Zerbrochen auf Wangerooge - Malte Goosmann - E-Book

Zerbrochen auf Wangerooge E-Book

Malte Goosmann

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Beschreibung

In der Nähe eines ehemaligen Kinderheims auf Wangerooge werden in den Dünen die Überreste eines menschlichen Skeletts gefunden. Handelt es sich um einen prähistorischen Fund oder steckt vielleicht ein Verbrechen dahinter? Kommissar Petersen steht mal wieder vor einem Rätsel. Fast zeitgleich kommt es in Bremen zu einem äußerst brutalen Mord an einer Frau. Während der Ermittlungen stößt eine junge Mitarbeiterin der Bremer Kriminalpolizei in der Wohnung des Mordopfers auf Spuren, die auf die Nordseeinsel Wangerooge hinweisen. Kurz darauf wird dann auch auf Wangerooge eine sehr alte Dame auf grausame Art und Weise ermordet. Petersen erkennt deutliche Parallelen zum Bremer Fall und versucht, fieberhaft eine Verbindung zwischen den Morden herzustellen. In seinem sechsten Fall arbeitet er wieder eng mit den Bremer Kollegen zusammen. Die Recherche reicht weit in die Vergangenheit und bringt zutiefst erschütternde Geschehnisse ans Tageslicht.

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Zerbrochen

auf

Wangerooge

Petersens sechster Fall

Copyright: © 2022 Malte Goosmann

Self-publisher

Cover Design & Buch-Layout: Monika Goosmann

Titelbild: Zeichnung von Monika Goosmann

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Jedwede Verwendung des Werkes darf nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors erfolgen. Dies betrifft insbesondere die Vervielfältigung, Verbreitung, Übersetzung und Verfilmung.

1

Schwer atmend verließ der Mann die Villa am Osterdeich. Zunächst riss er sich die FFP2-Maske von Mund und Nase, dann trat er aus dem Eingangsportal. Die ersten Sonnenstrahlen des beginnenden Frühlings trafen sein Gesicht. Was viele Menschen nach diesem langen Winter als angenehm empfinden würden, löste bei ihm keine Wirkung aus. Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gebildet. Die Geister der Vergangenheit, die er glaubte, besiegt zu haben, krochen wieder in ihm hoch. Er öffnete mit zittrigen Händen die ersten beiden Knöpfe seines Oberhemdes und schnappte nach Luft. Noch stand er im Garten der Villa aus der Gründerzeit, in der sich die psychotherapeutische Praxis von Frau Dr. Müller-Lubinski befand. Nach seinem ersten Zusammenbruch, der in einer Katastrophe geendet war, hatte er schon einmal in einer psychotherapeutischen Praxis Zuflucht gesucht. Die therapeutischen Gespräche hatten damals die Traumata seiner Kindheit abgemildert, so dass er arbeitsfähig gewesen war. Zwar litt er weiterhin unter Schlaf- und Essstörungen, auch seine klaustrophobischen Anfälle waren nicht ganz verschwunden, aber er hatte ein halbwegs normales Leben führen können.

Er öffnete die Gartenpforte und trat auf den Osterdeich. Die Straße, die diesen Namen trug, befand sich auf der Deichkrone dieses mächtigen Bauwerks, das die Bremer Altstadt vor den Fluten der Weser schützte. Sein Blick fiel auf das Weser-Stadion, das direkt gegenüber lag. Schon lange hatten hier keine Spiele mehr vor Publikum stattgefunden. Die Pandemie hatte sein Verhältnis zum Fußball verändert. Gern war er früher zu den Heimspielen des SV Werder gegangen, aber durch die lange Abstinenz vom Live-Erlebnis hatte das Suchtpotential des Fußballs bei ihm keine Wirkung mehr gezeigt. Lange musste er warten, bis er die stark befahrene Straße überqueren konnte. Nachdenklich stieg er die Treppe zum Stadion hinunter, steuerte irgendwo hinter dem Stadion eine Bank an, von der aus er einen freien Blick auf die Weser hatte.

Der Hass hatte sich langsam wieder seiner bemächtigt. Im Prinzip hatte er es kommen sehen. Um dem zu entkommen, hatte er sich nun erneut in psychotherapeutische Behandlung begeben. Frau Dr. Müller Lubinski war sehr zielstrebig auf das gestoßen, was ihm in seiner Kindheit angetan worden war. Immer bohrender wurden ihre Fragen nach der Art und Weise, wie er seinen ersten Zusammenbruch verarbeitet habe. Ob etwas Außergewöhnliches vorgefallen sei. Hilfesuchend hatte er an die stuckverzierte Decke der Praxis gestarrt. Darüber konnte er auf gar keinen Fall reden. Der Ausweg, den er für sich gefunden hatte, war tief in seiner Seele vergraben. Niemand, auch keine Therapeutin, sollte daran rühren. Über die Grausamkeiten, die ihm persönlich angetan worden waren, konnte er Auskunft geben, wie eingeübt, fast schon routiniert, aber sein Zusammenbruch und die daraus resultierende Handlung musste Tabu bleiben.

Ein Binnenschiff tuckerte gemächlich weserabwärts. Es hatte Sand geladen. Hinter dem Steuerhaus war ein Auto festgezurrt. Der Schiffer wollte wohl im Hafen seine Mobilität nicht aufgeben. Diese Beobachtungen lenkten ihn kurzfristig ab. Aber als das Schiff verschwunden war, kamen die schwarzen Gedanken sofort zurück. Er hatte Hilfe gesucht, aber diese Hilfe nicht bekommen. Im Gegenteil, seitdem er die Villa verlassen hatte, kroch der Hass immer stärker in ihm hoch. Es gab für ihn nur ein Gegenmittel. Er musste diesen Hass wieder in Energie umwandeln, auch wenn er Angst vor den fürchterlichen Folgen hatte. Nachdem er einen Entschluss gefasst hatte, ging es ihm etwas besser. Langsam stand er von der Bank auf. Er wusste, was er zu tun hatte.

2

Hauptkommissar Lars Petersen, Chef des Polizeipostens Wangerooge, saß an seinem Schreibtisch. Rechts neben ihm dampfte sein Kaffeepott. Direkt vor ihm lag eine Personalakte in einem roten Aktendeckel mit der Aufschrift „Ronald Rohde“. Irgendetwas in ihm sträubte sich dagegen, die Akte zu öffnen. Er wusste zwar nur ungefähr, was diese Mappe beinhalten würde, befürchtete aber dennoch, dass dieser Inhalt die Wunden seiner eigenen Vergangenheit erneut wieder aufreißen könnte.

