Stimmt, ich habe mich dir zu Füßen geworfen.“

Jetzt hatten beide gelacht. Das Verhältnis zu Mona hatte sich verändert. Irgendwie war beiden klar, dass auf die Distanz eine Beziehung nicht funktionieren würde. Hinzu kam der große Altersunterschied. Wenn sie sich trafen, kam es zwar immer zu einem erotischen Knistern, aber Besitzansprüche wurden nicht mehr erhoben.

Petersen blickte sich in seiner Dienstwohnung um. Er hatte Poster und Bilder aufgehängt, aber es war immer noch eine Dienstwohnung mit dem Charme der 60iger Jahre. Eigentlich suchte er, nachdem er sich für ein Bleiben auf der Insel entschieden hatte, nach einer eigenen Wohnung. Hier aber saß er nun, genauso wie andere Inselbewohner, in der Falle. Bezahlbarer Wohnraum war rar. Die finanzstarken Investoren vom Festland hatten die Insel im Würgegriff. Es wurde zwar auf der Insel viel gebaut, aber eben nur Ferienwohnungen, die die Hälfte des Jahres leer standen. In den dunklen Monaten glich die Insel einer Geisterstadt, dunkle Wohnungen ohne Ende. Hausmeisterdienste und Ferienwohnungs-Vermittlungen hatten Hochkonjunktur. Sogar die Menschen, die dort arbeiteten, besaßen selbst keinen bezahlbaren Wohnraum. Auf dem Weg nach unten in die Diensträume begegnete er Rieke Hinrichs, die völlig außer Atem vom Jogging kam.

„Dass der Deich da hinten erhöht wird, das hätten Sie mir ja mal sagen können. Ich wollte so schön vom Strand über den Deich zurücklaufen.“

„Hallo, Sie haben mich ja nicht gefragt. Woher soll ich denn wissen, wo Sie joggen?“

„Ist ja gut, war nicht ganz ernst gemeint. Ich springe schnell unter die Dusche und melde mich dann dienstbereit.“

„Aye, Aye!“

Fast hätte er ‚Sir‘ gesagt. Das Wort war ihm aber im Halse stecken geblieben. Die weibliche Form kannte er nicht. Dann lieber nichts sagen, bevor er böse Blicke kassiert hätte. Nachdem er seinen PC hochgefahren hatte, studierte er das Reviertagebuch. In der vergangenen Nacht war es ruhig geblieben, keine Ruhestörungen, wie sie sonst in den langen Sommernächten üblich waren. Das Telefon läutete, die Nummer verhieß nichts Gutes, Notrufzentrale Oldenburg. Jemand auf der Insel musste die 110 gewählt haben.

„Moin Kollege, nichts Schlimmes, keine Leiche oder ähnliches. Wir haben eben einen anonymen Anruf bekommen. Bei euch ist doch in der Kirche was geklaut worden. Ich spiel dir das mal vor.“

Inzwischen hatte Rieke Hinrichs das Dienstzimmer betreten. Petersen drückte die Mithörtaste.

„Kasten von Kirche liegen bei stables, Container“, stammelte die Stimme.

Der Anrufer sprach augenscheinlich nur gebrochen Deutsch und benutzte dann eine englische Vokabel.

„Kannst du mir das Gespräch als Datei auf meinen PC senden. Ihr archiviert die Gespräche doch immer“, bat Petersen.

„Okay, wird gemacht, noch schönen Tag bei euch da oben.“ Dann beendete der diensthabende Beamte in der Notrufzentrale Oldenburg das Gespräch. Petersen und Rieke schauten sich ratlos an.

„Was war das denn?“ Rieke verzog ihr Gesicht.

„Warten wir mal auf die Datei, stables heißt doch Stall auf Deutsch, oder hab‘ ich in der Schule nicht aufgepasst?“

Rieke nickte. Ein kurzer Ton aus dem PC signalisierte, dass die Datei angekommen war. Dreimal hörten sich die beiden Beamten den Anruf an. Dann ging Petersen an den Inselplan, der an eine Wand neben den Schreibtischen geheftet war.

„Der Anrufer will uns sagen, dass der Opferstock bei einem Stall liegt.“

„Gibt es denn auf der Insel Ställe?“

„Ja, ich glaube wir haben drei Reitställe. Ich such‘ die gerade mal hier auf der Karte.“

Petersen fuhr mit dem Zeigefinger über den Lageplan.

