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**Von Highland-Mächten und Druidenkriegern** Die bildhübsche und taffe Highland-Kriegerin Ciarda verbirgt in ihrem Innern ein Geheimnis. Als Druidin hegt sie Gefühle für einen Mann, der eigentlich ihr Feind sein sollte. Denn Darach gehört zum magischen Elfenstamm der Síodhach, gegen den sie ihr Leben lang gekämpft hat. Aber die Welt hat sich verändert und nun haben Druiden und Síodhach einen gemeinsamen Feind. Plötzlich soll Ciarda Seite an Seite mit eben dem Mann kämpfen, der ihr Herz bei jeder Begegnung vollkommen durcheinanderbringt. Ein gefährliches Spiel, das sie näher an die Dunkelheit heranführt als je zuvor … Eine atemraubend romantische Story über die sagenhafte Landschaft Schottlands, die Leserherzen höherschlagen lässt. //Leserstimmen: »Ich bin hin und weg.« »Ich konnte nicht aufhören zu lesen.« »Sexy und geheimnisvoll.« »Zum Dahinschmelzen.« //Dieser Sammelband enthält die Bände 5 und 6 der Fantasy-Buchserie »Mystic Highlands«: -- Mystic Highlands 5: Feenhügel -- Mystic Highlands 6: Feenkampf //Weitere Romane der Reihe: -- Mystic Highlands: Band 1-4 der fantastischen Highland-Reihe in einer E-Box -- Mystic Highlands: Band 1-2 der fantastischen Highland-Reihe in einer E-Box (Die Geschichte von Rona & Sean) -- Mystic Highlands: Band 3-4 der Fantasy-Reihe in einer E-Box (Die Geschichte von Kathrine & Logan)// Diese Fantasy-Reihe ist abgeschlossen.
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www.impressbooks.de Die Macht der Gefühle
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Impress Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2020 Text © Raywen White, 2020 Lektorat: Diana Tiede Coverbild: shutterstock.com / © Maksim Toome / © Pavel K / © Christine Krahl / © Oleh Phoenix Covergestaltung der Einzelbände: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck / Derya Yildirim Satz und E-Book-Umsetzung: readbox publishing, Dortmund ISBN 978-3-646-60588-4www.carlsen.de
Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
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Raywen White
Mystic Highlands 5: Feenhügel
**Von Kriegern der Highlands und anderen Gefahren** Die bildhübsche Ciarda ist eigensinnig, taff und manchmal fast furchterregend – genau so, wie es sich für eine Kriegerin der Highlands gehört. Doch im Inneren der Druidin verbirgt sich ein weiches Herz, das einen großen Schwachpunkt hat: Darach. Der Mann, der ausgerechnet zum magischen Elfenstamm der Síodhach gehört, gegen den Ciarda ihr Leben lang gekämpft hat. Er ist es auch, der dafür verantwortlich ist, dass sie den Highlands den Rücken gekehrt und Zuflucht in Amerika gesucht hat. Doch die Heimat ruft. Ein Konflikt braut sich zusammen, der die Druiden und die Síodhach wieder einmal auf verschiedene Seiten stellt. Ciarda wird gebraucht und macht sich schweren Herzens auf, um ins Land des Mannes zurückzukehren, den sie nicht lieben darf …
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Vita
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© privat
Raywen White lebt gemeinsam mit ihrem Mann im Raum Frankfurt am Main. Erst 2014 entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Schreiben und erzählt nun Geschichten, in denen Liebe und Magie der Fantasie keine Grenzen setzen. Jedoch haben in ihrem Leben Bücher schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Es gibt nichts Schöneres, als in eine Geschichte einzutauchen und den Alltag vergessen zu können. Dieses Gefühl möchte sie auch ihren Lesern ermöglichen.
Für alle, die auf der Suche nach sich selbst sind.
Eine leichte Meeresbrise spielte mit Ciardas losen Haarsträhnen. Tief atmete sie die kühle Nachtluft ein, die nach dem warmen Sommertag die Hitze in den engen Straßen von New Orleans kaum vertrieb. Genauso wenig wie ihre Erinnerungen. Die Balkontür hinter ihr war einen Spalt geöffnet. Die ersten Töne des Liedes Bad Liar von den Imagine Dragons drangen zu ihr heraus und stimmten sie nachdenklich. Terrors don’t prey on innocent victims. Und ob sie das taten. Verzweifelt schloss sie die Augen.
Ein helles Klirren von Glas zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Eine Flasche rollte über den staubigen Asphalt und blieb liegen, bis ein junger Mann sie mit seinem Fuß wegkickte und das Klirren erneut erklang. Sie beugte sich weiter nach vorne und stützte die Unterarme auf dem Balkongeländer ab, während sie die Gruppe junger Menschen beobachtete, von denen die meisten Plastikbecher mit alkoholischen Getränken in der Hand hielten und sich aufgeregt miteinander unterhielten. Die Frauen waren grell geschminkt und ihr Lachen hallte durch die Straße. Der aufreizenden Kleidung nach zu urteilen, waren sie entweder auf dem Weg in einen der nahe gelegenen Clubs, durch die Ciarda bereits die letzten Wochen gezogen war, oder kamen gerade von einer der vielen Partys im French Quarter.
Der junge Mann, der die Flasche durch die Straße gekickt hatte, blieb schwankend stehen und sah zu ihr auf, als hätte er gespürt, dass sie ihn und seine Freunde beobachtete. Ein zufriedenes Grinsen legte sich auf seine schmalen Lippen, als er sie bemerkte. Sein dunkles Haar fiel ihm wirr in die Stirn und beschattete seine Augen, die sie nicht sehen konnte. Der Rest gefiel ihr jedoch ausnehmend gut. Sie beugte sich weiter vor und lächelte, auch wenn ihr gar nicht danach zumute war. Die Stimmen der anderen wurden lauter, als sie unter ihrem Balkon vorbeigingen. Einige grinsten anzüglich, nachdem sie einen Blick zu ihr nach oben geworfen hatten. Der junge Mann winkte und signalisierte ihr hinunterzukommen.
Eigentlich war es genau das, was sie wollte. Feiern und vergessen. Deswegen war sie hier. Dennoch richtete sie sich auf und schüttelte bedauernd den Kopf.
Enttäuscht verzog der junge Mann die Lippen und trollte sich.
Eine Weile sah sie ihm nach und fragte sich, warum sie nicht mitgegangen war. Sie hatte sich bereits für das ausschweifende Nachtleben in New Orleans fertig gemacht, trug ein blutrotes Korsett mit schwarzen Stickereien, das ihre Brüste betonte und ihre Arme frei ließ. Keltische Symbole umrahmt von Blütenranken waren darauf tätowiert. Der schwarz-rot karierte Rock bedeckte gerade so ihren Po. Smokey Eyes, dunkelrote Lippen und die wild hochgesteckten Haare vervollständigten das Bild eines furchtlosen Vamps, das sie anderen gerne von sich zeigte. Doch irgendwie wollte sie heute nicht in Partystimmung kommen. Schon die letzten beiden Nächte hatte sie sich gezwungen das Hotelzimmer zu verlassen, zu tanzen. Doch die dröhnende Musik in den Clubs übertönte weder ihre Gedanken, noch übernahm sie die Kontrolle über ihren Körper wie noch zu Beginn.
Seufzend legte sie den Kopf in den Nacken und betrachtete wehmütig die wenigen Sterne am Himmel, der dem in Schottland kaum ähnelte. Wenn sie die Augen schloss, war das Bild von dem silbernen Band der Milchstraße und das grünliche Glühen der Polarlichter nur noch eine schwache Erinnerung, die immer mehr verblasste. Sie hatte ihre Heimat noch nie verlassen und langsam vermisste sie sie.
Genervt stieß sie den Atem aus und ließ den Kopf hängen. Eine maßlose Untertreibung. Wie ein Sog zerrte etwas an ihr. Sie sehnte sich so sehr nach den kahlen Berghängen, dass es regelrecht schmerzte.
Wie hatte sie nur auf den Gedanken kommen können, dass es eine gute Idee sei hierherzureisen, um sich ein wenig abzulenken?
Schon seit Tagen verspürte sie einen dumpfen Druck auf ihrer Brust, der ihr das Atmen erschwerte. Sie fühlte sich wie ein gefangenes Tier. Eingesperrt in einem viel zu engen Käfig. Die Stadt war laut und stickig. Viel zu viele Menschen. Nicht zu vergleichen mit der Abgeschiedenheit in den Highlands, ihrem Zuhause.
Ein Handyklingeln ertönte und die Musik aus dem Zimmer hinter ihr, die sie schon eine Weile nicht mehr bewusst wahrgenommen hatte, verstummte. Ihr plötzliches Fehlen riss sie aus ihren schwermütigen Gedanken.
»Was gibt’s?«, hörte sie die kräftige Stimme ihres Bruders und kräuselte genervt die Lippen. Eigentlich hatte er vorgeschlagen nach Barcelona zu fahren, wo er ein Semester lang studiert hatte, um ein bisschen Sonne am Strand zu tanken und die Clubs unsicher zu machen. Um Abstand zu gewinnen. Die Idee klang verlockend, nur dass ihr das europäische Festland nicht weit genug entfernt war. Einen ganzen Ozean hatte sie zwischen sich und dem, was passiert war, bringen müssen.