Petersens Kollege und Freund Jens Siebert, Erster Hauptkommissar im Referat Organisierte Kriminalität (OK) in Bremen, hatte ihn um diesen Gefallen gebeten, den er nicht ausschlagen konnte. Bei einem Polizeieinsatz in Bremen-Gröpelingen war ein 54 Jahre alter Marokkaner durch Schüsse aus einer Dienstwaffe getötet worden. Die Beamten waren aufgrund einer „vermutlich psychosozialen Krise“ gerufen worden. Angeblich ging es um die Räumung eines Kellers, die den Mann erregte und dazu führte, dass er die Polizisten mit dem Messer angriff. Die Beamten versuchten, den Mann zu beruhigen, dieser bewegte sich aber trotz der Warnungen weiter in Richtung der Einsatzkräfte. Die Aufforderung, das Messer wegzulegen, ignorierte er. Einer der Polizisten machte daraufhin von seiner Schusswaffe Gebrauch. Noch im Krankenhaus erlag der Angeschossene seinen Verletzungen. Anwohner hatten den kompletten Vorfall mit dem Handy gefilmt. In allen sozialen Netzwerken kursierte das Video und führte zu entsprechenden Reaktionen. In der links-alternativen Szene wurde dieser Vorgang als Beleg für den latenten Rassismus der Polizei gewertet und eine Verbindung zu ähnlichen Vorgängen in den USA hergestellt. In der rechten Szene wurde Beifall für das harte Durchgreifen der Polizei geklatscht.

Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren gegen den Polizisten, das nach diesem Schusswaffengebrauch durchgeführt wurde, entlastete den Beamten. Auch das behördeninterne Ermittlungsverfahren kam zu dem gleichen Ergebnis. Der Polizist, der geschossen hatte, war traumatisiert. Die behandelnden Psychologen schlugen vor, den Beamten für ein Jahr aus dem bremischen Polizeidienst rauszunehmen. In diesem aufgeheizten Umfeld sahen sie kaum Chancen auf eine Wiedereingliederung in den normalen Polizeidienst.

Der Beamte, um den es hier ging, hieß Ronald Rohde. Immer noch hatte Petersen die Akte nicht geöffnet. Siebert hatte ihm klar gemacht, dass ein Jahr Wangerooge dem Beamten guttun würde und Petersen sei ein sehr gutes Beispiel für die Erfolgsaussichten einer solchen „therapeutischen Maßnahme“. Er hatte die Anspielung verstanden, denn Petersen selbst war in Folge einer Disziplinarmaßnahme nach Wangerooge gekommen. Allerdings hatte er sich gegen eine Rückkehr nach Bremen entschieden. Er stand auf, blickte aus dem Fenster. Die Sonne zeigte sich nur ganz vorsichtig. Die Insel erwartete nach dem Abflauen der Pandemie einen ersten großen Besucheransturm. Hilfe konnte er also gut gebrauchen. Trotzdem war ihm bei dem Gedanken, quasi als Therapeut auftreten zu müssen, unwohl. Gerne hätte er die Problematik mit seiner Kollegin Heike Wohlers besprochen, die aber noch im Urlaub mit ihrem Freund, dem Korvettenkapitän, war. Stefan Lüders wollte diesen Urlaub eigentlich auf Wangerooge verbringen, aber Heike hatte nach den Erfahrungen des letzten Novembers ihr Veto eingelegt. Sie hatte keine Lust, an dem Ort, an dem sie arbeitete, auch noch ihren Urlaub zu verbringen und außerdem würden sie sowieso nur die Hälfte der Zeit im „Störtebeker“ rumhängen. Zwar hätte Lüders gerne ein paar Kneipensitzungen mit Lars Petersen und dem Magister absolviert, aber im Grunde musste er Heike Recht geben. Die Woche Urlaub verbrachten sie daher in Braunlage im Harz. Urlaub vom Meer war ihre Devise.

Petersen hatte sich Kaffee nachgeschenkt. Erst in zwei Tagen würde Heike zurückkommen. Langsam öffnete er die Akte und begann, die Protokolle und dienstlichen Beurteilungen zu lesen. Je mehr er sich in die Vorgänge vertiefte, umso unwohler wurde ihm. Was sollte ihm das alles bringen? Die Vorgänge in Bremen konnte er aus der Ferne sowieso nicht beurteilen. Ronald Rohde war augenscheinlich ein junger Streifenpolizist, der bis dato völlig unauffällig seinen Dienst verrichtet hatte. Das reichte ihm. Entschlossen klappte er die Akte zu. Petersen nahm sich vor, ihm ohne Vorurteile zu begegnen, so wie ihm seine Kollegen damals auf der Insel selbst begegnet waren. Morgen würde er den Kollegen Rohde vom Bahnhof abholen, so wie er schon viele neue Kollegen abgeholt hatte. Mit jedem verband er eine eigene Geschichte. Er musste an Mona, Bernhard und Rieke denken. „Jetzt bloß nicht melancholisch werden, Alter“, sagte er halblaut zu sich selbst, griff nach seiner Uniformjacke und ging zielstrebig in Richtung Promenade. Er hatte das Meer heute noch nicht gesehen.

Auf der Promenade bereitete man sich auf den zu erwartenden Ansturm vor. Die ersten Lockerungen für die Gastronomie nach der Pandemie nährten die Hoffnung der Wirte auf gute Geschäfte. In der Schirmbar wurden Tische und Stühle für den Außenbereich hergerichtet und sauber gemacht. Der E-Karren des Getränkeverlags brachte die erste Ladung Jever-Fässer. Petersen stülpte sich kurzzeitig eine FFP2 Maske über sein leichtes Doppelkinn. Wie er die Dinger doch satt hatte, aber nutzte ja alles nichts, gerade er als Polizist musste sich in seiner Vorbildfunktion absolut korrekt an die Hygienemaßnahmen halten. Hoffentlich ist das bald vorbei, dachte er und holte sich schnell einen Cappuccino aus dem „Diggers“ und stellte sich draußen an einen der Stehtische. Die See war nur leicht bewegt. Die Sandauffahrmaßnahmen waren noch nicht ganz beendet. Der ein oder andere Dumper quälte sich noch durch den Sand, um seine Ladung am Hauptstrand auszukippen. Er musste an Susanne denken, die da draußen irgendwo mit „ihrem“ Schiff herumschwamm. Ihre Beziehung, wenn es denn eine war, wurde von ihren dienstlichen Bedingungen bestimmt. Er kam nur selten von der Insel und sie war teilweise zwei Wochen auf See, um dann aber wieder eine Ruhephase zu haben. Häufig besuchte sie in dieser Zeit für ein paar Tage die Insel. Eine Lösung für dieses Distanzproblem gab es nicht. Beide wollten und konnten ihre Jobs nicht aufgeben. Manchmal wünschte er sich mehr Nähe. Auf der anderen Seite konnte diese Alltagsnähe auch den Reiz einer Beziehung zerstören. Er wischte diese Gedanken beiseite. „Es ist so wie es ist“, sagte er seufzend zu sich selbst und winkte dem Schweden zu, der gerade in bewundernswerter Schönschrift das Tagesgericht auf die Außentafel schrieb.

Größere Sorgen bereitete Petersen die Sache mit Rohde. Er war nun weiß Gott kein Psychotherapeut, auch fehlte ihm bestimmt das nötige Einfühlungsvermögen, um mit einem so stark verunsicherten Kollegen umgehen zu können. Vielleicht konnte Heike hier eine Hilfe sein. Solange auf der Insel nichts passierte, konnten sie ihn sicher an der langen Leine laufen lassen, aber was war, wenn es zu Stresssituationen kommen sollte? „Blödsinn“, sagte er laut, verließ den Stehtisch und brachte seine Tasse zurück. Er musste die Dinge einfach auf sich zukommen lassen. In der Ruhe liegt die Kraft, dachte er und wunderte sich zugleich, wie er sich selbst mit einer solch abgedroschenen Phrase beruhigen wollte.

