Mythor 107: Der Thron des Haryion - Hubert Haensel - E-Book

Mythor 107: Der Thron des Haryion E-Book

Hubert Haensel

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Beschreibung

Mythor, der Sohn des Kometen, begann seinen Kampf gegen die Mächte des Dunkels und des Bösen in Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt. Dann, nach einer relativ kurzen Zeit des Wirkens, in der er dennoch Großes vollbrachte, wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von den Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen Achtung zu verschaffen und den Hexenstern zu erreichen, wo er endlich mit seiner geliebten Fronja zusammenkam. Gegenwärtig befinden sich der Sohn des Kometen und seine Gefährten, zu denen inzwischen auch Fronja, die ehemalige Erste Frau von Vanga, und Burra, die Amazone, gehören, inmitten der Schattenzone, wohin sie mit der Luscuma gelangt sind. Mit der kleinen Phanus versuchen sie nun, gegen all die Schrecken zu bestehen, die die Dämonen und ihre Helfer gegen die Eindringlinge aufzubieten haben. Eben erst ist es Mythor gelungen, Inscribe, die tanzende Löwin, nach einem verzweifelten Kampf zu besiegen. Nun, nach dem Sieg, wird unser Held in den Stock der Nesfar-Haryien geleitet. Und dort wartet auf ihn DER THRON DES HARYION ...

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Nr. 107

Der Thron des Haryion

von Hubert Haensel

Mythor, der Sohn des Kometen, begann seinen Kampf gegen die Mächte des Dunkels und des Bösen in Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt. Dann, nach einer relativ kurzen Zeit des Wirkens, in der er dennoch Großes vollbrachte, wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von den Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen Achtung zu verschaffen und den Hexenstern zu erreichen, wo er endlich mit seiner geliebten Fronja zusammenkam.

Gegenwärtig befinden sich der Sohn des Kometen und seine Gefährten, zu denen inzwischen auch Fronja, die ehemalige Erste Frau von Vanga, und Burra, die Amazone, gehören, inmitten der Schattenzone, wohin sie mit der Luscuma gelangt sind. Mit der kleinen Phanus versuchen sie nun, gegen all die Schrecken zu bestehen, die die Dämonen und ihre Helfer gegen die Eindringlinge aufzubieten haben.

Eben erst ist es Mythor gelungen, Inscribe, die tanzende Löwin, nach einem verzweifelten Kampf zu besiegen. Nun, nach dem Sieg, wird unser Held in den Stock der Nesfar-Haryien geleitet.

Und dort wartet auf ihn DER THRON DES HARYION ...

Die Hauptpersonen des Romans

Mythor – Der Sohn des Kometen in der Rolle eines Haryion.

Asmilai – Herrin des Nesfar-Stocks.

Fronja – Die Tochter des Kometen sucht Mythor zu befreien.

Robbin – Ein Pfader der Schattenzone.

Burra – Die kampfgewohnte Amazone bekommt Arbeit.

Nadomir

1.

Die jäh aufzuckende Schwärze schien mit riesigen Krallen nach der Phanus zu greifen.

Eine Finsternis brach herein, wie sie vollkommener nicht sein konnte. Mythor, der auf dem Vorschiff stand, zuckte zusammen. Mit der Rechten zog er Fronja enger an sich. Eben noch hatten sie gemeinsam zu den Haryien hinaufgesehen, die das Hausboot geleiteten, jetzt reichte die Sicht kaum mehr wenige Schritte weit.

Sanft schmiegte die Tochter des Kometen sich an ihn. Schier übermächtig wurde Mythors Verlangen, eins mit ihr zu werden, zu vergessen, was ringsum geschah. Der Deddeth hatte von Fronja abgelassen; ihre Genesung machte rasche Fortschritte.

Mythors Gedanken verwirrten sich. Obwohl er die nahe Gefahr ahnte, ließ er seine Hand über Fronjas Schulter gleiten, berührte zärtlich den Gesichtsschleier, den sie noch immer trug ...

Die dräuende Schwärze schlug über der Phanus zusammen. In unablässiger Folge zuckten Blitze auf, und das Erschreckende daran war die vollkommene Lautlosigkeit, mit der es geschah.

Das Atmen fiel schwer, als legte eiserne Bande sich um den Brustkorb. Mythor begann zu schwitzen.

Eine rasend schnelle, wirbelnde Bewegung erfasste das Boot, und seltsame Laute hallten durch die Dunkelheit.