Doch jetzt … Sie hatte das Gefühl, etwas Schreckliches braute sich am Horizont zusammen. Sie drehte den Kopf zur Seite, um besser lauschen zu können.
Aodhs Antworten waren einsilbig und sein Ton verriet, dass er nicht glücklich war, über das, was sein Gesprächspartner ihm erzählte. »Wir sind schon unterwegs.«
Stille.
Ciarda kam es vor, als würden Ameisen über ihre Haut krabbeln. Es fröstelte sie. Wir. Das schloss sie mit ein.
Ihr Bruder schob die Balkontür auf und trat hinter sie.
»Ich geh nicht mit«, erklärte sie tonlos und wandte den Blick wieder auf die Gasse. Auch wenn sie fürchterliches Heimweh hatte, würden sie keine zehn Pferde zurück nach Schottland bringen.
Einen Moment schwieg Aodh und die Atmosphäre um sie herum schien sich zu verdichten. Der Druck auf ihrer Brust nahm zu. Es kam ihr so vor, als würde ihre Haut zerreißen. Als sie es nicht mehr aushielt, drehte sie sich langsam um.
Betreten stand Aodh vor ihr und hatte die Hände in seine Jeanstaschen vergraben, die Daumen in den Gürtelschlaufen verhakt. Sein kupferrotes Haar war zerzaust und stand in alle Richtungen ab. Deutlich zeigte ihr sein Gebaren, wie tief seine Schuldgefühle ihr gegenüber saßen. Man könnte meinen, dass ihm jemand in die Weichteile getreten hätte.
In diesem Moment spürte sie, wie die unterschiedlichsten Gefühlsregungen in ihr aufstiegen. Genugtuung und Hass ihm gegenüber, gefolgt von Abscheu vor sich selbst.
Er hat es für mich getan.
Verzeihen konnte sie ihm dennoch nicht so einfach, auch wenn sie es wollte. Aber es gab Schlimmeres. »Ich gehe nicht zurück«, wiederholte sie bestimmt. »Nie wieder.«
»Die anderen brauchen uns«, erwiderte er lediglich, als würde es genügen sie umzustimmen. Dabei gingen ihr die anderen am Arsch vorbei. Und das beruhte wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit.
Immer war sie es gewesen, die zur Stelle war, wenn es brenzlig wurde. Keinem Kampf war sie ausgewichen, hatte trainiert bis zum Umfallen und hätte ihr eigenes Leben jederzeit breitwillig gegeben. Und irgendwie hatte sie das auch. Hatte nie einen Schulabschluss gemacht oder über ein Leben außerhalb von Gorm nachgedacht. Der Druidenorden und seine Aufgabe waren ihr wichtiger gewesen als ihre eigene Zukunft oder Wünsche. Sie hatte ihr Leben dem Kampf geopfert.
Aber das war vorbei. »Die kommen auch gut ohne uns aus.« Mittlerweile erschien ihr dieser Krieg so sinnlos. Alles nur ein Gespinst aus Lügen und Verrat. Sie war eine Wächterin. Eine Kriegerin. Doch inzwischen wusste sie nicht mehr, wofür sie überhaupt kämpfen sollte. Ihre eigenen Träume hatte sie so tief vergraben, dass sie sie schon längst vergessen hatte. Sie fühlte sich ziellos und verloren.
»Gavin hat gesagt, dass …«
»Es interessiert mich nicht, was Gavin dir erzählt hat«, unterbrach sie ihn sofort.
»Aber …«, begann Aodh erneut.
»Nichts aber!«
»Sei doch nicht so stur und hör mir wenigstens zu«, stieß Aodh frustriert aus.
»Es ist mir scheißegal. Und wenn Gorm in Flammen aufgeht.« Allein der Gedanke sorgte bei ihr für ein schmerzhaftes Ziehen in der Brust. Sie umfasste das Balkongeländer fester, bis das Metall sich verformte.
Ihr Bruder schüttelte den Kopf. »Du bist eine schlechte Lügnerin. Gorm ist dein Zuhause.«
Ihr Herz brach. »Das war es einmal. Jetzt ist es nur noch ein verseuchtes Vipernnest«, zischte sie und versuchte ihren Schmerz zu verbergen, doch ihr Bruder kannte sie zu gut. Besorgt musterte er sie. »Ci, wir sollten endlich darüber reden.«
Sie hätte doch in irgendeinen Club gehen sollen. Über dem lauten Musikpegel hätte Aodh gar nicht erst versucht mit ihr zu sprechen. Sie hätte getanzt, bis sie zu erschöpft gewesen wäre, um überhaupt einen klaren Gedanken zu fassen. Zu müde, um irgendetwas anderes zu tun, als kraftlos aufs Bett zu fallen und in einen traumlosen Schlaf zu gleiten, sobald sie im Hotel angekommen wäre. Wie auch schon die Nächte zuvor.
»Die Síodhach …«
»Ich will nicht darüber sprechen«, unterbrach sie ihn, rauschte an ihm vorbei ins Zimmer und schnappte sich ihre schwarze Lederhandtasche.
Sie kam nicht einmal bis zur Tür, da stand Aodh bereits davor und versperrte ihr den Weg. »Diesmal wirst du nicht flüchten!«
»Ich flüchte nicht!«, herrschte sie ihn an und versuchte ihren Bruder aus dem Weg zu schieben. Immerhin schaffte sie es, ihn aus der Balance zu bringen, doch statt zur Seite trat er einen Schritt zurück und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Tür. »Doch, das tust du. Wie ein verschrecktes Kaninchen vor einer Meute Jagdhunde. Allerdings kannst du deinem Hass nicht entkommen.«
Ihre Augen formten sich zu schmalen Schlitzen. »Du denkst, ich laufe vor den Síodhach weg? Das tue ich nicht.«
Sein Blick glitt musternd und ungläubig über sie. Er schnaubte. »Und wovor läufst du dann weg?«
Am liebsten hätte sie es vergessen. »Ich laufe nicht weg«, gab sie trotzig zurück.
»Ist es wegen Sean und Rona?«, bohrte er weiter in ihren Wunden.
Der Schmerz brandete wie eine Welle durch ihren Körper. Ihre kurze Beziehung mit Sean war zwar schon, lange bevor Rona aufgetaucht war, in die Brüche gegangen, doch das hatte nicht das Ende ihrer Gefühle für den gut aussehenden Wächter bedeutet. »Soll er doch mit dieser blöden Kuh glücklich werden«, zischte sie und trat einen Schritt zurück. Selbst in ihren Ohren hörte sich das eifersüchtig an. Dabei war sie nicht eifersüchtig.
Nicht wirklich.
Genervt rieb sie sich über das Gesicht und versuchte Aodhs wissendes Lächeln zu ignorieren.
»Du hast auch schon mal besser gelogen, Schwesterherz.«
Sie seufzte. Gut, sie war ein wenig eifersüchtig auf die beiden Turteltäubchen, deren Glück wie ein Dorn in ihrem Fleisch saß. Aber das war nicht der Grund, warum sie Schottland Hals über Kopf verlassen hatte. »Das zwischen Sean und mir ist schon lange vorbei.« Das war es schon gewesen, noch bevor es wirklich angefangen hatte. Er war nie der Richtige für sie, auch wenn sie es sich gewünscht hatte.
Sean war wie ein Fels in der Brandung und hatte ihr als Einziger Halt gegeben, als sie drohte unterzugehen. Er hatte sie verstanden. Ihr Verlangen nach Rache. Genau wie sie hatte er einen Elternteil durch die Síodhach verloren. Durch den Krieg, der zwischen den Druiden und den Bewohnern des Síds seit Jahrtausenden wütete. Sie hätte niemals mit ihm schlafen und dadurch ihre Freundschaft kaputt machen dürfen. »Er ist … war einer meiner besten Freunde. Ich gönn ihm sein Glück«, presste sie hervor. Die Worte fühlten sich wie spitze Glasscherben in ihrem Mund an. Es fiel ihr schwer zu akzeptieren, dass seine neue Flamme eine von denen war.
Skeptisch zog Aodh seine rechte Augenbraue hoch und blickte sie an, als könnte er bis in die dunkelsten Winkel ihres Verstandes sehen, wo die Wahrheit lauerte, die sie sich nicht eingestehen wollte.
Der Knoten in ihrer Brust zog sich weiter zusammen. »Was erwartest du von mir? Dass ich freudestrahlend im Kreis tanze?«, grollte sie wütend. Ihr Bruder sah sie nur durchdringend an. Ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter. »Seit sie aufgetaucht ist, hat sich alles verändert.« Der Krieg zwischen ihren Völkern war zu Ende. Friede herrschte jedoch noch lange nicht. Es gab kein Schwarz und Weiß mehr. Kein Richtig oder Falsch. Frühere Freunde wurden zu Feinden und Feinde zu Freunden.
Sie hatte ihr Leben für eine Lüge geopfert. Wenn sie daran dachte, was sie bereit gewesen war zu tun … Was sie getan hatte. Selbst jetzt sah sie noch das Blut an ihren Händen. Spürte die klebrige Feuchtigkeit.
Sie brauchte frische Luft, hatte das Gefühl, die Last würde unerträglich. Schwungvoll drehte sie sich um und marschierte wieder auf den Balkon. Ihre Stiefelabsätze knallten mit jedem Schritt auf das Parkett. Es hatte sich mittlerweile merklich abgekühlt. Man hörte das Wummern der Musik und Gelächter der Feiernden in der Ferne.