Rund um die Schirmbar wurden Paletten zusammengenagelt, um sie dann mit Hilfe von Polstern in gemütliche Sitzgelegenheiten zu verwandeln. Wie lange würde es diese schöne Szenerie an der Promenade noch geben? Seit über zehn Jahren wurde von der Gemeinde ein Hotelprojekt an der Oberen Strandpromenade geplant. Von dem Verkauf dieser Liegenschaft versprachen sich die Lokalpolitiker eine mittelfristige Lösung der Finanzprobleme der Gemeinde. Man wollte Luft für neue Investitionen bekommen. Nun hatte der Rat sich auf einen Investor festgelegt, der gleich zwei Hotels an dieser Stelle errichten wollte. Einmal für die zahlende Kundschaft einen 5-Sterne-Komplex mit 96 Suiten und auf der Dachterrasse eine Orangerie als Restaurant. Für die junge Generation war ein 3-Sterne-Hotel mit 115 Zimmern geplant, Sky Bar auf dem Dach mit Pool und Gewächshaus. Darüber hinaus war von einer hoteleigenen Kaffeerösterei, einer Bier- und Schnapsbrennerei die Rede. Petersen wurde etwas schwindelig, als er versuchte, sich dies alles vorzustellen. Es war allerdings mehr als fraglich, ob er die Fertigstellung dieses Projektes noch während seiner aktiven Dienstzeit erleben würde. Langsam ging er in Richtung „Pudding“, hielt unterwegs zwei Fahrradfahrer an, die unerlaubt auf der Promenade radelten. Eine ältere Dame, die ihren Hund spazieren führte, klatschte Beifall. „Endlich machen Sie mal etwas gegen die Radler auf der Promenade.“

3

Aus der Ferne hörte er schon das Rattern der Rollkoffer, die über die Zedeliusstraße gezogen wurden. Scheiße, dachte er, der Zug ist schon früher angekommen. Wahrscheinlich war die Tide günstig, so dass das Schiff einfach schneller war. Petersen erhöhte seine Schrittzahl. Der Kollege wäre sicherlich enttäuscht, wenn ihn niemand pünktlich auf dem Bahnsteig in Empfang nehmen würde. Um die großen silbernen Container hatten sich Trauben von Menschen gebildet, die nach ihren Koffern suchten. Am „Hangar 7“ grüßte er kurz die Angestellte, die gerade Zeitungen in den dafür vorgesehenen Ständer einsortierte. Vielleicht sollte er auf dem Rückweg die Bremer Tageszeitung mitnehmen. Etwas unruhig suchte er den Bahnhofsvorplatz nach einer Polizeiuniform ab. Oder war der Kollege nicht in Uniform angereist? Jetzt trat er auf den Bahnsteig und tatsächlich, am Ende, in Höhe des Fahrdienstleiter-Büros, stand ein Mann in Uniform mit einem kleinen Trolley und starrte auf sein Handy.

„Moin, Herr Kollege“, rief Petersen ihm zu, „Entschuldigung, ich habe gar nicht mitbekommen, dass das Schiff früher gekommen ist.“

Petersen blickte in das freundliche Gesicht eines mittelgroßen jungen Mannes, der ihm mit momentan üblichem Gruß, seine Faust entgegenstreckte.

„Moin, Sie sind sicher Kollege Petersen. Ich habe auf dem Handy nach dem Weg zum Revier gesucht.“

„Das mit dem Sie lassen wir mal schnell. Ich bin Lars.“

„Ronald, aber alle, auch meine Kollegen, nennen mich Ronny.“

„Ronny, das war doch mal ein bekannter Schlagersänger aus Bremen.“

„Kenn‘ ich nicht. Das war wohl vor meiner Zeit.“

„Ja, ganz bestimmt. Immer, wenn solche Namen fallen, denke ich an Musiker aus vergangenen Zeiten. Das ist so eine Marotte von mir. Also wir holen jetzt erst mal deine Koffer und lassen sie von Bodo ins Revier bringen.“

„Bodo?“ blickte Ronny Petersen fragend an.

„Bodo betreibt hier den Gepäckdienst auf Wangerooge. Er ist so eine Art Kultfigur. Aber Vorsicht, er ist HSV-Fan.“

Ronny lachte. Seine Angst vor der ersten Begegnung mit dem Revierleiter war verflogen. Dieser Petersen schien ganz locker drauf zu sein. Hoffentlich war er das auch in dienstlichen Belangen.

Petersen hielt Bodo die Gepäckscheine hin und kam grinsend zurück.

„Musste gleich noch einen Spruch wegen der schlechten Leistung von Werder kassieren. Aber das gehört dazu. So, wir gehen jetzt ins Revier, trinken zusammen einen Kaffee und beschnacken, wie es weitergehen soll.“

Auf dem Weg in die Charlottenstraße gab Petersen einige Hinweise zum Leuchtturm. Als sie beim „Störtebeker“ in die Friedrich-August-Straße abbogen, verkniff er sich jegliche Bemerkung über seine Stammkneipe. Noch konnte er Ronny in dieser Hinsicht nicht einschätzen.

Als Ronny seine Koffer oben in seine kleine möblierte Dienstwohnung gebracht hatte und nach einiger Zeit wieder ins Dienstzimmer runterkam, spürte Petersen sofort die Stimmungsveränderung in Ronnys Gesicht. Sein offenes freundliches Gesicht war verschwunden, die Mundwinkel hingen hinunter. Petersen glaubte, eine gewisse Verzweiflung zu beobachten. Diese Szenerie erinnerte ihn an sein eigenes Ankommen auf der Insel. Die möblierte Dienstwohnung, die den Charme der 70er Jahre versprühte, die Gewissheit, dass man nun auf einem vermeintlichen Abstellgleis gelandet war, hatten auch bei ihm damals depressive Gefühle ausgelöst. Nachdem Ronny sich schweigend gesetzt hatte, reichte Petersen ihm einen Kaffeepott mit dampfendem Kaffee.

„Nicht ganz einfach jetzt, oder?“, versuchte Petersen möglichst einfühlsam das Gespräch zu eröffnen, „mir ist es am Anfang auch so ergangen. Die Geschichte erzähle ich dir aber mal später. Sag mal, bist du eigentlich verheiratet oder hast eine feste Freundin, die dich hier mal besucht? Wangerooge im Sommer, das ist hier schon toll, da kommt Urlaubsfeeling auf und so viel ist hier im Sommer für uns auch nicht zu tun.“

Ronny schluckte. Seine Augen wurden glasig. Scheiße, das war jetzt voll danebengegangen, dachte Petersen und wollte sofort das Thema wechseln, da brach es aus Ronny heraus.

„Meine Freundin hat sich gleich nach dem bekannten Vorfall von mir getrennt“, sagte er mit brüchiger Stimme.

Petersen war jetzt bewusst, dass er in ein Wespennest gestoßen hatte. „Warum das denn?“, fragte er.

