My Dearest Enemy - R.S. Grey - E-Book

My Dearest Enemy E-Book

R. S. Grey

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Beschreibung

Sei deinen Freunden nah, doch deinen Feinden noch näher Daisy hat es geschafft: Nach jahrelangem Pauken fürs Medizinstudium ist sie kurz davor, sich den Traum von ihrer eigenen Praxis zu erfüllen. Das denkt sie zumindest, als sie in ihre Heimatstadt Hamilton zurückkehrt, um dort die Praxis des alten Dr. McCormick zu übernehmen. Doch was sie nicht weiß: Außer ihr hat Dr. McCormick auch Lucas Thatcher als Arzt eingestellt. Lucas, ihren jahrelangen Feind und Rivalen, mit dem sie sich in der Schulzeit bis aufs Bitterste bekämpft hat. Während sie sich eine Strategie zurechtlegt, um ihn in die Flucht zu schlagen, ahnt sie nicht, dass der Gegner sich verändert hat. Lucas sieht verboten gut aus und zögert nicht, mit unlauteren Mitteln zu spielen. Nie hätte Daisy gedacht, dass die Nähe zum Feind sich so gut anfühlen kann … Stimmen zum Buch:  "Herrliche Lektüre, mit ganz viel Liebe und einen so fantastischen Humor. Sehr zum weiterempfehlen [...]." (Sonnenschein2016 auf Vorablesen)  "Oh mein Gott, dieses Buch war so süß, witzig und romantisch, dass ich gar nicht mehr aufhören konnte zu lesen." (Sabine1981 auf Vorablesen) "Klasse Buch, tolles Schreibstil, sympathische Charaktere. Viel mehr Worte braucht es garnicht. Definitiv eine Empfehlung." (flocke-elsa auf Vorablesen) "Ein super lustiges, emotionales Buch! Daisy mit ihrem schrägen Humor muss man auf den ersten Blick einfach liebhaben. So auch Lucas. Die Schlagabtausche zwischen den beiden sind einfach göttlich [...]!" (malibu auf Vorablesen)

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Seitenzahl: 402

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My Dearest Enemy

Die Autorin

R.S. Grey ist die Autorin von dreizehn Romanen, darunter vier Liebeskomödien, die es auf Platz 1 der »USA Today«-Bestsellerliste geschafft haben. Sie liebt Yoga, Schokolade, Reality-TV und kaltes Wetter. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Hunden in Texas.

Das Buch

Sei deinen Freunden nah, doch deinen Feinden noch näher.

Daisy hat es geschafft: Nach jahrelangem Pauken fürs Medizinstudium ist sie kurz davor, sich den Traum von ihrer eigenen Praxis zu erfüllen. Das denkt sie zumindest, als sie in ihre Heimatstadt Hamilton zurückkehrt, um dort die Praxis des alten Dr. McCormick zu übernehmen. Doch was sie nicht weiß: Außer ihr hat Dr. McCormick auch Lucas Thatcher als Arzt eingestellt.

Lucas, ihr jahrelanger Feind und Rivale, mit dem sie sich in der Schulzeit bis aufs bitterste bekämpft hat. Während sie sich schon eine Strategie zurechtlegt, um ihn in die Flucht zu schlagen, ahnt sie nicht, dass der Gegner sich verändert hat. Lucas sieht verboten gut aus und zögert nicht, mit unlauteren Mitteln zu spielen. Nie hätte Daisy gedacht, dass die Nähe zum Feind sich so gut anfühlen kann …

R.S. Grey

My Dearest Enemy

Roman

Aus dem Amerikanischen von Uta Hege

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe bei Forever.Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinApril 2019 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019© 2017 by R.S. GreyTitel der amerikanischen Originalausgabe: Anything You Can DoUmschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®E-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-353-7

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

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EPILOG

Leseprobe: Not My Type

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Cover

Titelseite

Inhalt

1

1

Ich kann nicht glauben, dass ich tatsächlich nach all der Zeit wieder hier bin. Immer wieder habe ich mir während der letzten Jahre in den leuchtendsten Farben ausgemalt, was für ein Gefühl es sein würde, mit der Goldmedaille um den Hals siegreich nach Hamilton, Texas, heimzukehren. In meinen Träumen fand immer eine fröhliche Parade statt. Mit Konfetti, Wunderkerzen und billigen Süßigkeiten, die gegen die weichen Köpfe irgendwelcher Kinder prallten. Zumindest bin ich davon ausgegangen, dass es ein Podium geben würde, von dem aus ich meine Dankesrede halten konnte. Und tatsächlich habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, denn vielleicht holt meine Mom ja in der Zeit, die ich zum Umziehen brauche, noch ein Podest aus ihrem Besenschrank hervor.

Ich kann sie alle unten auf mich warten hören. Über dem Kamin hat meine Mom ein großes Pappschild mit Willkommen zu Hause, Dr. Bell platziert, und die Einzige, die jetzt noch fehlt, bin ich als Ehrengast dieses Empfangs. Die Party hat vor einer Stunde angefangen und meine Mom erscheint bereits zum zweiten Mal in meinem Zimmer, um sich zu erkundigen, ob ich mich allmählich auf der Feier blicken lassen will.

Beim ersten Mal lag ich in einem Bademantel, den ich während meiner Highschoolzeit getragen habe, auf dem Bett.

»Wenn du nicht möchtest, dass man alles sieht, bindest du dir am besten den Gürtel zu, bevor du runterkommst,« riet sie mir vorsorglich.

Jetzt aber bin ich angezogen, stehe mit dem Rücken zur Tür am Fenster und betrachte triumphierend das zweistöckige Nachbarhaus.

»Falls du nach Madeleine Ausschau hältst, die ist schon unten.«

»Aber ihr Bruder ist nicht da, oder?« Ich weiß, dass er in Kalifornien ist, aber ich muss es trotzdem von ihr hören.

»Natürlich nicht.«

Ich drehe mich nach meiner Mutter um und sehe sie aus zusammengekniffenen Augen an, bis ich mir sicher bin, dass sie die Wahrheit sagt. Der Kerl schafft es sogar, dafür zu sorgen, dass ich meiner eigenen Mutter misstraue. Das ist die unerfreuliche Nebenwirkung meiner Rückkehr in die alte Heimatstadt, die unser jahrelanges Schlachtfeld war. Es gibt in Hamilton nicht einen Winkel, in dem wir nicht unser Blut beim Kettenbrechen, unseren Schweiß bei zahlreichen Cross-Country-Läufen sowie unsere Tränen bei einer ganzen Reihe anderer Wettkämpfe vergossen hätten. Im achten Schuljahr habe ich ihm ein blaues Auge verpasst, als er sagte, dass mich keiner der Jungs zum Abschlussball bitten würde. Direkt unter der Eiche neben seinem Haus. Und während er mit einer Packung tiefgefrorener Erbsen auf dem blauen Auge auf dem Sofa lag, ging ich am Arm des tollen Matt Del Rey zum Ball.