Ein schwerer Seufzer erklang hinter ihr. »Also läufst du vor den Veränderungen weg?«
»Ich sagte, ich laufe nicht weg!«, wiederholte sie genervt.
»Und warum stehen wir dann hier und ich sehe nur deinen Rücken?« Er stieß geräuschvoll die Luft aus und seine Kleidung raschelte, als er sich bewegte. »Das mit Connor war nicht deine Schuld«, erklärte er in sanfterem Ton.
Blutige Bilder blitzten vor ihren Augen auf. Er war ihr Freund gewesen. Sie hatte ihm vertraut. Und er …
Mit den Fingern umklammerte sie das Balkongeländer. Ihr Atem ging stoßweise. Eiseskälte schlang sich schützend um ihr Herz und bewahrte sie davor, in ein tiefes Loch zu fallen. »Er hat bekommen, was er verdient hat«, sagte sie bedrohlich und drehte sich zu ihrem Bruder um. Wütend funkelte sie ihn an. Allmählich hatte sie die Nase voll davon, dass er ständig Salz in die Wunde streute. »Ich bin immer noch sauer auf dich. Du hast mich die ganze Zeit belogen!«, brüllte sie. »Hättest du das nicht getan, wäre das alles nicht passiert!«
Aodhs spöttische und herausfordernde Miene verschwand und er wurde merklich blass. Ihr eigenes Entsetzen spiegelte sich in seinen dunklen Augen, die ihren so ähnlich waren.
Sie hatte ihm das bisher nie vorgeworfen. Kein einziges Mal. Der rationale Teil von ihr wusste, dass er keine Schuld trug, aber der irrationale wollte nur noch wild um sich schlagen.
Die Sekunden dehnten sich zu Minuten, während sich das Schweigen zu einer Mauer zwischen ihnen aufbaute. Sein Adamsapfel hüpfte nervös auf und ab. »Ci … Ich … Du …«
Sofort bekam sie ein schlechtes Gewissen. »Ich weiß, du hast es für mich getan«, unterbrach sie ihn mit kratziger Stimme und spürte die Tränen aufsteigen, die sie direkt wieder hinunterschluckte. Es war kein Síodhach gewesen, der ihre Mutter getötet hatte, sondern ein Druide, einer ihrer eigenen Leute. Connor. Eiskalt lief es ihr den Rücken hinunter. Er war es gewesen und nicht der Feind, wie sie lange Zeit gedacht hatte.
Während ihr Bruder im Untergrund gegen den Ältestenrat gearbeitet hatte, hatte sie ihre Rachegelüste an den Síodhach ausgelassen. Hatte alles getan, was die Männer ihr auftrugen, die wahrscheinlich auch den Tod ihrer Mutter befohlen hatten. Blind hatte sie all die Jahre deren Befehle befolgt. Sie war nicht besser als Connor. Am liebsten hätte sie geschrien, hätte sich die Haut vom Leib gerissen, damit der Druck, der sich immer mehr in ihrem Inneren aufbaute und drohte sie zu zerquetschen, endlich entweichen konnte.
Sie konnte niemandem mehr vertrauen. Niemandem außer Aodh. Und eigentlich nicht einmal ihm. Sie wollte es nicht wahrhaben, wollte, dass es immer noch so einfach war wie früher. Die Síodhach wären die Bösen und die Druiden die Guten, die sich ihnen in den Weg stellten, um die Welt der Menschen zu beschützen.
»Ich wollte dich nicht in Gefahr bringen«, erklärte Aodh verzweifelt. Nicht zum ersten Mal.
Genervt verdrehte sie die Augen. »Hast du dir eigentlich schon jemals selbst zugehört? Als ob ich nicht jedes Mal in Gefahr gewesen wäre, wenn mir ein Síodhach gegenüberstand.«
Seine Schultern sackten herab. »Das ist etwas anderes. Du warst nie allein und hattest immer einen Beschützer bei dir.«
Das klang so, als könnte sie nicht auf sich selbst aufpassen. Diesmal war sie es, die ihn eindringlich ansah, bis er einen Schritt zurückwich. »Ich … Ich wollte es dir sagen. Ich habe es versucht. Wirklich. Aber …«
Aber sie hatte ihm nicht geglaubt. Hätte alle in Gefahr gebracht, wenn er nicht dafür gesorgt hätte, dass sie es wieder vergaß. Sie war selbst dafür verantwortlich, dass Aodh sie jahrelang belogen hatte. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. »Du weißt, dass ich dir das nicht vorwerfe.«
»Das klang aber eben anders.«
Seufzend stieß sie die Luft aus. »Es ist alles so …« Sie raufte sich die Haare und suchte nach einem Wort, das dieses ganze Chaos beschrieb. Kompliziert traf es nicht einmal ansatzweise. Es war das reinste Tohuwabohu. Sie fühlte sich durcheinander, verraten und ziellos.
»Es tut mir leid«, sagte Aodh und senkte den Kopf.
»Hör auf dich ständig zu entschuldigen. Mir tut es leid, dass ich dich so angebrüllt habe«, gab sie reumütig zu und wandte sich wieder der dunklen Straße zu. Das Eisen des Balkongeländers fühlte sich kühl an, als sie ihre Unterarme darauf abstützte. Erschöpft ließ sie auch ihren Kopf hängen.
Einen Moment standen sie einfach nur dort und schwiegen. Der Druck in ihrem Inneren hatte sich etwas verflüchtigt, dennoch fehlte die Erleichterung. Sie rieb über ihre bloßen Arme, auf denen sich eine Gänsehaut gebildet hatte.
»Er ist wieder da«, meinte Aodh plötzlich leise.
Sie wusste sofort, wen er meinte, und das Frösteln wurde zu einem Schaudern, das ihr vom Nacken bis zum Steißbein lief.
»Nennen wir ihn ab jetzt Der-dessen-Namen-nicht-genannt-werden-darf?«, fragte sie schnippisch.
Ohne auf ihren Einwurf einzugehen, sprach Aodh weiter. »Éremón ist im Síd gesehen worden, wo er seinem Bruder hilft, gegen Islind in den Krieg zu ziehen.« Seine gefasste Stimme war ein Fixpunkt in dem Sturm aus Schmerz und Wut, der allein bei der Nennung dieses Namens in ihr anschwoll. Éremón. Dieser Bastard hatte jahrhundertelang die Druiden angeführt, ihnen Lügen aufgetischt über ihre Vergangenheit, über ihre Aufgaben und über die Síodhach.
Und alle, die die Wahrheit erkannten, hatte er ermorden lassen. So wie ihre Mutter. »Sollen sie sich doch gegenseitig umbringen«, stieß sie zynisch aus. Islind war eine Hochelfe und herrschte über den nördlichen Teil des Síds. Noch vor wenigen Monaten hatte sie ihre Armee gegen Gorm geführt. Im Auftrag von Éber, Éremóns Zwillingsbruder, der eben diesen umbringen wollte. Und jetzt zogen beide gegen ihren Vater in die Schlacht, der Islind flachlegte. Das Ganze war nichts anderes als eine verfluchte Familienfehde, in die sie hineingezogen worden waren.
»Du benimmst dich wie ein trotziges Kleinkind. Gavin hätte nicht angerufen, wenn es nicht wichtig wäre. Islinds Leute verlieren.«
»Und?«, fragte sie desinteressiert, auch wenn sie innerlich zusammenzuckte. Sie hätte nie geahnt, dass es so schlimm stehen würde.
»Was denkst du, wird passieren, wenn Éber und Éremón Islinds Armee besiegt haben?«
Sie wollte nicht darüber nachdenken. Sie wollte es nicht, dennoch sah sie Gorm vor ihrem inneren Auge brennen. Sah, wie ihre Freunde in ihrem Blut lagen. Seit die Grenzen zwischen dem Síd und dieser Welt gefallen waren, wurden sie nur nicht von magischen Kreaturen überrannt, weil Islinds Armee die Síodhach zurückhielt, die in diese Welt kommen wollten, um erneut wie Götter über die Menschen zu herrschen.
Dabei war das eigentlich die Aufgabe der Druiden. Es war ihre. Dafür hatte sie jahrelang trainiert, hatte sich die Fingerknöchel an den Trainingspuppen blutig geschlagen und die Runen in ihre Haut stechen lassen, um ihre Magie zu stärken. Ihr Finger strich wie von selbst über eine der schwarzen Linien auf ihrem Unterarm, die leicht aufglomm. Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte die Erinnerung auf, wie jemand anderes mit seiner Fingerspitze über ihre Haut gestrichen und ein heißes Brennen hinterlassen hatte, das ihr selbst jetzt noch den Atem nahm.
Es gab noch einen Grund, warum sie nicht zurückkehren konnte. Aber es wäre besser, wenn ihr Bruder niemals die Wahrheit erfahren würde. »Ich kann nicht«, stieß sie verzweifelt aus.
»Für feige hätte ich dich nicht gehalten.«
Nur mit Mühe riss sich Ciarda zusammen, um den Köder nicht zu schlucken, auch wenn ihr schon eine scharfe Erwiderung auf der Zunge lag. »Wir zwei werden wohl kaum kriegsentscheidend sein«, erwiderte sie kalt, obwohl in ihr ein Inferno loderte.
»Ci, komm schon. Du gehst doch sonst keinem Kampf aus dem Weg«, drängte er.