„Sie ist Grundschullehrerin und wurde von ihren Kolleginnen wegen mir gemobbt, das hat sie nicht mehr ausgehalten.“

„Wie gemobbt?“

„Ist das nicht dein Freund, der den Ausländer erschossen hat, sag mal, ist der Rassist? Wie kannst du mit dem zusammen sein, so in diesem Stil.“

„Bitter, aber da schmeißt man doch nicht gleich die Beziehung weg?“

Ronny zuckte traurig mit den Achseln.

„Worüber ich am meisten sauer bin, ist die Tatsache, dass ich mit meiner Kollegin in eine Situation geraten bin, die hätte vermieden werden können.“

Junge, rede dir jetzt deinen Frust von der Seele, das ist gut, dachte Petersen und lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl bequem nach hinten. „Inwiefern?“, hakte er dann nach.

„Der Mann stand unter Vormundschaft oder psychischer Betreuung. Wenn da eine Wohnung oder ein Keller geräumt werden soll, ruft man doch nicht gleich die Polizei, und wenn es doch notwendig ist, müssen die Betreuer, die ein Vertrauensverhältnis zu dem Mann haben, dabei sein. Oder sehe ich das falsch?“

Petersen schüttelte mit dem Kopf. „Ich glaube nicht.“

„Wir als Streifenpolizisten stehen dann am Ende der Kette, wenn die Lage eskaliert. Meine Kollegin und ich haben den Mann mehrfach aufgefordert, das Messer wegzulegen. Meine Kollegin hat Pfefferspray eingesetzt, hat nicht gewirkt, die Entfernung war zu groß. Dann läuft der mit gestrecktem Messer auf uns zu. Was sollte ich denn machen?“

Ronny hatte jetzt einen roten Kopf, und begann zu schwitzen. Petersen schenkte Kaffee nach, aber Ronny war noch nicht fertig.

„Ja, warum hat der nicht auf die Beine geschossen, haben sie dann gesagt. Das ist gar nicht so einfach, wenn jemand sehr aggressiv auf dich zuläuft. Das ist komplett anders als beim Schießtraining. Übrigens, war mir gar nicht klar, dass der Mann Marokkaner war. Und außerdem, das mit dem Schießen sieht von außen immer viel einfacher aus. Was, glaube ich, daran liegt, dass die Leute im Fernsehen so viele Krimis gucken.

Petersen nickte zustimmend. „Schusswechsel werden nach meiner Meinung dort sehr unrealistisch dargestellt. Ich hatte im November hier in der Inselbahn einen Einsatz, bei dem ich auf die Hand, in welcher der Täter eine Pistole hielt, gezielt habe. Was habe ich getroffen, die Schulter. Das zu dem Thema, hätte, hätte….“

Ronny nahm einen Schluck aus dem Kaffeepott, von dessen Vorderseite ihn ein Seehund mit Kapitänsmütze breit angrinste.

„Wie haben sich denn deine Kollegen und die Dienstaufsicht verhalten?“, hakte Petersen nach.

„Das war alles okay. Sachliche Fragen, keine Vorwürfe. Was wirklich schwierig war und ist, sind diese Rassismusvorwürfe, da habe ich richtig dran zu knapsen, weil Rassismus mir total fremd ist. Dann kommt die andere Seite. In einem rechtsradikalen Portal nennen sie mich „RR 7, der Terminator. Das ist doch alles irre. Ich bin nur ein kleiner Streifenpolizist und bin in eine unübersichtliche Situation geraten. Leider hat das ein Menschenleben gekostet, damit muss ich jetzt leben.“

Petersen nickte wieder. „Wenn man Polizist wird, kann man in eine solche Situation geraten. Das ist leider so und das hört sich jetzt etwas altväterlich an. Aber die Kollegen vor Ort sind immer die Gekniffenen, die leider in Situationen geraten, für die sie nicht verantwortlich sind, aber den Kopf hinhalten müssen.“

Petersen stand auf. „So, Ronny, jetzt schauen wir nach vorne. Ich zeige dir jetzt die Insel. Das Meer ruft.“

Ein leichtes Lächeln huschte über Ronnys Gesicht.

Petersen wählte den Weg durch die Zedeliusstraße. Zu jedem Geschäft oder Restaurant gab es eine kurze Erklärung.

„Na endlich“, brüllte eine Stimme von der Terrasse des Lokals „Buhne 35“, „mal keine junge Frau, bei der du in Versuchung gerätst, sondern ein vernünftiger Kerl.“

„Das hat uns jetzt noch gefehlt“, stöhnte Petersen, dem die Bemerkung peinlich war. Was sollte Ronny von ihm denken?

„Wer ist das denn?“

„Das ist unser legendärer Kneipenwirt, der Magister.“

Langsam drehte sich Petersen zu dem Rufer um. „Was redest du denn da in deinem Cappuccino-Rausch. Ich darf dir hier den neuen Kollegen, Ronny Rohde aus Bremen, vorstellen.“

„Ronny, Ronny? Oh, my Darling Caroline,“ intonierte er. „Das war sein größter Hit. Aber erst mal Moin, willkommen auf der Insel der Verdammten.“

Petersen bekam einen Schweißausbruch. Voll ins Fettnäpfchen getreten. Diese Bemerkung war völlig unpassend und das im Beisein von Ronny, der aber zum Glück nicht reagierte.

Schnell drängte Petersen zum Aufbruch. „Wir müssen weiter.“

„Was habt ihr denn eigentlich immer mit diesem Ronny?“

„Wenn in Bremen mal jemand etwas bekannter wird, dann sind alle fürchterlich stolz. Das war 1964, lange vor deiner Zeit, also keine Bildungslücke.“

Sie hatten jetzt fast das „Pudding“ erreicht, als Petersens Handy klingelte. Ronny hörte nur ein kurzes „Okay“ und „ja, machen wir“, dann war das Gespräch auch schon wieder beendet.

„Ein Containerschiff hat vor Schiermonnikoog Container verloren. Wir sollen unsere Augen offen halten.“

„Versteh ich nicht? Was haben wir denn damit zu tun?“

Mit Genugtuung registrierte Petersen, dass Ronny „wir“ gesagt hatte. Willkommen im Team, dachte Petersen und sagte dann laut:

„Wenn solche Container am Strand liegen, wissen wir ja nicht, was drin ist. Es können gefährliche Schadstoffe austreten, oder aber es wird versucht, den Container zu knacken, und den Inhalt zu klauen.“

„Ist das nicht Strandgut und gehört den Insulanern?“

Petersen lachte. „Das war einmal, wenn du hier was mitnimmst, riskierst du eine Anzeige wegen Fundunterschlagung“, erläuterte er.

Ronny nickte anerkennend. Als sie die Promenade entlang gingen, war Ronny sichtlich beeindruckt. „Wirklich schön hier.“

Petersen klopfte ihm leicht auf die Schulter. „Na, also!“

Jetzt war Petersen in seinem Element und erklärte die Seezeichen und die Schiffstypen, die am Horizont zu sehen waren. Er gab den maritimen Erklärbär, was bei vielen seiner Bekannten immer ein genervtes Augenrollen verursachte. Ronny aber zeigte sich interessiert. Als Petersen seine Ausführungen beendet hatte, bemerkte er erst jetzt den Bremer Schlüssel auf Ronnys Uniform.