„Notieren Sie mal eben!“

„Einmal Richthofenstraße, dann Am Alten Deich und hier haben wir noch einen in der Rösingstraße, einen Ponyhof.“

Rieke legte den Zettel mit den Straßennamen auf Petersens Schreibtisch.

Petersen nahm den Zettel, legte ihn dann aber wieder weg, und kratzte sich seinen Dreitagebart.

„Welche Nationalität hatte der Anrufer, haben Sie eine Vermutung?“

Rieke kräuselte ihre Stirn.

„Ich tippe auf Osteuropa.“

Petersen nickte. Er vermutete in die gleiche Richtung.

Rieke fiel noch etwas ein.

„Auf der Polizeischule haben die uns erzählt, dass es jetzt Assistenzprogramme gibt, mit denen man Dialekte und Sprachen entschlüsseln kann, wurde für das BAMF entwickelt. Sie wissen schon Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Damit soll die Identität von Flüchtlingen festgestellt werden, die keine Papiere dabeihaben.“

Petersen grinste seine junge Kollegin an.

„Sehr gut aufgepasst. Sie bringen es noch bis zur Kriminalrätin.“

„Verarschen kann ich mich alleine“, giftete Rieke zurück.

„Ein bisschen Spaß muss sein“, intonierte Petersen.

Jetzt musste Rieke lachen.

„Schreckliche Schlagermucke, Ihre Altersklasse.“

„Moment Mal, Schlager werden doch im Moment vor allem von jungen Menschen gehört. Wer feiert denn heute im Dirndl und in Lederhosen? Aber nun mal Schluss mit der Alberei. Für so eine Lappalie, wie unseren Opferstock, setzten die doch nicht solche aufwändigen Programme ein. Vor allem, was bringt uns das? Wir müssen die Kiste erst einmal finden.“

Auch Rieke wurde jetzt wieder ernst.

„Wie gehen wir vor, Chef?“

„Jetzt kommt gute alte Polizeiarbeit, abklappern und suchen.“

In diesem Moment betraten Onno Siebelts und Günter Naumann die Wache. Petersen brachte sie kurz auf den neuesten Stand. Sie beschlossen, sich aufzuteilen. Der Hinweis auf die Container sprach für den Stall an der Richthofenstraße. Onno und Günter übernahmen den Ponyhof, Petersen und Rieke die beiden anderen Ställe. Die Besitzerin des Reiterhofs am Alten Deich verhielt sich sehr kooperativ und half beim Suchen. Aber nach einer halben Stunde gaben sie die Suche auf. Über den Teilabschnitt des neu erhöhten Deichs gingen Petersen und Rieke zur Richthofenstraße. Hier war das Gelände etwas unübersichtlicher, überall Büsche und hohes Gras. An der Grenze zum Betriebshof der NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) meinte Rieke, ein Blinken in der Sonne gesehen zu haben. Sie fluchte über das Dornengestrüpp, das ihren Händen rote Striemen zufügte. Aber die Mühe hatte sich gelohnt. Da lag er, der schwarzbraune Kasten, etwas verbeult. Die Vorderklappe war aufgerissen. Da sie nichts falsch machen wollte, rief sie nach Petersen.

„Chef, ich hab‘ ihn!“

Nachdem Petersen sich stöhnend durchs Gestrüpp durchgekämpft hatte, fingerte er seine Plastikhandschuhe aus der Uniformjacke und nahm den Opferstock unter den Arm.

Im Besprechungsraum wurde der Opferstock auf den Tisch gestellt. Petersen holte den Spurensicherungskoffer aus dem Schrank und wandte sich an seine Auszubildende.

„Nun zeigen Sie mal, was Sie auf der Polizeischule gelernt haben.“

Rieke rollte zwar mit den Augen, aber ohne zu murren, begann sie, den Metallkasten mit dem schwarzen Tonerpulver einzupinseln, um mögliche Fingerabdrücke sichtbar zu machen. Onno und Günter waren inzwischen auch vom Ponyhof zurückgekommen, nachdem Petersen ihnen den Fund des Opferstocks gemeldet hatte.

Gerade als alle eine Kaffeepause machen wollten, betrat eine Frau das Dienstzimmer. Sie hatte eine Kurzhaarfrisur und um ihren Hals ein regenbogenfarbenes Tuch gewickelt. Das mit Nordseemotiven bedruckte T-Shirt passte farblich zu dem fußlangen seidenen Rock. Petersen, der gerade am Tresen der Wache stand, musterte die Frau aufmerksam. Freundlich fragte er:

„Womit kann ich Ihnen helfen?“

„Ich möchte Anzeige erstatten“, kam es in einem etwas ärgerlichen Ton zurück. Petersen nahm aus der Ablage ein Anzeigenformular.