Nein, keinem Kampf. Aber etwas anderem. Jemandem. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn und ihr Mund wurde staubtrocken. Eigentlich war er der einzige Grund, warum sie hier standen und nicht auf den Zinnen von Gorm. Sie versuchte ruhig zu atmen, als wäre nichts. Als würde nicht ihr ganzes Innenleben Kopf stehen, nur weil sie an ihn dachte.
»Auch wenn die anderen dich für eine Kratzbürste halten …«, begann Aodh und sie warf ihm einen finsteren Blick zu, bevor sie wieder hinab auf die Straße sah.
»Was?«, fragte ihr Bruder. »Es stimmt doch.«
In diesem Moment überlegte sie ihn einfach über das Balkongeländer zu schubsen.
»Aber ich kenne dich. Ich weiß, was für ein Sensibelchen du bist. Du würdest dir das nie verzeihen.« Seine Stimme hatte einen zärtlichen Ton angenommen, sodass sie ihm wegen des Sensibelchens nicht böse sein konnte. Verdammt! Außerdem hatte er recht. Frustriert knirschte sie mit den Zähnen.
»Der Flug geht morgen, wir müssen früh los, daher gehen wir am besten jetzt schlafen.« Aodh gähnte übertrieben und streckte sich.
»Ich sagte …«
»Jaja. Ich weiß, du kannst nicht zurückkehren. Wir sehen uns morgen. Gute Nacht, Schwesterherz«, meinte Aodh lächelnd, drehte sich um und ließ sie allein mit ihrer Verzweiflung auf dem Balkon stehen.
Ciarda fühlte sich wie gerädert, als sie in Inverness aus der Konservendose stieg, die die Bezeichnung Flugzeug eindeutig nicht verdient hatte. Sie streckte die Arme, bewegte ihren steifen Nacken und verstand nicht, wie Aodh dermaßen gut gelaunt sein konnte. Es war nicht einmal zehn Uhr morgens. Fast zwanzig Stunden waren sie nun unterwegs gewesen, mit Zwischenstopp in London. In der Nacht, bevor sie aufgebrochen waren, hatte sie kein Auge zubekommen und sich nur hin und her gewälzt.
Genervt schnappte sie sich ihre Tasche und folgte ihm durch die kleine Empfangshalle hinaus in das trübe Licht. Regenwolken hingen schwer am Himmel und schienen ein Echo ihrer eigenen düsteren Stimmung zu sein, auch wenn der vertraute Geruch von Moor, Heide und Meer ihr Herz höherschlagen ließ. Ihr Magen fühlte sich jedoch so an, als würde sie immer noch im Flugzeug sitzen, während es zum Landeanflug ansetzte. Ihre Muskeln schmerzten, so angespannt war sie.
»Ah, da ist unser Empfangskomitee«, erklärte Aodh fröhlich und winkte jemandem zu.
Für eine Sekunde sackte Ciardas Herz eine Etage tiefer, als sie den schwarzen Geländewagen entdeckte, der im ersten Moment wie Seans aussah, bevor sie erkannte, dass dieser hinten eine offene Ladefläche besaß und somit gar nicht seiner sein konnte. Außerdem saß ein Schäferhund auf dem Beifahrersitz und streckte seinen Kopf aus dem Fenster.
»Na toll«, murrte sie, als ihr klar wurde, wer sie abholte. Mac stand mit verschränkten Armen an dem mit Schlamm bespritzten Fahrzeug gelehnt und sah ihnen mürrisch entgegen. Der Druide mit dem roten Vollbart war einer ihrer Ausbilder gewesen. Vor allem lehrte er die Geschichte ihrer Vorfahren. Alles Lügen.
Nachdem die Wahrheit über die Síodhach ans Licht gekommen war, war Mac einer der Ersten gewesen, die gesagt hatten, dass sie etwas Abstand brauchten. Zu viel hatte der alte Schotte auf dem Kerbholz. Zu viele Freunde in diesem sinnlosen Kampf verloren.
»Er wird dich schon nicht auffressen«, meinte Aodh und stapfte los.
Da war sie sich nicht so sicher. Unschlüssig und misstrauisch beobachtete sie, wie Mac die Umarmung ihres Bruders erwiderte und ihm väterlich auf die Schulter klopfte. Die Druiden waren schon immer wie eine riesige Familie gewesen. Umso schwerer wog der Verrat einiger.
Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter und drückte den Rücken durch. Lässig ging sie auf Mac zu und grinste. »Wo haben sie dich denn ausgegraben?«
Er gab ein tiefes Grollen von sich, das nach einem Hallo klang, und verzichtete glücklicherweise darauf, sie mit seinen Pranken zu zerquetschen. »Steigt ein«, brummte er schlecht gelaunt. Er war also genauso begeistert wie sie von dieser ganzen Aktion.
Ciarda mochte Mac. Irgendwie. »Sollst du heute den Babysitter für uns spielen?«, hakte sie nach, aber er warf ihr nur einen strengen Blick zu.
Ein sehnsuchtsvolles Winseln erklang neben ihr und sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Hund, der sie mit dunklen Augen ansah. Aufgeregt wedelte er mit dem Schwanz und hatte die Ohren aufgestellt.
»Hey Scotty«, sagte sie liebevoll und öffnete die Tür. Mit einem Satz sprang das Tier aus dem Fahrzeug und freudig an ihr hoch. Sie strich durch das raue Fell und für einen winzigen Augenblick konnte sie ihre Sorgen vergessen.
»Ich verstehe nicht, was er an dir findet. Alle anderen knurrt er immer an«, murrte Mac und ging um den Jeep, um einzusteigen.
»Er hat halt Geschmack.« Ciarda zuckte mit den Schultern und setzte sich hinter Aodh, der auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Scotty machte es sich neben ihr bequem und legte seinen Kopf auf ihren Oberschenkeln ab. »Wobei, dich Brummbär mag er ja auch«, stichelte sie und kraulte den Hund hinter den Ohren. Mac lachte, doch das Geräusch währte nur kurz, bevor er einen Seufzer ausstieß und losfuhr. Träge starrte sie aus dem Fenster auf die sanften Wiesen und Felder, die an ihnen vorbeiflogen. Endlich war sie wieder zu Hause, aber das Gefühl heimzukehren, blieb aus.
Die Atmosphäre in dem Fahrzeug wurde mit jedem Meter, den sie zurücklegten, drückender. Erneut spürte Ciarda, dass etwas auf sie zukam. Dass etwas nicht stimmte. Grübelnd blickte sie auf den Hinterkopf ihres Bruders, doch es erschloss sich ihr nicht, was darin vorging. Er hatte ihr nicht viel erzählt, bevor sie aufgebrochen waren. Gut, sie hatte auch nicht wissen wollen, was sie auf Gorm erwarten würde. Oder wer.
Ihr Magen fühlte sich wie ein harter Klumpen an. Scotty schien ihre Nervosität zu bemerken und stieß ein leises Fiepen aus.
Sie schluckte. Es wäre besser, wenn sie sich endlich ihren Ängsten stellte, als sie weiter zu verdrängen. »Was ist passiert?«, brach es aus ihr heraus.
»Zu viel«, grummelte Mac und warf ihr einen irritierten Blick durch den Rückspiegel zu, während Aodh sich zu ihr umdrehte und sie überrascht musterte. »Was willst du wissen, Schwesterherz?«, fragte er nach einer Weile.
Fest erwiderte sie seinen Blick und hob anschließend das Kinn. »Alles, was du mir die letzten Wochen verschwiegen hast?« Statt wie sie sämtliche Brücken hinter sich niederzureißen, hatte Aodh regelmäßigen Kontakt zu seinen Freunden gehalten.
»Bist du dir sicher?« Sein herausfordernder Tonfall und das verschmitzte Funkeln warnten sie, dass sie besser nicht weiter nachbohren sollte. »Fass dich einfach kurz.«
»Logan hat ein Mädchen kennengelernt«, erklärte Aodh grinsend und wandte den Blick wieder nach vorn.
Entgeistert und ungläubig hob Ciarda die Hände und ließ sie wieder fallen. »Dein Ernst? Der Kerl hat doch ständig eine andere.«
»Du wolltest doch, dass ich mich kurzfasse.«
Wütend schnaubte sie. »Und was willst du mir damit sagen? Etwa, dass Logan sein Ding nicht in der Hose behalten konnte und wir deswegen jetzt in den Krieg ziehen? Verarschen kann ich mich auch allein.«
»Ich mein das Ernst«, erklärte Aodh leicht verschnupft, was sie ihm keine Sekunde lang abnahm.
Mac gab ein Grunzen von sich und lenkte den Wagen von der Straße. Die Bremsen quietschten und sie wurden gegen die Sicherheitsgurte gedrückt. »Ihr zwei verhaltet euch immer noch wie Kleinkinder«, grummelte er genervt und drehte sich halb nach hinten, um sie anzusehen. »Kathrine ist ein gewöhnlicher Mensch und einige Síodhach haben sie verfolgt. Logan brachte sie nach Gorm, damit sie dort sicher ist. Allerdings gab es einen Verräter, weswegen er, Sean, Darach und Rona mit ihr nach Wales gefahren sind. Ohne Erlaubnis.« Er verzog missbilligend die Lippen und Ciarda konnte sich vorstellen, wie viel Ärger Logan deswegen bekommen hatte. Er hatte schon immer Probleme mit Autoritäten und Befehlen gehabt.