„Sag mal, wenn uns jemand fragt, warum du als Bremer Polizist hier Dienst tust, sollten wir irgendetwas von einer Kooperation der Bundesländer erzählen. Bist du damit einverstanden?“

„Gute Idee, muss ja nicht gleich jeder wissen, dass ich der rassistische Polizist aus Bremen bin, der Ausländer erschießt.“

Die Bitterkeit in seiner Antwort war nicht zu überhören. Petersen reagierte darauf nicht, sondern wechselte komplett das Thema. „Was machst du eigentlich so in deiner Freizeit? Ich mach‘ ja Musik.“

„Damit kann ich leider nicht dienen. Ich habe Fußball bei TURA Bremen gespielt.“

„Erste Herren?“

„Ja, Landesliga.“

„Oha, nicht schlecht. Der TuS Wangerooge sucht immer gute Spieler. Einige kommen extra vom Festland, um die Mannschaft zu verstärken. Ich stelle mal den Kontakt her. Einverstanden?“

Ronny nickte mit einem leichten Lächeln im Gesicht.

4

Er blickte aus seinem kleinen Büro auf die große Wiese vor seinem Fenster. Die ersten Blumen begannen zu blühen und die Friedhofsgärtner waren fleißig dabei, die Frühjahrsbepflanzung auf die Gräber zu bringen. Sein kleines Büro am Eingang des Friedhofs war sein kleines Reich, in dem er der Herrscher war. Sicherlich, es gab gewisse vorgeschriebene Zwänge, die er abarbeiten musste. Doch das alles blieb im Rahmen, so dass er noch genügend Zeit für seine Recherche hatte. Heute musste noch eine Urnenbestattung durchgeführt werden. Zu diesem Zwecke hatte er schon die Feierhalle für die Bestatter aufgeschlossen, die dort ihre Vorbereitungen für die Trauerfeier trafen. Drei Briefe mussten noch geschrieben werden, an Angehörige, deren Grabnutzungsverträge ausliefen. Dann hatte er wieder Zeit, mit seiner Suche weiterzumachen. Dass sie Regina hieß, konnte er nie und nimmer vergessen. Aber an den Nachnamen konnte er sich kaum erinnern, weil sie sich damals natürlich nur mit ihren Vor- oder Spitznamen angeredet hatten. Irgendetwas mit „Bre…“war ihm in Erinnerung geblieben. Was aber, wenn sie verheiratet war und ihren Mädchennamen abgelegt hatte? Früher war es für Frauen eher üblich, den Namen des Mannes anzunehmen. Heute behielten viele Frauen ihren Mädchennamen oder bedienten sich der Möglichkeit, sich einen Doppelnamen zuzulegen. Telefon- und Adressbücher hatte er durchgesehen. Dort gab es natürlich eine Vielzahl von Frauen, auf die dieses Merkmal zutraf. Regina Bremermann, Bremer, Bruns und so weiter. Wer aber von diesen Frauen, war die Regina, die er suchte? Ob es die alten Listen noch gab? Er könnte vielleicht jemanden aus der Gruppe von damals befragen, deren Namen er noch parat hatte. Nach längerem Überlegen schloss er diese Möglichkeit aus. Er würde sich verdächtig machen und eine Spur legen. Vielleicht sollte er ins Staatsarchiv gehen und nach den alten Listen suchen. Wenn er da nicht weiterkam, müsste er auf die Datenbank des Standesamtes zugreifen und mit Hilfe des möglichen Geburtsjahres eine Auswahl treffen. Immerhin waren sie damals in der Gruppe ungefähr gleichalt gewesen mit vielleicht einer Abweichung von ein bis zwei Jahren. Als Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung war es ihm möglich, auf die Datenbank des Standesamtes zuzugreifen. Wenn die Listen tatsächlich im Staatsarchiv zu finden waren, konnte er hier schneller zum Erfolg kommen.

Eines hatten diese ganzen Rechercheüberlegungen aber schon zur Folge gehabt. Ihm ging es merklich besser, warum er auch die Psychotherapie bei Frau Dr. Müller-Lubinski abgebrochen hatte. Er konnte immerhin vier bis fünf Stunden durchschlafen, was für ihn schon etwas war. Auch hatte er zwei Kilo zugenommen. Sein Entschluss begann sich also auszuzahlen.

Eine junge Frau mit auffällig hell blondierten Haaren und in Biker-Kutte klopfte an seine Tür.

„Entschuldigung, können Sie mir weiterhelfen? Im letzten Jahr ist hier doch der Gründer des Hells Angels-Chapter Deutschland beigesetzt worden. Können Sie mir sagen, wo ich das Grab finden kann?“

Ohne in seinen PC zu schauen, konnte er der Frau die Grabnummer mitsamt Wegbeschreibung nennen. Diese Beerdigung war für seinen Friedhof schon etwas Besonderes gewesen. Ungefähr vierhundert Trauergäste waren zur Beisetzung erschienen, darunter einige Kiez-Größen aus Hamburg. Kalle Schwensen, der Mann mit der dunklen Brille, war ihm noch in Erinnerung geblieben.

5

Wieder stand Petersen am Bahnhof, aber diesmal nicht um eine neue Kollegin oder einen neuen Kollegen abzuholen. Nein, er hatte sich kurzfristig entschlossen, seine Kollegin Heike Wohlers, die aus ihrem Urlaub zurückkehrte, abzuholen. Zwar verstanden sich beide nicht unbedingt gut, aber in letzter Zeit war ihre dienstliche Zusammenarbeit deutlich besser geworden. Alles noch kein Grund, um sie auf dem Bahnhof zu empfangen. Aber er wollte sie kurz über ihren neuen Kollegen Ronald Rohde und dessen Vorgeschichte informieren. Dies in dessen Beisein zu tun, hatte er verworfen.

Auf dem Bahnsteig war einiges los, ein deutliches Zeichen, dass der Tourismus nach den Lockdowns langsam wieder in Gang kam. Zwar mussten immer noch Abstandsregeln eingehalten werden und die Maskenpflicht war an einigen Orten noch in Kraft, aber er empfand die Situation jetzt als wesentlich entspannter. Nicht zu vergleichen mit dem Horrorszenario des ersten Lockdowns, das ihm immer noch schwer im Magen lag. An einem dunklen Wintertag mussten sie, die Polizei, der Bürgermeister und die Freiwillige Feuerwehr mit dem Lautsprecher auf dem Fahrzeug, quasi die Touristen von der Insel treiben. Er hatte sich dabei sehr unwohl gefühlt, obwohl er die Notwendigkeit der Aktion absolut nicht in Frage gestellt hatte.

Das Pfeifen der Lokomotive riss ihn aus seinen dunklen Gedanken. Langsam rollte der Zug ein. Sie war eine der ersten, die aus dem vordersten Waggon stieg. Ihre blonden Haare wehten im Wind, als sie auf dem Bahnsteig stand. In ihrer Freizeitkleidung, Jeans, T-Shirt und Sonnenbrille, war sie kaum wiederzuerkennen. Als sie ihn sah, stutzte sie und machte sofort ein ernstes Gesicht. Die Falten auf ihrer Stirn zogen sich zusammen.