Doch gänzlich ungeschoren kam ich nicht davon. Als meine Mutter später von der Auseinandersetzung hörte, schleifte sie mich rüber, damit ich mich bei Lucas entschuldige. Und weil unseren Müttern mein sarkastisches Es tut mir ja so leid nicht reichte, zwangen sie uns obendrein noch eine peinliche Umarmung auf. Ich weiß noch ganz genau, wie ich ihm sanft die Arme um den Hals geschlungen und ihm möglichst leise, damit unsere Mütter es nicht hörten, zugeraunt habe: »Wenn du mich noch mal verpetzt, bekommst du noch ein Veilchen dazu.«

Er seinerseits nutzte seine pubertäre Kraft, um meine Rippen wie eine Boa constrictor einzuquetschen, was aus Sicht unserer Mütter eine wirklich liebevolle Geste war, und flüsterte zurück: »Ich hoffe, dass dich irgendwann der Schulbus überfährt.«

»Daisy?«, fragt meine Mom aus Richtung Tür und zwingt meine Gedanken in die Gegenwart zurück. »Willst du jetzt vielleicht runterkommen? Die anderen freuen sich schon auf dich.«

Ich wende mich vom Fenster ab und öffne meine Faust. Der Vorfall ist fünfzehn Jahre her, aber noch immer tun mir ab und zu die Knöchel weh.

Ob es seinem Auge wohl genauso geht?

Unten nehmen mich eine Reihe betagter Nachbarn, alter Freundinnen und Freunde, zu denen ich schon vor Jahren den Kontakt verloren habe, und der Zeitungsjunge in Empfang. Ich kenne nicht einmal die Hälfte dieser Menschen, aber schließlich war ich, seit ich Hamilton vor elf Jahren zum Studieren verlassen habe, auch eher selten hier.

Bei meinem Erscheinen brechen die mir großteils fremden Menschen unter Anleitung meiner Mom, die wie ein Dirigent am Fuß der Treppe steht, in lauten Jubel aus.

»Willkommen zu Hause, Frau Ärztin!«

»Super, Daisy! Gut gemacht!«

Der eine oder andere klopft mir anerkennend auf den Rücken und am Ende reicht mir jemand einen Drink. Ich mag normalerweise keine Partys, aber heute Abend habe ich allen Grund zum Feiern, denn nach all den Jahren wird jetzt mein Traum von einer eigenen Praxis wahr. Das war der Grund für meine Rückkehr nach Hamilton und der Grund für all die harte Arbeit während meines Studiums und der Zeit als Assistenzärztin im Krankenhaus.

Ich mache einen Bogen um den Sportlehrer meiner alten Schule, der anscheinend ein paar Schnäpse mit mir kippen möchte, bahne mir den Weg in Richtung Küche und treffe Madeleine, die dort Bowle ausschenkt. Sie ist meine älteste und beste Freundin, deshalb überrascht es mich nicht, dass meine Mom sie zwangsverpflichtet hat.

»Ich hab mich schon gefragt, ob du überhaupt runterkommen würdest. Warte, ist das Kleid nicht noch aus der Highschool?«

Ich zucke mit den Achseln. »Ich habe meine Koffer noch nicht ausgepackt, und das hier hing noch im Schrank. Ich wollte nur ausprobieren, ob es mir noch passt.«

Lässig wirft Madeleine sich die braunen Haare über die Schulter, unterzieht mich einer eingehenden Musterung und stellt dann mit einem breiten Grinsen fest: »Ich finde, dass es dir jetzt viel besser steht.«

In der Gaußkurve weiblicher Körperformen bin ich links der Mitte angesiedelt – mittelgroß, relativ dünn, mit dürren Handgelenken, und zu Brüsten bin ich erst nach der Highschool gekommen, als die Neuigkeit für alle anderen längst schon nicht mehr neu war. Trotzdem hat es mich, als ich in das Kleid gestiegen bin und mich vor meinem alten, bodentiefen Spiegel gestellt habe, gefreut zu sehen, dass ich zumindest figurtechnisch mein eigener Teenage Dream geworden bin. Danke, Katy Perry!

»Du hättest raufkommen sollen.«

Madeleine zeigt auf die halb leere Schüssel mit der Bowle. »Deine Mom hat mich sofort zum Küchendienst verdonnert.«

»Vergiss die Bowle und komm mit in den Garten. Wir schnappen uns eine Flasche Wein und trinken sie aus, bevor uns jemand erwischt.«

»Dir ist schon klar, dass wir inzwischen erwachsen sind? Wir brauchen keinen Alkohol mehr aus dem Haus zu schmuggeln, wenn wir uns betrinken wollen.«

Achselzuckend greife ich an ihr vorbei nach einer noch verschlossenen Flasche Cabernet. »Ja, aber es macht mehr Spaß, wenn man so tut, als müsste man das noch. Außerdem ist auch McCormick da und wenn er mich entdeckt, war’s das für uns, weil er dann garantiert den ganzen Abend über seine Praxis sprechen will.«

Sie reißt entsetzt die braunen Augen auf. »Oh Gott, natürlich, du hast recht. Geh schon mal vor. Ich komme mit den Gläsern nach.«

»Daaaaiisyyyyyy!«

Der bekannte Singsang meiner Mutter zwingt mich stehen zu bleiben, und noch während mein Instinkt mir rät, die Flasche schnell verschwinden zu lassen und möglichst unschuldig zu tun, fällt mir wieder ein, dass ich inzwischen achtundzwanzig bin, volljährig und offiziell befugt zum Konsumieren alkoholischer Getränke.

»Sieh nur, was gerade für dich abgegeben worden ist!«

Ich drehe meinen Kopf und lasse dann doch fast die Rotweinflasche fallen, als sie mit einer Bombe in den Händen in die Küche kommt.

»Was. Ist. Das?«

»Ein Blumenstrauß für dich!« Sie strahlt mich an. »Sieht nach mehreren Dutzend aus.«

Drei Dutzend, um genau zu sein. Drei Dutzend dicker, weißer Margeriten, was bei meinem Namen Daisy Margaret an Symbolkraft kaum zu überbieten ist.

»Wirf sie weg!«

»Wie bitte? Mach dich doch nicht lächerlich. Sie wurden gerade erst gebracht.«

Sie steht schon an der Spüle und lässt Wasser in die riesengroße Vase, aber wütend reiße ich ihr die Blumen aus der Hand und kippe dabei aus Versehen das Wasser über den dünnen Stoff meines Kleides. Jetzt bin ich sicher nicht mehr nur mein eigener Teenage Dream!

»Daisy!«

»Nein. Nein. Nein.«

Ich brauche nur drei Schritte bis zur Hintertür und noch mal vier, bis ich die blöden Blumen in den Mülleimer am Fuß der Treppe werfen kann. Und dort, im Inneren der Tonne, sehe ich den Umschlag, der auf den zerknickten Blüten liegt.

Er hat immer schon bei allem aufs Detail geachtet und deswegen extra den grauenhaften, pinkfarbenen Umschlag ausgewählt, dessen Anblick mich rasend macht.

»Wirst du die Karte lesen?«, fragt Madeleine, während sie über meine Schulter auf den Umschlag starrt.

»Nein.«

»Aber vielleicht steht ja was Nettes drin.«

Ich ignoriere sie. Als seine Schwester muss sie ihn nun mal verteidigen. Das hat sie immer schon getan. »Wie konnte er die Karte schreiben?«

»Was?«

Ich zwinge mich zu einem ruhigen Ton. »Wie konnte er die Karte schreiben, wenn er doch in Kalifornien ist? Denn das …« Ich zeige auf den Namen, der auf dem verdammten Umschlag steht. »… ist ganz eindeutig seine Schrift.«

»Tja, nun …«

»Madeleine.«

»Ich dachte, dass du es schon weißt …«

Plötzlich fühlt sich mein Mund trocken wie die Sahara an und krächzend stoße ich die nächsten Worte aus. »Du dachtest, dass ich was schon weiß?«

»Dass er wieder hier ist. Er ist letzte Woche heimgekommen. Ich dachte echt, das wüsstest du.«

Damit ist die Party für mich vorbei. Nur ein wenig Konfetti klebt noch unter meinem Schuh.