Mac strich sich durch seinen struppigen Bart. »Ian und Dan sind den Jungspunden nachgefahren, kamen aber wohl zu spät. Ich weiß nicht, was genau passiert ist. Nur dass Éber Kathrine in den Síd entführt hat.«
Ciarda konnte es nicht fassen. »Der Kerl zieht Schwierigkeiten echt magisch an. Lass mich raten, er ist hinterher, um sie zu retten.« Das war wieder so typisch für Logan.
»Und das, obwohl er schwer verletzt wurde.« Mac atmete geräuschvoll ein, wandte sich wieder der Straße zu und startete den Motor. »Dan und Ian sind ihm und Darach in den Síd nachgereist«, erklärte er.
Ciardas Herz begann kräftiger zu schlagen. Nervös leckte sie sich über die Lippen und warf aus dem Augenwinkel ihrem Bruder einen unsicheren Blick zu. Neugierig musterte er sie durch den Rückspiegel.
»Wer war der Verräter?«, fragte sie emotionslos und hoffte ihn so abzulenken. In den letzten Monaten hatten so viele ihrem Orden den Rücken gekehrt und waren, getrieben von dem Hass gegen die Síodhach, Éremón gefolgt. Eigentlich wollte sie es gar nicht wissen.
»Kenan«, erklärte Aodh.
Es war, als würde er ihr ein Messer in den Brustkorb jagen. Ein weiterer ihrer Freunde, der sich für die andere Seite entschieden hatte, für die Männer, die den Tod ihrer Mutter befohlen hatten. Es fühlte sich an, als hätte Kenan vor allem sie hintergangen. Sie schluckte ihre Gefühle hinunter. »Was ist dann passiert?«
»Vor über einer Woche kamen Dan, Ian und Darach zurück. Sie erzählten, dass Éremón sich mit seinem Bruder verbündet hat und die beiden nach Norden marschieren und alles niedermetzeln, was ihnen im Weg steht. Islinds Truppen allein können sie nicht aufhalten. Die Elfe hat uns sogar um Hilfe gebeten.« Mac klang fassungslos, als wäre das der Beweis des drohenden Weltuntergangs. Was denkst du, wird passieren, wenn Éber und Éremón Islinds Armee besiegt haben?
Ihr Frühstück kam ihr wieder hoch. Sie würgte den bitteren Geschmack hinunter und öffnete das Fenster. Macs Hund gab erneut ein Fiepen von sich.
»Weißt du schon, wann wir aufbrechen?«, fragte Aodh und warf Ciarda einen vorsichtigen Blick über die Schulter zu.
Macs Kiefermuskeln spannten sich an. »Die meisten sind schon im Síd, um Islinds Armee zu unterstützen.«
Es war wie ein Boxhieb in ihren Magen. »Wir kämpfen mit den Síodhach Seite an Seite?« Sobald sie die Frage gestellt hatte, wurde ihr klar, wie dumm sie war. Wahrscheinlich war das sogar ihre einzige Chance zu gewinnen.
»Ich weiß, dass einige damit ein Problem haben.« Mac warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. »Aber es ist sinnvoll, unsere Kräfte zu bündeln, wenn wir Éber und Éremón aufhalten wollen.«
Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Es war eine vernünftige Entscheidung, dennoch fühlte sie sich verraten und alles sträubte sich in ihr. Der Hass saß einfach zu tief. Auch wenn niemand der Síodhach ihre Mutter getötet hatte, so waren sie keine Heiligen.
Genauso wenig wie ich.
»Was ist mit Logan?«, fragte sie mit kratziger Stimme.
»Er ist immer noch verschwunden«, erklärte Aodh tonlos und senkte betrübt den Kopf. Ihr ganzes Blut sackte ihr in die Beine. Sie wusste, was das bedeutete. Logan war wahrscheinlich längst tot. Ein weiterer Freund, den sie nie wiedersehen würde. Nach Macs Gesichtsausdruck zu urteilen, den sie im Rückspiegel erkennen konnte, ging er ebenfalls vom Schlimmsten aus.
Die restliche Fahrt verlief ruhig. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Erst als sich der Geländewagen den schmalen Feldweg hinaufgequält hatte und sie vom Hügelkamm aus über das Tal blicken konnten, über dem Gorm wie ein Adlerhorst thronte, wurden alle nervös.
Die trockene Erde knirschte unter den Reifen, während Mac das Fahrzeug langsam in die Senke hinabrollen ließ.
Über zwei Monate war Ciarda nun fort gewesen und die jahrhundertealte Burg hatte sich in dieser Zeit nicht verändert. Rau und kantig stand sie da, als würde ihr nichts etwas anhaben können. Die Schäden, die bei der letzten Schlacht entstanden waren, waren teilweise behoben worden und wirkten wie unbedeutende Narben des Mauerwerks. Doch der Schein trog. Es waren tiefgehende Wunden, die auch ihre Gemeinschaft von den Ereignissen davongetragen hatte.
Sie war wieder Zuhause. Und dennoch fühlte sie sich beklommen und fremd, als sie durch die Tore fuhren. Es war, als würde sie nicht mehr hierhergehören.
Mac parkte den Wagen im hinteren Teil bei den alten Stallungen, wo bereits andere Fahrzeuge standen. Kaum hatte Ciarda die Tür aufgemacht, preschte Scotty los und verschwand. Mac gab nur ein Brummen von sich, das so ähnlich klang wie »Wartet hier«, bevor er ihm nacheilte. Leichter Nieselregen setzte ein und wurde schnell stärker. Frustriert starrte sie in den grauen Himmel. Es war so vorhersehbar gewesen.
Zögernd nahm sie ihre Tasche von der Ladefläche und schulterte sie. Ihr Blick glitt unruhig über die Mauern, die über ihr aufragten und ihr ein beklemmendes Gefühl vermittelten, während sie früher immer genau das Gegenteil getan hatten.
»Ist alles in Ordnung bei dir?«, fragte Aodh besorgt und musterte sie eingehend.
Ciarda atmete tief ein und versuchte die Erinnerungen zu verdrängen, die sie bei diesem Anblick überkamen. »Klar. Was soll denn sein?«, fragte sie, als würde ihr nicht das Blut durch die Adern rauschen oder die Hände vor Nervosität schwitzen. Innerlich bebte sie und in ihrem Kopf lief der Refrain von Bad Liar in Dauerschleife.
Aodhs Blick sagte ihr deutlich, dass er sehr wohl wusste, was gerade in ihr vorging. »Na ja, das letzte Mal, als wir hier waren, warst du völlig panisch und wolltest nur noch weg.«
»Ich wollte eigentlich auch nicht wieder herkommen und siehe da …« Sie drehte sich einmal im Kreis und warf sich in Pose. »Hier bin ich.«
Ihr Bruder stieß ein lautes Stöhnen aus, als hätte man ihn zu drei Monaten Küchendienst verdonnert. »Das heißt, du wirst die nächsten Wochen noch schlechtere Laune haben als sonst?«
»Ich werde dir die Hölle auf Erden bereiten«, zischte sie, erbost darüber, dass er sie überredet hatte hierherzukommen und sie so blöd gewesen war sich darauf einzulassen.
Leise begann er zu glucksen. »Gib es zu. Du bist eigentlich ganz froh wieder hier zu sein.«
Frustriert wandte sie sich ab und stapfte über den kleinen Hof, der in einen größeren mündete, wo einige Druiden trainierten. Ein paar von ihnen verharrten, als sie sie bemerkten, und grüßten sie. Als ihr Blick einen weißen Haarschopf streifte, sackte ihr das Herz in die Hose und sie blieb stehen.
»Was ist?«, fragte Aodh hinter ihr.
Der Síodhach drehte seinen Kopf und sie stieß den angehaltenen Atem aus. Er ist es nicht. »Musst du mich alle fünf Minuten fragen, ob alles in Ordnung ist? Das nervt langsam«, giftete sie und beschleunigte ihren Schritt.
Die Tür zum Turm öffnete sich und Dan trat heraus. Suchend schaute er sich um. Als er sie sah, eilte er auf sie zu. Auch das noch.
Seufzend blieb Ciarda abermals stehen und ließ ihre Tasche auf das feuchte Gras fallen. Aodh trat neben sie und begrüßte Dan mit einem Schulterklopfen. Ungeduldig ließ sie die Begrüßungsprozedur über sich ergehen. »Schön, dass ihr kommen konntet. Wir brauchen jeden Mann … und jede Frau«, erklärte Dan angespannt. »Macht es euch nicht zu bequem. Wir brechen morgen auf.« Er wirkte fahrig und eilte direkt weiter, blieb aber noch einmal stehen und wandte sich zu ihnen um. »Ach, Ciarda.« Stirnrunzelnd warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. »Bitte komm doch gegen drei in mein Büro«, rief er und war im nächsten Moment schon außer Sicht.
»Was will er von dir?« Irritiert sah Aodh ihm nach. Ciarda kam sich vor, als hätte sie ein Zug gestreift. Er weiß es. Genervt zuckte sie mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen?«
Aodh warf ihr einen nachdenklichen Blick zu, dann lächelte er. »Treffen wir uns um halb zwei zum Essen?«, fragte er und hatte bereits die Richtung eingeschlagen, in der sein Zimmer lag. Ciarda nickte, nahm ihre Tasche auf und steuerte auf die Tür zu, die in den Westflügel führte. Sie wollte nur noch in ihr Zimmer. Ihre Haut kribbelte und sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden.