„Ist etwas passiert? Warum holst du mich ab oder hattest du Sehnsucht nach mir?“ Jetzt huschte doch ein Lächeln über ihr Gesicht.

Petersen grinste. „Nee, nee, alles okay. Ich hatte auch keinen Sehnsuchtsanfall…“

„Schade, also, was ist los?“

Auf dem Weg zu ihrer Wohnung im Bundeswehrsozialwerk berichtete Lars über die Vorgeschichte ihres neuen Kollegen. Heike hatte von dem Vorfall in Bremen in der Zeitung gelesen und auch das Video dazu im Netz gesehen.

„Und was denkst du, ist er stark traumatisiert?“, fragte sie ihn.

Petersen zuckte mit der Schulter. „Ich bin kein Psychologe. Aber nach den Gesprächen, die ich mit ihm geführt habe, glaube ich sagen zu können, dass er schon schwer unter der Situation leidet, was ja auch kein Wunder wäre.“

Heike Wohlers nickte. „Wir binden ihn in unsere Arbeit ein, anders geht es ja nicht und so stressig ist es ja auch nicht auf der Insel und der November ist ja vorbei.“

Eine deutliche Anspielung auf ihren letzten Fall im November des vergangenen Jahres. Nachdem Petersen Heike zu ihrer Wohnung gebracht hatte, ging er zurück zum Revier. Als er die Tür aufschloss, hörte er bereits das Klappern einer Tastatur. Er hatte Ronny doch für das Auspacken freigegeben. Tatsächlich saß Ronny in Zivil an dem Rechner, den Petersen ihm zugewiesen hatte und tippte munter irgendetwas ein.

„Moin, Ronny, was machst du da? Du solltest dich doch oben in Ruhe einrichten!“

„Ich war fast fertig, da hat es unten geklingelt. Ein Polier von einer Baustelle hat einen Diebstahl gemeldet. Ich habe die Anzeige aufgenommen und schreibe ein kleines Protokoll von dem Gespräch mit dem Polier.“

Nicht schlecht, dachte Petersen. Aber warum auch nicht? Ronny war ja nun kein Praktikant, sondern ausgebildeter Polizeimeister, der schon über ein gewisses Handwerkszeug verfügte. Er musste es unbedingt vermeiden, ihn nicht für voll zu nehmen, nur weil er durch diesen Vorfall in Bremen psychisch angeschlagen war.

„Okay, gib mal einen kleinen Bericht.“

Ronny drehte sich mit seinem Bürostuhl zu Petersen um. „Also, der Polier kam von einer Baustelle, Moment, ich muss eben nachsehen, ach ja, von der Peterstraße. Dort wurde in der letzten Nacht, möglicher Zeitraum 19:15 Uhr bis 7:00 Uhr morgens, hochwertiges Werkzeug entwendet. Eine genaue Liste bekomme ich noch. Aber wie ich es verstanden habe, handelte es sich um Akkuschrauber, Flex samt Zubehör, Bohrmaschine und Stemmhammer samt Zubehör. Alles von der Firma Hilti.“

„Wo war das Werkzeug gelagert?“

„Im Kellergeschoss eines noch unbewohnten Neubaus.“

Petersen runzelte die Stirn. „Wir sollten da hingehen und uns das ansehen.“

„Okay, ich ziehe eben meine Uniform an.“

Auf der Baustelle in der Peterstraße zeigte ihnen der Polier die Kellerräume, die nur mangelhaft gegen Einbruch gesichert waren. Auch die komplette Liste der gestohlenen Werkzeuge wurde ihnen übergeben.

„Was ist mit ihren Leuten?“, fragte Petersen den Polier.

„Eigentlich würde ich es ausschließen, dass es einer von meinen Männern war, aber die Hand würde ich dafür auch nicht ins Feuer legen“, beantwortete der Polier die Frage.

Auf dem Rückweg fragte Ronny: „Wenn es die Arbeiter nicht waren, was ist mit Insulanern?“

Petersen wiegte seinen Kopf hin und her. „Sicherlich auch möglich. Hier gibt es natürlich auch schräge Vögel, aber mit diesen Maschinen kannst du dann hier nicht öffentlich arbeiten und so eine Hilti, die würde auffallen. Auf alle Fälle müssen wir den Diebstahl öffentlich machen und vor Hehlerei warnen. Ich gebe das mal gleich an unsere Pressestelle in Wilhelmshaven durch und du könntest einen kleinen Bericht für den Inselkurier schreiben.

Am nächsten Morgen saßen alle drei Beamten zusammen in der Dienststelle. Petersen hatte Brötchen geholt, den Tisch gedeckt. Diese Art der Zusammenkünfte unter Kollegen hatte er in der Vergangenheit sehr vermisst. Selbst bei der Kanzlerin gab es eine morgendliche Runde, um die Abläufe des Tages zu besprechen. Er musste über sich selbst grinsen, ein Vergleich, der natürlich völlig unpassend war. Heike Wohlers und Ronny machten sich miteinander bekannt und dann gab Petersen einen kurzen Überblick zu den gestrigen Diebstählen. Kurz nachdem er fertig war, klopfte es an der Tür. Das Dienstzimmer betrat ein Mann in der Kleidung eines Bauarbeiters. Er hatte einen hellen, leicht beschmutzten Arbeitsanzug an. Auf dem Kopf trug er einen weißen Schutzhelm. Petersen ahnte, was jetzt kommen würde.

„Moin, wir sind beklaut worden“, brach es aus ihm raus. Der Mann atmete schwer. Anscheinend war er im Laufschritt zum Revier gekommen.

„Nun setzen Sie sich erst einmal hin. Sie sind ja ganz außer Atem. Trinken Sie mal einen Schluck Kaffee und dann erzählen Sie uns in Ruhe von dem Diebstahl.“

Während der Bauarbeiter einen Schluck Kaffee nahm, zückte Ronny einen Block, um sich Notizen zu machen.

„Bevor sie anfangen, wo ist Ihre Baustelle?“, fragte Heike Wohlers.

„In der Schulstraße, wir bauen da neue Appartementhäuser. Da, wo der Schützenverein seinen Schießstand hat.“

Wohlers und Petersen nickten, sie kannten die Baustelle. In der Folge berichtete der Mann über die gestohlenen Werkzeuge. Es kam Petersen wie ein Deja Vu vor. Fast haargenau fehlten die gleichen Werkzeuge wie gestern auf der Baustelle in der Peterstraße, lediglich eine kleine mobile Kreissäge und ein Fliesenschneider kamen noch dazu. Eine genaue Aufstellung der gestohlenen Gegenstände, teilweise sogar mit Typennummer, hatte der Mann schon dabei, was die Beamten ausdrücklich lobten. Nachdem der Bauarbeiter sich verabschiedet hatte und die Anzeige aufgenommen war, versuchte die Runde, eine Bestandsaufnahme zu machen.