Ich bin zwar keine Blumen-, aber eine Margeriten-Hasserin. Ich kriege Ausschlag von den Dingern, weil sie Sinnbild dessen sind, was alle in mir sehen wollen. Die Welt sieht mich mit meinem weizenblonden Haar und meinen großen, leuchtend blauen Augen, möchte mir den Kopf tätscheln und mich in ihren Garten pflanzen. Aber ich bin weder süß noch eine Blume. Ich bin Ärztin. Und vor allem Lucas weiß genau, dass ich es hasse, wenn man mich auf meinen niedlichen zweiten Vornamen reduziert.

Wütend werfe ich den Deckel unserer Mülltonne auf den doofen Strauß und zerre Madeleine in mein Zimmer, weil ich wissen muss, warum auch Lucas wieder heimgekommen ist. Wie ein Eichhörnchen, das Nüsse sammelt, muss ich alle Infos horten, die mir meine Freundin über meinen Erzfeind geben kann.

»Warum ist er zurück, Madeleine?«

»Na ja, also, genau wie du hat er inzwischen seine Assistenzzeit rum und ist jetzt wegen einer Stelle wieder hier.«

Sie schafft es nicht, mir ins Gesicht zu sehen.

»Wegen was für einer Stelle?«

Sie ringt nervös ihre Hände. »Bei Dr. McCorm…«

»OH NEIN!«, bricht es aus mir heraus. »GOTT, NEIN!«

Endlich wendet sich Madeleine mir wieder zu und schaut mich zerknirscht an.

»Es tut mir leid, Daisy! Ich dachte, dass du es schon weißt! Warum hätte dir Dr. M nicht sagen sollen, dass er euch beide haben will?«

Ich hebe eine Hand an meinen Hals, um meinen viel zu schnellen Puls zu ertasten, lasse sie wieder sinken und stapfe im Zimmer auf und ab. Es muss eine Erklärung für das alles geben, denn die Fakten sind eigentlich simpel: Dr. McCormick betreibt Hamiltons einzige Hausarztpraxis und hat angedeutet, dass er sich in absehbarer Zeit zurückziehen will. Er hat die Praxis allein geführt und mir in meinem letzten Assistenzjahr angeboten, bei ihm einzusteigen und die Praxis zu übernehmen, wenn er in Rente geht. Natürlich habe ich zugestimmt, daher bin ich jetzt hier, auf meiner Willkommensfeier.

Warum also, verdammt noch mal, kommt plötzlich auch noch Lucas in dieser Gleichung vor? Ich klammere mich an einen letzten kleinen Fetzen Optimismus und rede mir ein, dass unser alter Doktor vielleicht einen Büroleiter oder, noch besser, einen Pförtner braucht.

In diesem Augenblick tritt mir Madeleine entschlossen in den Weg. »Denkst du nicht auch, es wäre langsam an der Zeit, diese absurde Feindschaft zu begraben? Inzwischen ist das alles doch elf Jahre her und ihr seid beide im Begriff, in eine Praxis einzusteigen und zu zeigen, was für tolle Ärzte ihr geworden seid. Da sollte man doch meinen, dass ihr euren Hass inzwischen überwunden habt.«

Ich lache und kann selber hören, wie hysterisch es klingt. »Madeleine, Madeleine, Madeleine.«

»Hör auf, meinen Namen zu sagen.«

»Erinnerst du dich noch, als Lucas und ich im letzten Schuljahr waren und die Sozialarbeiterin der Schule, Mrs Beckwith, uns nach dem Vorfall auf dem Parkplatz zu sich ins Büro bestellt hat?«

»Nein –«

»Nach einer Stunde hatten wir sie klein. Sie hat ihren Job noch am gleichen Tag gekündigt, ist in den Norden gezogen und hat angefangen, Gemüse anzubauen. In ihrer Kündigung hat sie geschrieben, Lucas und ich hätten – ich zitiere – ihren ›Glauben an die Zukunft der Menschheit nachhaltig zerstört‹.«

»Das hast du dir doch ausgedacht.«

»Du kennst deinen Bruder nicht mal annähernd so gut wie ich und kannst mir glauben, wenn ich sage, dass wir zwei uns nie verstehen werden, ganz egal, was in der Zwischenzeit aus uns geworden ist. Die elf Jahre Trennung haben daran nichts geändert. Oder wenn, dann nur, indem sie unsere Feindschaft über all die Zeit hinweg noch haben reifen lassen – so wie einen guten Wein oder eher wie einen Stinkekäse.«

»Hättest du in der Zwischenzeit nicht Medizin studieren sollen?«

»Oh, das habe ich getan. Bei jeder grauenhaften Hautkrankheit, Pustel oder Zyste habe ich mir vorgestellt, dass Lucas sie hat. Und bei jeder todbringenden Krankheit, bei der man sich noch über Wochen quält, habe ich mir eingeredet, dass nicht ein namenloser Studienteilnehmer, sondern er darunter leidet. Was mir beim Lernen unglaublich geholfen hat.«

»Du bist einfach ein hoffnungsloser Fall.« Sie wirft die Hände in die Luft und stapft zur Tür. »Ich werde wieder runtergehen und mich mit deinen Gästen amüsieren. Und du solltest dir überlegen, wie es zwischen dir und Lucas weitergehen soll. Auch wenn es dir nicht passt, hat euch Dr. McCormick beide angestellt. Du solltest dich also vielleicht bemühen, es positiv zu sehen. Denk dran, wie er es angegangen ist.«

Sie zeigt auf den pinken Umschlag, den sie aus dem Müll gezogen hat, bevor ich ihr den Deckel auf die Finger knallen konnte, und inzwischen tut es mir leid, dass sie die Hand noch rechtzeitig zurückgerissen hat. »Die Blumen sind eindeutig ein Friedensangebot –«

Wie erschreckend naiv und gutgläubig sie manchmal ist. Was sicher daran liegt, dass sie im Gegensatz zu mir nicht durch eine lebenslange, abgrundtiefe Feindschaft abgehärtet worden ist.

»Ich bitte dich. Das war ein Warnschuss«, kläre ich sie auf.

Madeleine verdreht die Augen, wendet sich zum Gehen und lässt mich allein zurück in meinem Zimmer. Ich setze mich wieder auf mein Bett und denke nach. Die Blumen sind eine geheime Botschaft, eine kleine Erinnerung daran, dass sich zwischen uns nichts geändert hat. Für alle anderen sieht der Strauß wie eine nette Geste aus. Sie können die verborgene, quälende Bedeutung nicht erkennen, und genau deshalb hat er ihn mir geschickt.

Ich blicke zwischen dem rosa Umschlag vor mir und der offenen Zimmertür hin und her. Ich bin versucht zu lesen, was er mir geschrieben hat. Während meine Mutter unten ruft, dass bitte alle Untersetzer unter ihre Gläser legen sollen, drücke ich die Tür ins Schloss, kehre zurück zu meinem Bett und reiße den Umschlag auf.

Von der gestochen klaren Schrift bekomme ich wie auch schon früher einen Tunnelblick und starre hasserfüllt die zugegebenermaßen recht hübsche Karte an.

Oh, welch ein Glück,

du bist zurück.