Einzelne kühle Tropfen berührten seine Haut. Darach blieb stehen, schloss für einen Moment die Augen und hob sein Gesicht dem feinen Regen entgegen. Der Geruch der Luft änderte sich, wurde frischer und mischte sich mit dem Aroma der Erde. In seiner Welt, die unterirdisch lag, gab es keinen Regen. Auch keinen Himmel in der Art, wie er ihn nun erblickte. Graue Wolken trieben wie gewaltige Schiffe über die blaue Weite, die sich am Horizont verlor. Er genoss die Hoffnung auf Freiheit, die ihm diese Welt versprach, auch wenn er wusste, dass es genauso eine Illusion war wie der Sternenhimmel seiner Heimat. Schwermütig dachte er an die letzten Wochen, die er in Begleitung von Logan, Dan und Ian dort verbracht hatte, um Kathrine zu finden. Nachdem Logan sich fortgeschlichen und Ébers Männer ihn gefangen genommen hatten, waren sie nach Gorm zurückgekehrt, um Verstärkung zu holen. Der Verfall des Reiches schritt immer schneller voran, genauso wie Ébers Armee, die gegen Norden zog, wo Islinds Krieger bereits auf sie warteten. Der Kampf war unausweichlich.
Seufzend richtete er seinen Blick wieder nach vorn und erstarrte. In diesem Moment hätte ihn ein Gegner angreifen können und er hätte es nicht einmal bemerkt, so vertieft war er in den Anblick, der sich ihm bot.
Mit einem frustrierten Ausdruck und zusammengekniffenen Augen marschierte Ciarda über den weiten Hof, auf dem einige Druiden trainierten. Er hatte nicht damit gerechnet, sie zu sehen. Nicht hier und nicht jetzt.
Jedes Detail an ihr nahm er innerhalb eines Sekundenbruchteils wahr. Der Wind spielte mit den losen Strähnen ihrer langen Haare, die ihr bis zu den Hüften fielen. Die Veränderungen waren nur marginal, aber in den letzten Monaten hatte die Sonne ihrer hellen Haut einen warmen Erdton verliehen und ihre pechschwarzen Haare ausgebleicht, sodass sie nun rötlich schimmerten.
Das lockere grau-rot gemusterte Shirt, das einen Raben zeigte, reichte bis zu ihren Oberschenkeln und schmiegte sich bei jedem Schritt an ihren Körper, ließ ihre Rundungen erahnen. Ihre hautengen, schwarz glänzenden Leggins betonten ihre langen Beine und machten ihn verrückt.
Am liebsten hätte Darach sämtliche männliche Wesen, die ihr verstohlen auf den Hintern starrten, bewusstlos geschlagen.
Ihr Kopf drehte sich in seine Richtung und er trat schnell einen Schritt zurück, sodass sie ihn hinter der Mauerecke nicht mehr sehen konnte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und er versuchte kontrolliert ein- und auszuatmen, um ruhiger zu werden.
Was, bei den Göttern, tat sie hier?
Vorsichtig spähte er um die Ecke und beobachtete, wie Dan sie begrüßte.
Ihre missmutig aufeinandergepressten Lippen und die Mischung aus Zorn und Angst in ihren Augen zeigten ihm, dass sie nicht begeistert war wieder hier zu sein und am liebsten dahin zurückkehren würde, wo sie die letzten Monate verbracht hatte. Sein erster Impuls war es, zu ihr zu rennen, sie in die Arme zu ziehen, sein Gesicht in ihr dichtes Haar zu vergraben und sie nie wieder loszulassen. Allerdings spürte er gedanklich schon ihren Dolch an seinem Hals oder ihre Faust auf seiner Nase.
Etwas knirschte und das Mauerwerk, an dem er sich abstützte, bröckelte leicht unter dem Druck seiner Finger. Er presste die Zähne so fest zusammen, dass es bereits schmerzte. Bewusst bewegte er den Kiefer hin und her und versuchte ihn zu entspannen.
Wie sollte er auf ihr Auftauchen reagieren?
»Achtung, Kratzbürste im Anmarsch«, hörte er links von sich und warf den beiden Teenagern, die im Schatten der Mauer standen, einen wütenden Blick zu. Allerdings bemerkten sie ihn nicht.
Er hoffte, dass Ciarda es nicht gehört hatte. Doch ihre wundervollen braunen Augen wurden einige Schattierungen dunkler, sodass sie fast schwarz wirkten. Er kannte sie mittlerweile gut genug, um zu erkennen, dass sie verletzt war, auch wenn man meinen könnte, sie sei nur erbost.
Ihre Schritte wurden aggressiver, als sie auf die Jungs zuging. In dem Moment war er sich nicht sicher, ob er mit den beiden nicht doch Mitleid haben sollte.
Mit in die Hüften gestemmten Händen baute sie sich vor den Jugendlichen auf. »Müsstet ihr nicht eigentlich im Unterricht sein?«
»Der fällt aus, weil sich alle auf den Kampf vorbereiten«, erklärte einer der Jungen, als wäre es das Normalste auf der Welt. Sein Blick lag bewundernd auf den Kriegern, die ihre Fähigkeiten miteinander maßen.
»Ein Kampf ist nicht immer die Lösung«, murmelte sie so leise, dass Darach erst dachte, er habe sich verhört. »Ihr solltet lieber lernen, wie man Konflikte auf friedliche Weise löst«, führte sie weiter aus.
Überrascht zog Darach die Augenbrauen hoch. Das aus ihrem Mund zu hören, war seltsam. Normalerweise scheute sie keine Auseinandersetzung. Bisher hatte sie lieber erst zugeschlagen und dann nachgefragt, ob überhaupt ein Konflikt bestand.
»Du hast uns gar nichts zu sagen«, meinte der andere Junge trotzig.
»Ich glaube, ich sollte mal mit euren Lehrern reden, dass ihr der Sache die falsche Bedeutung beimesst.« Ciarda scheuchte sie in Richtung der Burg.
Ihre Verletzlichkeit stand so deutlich in ihren Augen, dass Darach sich wunderte, warum keiner die Wahrheit erkannte. Ciardas harte Schale schützte nur ihren weichen Kern. Sie war wie eine wunderschöne Rose.
Leider besaß sie verdammt viele spitze Dornen, an denen er sich schon mehrfach gestochen hatte.
»Sie ist also wieder da.«
Erschrocken zuckte Darach zusammen und drehte sich zu Rona um, die hinter ihm stand und Ciarda mit einer Mischung aus Misstrauen und Verachtung beobachtete.
»Mir wäre es lieber, sie wäre nicht hier«, murmelte er.
»Mir auch, allerdings dachte ich, dass du dich freuen würdest.« Rona zog sich von ihrem Beobachtungsposten zurück und lehnte sich mit dem Rücken an die Mauer.
Seufzend ließ er sich auf dem schmalen Streifen Gras nieder, das im Schatten der hohen Burgmauern wuchs. »Ich freu mich ja auch«, stieß er genervt aus.
Ronas Augen funkelten belustigt. »Aber?«
In ihrer Nähe benahm er sich wie ein Idiot. Verdammt, er hatte Fehler gemacht. Fehler, die ihn den Kopf hätten kosten können. Er zog die Füße zum Körper und stützte seine Unterarme auf die Knie. »Es ist kompliziert.«
»Wie ich diesen Spruch hasse.« Umständlich ließ sie sich neben ihm ins Gras plumpsen und zupfte nachdenklich einen Grashalm aus. »Du weißt, was ich von ihr halte.«
Enttäuscht ließ Darach den Kopf hängen. Er hatte nie viele Freunde besessen. Nicht, bis dieser impulsive Lockenkopf in sein Leben getreten war. Am Anfang war Rona nur ein Auftrag gewesen, den ihm Islind erteilt hatte, doch irgendwie hatte sie es geschafft, sich in sein Herz zu schleichen. Ihre Meinung war ihm wichtig. »Du kennst sie nicht. Gib ihr eine Chance.«
Sie schnaubte. »Sie wollte mich umbringen. Dich übrigens auch.«
Er erinnerte sich sehr gut an diesen Moment. Rona war Hals über Kopf in die Menschenwelt zurückgekehrt und er war ihr gefolgt. Damals war er seit Jahrzehnten das erste Mal wieder auf der Erde gewesen, hatte das Mondlicht auf seiner Haut gespürt und den Wind, der Geschichten aus fernen Ländern erzählte.
Er hatte Rona beschützen sollen, aber kaum hatte er in die wie Nussbaumholz schimmernden Augen von Ciarda gesehen, war seine Aufgabe vergessen. Er hätte der Druidin das Schwert, das sie an seine Kehle hielt, mit Leichtigkeit entwenden können. Allerdings hätte er sie dadurch wahrscheinlich verletzt. Also hatte er nichts getan und nur ihren Anblick genossen. Stattdessen hatte Rona sie jedoch wie eine Furie angegriffen. »Sie wusste nicht, wer du bist.«
»Warum verteidigst du sie ständig?«
»Du siehst nur das, was sie anderen von sich zeigt.«
»Ein arrogantes, aggressives Miststück?«, fragte sie sarkastisch.
»Ich hätte dich nicht für nachtragend gehalten.«
Verstimmt presste Rona ihre Lippen aufeinander und betrachtete den Grashalm zwischen ihren Fingern.