„Was möchten Sie denn nun anzeigen?“

„Das Schiff da draußen.“

„Ich verstehe Sie nicht. Sie wollen ein Schiff anzeigen?“

Ihm stand das Fragezeichen ins Gesicht geschrieben. Die anderen Beamten drehten neugierig ihre Köpfe in Richtung Tresen. Selbst Rieke im Nebenraum hörte auf zu pinseln und versuchte, die Unterhaltung zu belauschen.

„Ich hab‘ mich wohl falsch ausgedrückt“, korrigierte die Frau.

„Da draußen vor der Insel fährt ein relativ großes Schiff auf und ab und stößt schwarzen Rauch aus. Ich denke, die verbrennen da etwas. Das ist doch illegal, Müllverbrennung oder etwas Ähnliches. Diesen Vorgang möchte ich untersucht wissen.“

Petersen entgleisten die Gesichtszüge. Hinter seinem Rücken spürte er die grinsenden Blicke seiner Kollegen. Sie alle warteten gespannt, wie er wohl reagieren würde.

„Ich glaube Sie sind hier falsch, da müssen Sie sich an die Umweltbehörde wenden.“

„Ich lass‘ mich hier nicht abwimmeln. Sie sind die Polizei und verpflichtet, mögliche Straftatbestände aufzuklären.“

Wo sie Recht hat, hat sie Recht, dachte Petersen und versuchte es andersherum.

„Wie sieht das Schiff denn aus? Können Sie es beschreiben?“

Die Frau kramte in ihrem Leinenbeutel, auf dem etwas von Nordseeheimat geschrieben war.

„Gelber Schornstein, schwarzer Rumpf und die Umrandung des Schiffes ist rot angestrichen.“

„Mmh, das sieht nach einem Behördenfahrzeug aus.“

„Wonach das aussieht, ist mir völlig egal. Ich möchte, dass das geklärt wird.“

Der Ton verschärfte sich. Die Stimme der Beschwerdeführerin wurde schriller. Petersen begann leicht zu schwitzen. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft. Zum Glück schaltete sich jetzt Onno ein.

„Ich lebe jetzt schon über 30 Jahre auf der Insel. Ich tippe auf ein Baggerschiff.“

„Worauf Sie tippen, ist mir völlig egal. Ich möchte Gewissheit!“

Ihre Stimme überschlug sich jetzt. Günter Naumann, der ja nur im Hochsommer auf der Insel seinen Dienst tat und sonst in Cuxhaven beheimatet war, machte einen Vorschlag.

„Wir rufen jetzt die Revierzentrale in Wilhelmshaven an und fragen nach, um welches Schiff es sich handelt.“

Die Frau zeigte durch ein kurzes Nicken ihr Einverständnis. Naumann nahm sich das Telefonbuch vor und Petersen googelte nach der Nummer der Revierzentrale. Petersen war schneller und griff sofort zum Telefonhörer. Der wachhabende Beamte schien ihn nicht ernst zu nehmen.

„Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, seit wann interessiert sich denn die Polizei auf Wangerooge für den Schiffsverkehr?“

Petersen versuchte, ihm die Situation möglichst unkompliziert zu erklären. Nachdem der Mann verstanden hatte, welches Problem Petersen hatte, warf er einen kurzen Blick auf die Marine Traffic Karte.

„Das ist die ‚Nordsee‘, unser Saugbagger, der bearbeitet die Fahrrinne. Und damit die Dame beruhigt werden kann, das Schiff kann auch zur Ölbekämpfung eingesetzt werden.“

Ironisch fügte er noch an.

„Mann, oh, Mann, eure Probleme möchte ich haben, einmal Polizist auf Wangerooge sein.“

Petersen ersparte es sich, den letzten Spruch zu kommentieren. Freundlich erläuterte er die neu gewonnen Erkenntnisse der besorgten Bürgerin. Sie schien sich mit der Erklärung zufrieden zu geben. Petersen war erleichtert. Im Rausgehen gab sie aber noch einen Hinweis.

„Sie können den Behörden ruhig empfehlen, im Schornstein dieses Schiffes einen Rußfilter einzubauen.“

Die Außentür fiel ins Schloss. Erleichtert ließen sich die Beamten in ihre Bürosessel fallen.

Von Onno kam nur, „wat ist denn nun mit Tee?“