„Das hat System“, begann Petersen, „ich glaube Insulaner können wir ausschließen. Wenn ich ein Werkzeug brauche, okay, da kann ich mir einen Diebstahl vorstellen, aber diese Serie sieht nach Profis aus.“

„Bandenkriminalität?“, warf Heike Wohlers fragend ein. „Aber wie bringen sie die Sachen zum Festland?“

„Genau, das ist die Schwachstelle, deshalb müssen wir diese Diebstähle öffentlich machen und sie der Bahn und den Speditionen melden.“

Petersen nahm die Listen der gestohlenen Sachen.

„Die Listen müssen veröffentlicht werden“, schlug Heike vor.

Petersen nickte.

„Wir sollten den Tatbestand der Hehlerei erwähnen“, schaltete sich jetzt Ronny ein.

„Sehr gut“, lobte Petersen, „den Hehlerei-Paragraphen sollten wir zitieren.“

Heike Wohlers ging an ihren PC und gab das Stichwort Hehlerei ein.

„Hier, ich hab’s, § 259 StGB. Der Tatbestand der Hehlerei ist erfüllt, wenn...“

„Okay, das kennen wir“, unterbrach Petersen Heike, die ihn daraufhin ärgerlich anfunkelte, „das muss alles öffentlich gemacht werden und kommt in unsere Mitteilung.“

6

Er saß in seinem Büro am Eingang des Friedhofs und starrte auf die Wiese, an deren Seite Mustergrabsteine aufgereiht waren. Hier konnten sich die Angehörigen der Verstorbenen den passenden Stein aussuchen und bei einem Steinmetz in Auftrag geben. Etwas weiter weg, auf einem parallelen Weg, ging ein Angestellter des Friedhofs in schwarzer Robe, mit einer Urne in den Händen in Richtung einer halbanonymen Grabstätte. Nur eine einzige Person folgte der Urne. Ein trauriger Anblick befand er. Er stand auf, holte die Thermoskanne aus seiner Aktentasche und goss sich grünen Tee in die Kappe der Kanne. Seine Recherche war von Erfolg gekrönt gewesen. Über die Datenbank des Standesamtes hatte er sie gefunden. Regina hatte früh ihren Mann verloren, hieß jetzt Ammermann. Ihr Mädchenname fing, und da hatte ihn seine Erinnerung nicht getäuscht, mit B an: Brede. Sie wohnte in einer Doppelhaushälfte in einem Neubaugebiet und arbeitete als kaufmännische Angestellte in einer Metallbaufirma. Das Haus hatte er sich bereits angesehen. Rot geklinkert, ziemlich schmal mit einem Obergeschoss. Der kleine Garten mit Terrasse war nur schwer erreichbar. Er müsste über das Nachbargrundstück kommen und dann die Terrassentür aufhebeln. Diese Variante war ungünstig. Das Risiko, entdeckt zu werden, war zu groß. Es blieb ihm die DHL-Variante. Die Nachbarn von ihr kamen später als sie von der Arbeit. Also wäre es nicht ungewöhnlich, bei ihr zu klingeln, um ein Paket für die Nachbarn abzugeben. Ein ungelöstes Problem war die DHL-Jacke. Woher nehmen? Oder sollte er als Hermes- oder Amazon Bote auftreten, die in der Regel keine Uniform trugen. Eine auffällige DHL-Jacke war natürlich günstiger und würde die Leute bei einer späteren Täterbeschreibung ablenken. Da würde dann die Jacke im Vordergrund stehen und nicht unbedingt sein Gesicht. Bei der Beobachtung von Reginas Gewohnheiten war ihm aufgefallen, dass sie recht schmal und zierlich war. Ihren möglichen Widerstand würde er vielleicht mit dem ein oder anderen Hilfsmittel leicht brechen können. Er hatte Zeit, je länger er sich mit den Vorbereitungen beschäftigte, umso besser ging es ihm. Zwei Wochen gab er sich noch, um seine Planungen abzuschließen.

7

Das Kurheim bzw. die Rehaklinik lag am Rande der Dünen und war früher ein reines Kinderheim gewesen. Während des 2. Weltkrieges, als Wangerooge eine mit Flakstellungen übersäte Festung war, befanden sich hier Unterkünfte der Luftwaffe. Nach 1945 entstand hier ein Kinderheim. Seit über zehn Jahren war das Heim in der Hand eines Wohlfahrtverbandes und bot Kuren an, die auf die Lebenssituation von Müttern oder Vätern und ihren Kindern ausgerichtet waren. Hierzu zählten unter anderem Behandlungen von psychosomatischen Störungen, Erkrankungen der Atemwegsorgane oder orthopädische Erkrankungen. Die Klinik zur „Weißen Düne“, wie das Heim jetzt hieß, hatte einen exzellenten Ruf und wurde im Katalog vieler Krankenkassen angeboten.

Während der Covid-Pandemie musste das Heim zwangsweise schließen. Die Leitung des Heimes entschloss sich, die belegungsfreie Zeit für eine Renovierung und für Umbaumaßnahmen zu nutzen. Mittlerweile waren die gröbsten Maßnahmen in der Endphase und die Maler hatten das Regiment übernommen. Die beiden Maler, Pawel Kwiatkowski und Gerd Meyer, waren gerade mit Spachtelarbeiten in einem der Schlafräume beschäftigt, als ihr Meister sie in einen anderen Raum beorderte. Der Raum war fast fertiggestellt und sollte nun gestrichen werden. Der Meister deutete auf die Steckdosen und bemängelte das unsaubere Verspachteln an den Einfassungen für die Dosen. Meyer und Kwiatkowski versprachen, sich sofort darum zu kümmern. Als sie in ihren Raum, in dem sie gerade arbeiteten, zurückkehrten, begann Meyer laut zu fluchen.

„Scheiße, jetzt ist unsere Spachtelmasse hart geworden. Den Eimer können wir gleich wegschmeißen, das gibt bestimmt Ärger, wo der Alte jetzt schon sauer ist.“

„Muss Chef ja nicht merken“, sagte Pawel mit einem hintergründigen Grinsen.

„Wie meinst du das?“

„Lassen Eimer verschwinden und rühren schnell neue Masse an.“

Meyer nickte zustimmend. „Gute Idee, ist sowieso Zeit für unsere Pause. Wir nehmen den Eimer und vergraben ihn in den Dünen. Nimm deine Brotdose und unsere Wasserflaschen mit, damit das wirklich nach Pause aussieht.“

Langsam stapften die beiden den kleinen Pfad die Dünen hoch. Kurz blickten sie auf das Meer, das heute sehr ruhig wirkte. Keine Schaumkronen, keine Wellen, ein vorbeifahrender Kutter brachte gerade seine Netze ein. Eine große Zahl von kreischenden Möwen umrundete das Schiff in der Erwartung, den Beifang als Beute zu bekommen. Gerd und Pawel bogen jetzt in ein Dünental ab. Es musste ja nicht jeder sehen, was sie da vorhatten. Pawel hatte sich eine kleine Schaufel besorgt und begann, ein Loch zu graben. Gerd hatte sich in den Sand gesetzt und nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche und inspizierte dann seine Brotdose.