»Das alles ist nur Fassade, damit niemand sieht, was sich dahinter verbirgt«, erklärte er. Jedes Mal, wenn er in Ciardas Nähe war, konnte er ihre Verletzlichkeit und Unsicherheit spüren. Ihre Schuldgefühle standen ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Frustriert starrte er auf seine Hände. Warum konnte Rona in Ciarda nicht das erkennen, was er sah? »Hast du noch nie etwas getan, was du bedauerst?«
Sofort verspannte sie sich und ihr Blick verdunkelte sich vor Reue. »Öfter«, sagte sie mit gesenkter Stimme, ehe sie ihn im nächsten Moment schon wieder anfuhr. »Aber sie bedauert es nicht. Ganz im Gegenteil. Sobald sie mich sieht, fährt sie ihre Krallen aus und möchte mich am liebsten damit aufschlitzen. Wenn Blicke töten könnten, läge ich schon lange unter der Erde.«
»Könnte es daran liegen, dass du sie genauso ansiehst?« Aufmerksam beobachtete er ihre Reaktion. Sie wirkte zerknirscht, wollte es aber nicht zugeben. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Manchmal erinnert sie mich an dich.«
Rona gab ein missmutiges Brummen von sich. »Sie ähnelt mir in keiner Weise. Ich verstehe nicht, was du an ihr findest.«
Sein Blick huschte zu der Tür, durch die Ciarda vor einigen Minuten verschwunden war. Bilder tanzten durch seinen Kopf. Sie nackt unter ihm. Der zufriedene Ausdruck in ihren Augen. Hitze schoss durch seine Adern und ein Prickeln überzog seine Haut.
Aber es war mehr als das körperliche Vergnügen, was er mit ihr empfunden hatte. Ihr Lachen hatte ihn innerlich mit Wärme erfüllt. Sie könnte ihn retten und die Finsternis in ihm vertreiben.
»Liebst du sie?«, fragte Rona unvermittelt und brachte ihn damit aus dem Konzept. Nachdenklich betrachtete sie ihn und spielte mit dem Grashalm zwischen ihren Fingern.
Diese Frage hatte er sich nie gestellt. »Sie ist meine Seelengefährtin.« Er spürte diesen Sog, der ihn unweigerlich in ihre Richtung zog. Der ihn alles vergessen ließ. Seine Pflichten und Aufgaben. Was zählte, war sie. Nur sie.
»Das beantwortet meine Frage nicht.«
Das tat es nicht, aber er konnte ihr keine Antwort darauf geben. In Ciardas Nähe fühlte er sich frei und gefangen zugleich. Sie verlieh ihm Stärke und machte ihn ebenso schwach. War das Liebe? »Wieso ist das überhaupt wichtig? Wir sind füreinander bestimmt und beide Teile eines Ganzen«, gab er verstimmt zurück. Er akzeptierte es, warum also nicht auch sie? Warum wehrte sich Ciarda so gegen ihn?
Rona starrte ihn mit offenem Mund an, bevor sie fassungslos den Kopf schüttelte. »Vergiss es einfach.«
Eine Weile schwiegen sie und beobachteten die Druiden bei ihrem Training mit einem anderen Síodhach.
Ronas Worte stimmten ihn nachdenklich. Ciarda war keine Síodhach. Sie kannte nicht deren Traditionen und glaubte nicht an Seelengefährten. Genauso wenig, wie es Rona in Bezug auf Sean getan hatte. Ciardas Leben war so anders als seines. Er verstand sie oft nicht und hatte zugleich das Gefühl, sie schon ewig zu kennen. Es war verwirrend.
»In ihrer Nähe bist du wie ausgewechselt«, riss Rona ihn erneut aus seinen Gedanken.
»Ach ja?« Genervt warf er ihr einen Seitenblick zu und sie stupste ihn mit der Schulter an. »Dich kann man viel leichter auf die Palme bringen.« Sie grinste ihn frech an und er fühlte sich ertappt. Beunruhigt wich er ihrem Blick aus.
»Du kannst so charmant sein. Nur nicht bei ihr.«
»Sie ist nicht der Typ dafür. Jedes Mal, wenn ich nett zu ihr bin, wird sie giftig«, grummelte er und erinnerte sich, wie sie ihn während der gemeinsamen Trainingsstunden jedes Mal aggressiv angegriffen hatte, sobald er ihr nur ein Lächeln schenkte. Sie hatte ihn verspottet und provoziert. Jede Berührung ihres Körpers hatte er mit Schweiß und Blut bezahlt.
»Wahrscheinlich lässt sie sich einfach nur nicht gerne manipulieren«, meinte Rona neckend.
Irritiert musterte er sie. Ihre dunkelblauen Augen studierten jede seiner Reaktionen genau. »Was soll denn das heißen?«
»Du benutzt deinen Charme wie eine Waffe, um das zu bekommen, was du willst. Und sein wir mal ehrlich, die meisten Mädchen fallen auf dein hübsches Gesicht rein.«
»Du findest mich hübsch? Lass das aber Sean nicht hören, sonst wird er noch eifersüchtig«, neckte er sie grinsend und zwinkerte ihr zu.
Ein frustrierter Laut kam über ihre Lippen und sie funkelte ihn entrüstet an. »Genau das meine ich. Hör auf vom Thema abzulenken.« Spielerisch boxte sie ihm auf den Oberarm. »Wenn ich es mir genau überlege, habt ihr euch gegenseitig verdient«, murrte sie. »Vielleicht hört sie dann auch endlich auf meinem Freund nachzustellen, sonst muss ich ihr doch noch die Augen auskratzen.«
Die Erinnerung, wie seine Seelengefährtin einen anderen Mann angeschmachtet hatte, versetzte ihm einen Stich. Wenn er nicht wüsste, dass Sean Rona vergötterte und keinen Gedanken an Ciarda verschwendete, hätte er den Druiden schon längst im Wald verscharrt.
»Das war ein Scherz. Ich werde ihr schon nichts tun.«
»Bei dir bin ich mir da nicht so sicher.« Zweifelnd zog er die Augenbraue hoch und musterte sie, doch sie lächelte nur, beugte sich zu ihm und schloss ihn in die Arme. »Ich hoffe, sie erkennt, was für ein toller Mensch du bist.«
»Ich bin kein Mensch«, erklärte er tonlos.
»Dann halt ein großartiger Wechselbalg«, gab sie augenrollend zurück und löste sich wieder von ihm.
Er hatte schon den Mund geöffnet, um etwas zu erwidern, schloss ihn aber sofort und presste frustriert die Lippen aufeinander. Beinahe hätte er sich verraten.
Aufmunternd lächelte Rona ihn an. »Wenn sie dir jedoch wehtun sollte, kann ich nicht mehr für ihre Sicherheit garantieren«, erklärte sie kämpferisch.
Er spürte, wie ein Lächeln auf sein Gesicht trat, das zumindest ein wenig Düsternis in ihm vertrieb. »Danke, dass du für mich da bist.«
»Selbstverständlich. Wir sind Freunde. Du gehörst für mich zur Familie.« Sie stützte sich auf sein Knie auf und hievte sich hoch. Ein schmerzhaftes Stöhnen entwich ihrem Mund, obwohl sie versuchte es zu unterdrücken. Ihre Hand legte sich schützend an ihren Bauch, der die letzten zwei Wochen, in denen er im Síd gewesen war, eine rundlichere Form angenommen hatte. Ihre weiten Klamotten würden ihren Zustand nicht mehr lange verbergen können. Schnell sprang Darach auf und half ihr. »Alles in Ordnung? Ist was mit dem Baby?« Besorgt schob er seine eigenen Probleme zur Seite.
»Mir geht es gut. Und dem Baby auch«, erklärte sie fest, aber ihre Haut war blasser als sonst.
»Wir gehen zu deiner Mutter.« Bestimmt schob er sie in Richtung Krankenstation.
»Aber …«, protestierte sie
»Keine Widerworte«, unterbrach er sie.
Islind hätte ihn schon wegen der Sache in Wales am liebsten gevierteilt und er wollte sich keinen weiteren Fehler erlauben. Er brauchte ihr Wohlwollen. Ihren Schutz. Nur sie kannte die Wahrheit.
Ruhelos ließ Ciarda ihren Blick durch den Speisesaal gleiten. Es war ungewöhnlich still und die Nervosität und Angst wegen der bevorstehenden Kämpfe waren beinahe greifbar. »Du wirkst irgendwie verunsichert«, bemerkte Aodh nachdenklich. »Falls du Sean suchst, der ist bestimmt bei Rona.«
Genervt wandte sie sich ihm wieder zu. »Sean ist mir egal«, betonte sie und nippte an dem Glas, das vor ihr stand.
»Ach ja? Und warum schaust du dann alle fünf Minuten zur Tür?« Seine Augen wurden groß. »Oder wartest du etwa auf jemand anderes?«, fragte er gespielt entsetzt.
Erschrocken holte sie Luft und der Schluck Wasser in ihrem Hals nahm den falschen Weg. Hustend spuckte sie einen Teil wieder aus und das Grinsen von Aodh wurde immer breiter. »Nein!«, versuchte sie ihm klarzumachen. Manchmal konnte ihr Bruder eine solche Nervensäge sein. Erbost trat sie nach ihm, aber er zog seine Beine weg. »Hast du jetzt nicht einen Termin mit Dan?«, fragte er und sah demonstrativ auf die alte Uhr, die über der Tür hing, seit sie denken konnte, und im gleichmäßigen Takt die Zeit angab. In diesem Moment zuckte der große Zeiger eins weiter. Fluchend sprang sie auf. Es war bereits eine Minute vor drei und sie würde zu spät kommen. »Hättest du mir nicht früher Bescheid geben können?«, schimpfte sie und schob ihm ihr Tablett mit dem leeren Geschirr zu.
