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Seitenzahl: 98
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 318
Textanalyse und Interpretation zu
Bertholt Brecht
MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER
Wilhelm Große
Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgaben: Brecht, Bertolt: Mutter Courage und ihre Kinder. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2008 (= edition suhrkamp 49)
Über den Autor dieser Erläuterung: Dr. Wilhelm Große: Studium der Germanistik, Philosophie und Pädagogik an der Ruhr Universität Bochum; Tätigkeit im Schuldienst, in der Lehrerausbildung und -fortbildung; Lehrbeauftragter an der Trierer Universität im Bereich Literaturdidaktik; zahlreiche Publikationen zur deutschsprachigen Literatur vom 18. bis zum 20. Jahrhundert; literaturdidaktische Beiträge.
Hinweis: Die Rechtschreibung wurde der amtlichen Neuregelung angepasst. Zitate von Brecht müssen aufgrund eines Einspruches in der alten Rechtschreibung beibehalten werden.
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Die öffentliche Zugänglichmachung eines für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werkes ist stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.
2. Auflage 2012
ISBN 978-3-8044-6924-2
© 2002, 2010 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelbild: Helene Weigel als Mutter Courage (1949), © ullstein bild
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INHALT
1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht
2. Bertolt Brecht: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Brechts Entwicklung als Stückeschreiber bis zur Mutter Courage
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
Die verschiedenen Fassungen der Mutter Courage
3. Textanalyse und -interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
3.2 Inhaltsangabe
3.3 Aufbau
Übersicht und Chronologie der Szenen
Chronik
Titularien
Songs
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Der Feldprediger
Yvette Pottier
Der Obrist
Der Feldhauptmann
Der Koch
Eilif, Schweizerkas, Kattrin
Mutter Courage
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.6 Stil und Sprache
3.7 Interpretationsansätze
Brechts Äußerungen zur Mutter Courage
Literaturwissenschaftliche Interpretationen
Anregungen durch Grimmelshausen
4. Rezeptionsgeschichte
5. Materialien
Der Dreißigjährige Krieg
Brecht zum epischen bzw. experimentellen Theater
6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen
Aufgabe 1 *
Aufgabe 2 *
Aufgabe 3 ***
Aufgabe 4 ***
Literatur
Zitierte Ausgabe
Ausgaben von Mutter Courage und ihre Kinder
Werke, Arbeitsjournal, Tagebücher, Briefe
Materialien
Brecht-Biografien
Handbücher, Gesamtdarstellungen
Zu den Dramen Brechts und der Theorie des epischen Theaters
Interpretationen zu Mutter Courage und ihre Kinder
Mutter Courage und ihre Kinder – deutsche Verfilmungen
Damit sich jeder Leser in unserem Band rasch zurechtfindet und das für ihn Interessante gleich entdeckt, hier eine Übersicht.
Im 2. Kapitel werden die wichtigsten Daten zu Brechts Biografie, dem zeitgeschichtlichen Hintergrund und seinem Werk angeführt:
Brecht wurde 1898 in Augsburg geboren, studierte in München Medizin, dort fand auch die Aufführung seines zweiten Stückes Trommeln in der Nacht statt.
Brecht erhielt 1922 den Kleist-Preis, war Dramaturg an den Münchener Kammerspielen.
Er siedelte 1924 nach Berlin über; dort 1928 sein großer Erfolg mit der Dreigroschenoper.
1933 Machtergreifung durch die Nationalsozialisten; darum Brechts Flucht nach Dänemark; dann über Schweden, Finnland, Moskau nach Santa Monica in Kalifornien/USA (1941).
Im Exil schreibt Brecht Mutter Courage und ihre Kinder (1939), 1941 Uraufführung in der Schweiz.
1947 kehrt Brecht über die Schweiz nach Europa zurück; Übersiedlung nach Berlin (Ost).
1949 dort Gründung des Berliner Ensembles; 1956 stirbt Brecht.
Im 3. Kapitel bieten wir eine Textanalyse und -interpretation.
Mutter Courage – Entstehung und Quellen:
Zunächst werden Brechts Entwicklung als Stückeschreiber, die Umstände des Exils, in denen er Mutter Courage verfasste, und die einzelnen Fassungen skizziert, die er der Courage gab. Erwähnung finden auch die Modellinszenierung (1948 / 49), die Brecht erarbeitete, und die Arbeit an einem Drehbuch für die Verfilmung.
Inhalt:
Das Stück umfasst 12 Bilder.