Drum schick ich von Haus zu Haus

dir diesen Margeritenstrauß.

2

Lucas Thatcher und ich stehen seit Tag eins in Konkurrenz zueinander. Denn tatsächlich sind wir beide am selben Tag innerhalb von weniger als einer Stunde auf die Welt gekommen, und während ich als Erste krabbeln konnte, hat er eher gesprochen, während ich als Erste laufen konnte, war er früher auf dem Töpfchen. Und so ging es weiter.

Unsere Eltern haben uns gleiche Sachen angezogen, unsere Geburtstage zusammen gefeiert und in ihren Fotoalben gibt es unzählige Aufnahmen, auf denen ich als braver, blonder Engel neben diesem ungestümen Satansbraten abgebildet bin. Mein Lieblingsbild und unauslöschlicher Beweis für unsere Feindschaft zeigt uns im Alter von knapp einem Jahr an Halloween. In der Hoffnung auf ein süßes Foto hatten unsere Eltern uns zusammen auf einen Heuballen gesetzt. Lucas hat mir sofort mit seinen ungeschickten Babyfingern meine kleine gelbe Schleife aus dem Haar gerissen. Das Foto wurde genau in dem Moment aufgenommen, als ich ihm aus Rache die paar Zähne, die ich damals hatte, in den Oberarm gerammt habe.

Sicher kommen Babys nicht mit hasserfüllten Herzen auf die Welt, aber da mir niemand sagen konnte, wann genau der permanente Wettstreit zwischen uns begann, gehe ich einfach davon aus, dass er schon seit unserer Geburt bestand. Meine Mutter schwört, wir hätten unseren ersten Streit gehabt, als Lucas und nicht ich ganz vorne gehen durfte, als wir mit dem Kindergarten in den Wald gegangen sind. Was ich natürlich anders sehe, denn auch wenn der strengen Mrs Hallow während all der Jahre im Beruf bestimmt kein zweiter derart schlimmer Fehler unterlaufen ist, trägt sie ganz sicher nicht allein die Schuld daran, wie es zwischen mir und Lucas weitergegangen ist.

Die Menschen wollen immer wissen, was für ein doch sicher furchtbares Ereignis Auslöser der lebenslangen Rivalität zwischen uns war. In Wahrheit aber war es zwischen uns einfach schon immer so. Wir sind wie Annie Oakley und Frank Butler, die berühmten Kunstschützen des Wilden Westens, und ich bin der festen Überzeugung, dass ich alles, was er tut, noch besser kann.

Die Konkurrenz zwischen uns beiden hatte unter anderem deshalb jahrelang Bestand, weil wir sie ständig ausgeweitet haben. In der Grund- und Mittelschule sind wir noch eher kindlich vorgegangen, haben in Kunst die Zeichnungen des jeweils anderen mit Fingerfarben überschmiert, uns auf dem Pausenhof die Fußbälle geklaut und vor den Aufführungen der Schultheatergruppe die Schnürsenkel des jeweils anderen so verknotet, dass er auf der Bühne auf die Nase fiel.

Natürlich blieben diese fiesen Scherze nicht ganz folgenlos. Die Lehrer schrieben unseren Eltern, weil wir entweder Schuleigentum nicht respektierten oder unser Benehmen stark zu wünschen übrig ließ. Lucas’ wegen musste ich zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben nachsitzen, wir verloren beide die Freundinnen und Freunde, die sich in dem Kleinkrieg, den wir führten, nicht auf eine Seite schlagen wollten, und vor allem büßten wir auf Dauer den Respekt und auch das Wohlwollen unserer Lehrer ein. Dabei wurde uns mit zunehmendem Alter die Bedeutung dieser Menschen und der Noten, die sie gaben, bewusst, und plötzlich wurden die Zeugnisse, die sie unseren Eltern schickten, objektive Mittel des Vergleichs, die im Sechswochenturnus deutlich machten, ob ich oder Lucas gerade am Gewinnen war.

Jetzt, elf Jahre später, haben wir es statt mit Lehrern mit Dr. McCormick, unserem zukünftigen Chef, zu tun, und ich bin glücklich, als ich ihn am Morgen nach der Party in seinem Lieblingscafé, dem Hamilton Brew, sehe. Ich hatte vor, am späten Vormittag bei ihm vorbeizuschauen, aber ein zufälliges Treffen passt mir selbstverständlich deutlich besser in den Kram.

Er sitzt mit einer Sonntagszeitung und einem großen Kaffee an einem der Fenstertische. Ich mache mir eine gedankliche Notiz, dass er zwei Päckchen Zucker in den Kaffee nimmt, und trete durch die Tür.

In meiner Highschoolzeit erschien er mir immer wie ein alter Mann, aber plötzlich wird mir klar, dass er wahrscheinlich höchstens ein, zwei Jahre älter ist als meine Mom. Mit seinem grau gesträhnten Haar und dem weißen Schnurrbart sieht er aus wie eine weltmännische Ausgabe des guten alten Nikolaus.

»Dr. McCormick«, grüße ich ihn und setze ein gewinnendes Lächeln auf. »Was für ein Zufall, dass ich Sie hier treffe.«

»Daisy!«

Er freut sich tatsächlich, mich zu sehen, und für einige Minuten plaudern wir so ungezwungen, wie es für die Einwohner von kleinen Städtchen typisch ist, wobei die Hauptthemen der Bau der neuen Siedlung und der neue Supermarkt sind.

»Wenn es so weitergeht, bekommen wir bestimmt bald auch noch einen Bioladen«, stellt er kopfschüttelnd fest. Ungebeten nehme ich ihm gegenüber Platz und komme auf den Punkt.

»Es heißt, auch Lucas wäre wieder in der Stadt. Echt seltsam, finden Sie nicht auch? Aber auch irgendwie schwer vorstellbar, dass das reiner Zufall ist.«

»Ich hatte gehofft, ich hätte noch einen Tag Ruhe, bis ihr zwei mir auf die Schliche kommt.«

Oh Gott. »Dann ist es also wahr? Er arbeitet mit uns zusammen?«

»Er fängt morgen bei mir an, genau wie du.«

Ich spüre, wie meine Hoffnung innerlich zerbricht. Dann erinnere ich mich daran, dass Dr. McCormick mich beobachtet, und zwinge mich zu einem Lächeln.

»Darf ich fragen, warum? Es kann doch sicher auch einer allein die Praxis weiterführen, wenn Sie in Rente gehen, oder nicht?«

Er reibt sich nachdenklich das Kinn und ich habe Angst, eine Grenze überschritten zu haben, aber dann geht er auf meine Frage ein.

»Offen gestanden hatte ich das nicht geplant. Es ist einfach so passiert. Ich habe eines Sonntags in der Kirche ein paar Leuten gegenüber fallen lassen, dass ich überlege, in Rente zu gehen, und als ich am Montagmorgen in die Praxis kam, lagen bereits zwei Bewerbungsmails in meinem Posteingang.«

»Von mir und von Lucas?«

»Genau. Ich nehme an, das habe ich davon, dass ich den Mund nicht halten konnte.«

Auch wenn ich unbedingt wissen will, wessen E-Mail ihn zuerst erreicht hat, beiße ich mir auf die Zunge, als er weiterspricht.