„Scheiße“, hörte er Pawel fluchen.“

„Grab daneben, wenn du da nicht weiterkommst“, gab Gerd Meyer kauend seinem Kollegen einen Ratschlag. Nachdem sein Kollege noch zwei weitere Schaufelladungen ausgehoben hatte, ließ dieser plötzlich die Schaufel fallen und starrte völlig irritiert in das von ihm ausgehobene Sandloch. Leise murmelte er:

„Gerd, kommen schnell!“

Meyer, der sich gerade eine Zigarette angezündet hatte, winkte ab.

„Ich mach Pause. Das mit dem Loch wirst du doch wohl alleine hinkriegen?“

„Gerd, bitte kommen, hier ist was!“

Meyer musterte seinen Kollegen, dessen Gesichtsausdruck eine gewisse Ernsthaftigkeit widerspiegelte. Widerwillig erhob er sich und stapfte zu dem Sandloch. Als er in das Loch starrte, packte ihn das Entsetzen. In dem Loch waren Teile eines skelettierten Schädels zu erkennen.

„Ach du Scheiße“, entfuhr es ihm. Er kniete sich jetzt hin und betrachtete den Schädel aus nächster Nähe. „Ich bin ja kein Experte, aber der ist schon lange tot.“

„Was wir jetzt machen? Soll ich Loch wieder zumachen?“

„Nee, verbuddel den Eimer irgendwo anders. Wir sollten das melden, vielleicht ist das ja ein wichtiger Fund und wir werden belobigt und kriegen so eine Art Finderlohn, weil wir einen Urmenschen gefunden haben.“

Pawel schüttelte nur den Kopf. So richtig verstand er nicht, was sein Kollege da redete. Er ging leise fluchend ein Stück weiter und vergrub den Eimer mit der harten Spachtelmasse. Meyer zückte sein Handy und wählte die 110.

Die Beamten saßen an ihren Schreibtischen und bearbeiteten die Werkzeugdiebstähle, als das Telefon klingelte. Wohlers nahm den Apparat aus der Ladestation.

„Polizeiposten Wangerooge, Sie sprechen mit Oberkommissarin Wohlers“, meldete sie sich professionell freundlich.

„Moin auf die Insel, hier ist die Leitstelle. Wir haben da was für euch. Klang etwas komisch, aber ihr solltet dem mal nachgehen.“

Heike Wohlers hörte sich die Ausführungen des diensthabenden Beamten an, der recht umständlich den Sachverhalt schilderte. Petersen nahm seine Finger von der Tastatur und drehte sich mit seinem Stuhl in Richtung Heike um, deren Gesichtsausdrück ihm verriet, dass etwas Merkwürdiges passiert sein musste.

„Was war das denn?“, fragte Petersen, nachdem das Gespräch beendet war, „in deinem Gesicht kann ich ein Fragezeichen erahnen.“

„Da sind irgendwelche Knochen hinter der Rehaklinik zur „Weißen Düne“ gefunden worden. Der Finder hat gegenüber der Leitstelle etwas von Urmenschen gesprochen.“

„Dann sind wir nicht zuständig, sondern der Landesarchäologe.“ Petersen lachte und fuhr fort.

„Spaß bei Seite, aber Knochen von Urmenschen, das ist ausgeschlossen. Wir sind hier nicht im Neandertal und auch nicht in der Grotta del Cavallo in Apulien, wo man Reste von Urmenschen gefunden hat.“

Heike Wohlers schüttelte nur den Kopf. Jetzt gibt er wieder den Erklärbären, schoss es ihr durch den Kopf.

Petersen ließ sich nicht stoppen. „Was natürlich sein kann, dass die Knochen von untergegangenen Friedhöfen aus dem Wattenmeer stammen oder von einem alten Inselfriedhof. Die Insel ist ja bekanntlich im Laufe der Jahrhunderte nach Osten gewandert.“

„Was ist mit Seeleuten, die über Bord gegangen sind?“, unterbrach sie ihn.

„Wenn die Knochen hoch auf den Dünen liegen unwahrscheinlich. Aber es können natürlich auch Leichenteile aus dem 2. Weltkrieg sein. Ich musste mich einmal bei einem Fall damit beschäftigen. Das Haus „Weiße Düne“ war, soweit ich weiß, eine Unterkunft der Luftwaffe im Krieg. Vielleicht ist es ein Opfer der massiven Bombardierung der Insel. Oder aber, ich habe das mal in der Inselchronik über den Krieg gelesen, dass ein englischer Halifax-Bomber direkt neben der Unterkunft der Luftwaffe abgestürzt ist.“

Heike Wohlers rollte mit den Augen. Auf der einen Seite war sie schon beeindruckt davon, was Petersen so alles wusste, auf der anderen Seite hörte er überhaupt nicht mehr auf zu reden. Ronny, der der Unterhaltung aufmerksam gefolgt war, schaltete sich etwas schüchtern ein.

„Entschuldigung, darf ich mal was sagen?“

Petersen musterte ihn etwas verärgert, nickte aber.

„Das sind doch alles Spekulationen. Vielleicht sollten wir da jetzt mal hingehen und uns selbst ein Bild machen.“

Heike Wohlers war über diesen Vorschlag begeistert. „Lars, wo er Recht hat, hat er Recht.“

Petersen wusste nicht so recht, ob er jetzt sauer sein sollte oder Ronnys Vorschlag annehmen sollte. Er entschied sich dann aber doch für das dienstlich Naheliegendste.

„Klarmachen zum Abmarsch!“, rief er militärisch. „Absperrband, Spuren-Sicherungskoffer fertigmachen! Jetzt kommt das archäologische Ermittlerteam.“

Seine Kollegen wussten natürlich, dass dieses Kommando ironisch gemeint war. Alle drei mussten jetzt lachen und machten sich für den Abmarsch fertig.

Die Siedlerstraße wollte kein Ende nehmen. Die unregelmäßige Pflasterung ließ ihre Füße schmerzen. Eigentlich wollte Petersen den Bollerwagen als Transportmittel für ihr Equipment mitnehmen, hatte diese Idee aber sogleich wieder verworfen. Drei Polizisten mit einem Bollerwagen, was für ihn ein peinlicher Aufzug gewesen wäre. Sie hatten den Umweg über die Siedlerstraße genommen, um am Bahnhof ein Plakat mit den gestohlenen Werkzeugen aufzuhängen. In Höhe des Sportplatzes bogen sie auf das Gelände der „Weißen Düne“ ab, gingen an den verschiedenen Gebäuden vorbei und erreichten dann schließlich den Dünenpfad. Auf der Spitze der einen Düne sahen sie dort drei Männer in Malerkleidung stehen. Langsam stiegen die drei Beamten die Düne empor. Mit einem kräftigen „Moin“ begrüßte Petersen das Trio.

„Wo liegt denn unser ‚Insel-Ötzi‘ begraben?“, scherzte er.

Die drei Maler schauten sich etwas verwirrt an. Augenscheinlich hatten sie Petersens Scherz nicht verstanden. Mit dem Begriff „Insel-Ötzi“ konnten sie nun überhaupt nichts anfangen. Heike Wohlers, die grinsen musste, versuchte die Situation zu entwirren.

„Nun, zeigen Sie uns mal die Stelle, wo die Knochen liegen sollen!“