In denen wird dargestellt, wie Mutter Courage als Marketenderin (= Händlerin mit für die Soldaten kriegswichtigen Utensilien) einerseits am Krieg verdienen muss und will, andererseits aber ihre eigenen Kinder vor dem Krieg und seinen Folgen bewahren will. Sie sieht nicht ein, dass das unmöglich ist, muss also ihre drei Kinder dem Krieg opfern.
Aufbau:
Mutter Couragegehört zur Gruppe der epischen Dramen Brechts, wobei als kommentierende, verfremdende Mittel u. a. den Szenen vorangestellte Inhaltsangaben, Songs und sprachliche Umwertungen und Verkehrungen eingesetzt werden. Dieses epische Theater verwirklicht die offene Form, die anti-aristotelische Reihung von Szenen, die weder einen eigentlichen Anfang noch ein eigentliches Ende aufweisen.
offene Szenen
offener Schluss
Funktion der Titularien
Funktion der eingestreuten Lieder
Chronologie und Schauplätze:
Die zwölf Szenen des Stückes spielen im Zeitraum von Frühjahr 1624 bis Januar 1636, also in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648).
Schauplätze sind Kriegslager sowohl auf der kaiserlich-katholischen als auch auf der protestantisch-schwedischen Seite.
Personen:
Die Hauptpersonen sind
Mutter Courage:
die Marketenderin
Mutter von drei Kindern
und ihre Kinder:
Eilif verkörpert die Tugend der Tapferkeit
Schweizerkas verkörpert die Tugend der Redlichkeit
Kattrin verkörpert die Tugend der Menschlichkeit
außerdem:
Der Feldprediger – Verbindung von Kirche und Militär
Yvette Pottier – Lagerhure
Der Obrist – ein Negativum
Der Feldhauptmann – verlebter Aristokrat
Der Koch – Verbindung von Liebe und Geschäft
Wir stellen diese Personen ausführlich vor.
Stil und die Sprache Brechts:
Anachronismen und altertümliche Wendungen geben dem Stück Zeitkolorit.
Die Dialogführung ist ein Mittel der publikumsgerichteten Dramaturgie des Stückes.
Unterschiedliche Interpretationsansätze bieten sich an:
Brechts eigene Äußerungen zum Stück
Mutter Courage als typische Kleinbürgerin
Mutter Courage und ihre Kinder als eine andere Form des Geschichtsdramas
Mutter Courage und ihre Kinder als Tragödie, nicht als Lehr-Stück
Bertolt Brecht 1898–1956, © Cinetext / Henschel Theater-Archiv
Jahr
Ort
Ereignis
Alter
1898
Augsburg
geboren am 10. Febr. als Sohn eines Direktors der Haidlschen Papierfabriken
1916
Pazifistischer Schulaufsatz, deshalb Androhung des Schulverweises
18
1917
Abitur
19
1917
München
Beginn des Medizinstudiums
19
1918
Augsburg
Sanitätssoldat in einem Lazarett
20
1922
München
Uraufführung von Trommeln in der Nacht an den Münchener Kammerspielen; Verleihung des Kleist-Preises
24
1923
München
Dramaturg an den Münchener Kammerspielen
25
1924
Berlin
Übersiedlung von München nach Berlin; Dramaturg am Deutschen Theater bei Max Reinhardt
26
1926
Darmstadt
Uraufführung von Mann ist Mann
28
1927
Berlin
Mitarbeit an der Dramatisierung von Hašeks Schwejk für die Piscator-Bühne
29
1928
Berlin
Uraufführung der Dreigroschenoper am Schiffbauerdamm-Theater
30
1929
Heirat mit Helene Weigel
31
1930
Leipzig
Uraufführung der Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny in Leipzig; Die heilige Johanna der Schlachthöfe
32
1932
Berlin
Uraufführung von Die Mutter (nach dem Roman von Maxim Gorki) in Berlin
34
1933
Dänemark
28. Febr.: nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten in Deutschland flieht Brecht mit der Familie über mehrere Stationen nach Dänemark; Wohnsitz bei Svendborg auf Fünen
35
1934
Dreigroschenroman
36
1935
Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft durch die Nationalsozialisten
37
1936
mit Lion Feuchtwanger und Willi Bredel Herausgeber der in Moskau erscheinenden Literaturzeitschrift Das Wort (erscheint bis 1939)
38
1937
Die Gewehre der Frau Carrar
39
1938
Furcht und Elend des Dritten Reiches; erste Arbeit an der Mutter Courage