»Du hast doch die ganze Zeit in die Richtung gestarrt. Außerdem bin ich nicht dein Sekretär.«
Sie warf ihm einen wütenden Blick zu und versprach ihm wortlos Rache. Er grinste sie allerdings nur frech an. Verärgert rannte sie los und blieb erst vor Dans Arbeitszimmer schwer atmend stehen.
Nervös strich sie sich über ihre Kleidung und versuchte sich zu beruhigen. Sie hatte immer noch keine Ahnung, was ihr Offizier von ihr wollte.
»Du kannst reinkommen, Ciarda«, erklang seine Stimme ungeduldig aus dem Raum und ließ sie erschrocken zusammenzucken. Sie biss sich auf die Lippen und trat ein. Dan saß hinter einem großen antiken Schreibtisch und musterte sie erwartungsvoll. »Wie geht es dir?«
»Gut«, murmelte sie verunsichert und wich seinem durchdringenden Blick aus. Unruhig setzte sie sich auf einen der beiden Stühle.
»Du warst mehr als einen Monat fort und ich hoffe, diese Auszeit hat dir geholfen wieder zu dir selbst zu finden. Du zählst zu unseren besten Kämpfern. Ich möchte ungern auf dich verzichten.«
Seine Worte wühlten sie auf. Verstärkten ihre Gewissensbisse und zugleich ihren Widerstand. Sie wollte nicht hier sein. Wollte am liebsten wieder gehen. Stattdessen blieb sie stumm sitzen, schob ihren Kiefer hin und her und starrte auf die Maserung des Holzes.
»Ich verstehe, dass die letzten Monate für dich sehr hart waren. Die Sache mit Connor …« Er verstummte. Ihre Organe schienen sich zu verknoten. Trotzig hob sie das Kinn und erwiderte kämpferisch Dans mitfühlenden Blick.
Sie wollte nicht über Connor sprechen. Wollte diese falsche Schlange am liebsten vergessen. Sein hämisches Grinsen, als er ihr erzählt hatte, wie ihre Mutter gestorben war. Ihre Muskeln spannten sich an. »Er hat bekommen, was er verdient hat«, wiederholte sie kühl die Worte, mit denen sie seitdem versuchte ihre Schuldgefühle zu begraben.
Jahrelang hatte sie der Wunsch nach Rache angetrieben. Er hatte ihr Leben bestimmt. Doch die Befriedigung, sie endlich bekommen zu haben, fehlte. Stattdessen wusste sie nichts mehr mit sich anzufangen.
Dan stieß die Luft aus und fuhr sich durch die Haare, die danach zu allen Seiten abstanden. »Es tut mir leid, dass du nicht vorher die Wahrheit erfahren konntest. Über mich und den Untergrund.«
Weil ihr niemand vertraut hatte. Der Gedanke versetzte ihr einen Stich. Ihre Augen begannen zu brennen und sie starrte schnell auf die Bücher, die hinter Dan im Regal standen. Die Buchstaben auf den Rücken verschwammen.
»Ich verstehe, dass dir das alles irgendwann zu viel geworden ist und du eine Weile Abstand brauchtest.« Er sah sie erwartungsvoll an. Sie war unfähig auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen. Als sie nichts dazu sagte, sprach er weiter. »Ich freue mich jedenfalls, dass du wieder da bist.« Müde rieb er sich über die Stirn. »Auch wenn ich die Umstände sehr bedaure.« Leise begann er mit den Fingern auf der Holzoberfläche des Schreibtisches zu trommeln.
Ihr Blick zuckte zurück zu Dan, der sie aufmerksam musterte.
»Du weißt bereits, dass wir in den Síd reisen werden, um Islinds Armee zu unterstützen?«, hakte er vorsichtig nach.
Seine Stimmlage ließ sie aufhorchen. Sie nickte und kaute auf der Innenseite ihrer Wange herum.
»Bist du bereit dich unter diesen neuen Voraussetzungen einem Kampf zu stellen? Seite an Seite mit unseren ehemaligen Feinden?« Fragend sah er ihr in die Augen und ihr wurde mit einem Mal klar, warum er sie in sein Büro bestellt hatte. Er vertraute ihr immer noch nicht.
Es tat weh, auch wenn sie seine Intention nachvollziehen konnte, nachdem so viele Druiden in den Síodhach und deren Verbündeten lieber weiterhin das Böse sehen wollten. »Du hast mit Mac geredet«, stellte sie fest und erinnerte sich an ihre eigenen Worte.
»Er kam zu mir, weil er sich ebenfalls um dich sorgt.«
»Um mich? Nicht eher darum, dass ich plötzlich durchdrehe und unsere neuen Verbündeten angreife?«, fragte sie bitter.
Seufzend zog Dan die Luft ein und gab Ciarda das Gefühl, dass sie eine Last sei. »Ich möchte wissen, ob du wirklich so weit bist wieder in den Kampf zu ziehen. In den letzten Monaten sind bereits zu viele gegangen. Ich möchte dich nicht auch verlieren.« Deutlich konnte man seinen Schmerz sehen.
Einen Schmerz, der auch in ihr wütete.
Sie stand auf und ballte die Hände zu Fäusten. »Ich bin eine Wächterin. Es ist meine Aufgabe, diese Welt zu beschützen. Dafür bin ich ausgebildet worden.« Für nichts anderes.
Sie war erst zehn gewesen, als sich das erste Mal ihre Kräfte gezeigt hatten. Fast zeitgleich wie bei ihrem Bruder, der drei Jahre älter war als sie. Mit vierzehn war sie bereits mit Aodhs Clique auf Streife gegangen, um Kobolde zu jagen. Sie hatte gesehen, wie manche ihrer Freunde im Kampf gegen die Síodhach starben. Hatte auf Freunde gewartet, die niemals von ihren Einsätzen zurückgekehrt waren. Der Hass und die Wut schienen ihr Inneres in eine dunkle Wolke zu hüllen, die drohte sie zu ersticken. Die Síodhach hatten diesen Krieg jedoch nicht zu verantworten.
»Ich würde alles tun, um Éremón zur Strecke zu bringen. Sogar mit meinen Feinden ins Bett steigen.«
Ciarda wurde erst, nachdem die Worte ihren Mund verlassen hatten, bewusst, was sie gesagt hatte. Wie viel Wahrheit in ihnen lag.
Ihr Puls dröhnte in ihren Ohren. Verunsichert wich sie nach hinten aus, bis sich die Klinke in ihren Rücken bohrte. »Solange Islind und ihre Leute die Grenzen der Menschenwelt respektieren, haben sie nichts zu befürchten«, sagte sie mit belegter Stimme.
Dan wirkte nicht begeistert, nickte aber. »Okay.«
Schnell flüchtete sie aus dem Raum, bevor ihr Offizier noch etwas sagen konnte. Bevor er sah, was in ihr vorging. Ihre Gefühle standen Kopf. Die Wut war längst verschwunden und geblieben waren nur die Zweifel und Schuldgefühle, die sie schon seit Monaten plagten.
Sie fühlte, wie der Druck in ihrer Brust anwuchs, bis ihre Rippen schmerzten. Die Wände des schmalen Flurs schienen immer näher zu kommen. Mit rasendem Herzen stieß sie sich von der Tür weg und rannte los. Nicht auf ihre Umgebung achtend prallte sie plötzlich mit jemandem zusammen. Sie stolperte einen Schritt zurück und blickte hoch. Ihr Herz setzte einen Takt aus. »Sean?«
»Ciarda?«, erwiderte er genauso überrascht. »Ich wusste gar nicht, dass du wieder da bist.«
»Ich … Ehm … « Ihre Wangen wurden heiß. »Erst seit heute.« Seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er sich kaum verändert. Seine kupferroten Haare waren ein wenig länger und fielen ihm in die Stirn. Nur das glückliche Leuchten in seinen Augen, das Rona verursacht hatte, war von Kummer verdunkelt.
Ein unangenehmes Ziehen breitete sich in ihrem Magen aus. Ihn zu sehen, ließ sie an eine schönere Zeit denken. Eine Zeit, in der ihre Gedanken noch unschuldig und leicht und nicht von Sorgen überschattet gewesen waren. Er hatte sie immer zum Lachen bringen können. Den Nachhall des Glücks, der sie in seiner Gegenwart überkommen hatte, spürte sie selbst jetzt noch in ihren Knochen. Zugleich rissen die Wunden der Vergangenheit wieder auf. Ihre ständigen Streitereien, die Missverständnisse, die Eifersucht, die sie zerfressen hatte. Der Schmerz, als er sie verlassen hatte. All diese Gefühle stürzten auf sie ein, machten sie verwundbar.
Ein bedrückendes Schweigen breitete sich aus. Zwischen ihnen schien eine unsichtbare Wand zu stehen. Eine Wand, die seit Ronas Auftauchen zu einer soliden Mauer geworden war, bestehend aus bösen Worten und dem Hass, den sie ihr entgegengebracht hatte. Es tat ihr leid. Aber ihr Mund wollte diesen Satz einfach nicht formen.