»Ich war unglaublich stolz, weil ihr beide Allgemeinmediziner geworden seid, aber zugleich schockiert, dass ihr nach all den Jahren nach Hamilton zurückkehren wolltet.«

Wir haben beide Noten, die problemlos für ganz andere Positionen ausgereicht hätten. Als Hautarzt oder plastischer Chirurg verdient man jede Menge Geld mit einem Minimum an Arbeit, während man als Hausarzt pausenlos für einen eher bescheidenen Lohn buckelt.

»Aber als erfahrener Arzt habe ich das Problem erst einmal von allen Seiten betrachtet und dann das Positive gesehen. Du hast sicher schon bemerkt, dass Hamilton nicht mehr so klein ist wie früher. Ich habe seit fünf Jahren derart viel zu tun, dass ich nicht mal mehr eine Mittagspause machen kann.«

Ich kann mir denken, worauf er hinauswill, doch die Richtung, in die sich das Gespräch gerade entwickelt, gefällt mir nicht. Inzwischen ist mein Lächeln derart eingefroren, dass meine Wangenmuskeln anfangen zu schmerzen.

»Die Sache ist die: Es gibt genug Arbeit für zwei oder vielleicht sogar für drei Ärzte.«

Ich brauche keine Mittagspause und ich arbeite auch gern die Wochenenden durch. Ich wollte immer eine eigene Praxis haben. Das ist mein Traum und er zerstört ihn. Das Einzige, was ich herausbringe, ist ein gepresstes:

»Alles klar.«

Ich hoffe nur, er sieht mir das Grauen nicht an. Ich bin nach Hamilton zurückgekommen, weil ich dachte, dass die Praxis mir so gut wie sicher wäre, doch als Arzt muss man jederzeit bereit sein, Schläge einzustecken und sich umzustellen, wenn etwas nicht nach Plan verläuft. Daher lächele ich Dr. McCormick an und entschließe mich dazu, das Problem später zu lösen.

Entschlossen schiebe ich meinen Stuhl zurück, erhebe mich von meinem Platz und reiche meinem Chef die Hand.

»Nun, Dr. McCormick, wie auch immer diese Sache ausgeht, ich freue mich schon darauf, mit Ihnen zu praktizieren.«

Er grinst zufrieden.

Bevor ich wieder auf die Straße trete, trinke ich noch einen Espresso – und nach kurzem Überlegen nehme ich einen weiteren Espresso mit auf den Weg. Bevor ich morgen auf den Feind treffe, habe ich noch alle Hände voll zu tun.

Vom Café gehe ich die Hauptstraße hinunter in den teuersten Friseursalon der Stadt. Ich war seit beinah einem Jahr schon nicht mehr beim Friseur, aber jetzt muss ich möglichst gut aussehen. Ich lasse mir das Haar in Stufen schneiden, die meine zarten Züge vorteilhaft betonen, und frage dann nach allen anderen Kosmetikbehandlungen, die das Haus im Angebot hat. Ich will nicht für Lucas hübsch sein, der sowieso nicht den geringsten Sinn für Schönheit hat. Ich tue all das nur für mich. Ich wappne mich für den Kampf, und während sie mir die Füße machen, blättere ich in meinen alten Medizinlehrbüchern, falls an meinem ersten Arbeitstag jemand mit einer seltenen, schwer auszusprechenden Krankheit in die Praxis kommt.

»Was ist mit Ihren Brauen? Sollen wir die auch in Form bringen?«

Ich lache, weil das eine wirklich dumme Frage ist. »Natürlich! Und lassen Sie auch sonst keine Behandlung aus.«

Als ich später nach Hause komme, blättert meine Mom im Esszimmer in Zeitschriften und spricht mit irgendwem am Telefon. Als ich die Tür schließe, hebt sie den Kopf und augenblicklich fällt ihr die Kinnlade herunter.

»Ich rufe dich zurück«, sagt sie ins Telefon. »Hier steht jemand, der aussieht wie Daisy.«

Ich lasse meine Einkaufstüten auf das Sofa fallen und gehe in die Küche. Ich beiße gerade in einen Apfel, als mir meine Mutter in die Küche folgt. Sie ist noch kleiner und noch zierlicher als ich, die ersten grauen Strähnen, die sie mittlerweile hat, sind zwischen ihren blonden Haaren kaum zu sehen, und da sie ihre Haut schon immer gründlich pflegt, sieht sie mit ihren fünfzig Jahren noch wie dreißig aus. Normalerweise kann ihr Lächeln einen ganzen Raum erhellen, aber jetzt erhellt es nichts.

»Du warst heute aber ganz schön fleißig«, stellt sie fest und zeigt mit ausgestreckter Hand auf mein verändertes Erscheinungsbild. Im Grunde bin ich nicht so ein Girlie. Für Kosmetik und solche Dinge fehlte mir während des Studiums und als Assistenzärztin einfach die Zeit. Die Frau mit dem samtweichen, weizenblonden Haar und den gewachsten Beinen ist mir im Grunde fremd, aber es fühlt sich gut an, weil ich mit dem praktisch unbehaarten Körper wesentlich aerodynamischer und dadurch deutlich schneller bin.

»Und was ist in den Einkaufstüten?«, hakt sie nach, während ich weiter meinen Apfel kaue.

»Arbeitskleidung.«

Sie zieht eine Braue hoch. »Hast du nicht gestern noch gesagt, dass du nichts brauchst?«

»Das war, bevor …« Ich breche ab und mache einen Rückzieher. »Ich habe es mir eben anders überlegt. Das Zeug ist neu und ich habe den ganzen Nachmittag mit Mrs Williams zugebracht, damit sie alles kürzt und enger macht.«

»Du weißt also Bescheid«, stellt meine Mutter fest.

»Über was weiß ich Bescheid, Mutter?«

Die Verwendung dieses Worts macht deutlich, dass ich wütend auf sie bin, genauso wie sie auf mich, wenn sie mich Daisy Margaret nennt.

Sie massiert sich vorsichtig die Schläfe und stößt einen leisen Seufzer aus. »Ich habe erst ein paar Tage, bevor du heimgekommen bist, davon erfahren. Ich hätte es dir sagen sollen, aber ich war einfach egoistisch und ich wollte, dass du wiederkommst. Du warst schon viel zu lange fort.«

»Du hättest mich trotzdem warnen müssen.«

Sie nickt betreten. »Ich nehme an, wenn du dir neue Kleidung für die Arbeit kaufst, reist du nicht wieder ab?«

»Denkst du, das sollte ich?«

»Auf keinen Fall.«

»Hast du dann vielleicht Lust, dir meine neuen Sachen anzusehen?«

Das ist ein Friedensangebot und sie geht dankbar darauf ein. Ehrlich gesagt, bin ich ihr gar nicht wirklich böse, weil sie mir Lucas’ Rückkehr verschwiegen hat. Im Grunde kann ich sie sogar verstehen. Wir stehen uns sehr nah, denn nach der Krankheit und dem viel zu frühen Tod meines Vaters waren wir jahrelang allein. Es war hart für sie, dass ich so weit von Hamilton entfernt aufs College gegangen bin, und jetzt, wo ich endlich wieder da bin, habe ich nicht die Absicht, sofort wieder zu verschwinden. Ich werde Dr. McCormicks Praxis übernehmen, daran wird sich nichts ändern, nur weil Lucas jetzt denselben Plan hat.

Wir sind in meinem Zimmer, um mein Outfit für den ersten Arbeitstag zusammenzustellen, als das Telefon auf meinem Nachttisch schrillt. Es ist eine unbekannte Nummer und ich überlege kurz, ob ich den Anruf einfach ignorieren soll, doch dann gewinnt meine Neugierde die Oberhand.