40
1939
Schweden
Übersiedlung nach Schweden; Niederschrift des Stückes Mutter Courageund ihre Kinder
41
1940
Finnland
Aufenthalt in Finnland
42
1941
Moskau
USA
Zürich
Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui; Flucht aus Finnland über Moskau, Wladiwostok nach Santa Monica in Kalifornien/USA; Uraufführung der Mutter Courage im Zürcher Schauspielhaus
43
1943
Zürich
Schweyk im Zweiten Weltkrieg; Uraufführung von Der gute Mensch von Sezuan und Leben des Galilei im Zürcher Schauspielhaus
45
1945
Der kaukasische Kreidekreis
47
1947
Schweiz
Verhör vor dem McCarthy-Ausschuss für ‚unamerikanische Aktivitäten‘ in Washington; Rückkehr nach Europa; vorläufiger Aufenthalt in der Schweiz
49
1948
Berlin (Ost)
Übersiedlung nach Berlin (Ost)
50
1949
September: Gründung des Berliner Ensembles
51
1950
Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft; Wohnsitz in der DDR; Mitglied der Deutschen Akademie der Künste in Berlin (Ost)
52
1951
Brecht erhält den DDR-Nationalpreis 1. Klasse
53
1954
März: Eröffnung des Theaters am Schiffbauerdamm als eigenem, endgültigem Sitz des Berliner Ensembles; Juli: das Berliner Ensemble erhält den 1. Preis beim Théàtre des Nations in Paris
56
1955
Moskau
Reise nach Moskau zur Entgegennahme des
Internationalen Stalin-Friedenspreises
57
1956
Berlin (Ost)
14. August: Tod nach Herzinfarkt; Begräbnis auf dem Dorotheen-Friedhof Berlin (Ost)
58
ZUSAMMENFASSUNG
Brechts erste Stücke tragen noch Züge des expressionistischen Dramas.
Bekannt wird der Stückeschreiber Brecht vor allem durch die Dreigroschenoper. Es folgen dramatische Experimente mit den sog. ‚Lehrstücken‘. Zu den Stücken, die im Exil entstanden, gehören das Schauspiel Mutter Courage und ihre Kinder (1939) neben Leben des Galilei (1. Fassung 1938 / 39), Der gute Mensch von Sezuan (1939–41), Herr Puntila und sein Knecht Matti (1940) und Der kaukasische Kreidekreis (1944).
Brechts Entwicklung als Stückeschreiber bis zur Mutter Courage
„Bereits im dramatischen Erstling Baal gelang Brecht in der Figur des Bohemiens und Vagabunden die Gestaltung eines Menschentypus: Baal ist der ‚Lebensverbraucher‘, der sich und andere Menschen rigoros ‚auslebt‘. Als Nihilist weist er alle metaphysische Beruhigung von sich. … Auch das zweite Stück Trommeln in der Nacht stellt eine Herausforderung an die bürgerliche Gesellschaft seiner Zeit dar. In der Form des expressionistischen Heimkehrerdramas entwirft Brecht ein kritisches Bild des Bürgertums, das das Kriegsende und die (verratene proletarische) Revolution von 1918 / 19 dazu benutzt, seine Pfründe erneut zu sichern. … In Mann ist Mann konfrontierte Brecht seine Zeit mit dem von ihr geschaffenen Typus des auswechselbaren Individuums. … Als Gegenentwurf zu John Gays Beggar’s Opera entstand 1928 das satirische Spektakel Die Dreigroschenoper mit der Musik von Kurt Weill. Sie zeigt die bürgerliche Gesellschaft als ausbeuterisches Raubsystem, das sich hinter der Maske der Wohlanständigkeit versteckt. … Ende der 20er Jahre entwickelte Brecht eine neue Dramenform, die er … dem kulinarischen Schautheater der Zeit entgegensetzte: das sog. Lehrstück (Flug des Lindberghs; Badener Lehrstück vom Einverständnis; Der Jasager; Der Jasager und der Neinsager; Die Maßnahme; Die Ausnahme und die Regel).… Brecht wollte mit den Stücken die gewohnte Konsumentenhaltung des Zuschauers aufbrechen. … Als erstes marxistisches Stück gilt Die heilige Johanna der Schlachthöfe. Es basiert auf alten Plänen, die Hintergründe der kapitalistischen Ökonomie und der Vorgänge an der Börse dramatisch zu veranschaulichen. … Gleichzeitig entwickelte Brecht mit der Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny seine Theorie des ‚epischen Theaters‘ (vgl. dazu auch Kap. 5, Materialien). … Im marxistischen Stück Die Mutter