Ich bedeute meiner Mutter, dass sie mich allein lassen soll, schließe die Tür und hebe ab.

»Hallo?«

»Daisy Bell.«

Diese Stimme habe ich zum letzten Mal vor elf Jahren gehört. »Darf ich fragen, wer am Apparat ist?«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass du das nicht weißt.«

»Lucas Thatcher. Was ist das für eine Nummer? Rufst du mich etwa aus dem Gefängnis an?«

»Ich bin in einer Telefonzelle. Ich wollte nicht, dass du den Anruf bis zu mir zurückverfolgen kannst.«

»Wir haben das Jahr 2017 – wo zum Teufel gibt es da noch Telefonzellen?«

»Egal. Hör zu, wir haben uns seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen, und ich wollte das Eis brechen, damit es morgen zwischen uns nicht allzu hässlich wird.«

»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dir.«

»Ich kann immer noch hören, wenn du lügst – aber egal. Ich biete dir die Chance, ehrenvoll den Rückzug anzutreten, Daisy. Du kannst einfach allen sagen, dass du einen anderen Job bekommen hast.«

»Den Rückzug wirst eher du antreten, Lucas Thatcher, wenn Dr. McCormick sieht, was für ein Fehler es war, dich in seine Praxis zu holen.«

»Das halte ich für ziemlich unwahrscheinlich.«

»Auch wenn er duftende Zimtplätzchen von mir bekommt? Ich weiß, dass er darauf total versessen ist.«

»Und ich spiele am Samstag mit ihm Golf und werde ihn gewinnen lassen.«

»Du hasst es zu verlieren.«

»Nur gegen dich.«

»Na, dann werden die nächsten Monate bestimmt nicht angenehm für dich.«

»Hast du mir noch was Wichtiges zu sagen? Denn wenn nicht, kann ich mir den nächsten Vierteldollar sparen.«

»Es überrascht mich, dass du kein R-Gespräch bei der Vermittlung angemeldet hast und mich bezahlen lässt.«

Es klingt, als ob er lacht, aber vielleicht ist es auch nur das Knistern in der Leitung des uralten Telefons.

»Also, Dr. Bell, dann sehe ich dich morgen früh.«

Ich öffne den Mund, beschließe dann aber, ihn am besten keiner Antwort mehr zu würdigen und lege einfach wortlos auf.

Nicht, wenn ich dich zuerst sehe, Lucas!

3

Niemand war ernsthaft überrascht, als wir beide nach der Schule Medizin studieren wollten. Gab es eine würdigere Karriere, als den Menschen zu helfen und sie zu heilen? Vielleicht noch Jura, aber wir quälten uns schon damals durch das Gerichtsverfahren, das Ms Pace uns in der neunten Klasse in Geschichte durchspielen ließ. Wir legten uns dabei nur deswegen ins Zeug, weil wir in dem Verfahren Gegner waren. Am Ende gewann ich und hielt ein so gutes Abschlussplädoyer, dass Atticus Finch gezwungen gewesen wäre, seinen Hut vor mir zu ziehen, während Ms Pace nur dank der Einnahme von hohen Dosen Psychopharmaka durch das Jahr kam.

Während unseres letzten Highschooljahres bekam Lucas ein Stipendium von Stanford und ich eines von Duke. Die Tatsache, dass eine dieser Unis an der West-, die andere hingegen an der Ostküste des Landes liegt, hat uns in dem Entschluss, die Stipendien anzunehmen, natürlich bestärkt. Ich wäre sogar nach Neuseeland umgezogen, hätte man mich dort gewollt.

Nachdem ich am College angefangen hatte, war die Einzige, die mir noch Infos über Lucas gab, Madeleine. Wir hatten eine stumme Übereinkunft, der zufolge ich niemals nach ihm fragte und sie von sich aus so oft wie möglich auf ihn zu sprechen kam, als wäre mir daran gelegen, zu erfahren, was er trieb. Sie war es auch, die mir erzählte, wann er nach Hamilton kam, damit ich nicht zufällig zur selben Zeit nach Hause fuhr. Sobald ich sicher wusste, dass er nicht bei seinen Eltern war, kehrte ich selbst für ein paar Tage heim. Wobei mir der Gedanke, dass er sich urplötzlich trotzdem in seiner alten Heimat blicken lassen könnte, meine kurzen Urlaube verdarb.

Dank meiner sorgfältigen Planung und dem lückenlosen Kalender meiner Freundin habe ich Lucas seit elf Jahren nicht mehr gesehen. Nicht mal auf Fotos und auch nicht bei Facebook, denn an einem Abend während meiner Collegezeit beschloss ich, dass ich diese Ablenkung nicht länger bräuchte, und machte mein Konto dicht. Diese Entscheidung hatte nichts damit zu tun, dass Lucas kurz zuvor ein Bild von sich und einem hübschen blonden Mädchen auf dem Winterball der Universität gepostet hatte. Facebook ist einfach eine unnötige Website und die reinste Zeitverschwendung.

Die Tatsache, dass ich Lucas nach all den Jahren morgen gegenüberstehen werde, bringt mich um den Schlaf. Schon im Morgengrauen klettere ich aus dem Bett und mache mich bereit für meinen ersten Tag im neuen Job. Mein Outfit – enge, graue Röhrenhose, schwarze Bluse und passende Ballerinas – ist professionell, aber bequem genug für einen langen Arbeitstag. Ich mache mir die Haare, schminke mich dezent und fahre mit dem Rad den kurzen Weg zu dem Café, in dem ich gestern erst mit meinem Chef zusammengesessen habe. Es liegt direkt gegenüber der Praxis und von dort aus kann ich sehen, wann Lucas kommt. Es ist mir wichtig, ihn zu sehen, bevor er mich sieht. Ich will jeden Vorteil, den ich kriegen kann.

Die Bedienung bringt mir zwei Kaffees (einen für mich und einen für Dr. McCormick) und scherzt über die anstrengende Lektüre, die bereits am frühen Morgen vor mir liegt. Zugegeben, eine Fachzeitschrift für Medizin ist nicht so leicht verdaulich wie ein Hochglanzmagazin, in dem es um irgendwelche Stars und Sternchen geht, doch die Artikel lenken mich für einen kurzen Augenblick vom wilden Klopfen meines Herzens ab. Das sicher eine Folge meiner kurzen Radtour ist.

»Bist du das, Daisy Bell?«

Ich drehe meinen Kopf und starre leicht verwirrt in das Gesicht eines Mädchens, das ich zum letzten Mal auf dem Abschlussball der Highschool gesehen habe.

»Hannah?«, frage ich vorsichtig, weil ich als Facebook-Abstinenzlerin auf mein Gedächtnis vertrauen muss.

Ihr Strahlen zeigt, dass ich richtig liege.

»Wie geht es dir?« Mit einem breiten, selbstbewussten Lächeln tritt sie zu mir an den Tisch.

Ich nicke. »Mir geht’s gut. Und dir?«

Sie streicht mit einer Hand, an der ein diamantbesetzter Goldring prangt, über einen hochschwangeren Bauch.

»Hervorragend. Obwohl ich jetzt im achten Monat bin und nicht mehr richtig schlafen kann.«

Deshalb also ist sie zu einer Zeit im Café, die eigentlich nur Schichtarbeitern und verrückten Ärztinnen, die ihre Feinde stalken, vorbehalten ist.

»Gratuliere, du siehst toll aus.«

Sie verdreht ungläubig die Augen. »Nett, dass du das sagst. Todd behauptet, dass ich niemals besser ausgesehen hätte, aber meiner Meinung nach sagt er das nur –«

»Todd Buchanan?!«

Hannah lacht und nickt. »Genau der! Wir haben vor ein paar Jahren geheiratet.«

Plötzlich habe ich habe das Gefühl, als spielten wir in unterschiedlichen Ligen. Meine Klassenkameradinnen heiraten und werden Mütter, während ich mit meinen achtundzwanzig Jahren niemals fest mit einem Mann zusammen gewesen bin. Die einzige Verpflichtung, die ich bisher jemals eingegangen bin, war die Ratenzahlung für einen Staubsaugerroboter. Wie kann das sein? Warum bin ich plötzlich so weit zurück?

»Das ist toll«, krächze ich.

»Gott, du siehst total verändert aus.« Sie deutet mit ihrer Hand von meinem blonden Haar bis zu den Spitzen meiner Schuhe. »Ich meine, klar, du warst schon auf der Highschool hübsch, aber du wusstest nie, was du mit all den Haaren und deinen Sommersprossen machen sollst. Ich bin echt froh, dass du sie nicht verdeckst.«

»Danke.« Leicht schockiert von ihrer Offenheit hebe ich eine Hand an mein Gesicht.

»Ich habe übrigens gesehen, wie Lucas letzte Woche seine Sachen oben reingetragen hat«, fährt Hannah fort.

Meine Nervenenden fangen an zu kribbeln, was an der Wirkung des Koffeins liegen muss, auch wenn ich noch keinen Schluck Kaffee getrunken habe. Es müssen die Dämpfe sein.

»Ach ja?«

Ich bin fest davon ausgegangen, dass auch er wieder bei seinen Eltern eingezogen ist. Lucas und ich haben unser ganzes Leben als direkte Nachbarn zugebracht. Als Kinder hat uns diese Nähe nicht viel ausgemacht, aber sobald wir auf der Highschool waren, gab es kein Entkommen mehr. Wir wussten über jeden Schritt des jeweils anderen Bescheid. Kein Junge hat mich jemals abgeholt, ohne dass Lucas draußen rumgelungert hätte, um den Augenblick zu ruinieren. Das Hereinholen der Post, das Mähen des Rasens und das Waschen seines Autos waren nur vorgeschoben. In Wahrheit ging es darum, in meine Gedanken einzudringen und auf diese Weise zu verhindern, dass ich mein Date genoss.

Ich selbst war nicht ganz so mutig wie er. Ich lauerte am Fenster meines Zimmers, um ihn auszuspionieren, als er mit vierzehn Carrie Kocher vor der Haustür küsste. Ich klebte geradezu an der Scheibe und kämpfte dabei verzweifelt gegen das Verlangen an, mich zu übergeben. Denn mir war einfach unbegreiflich, wie ein Mädchen das ertrug.

Ich nehme meinen Kaffeebecher, blicke in die milchig braune Brühe, stelle ihn zurück, schiebe ihn etwas von mir fort und sehe wieder Hanna an.

Leicht grinsend beugt sie sich zu mir herab, damit nur ich sie hören kann. »Er ist immer noch das Heißeste, was unsere Highschool je zu bieten hatte.«

Wenn ich einen Schluck von meinem Milchkaffee genommen hätte, hätte ich ihn ihr jetzt sicher vor Entsetzen ins Gesicht gespuckt.

»So, wie du reagierst, kommt ihr anscheinend immer noch nicht miteinander klar.«

Es überrascht mich nicht, dass sie sich noch an unsere Rivalität erinnern kann. Wahrscheinlich wurde sogar Präsident Bush zu irgendeinem Zeitpunkt über unser Treiben informiert.

»Kann jemand so Arrogantes überhaupt mit jemandem klarkommen?«, versuche ich, die Schuld dorthin zu schieben, wo sie hingehört, zu Lucas.

Sie lacht. »Du warst die Einzige, die ein Problem mit Lucas hatte. Was wir nie so ganz verstanden haben. Es ging sogar mal das Gerücht –«

Ich lache laut und aggressiv. Ich will, dass sie aufhört zu reden und weitergeht, um ihr Baby auf die Welt zu bringen oder so.

»Tja, nun, ich will dich nicht länger aufhalten und habe selber noch zu tun …«, erkläre ich mit einem vielsagenden Blick auf meine Fachzeitschrift und Hannah tritt den Rückzug an.

Ich wünsche ihr viel Glück mit ihrer Schwangerschaft und tue so, als würde ich mit der Lektüre meiner Zeitschrift fortfahren. Erst als sie weg ist, wird mir klar, dass ich vergessen habe, sie zu fragen, wo genau Lucas seine Sachen hochgetragen hat.

Angeblich haben sie aus einigen der oberen Etagen in der Hauptstraße moderne Lofts gemacht, aber er ist doch bestimmt nicht gerade direkt über mir, oder?

Über meinen Rücken rinnt ein kalter Schauer und ich blicke langsam Richtung Decke, als erwartete ich, dass von dort plötzlich Blut auf meine Stirn tropft, wie in einem Horrorfilm. Aber ich sehe nur die frei liegenden Leitungen und komme mir albern vor.

Ich denke bereits viel zu lange über Lucas nach und habe das Gefühl, als wäre ich schon dabei, einen nicht existenten Wettstreit zu verlieren. Für die nächsten Minuten tue ich so, als wäre ich wieder in Duke und Tausende von Meilen von dem blöden Kerl entfernt. Der Tagtraum beruhigt meine Nerven und ich schaffe es beinah, mir eine Welt ohne Lucas Thatcher vorzustellen.

Während ich mich darum bemühe, wenigstens nach außen hin möglichst große Ruhe auszustrahlen, wird eine Tür direkt neben dem Eingang des Cafés geöffnet und ich sehe wie in Zeitlupe, wie jemand auf die Straße tritt.

Ein Mann, den ich bis an mein Lebensende, oder wenigstens, bis ich in Ruhe meinen Kaffee ausgetrunken habe, nie mehr hätte sehen wollen. Er ist der Fluch meines Lebens.

4

Mein Mund wird trocken, meine Hände zittern und mein Magen zieht sich erst zusammen und schlägt wenig später einen wilden Purzelbaum. Mein Wunsch hat sich erfüllt – ich sehe Lucas, bevor er mich sieht –, doch plötzlich wünsche ich mir etwas völlig anderes, nämlich, dass er wieder nach oben verschwindet und für immer verschwunden bleibt.

Er hat mir den Rücken zugekehrt und als die Ärztin und Wissenschaftlerin, die ich inzwischen bin, unterziehe ich ihn einer eingehenden Musterung. Sein dichtes, dunkelbraunes Haar hat irgendwer getrimmt, der sich auf diese Aufgabe versteht. Er trägt eine dunkelblaue Hose unter einem frisch gestärkten, blütenweißen Hemd. Das braune Lederarmband seiner Uhr passt gut zu seinem Gürtel und den blank polierten Lederschuhen. Anscheinend hat ihm im Laufe der Jahre irgendeine Frau gezeigt, wie man sich farblich passend kleidet, bevor sie sicher von ihm zerstückelt und an irgendwelche Straßenköter verfüttert wurde.

Vor dem Überqueren der Straße sieht er sich nach beiden Seiten um. Das tut er nicht, weil seine Mutter ihm das beigebracht hat, sondern weil er Ausschau nach mir hält und sichergehen will, dass ich nicht auf der Straße in einem aufgemöbelten Ford Bronco darauf lauere, ihn niederzumähen. Ein paar Sekunden lang sehe ich sein Profil. Ich verfluche die Zeit und die männlichen Hormone, denn statt Pausbacken hat er mit einem Mal ein etwas kantiges, doch feines Gesicht, und die Muskeln in den Oberarmen sehen aus wie prall gefüllte Luftballons. Wahrscheinlich schaufelt er täglich kiloweise Proteine in sich rein und geht dann ins Fitnessstudio.

Auf der Highschool hatte er Kontaktlinsen, inzwischen aber trägt er eine Nerdbrille mit dicken, schwarzen Rändern und sieht aus, als wolle er zum Vorsprechen für irgendeinen neuen Superheldenfilm. Wie rührend. Auch wenn ihm die Brille leider durchaus steht.

Sobald er sich versichert hat, dass die Luft rein ist, tritt er auf die Straße. Geräuschlos setze ich mich in Bewegung und nehme die Verfolgung auf.

Obwohl er sich nicht umdreht, als ich das Café verlasse, sieht er mich kurz darauf mit meinem blonden Haar im Schaufenster der Praxis. Als unsere Blicke sich im Glas begegnen, gehen wir, ohne anzuhalten, direkt aufeinander zu. Außer uns ist niemand auf der Straße. Ich könnte ihm den für Dr. McCormick vorgesehenen Kaffee ins Gesicht schütten und tun, als wäre mir der Becher aus Versehen aus der Hand gerutscht. Dann stünde sein Wort gegen meins, und selbstverständlich würde alle Welt der netten, jungen Ärztin Glauben schenken, aber dieser Kaffee ist für etwas anderes vorgesehen.

Wir marschieren im Gleichschritt auf die Praxis zu. Links, rechts, links, rechts, links, rechts. Ich sehne mich danach, den Türgriff vor ihm zu berühren, aber dafür müsste ich sprinten und das sähe zu verzweifelt aus.

Er erreicht vor mir die Tür und ich sehe voraus, dass er das Haus betreten und sie gleich hinter sich ins Schloss fallen lassen wird. Doch stattdessen macht er einen Schritt zurück und gibt mir durch ein Lächeln zu verstehen, dass er mir den Vortritt lassen will.

Ich weiß genau, dass er nur so höflich tut. Lucas ist gewiss kein Gentleman.

Ich schiebe mich an ihm vorbei, und lächelnd stellt er mir ein Bein. Ich aber bin gewappnet, gehe weiter und mache, als ich sein Bein erreiche, einfach einen übertrieben großen Schritt.

»Haben dir die Blumen gefallen?«

Seine Stimme klingt viel dunkler und viel glatter als bei unserem Telefongespräch. Wie die Irish Cream, von der man immer fürchterliche Kopfschmerzen bekommt.

»Sie gammeln im Müll vor sich hin.«

»Und die Karte?«, fragt er mich in einem Ton, der mir bestätigt, dass die Blumen und die Karte kein Geschenk gewesen waren. Wie die Trojaner mit ihrem berühmten Holzpferd hat er mit dem Strauß in meine Psyche vordringen wollen, um sie von innen zu zerstören.

»Die hat wirklich gut gebrannt.«

Unsere erste Begegnung nach elf Jahren und ich bin nicht überrascht, dass wir genau da weitermachen, wo wir aufgehört haben. Wir betreten das Foyer und Dr. McCormick und die anderen Mitarbeiter nehmen uns breit lächelnd in Empfang. Ich setze ebenfalls ein Lächeln auf und wende mich von Lucas ab, damit er es nicht sehen kann.

»WILLKOMMEN, DOKTOREN!«, rufen alle und weisen mit ausgestreckten Händen auf das selbst gemalte Banner, das quer über dem Empfangstisch hängt.

Mein Lächeln wird noch breiter, als Dr. McCormick einen Schritt in meine Richtung macht.

»Guten Morgen, allerseits! Hier, Dr. McCormick«, wende ich mich geradewegs an meinen neuen Chef. »Ich habe Ihnen einen Kaffee mitgebracht. Was alle anderen betrifft, die erste Kaffeepause heute geht auf mich.«

Das Personal ist freudig überrascht. Ich drücke unserem Boss den Kaffeebecher in die Hand und drehe mich zum ersten Mal nach Lucas um. Mein Lächeln, das bis eben noch von Herzen kam, wirkt weiter echt. Ich habe schließlich im Laufe der Jahre ein paar Tricks gelernt.

Lucas mustert mich mit seinem dunklen Blick von meinen Ballerinas bis zu meinem glänzenden Haar und fragt sich offenbar, ob ich ihm als Gegnerin auch nach all der Zeit noch ebenbürtig bin. Dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht, und ich weiß, dass er aufgeregt ist, weil er unseren Wettstreit nach all den Jahren endlich fortführen kann. Ich kann ihm ansehen, dass er das Fleisch von meinen Knochen pflücken will.

Dr. McCormick stellt uns alle gegenseitig vor und während Lucas es dabei belässt, allen die Hand zu schütteln und zu lächeln, präge ich mir direkt alle Namen ein und schmiede einen Angriffsplan für jede einzelne von ihnen. Die Sekretärin ist ein älteres Semester, doch die Krankenschwester und die beiden MTAs sind ungefähr so alt wie ich und kriegen leuchtende Augen, als sie Lucas gegenüberstehen. Das ist Biologie, dagegen komme ich nicht an, daher schlage ich einen anderen Weg zu ihren Herzen ein.

»Hübsche Bluse, Casey.« Die Arzthelferin strahlt über mein Kompliment.

Gina, die Sekretärin, nimmt zwei Kittel von einem der Haken am Empfang. Einen für Lucas und den anderen für mich. Lucas schnappt sich beide und als er mir meinen Kittel aufhält, wirkt dieser lächerlich klein in seinen Händen.

»Ich wusste gar nicht, dass es Kittel auch in Kindergrößen gibt.« Mit einem teuflischen Grinsen auf den Lippen hält er ihn mir hin.

Ich knirsche mit den Zähnen, gebe aber keine Antwort, denn die anderen Frauen fangen wegen dieses blöden Witzes verstohlen an zu kichern. Mit dieser Gruppe wird’s für mich bestimmt nicht leicht.

Ich kehre Lucas den Rücken zu, schiebe widerstrebend einen Arm durch einen Ärmel und während mein zweiter Arm den anderen Ärmel füllt, tritt er einen Schritt nach vorne und kommt mir dadurch so nahe wie zum letzten Mal auf einem Ball in der Highschool. Er rückt meinen Kragen ordentlich zurecht und streift dabei mit seinen Fingern meinen Hals.

Doch sein Versuch, mich aus dem Gleichgewicht zu bringen, geht nach hinten los. In meinem weißen Kittel komme ich mir einschüchternd vor. Auf einer Seite ist das Logo von McCormicks Praxis eingestickt und auf der anderen steht deutlich sichtbar Dr. Daisy Bell. Mit tränenfeuchten Augen sieht der Arzt uns beide an. Was wieder einmal zeigt, dass er ein unverbesserlicher Softie ist.

»Ich nehme an, ihr wisst, wie stolz ich auf euch beide bin.«

Ich schiebe mich ein wenig näher an den Arzt heran und Lucas tut es mir gleich.