Und da! – Ein Schatten ... ein Schemen, der sich langsam über das Deck schob.

Mit der Linken zerrte Mythor Alton aus der Scheide. Selbst das Leuchten des Gläsernen Schwertes wurde von der Finsternis erstickt.

Keuchend stieß er zu – wieder und immer wieder. Der Schatten verging, nur um an anderer Stelle von neuem zu erstehen. Dazwischen die Blitze voll blendender Schwärze und Düsternis. Mythor focht einen aussichtslosen Kampf. Sein Arm erlahmte schnell, und er begann sich zu fragen, weshalb niemand ihm zu Hilfe kam.

Mythor glaubte hinabzustürzen in eine endlose Tiefe, in die schäumende, giftige See der Finsternis. Fronja klammerte sich an ihm fest. Sie schrie – und ihr Entsetzen verscheuchte die aufkommende Gleichgültigkeit, die sich wie ein Leichentuch über seine Gedanken legte.

Auf den Knien fand er sich wieder und spürte spitze Holzsplitter, die Alton aus den Planken herausgefetzt hatte, an seiner Kehle. Der Gestank von Verwesung schlug ihm entgegen und ließ ihn würgen.

Im nächsten Moment verspürte Mythor einen vernichtenden Schlag, der ihn von den Beinen riss und quer über das Deck schleuderte. Das Gläserne Schwert schien aufzuglühen. Mehr vermochte der Gorganer nicht zu erkennen, denn der heftige Aufprall, als er gegen die Bordwand stieß, raubte ihm die Besinnung.

*

Turmhoch stieg die Gischt empor, unbarmherzig alles zerschmetternd, was sich ihr entgegenstellte. Nie endete diese Woge der Vernichtung – ihr Donnern und Tosen, das Dröhnen der entfesselten Gewalten und das Brausen des Orkans, der ihr voraneilte, verkündeten den Tod. Nichts hätte schlimmer, nichts gewaltiger sein können als diese Wassermassen, die den Schlünden des Jenseits entsprungen sein mochten.

Der Sohn des Kometen hatte es aufgegeben, dagegen anzukämpfen. Mit letzten Kräften hielt er sich über Wasser und ließ sich treiben, während die gigantische Flutwelle unaufhaltsam näherkam ...

Mythor war sofort hellwach, als ein sanftes Lippenpaar seine Wangen berührte. Fronja kniete neben ihm. Sie hatte ihren Schleier halb gelüftet und lächelte. Das düstere Wallen war fast völlig aus ihrem Antlitz verschwunden. Trotzdem wirkten ihre Züge verzerrt, irgendwie gequält.

Mythor begriff, dass er nur phantasiert hatte. Hilflos in der See treibend, war er vor nunmehr über einem Jahr nach Vanga gelangt.

Ruckartig richtete er sich auf. Noch immer wurde die Phanus von unwirklicher Schwärze eingehüllt, wenngleich die Sicht inzwischen weiter reichte. Die Taue, die vom Bug und von den beiden seitlichen Steuerfächern aus nach vorn führten, waren straff gespannt. Demnach hatten die Haryien entgegen Mythors Befürchtungen nicht die Flucht ergriffen.

Burra und einige ihrer Amazonen standen mit gezogenen Klingen an der Reling. Sie starrten hinaus in die ewige Nacht, aber kein Gegner zeigte sich. Robbin und Gerrek schienen aus irgendeinem Grund miteinander in Streit geraten zu sein. Während der Pfader heftig mit den Armen ruderte, tippte der Beuteldrache sich mehrmals an die Stirn.

»War ich lange ohne Besinnung?«, wollte Mythor wissen.

Fronja schüttelte den Kopf.

Schwankend kam der Sohn des Kometen auf die Beine.

Gerrek ließ den Pfader einfach stehen und kam auf Mythor zu.

»Was ist geschehen?«, fragte er. »Alles ging so fürchterlich schnell. Kaum jemand fand Zeit, sich zu besinnen.« Seine Glubschaugen weiteten sich in unverhohlenem Erstaunen. »Warum stierst du mich so an?«

»Weil mir war, als hätte ich Stunden auf euch warten müssen.«

»Stunden?«, machte Gerrek. »Das verstehe ich nicht. Allerdings kann nicht sein, was nie gewesen ist.«

»Ach.« Mythor winkte ab.

»Alte Pfaderregel«, erklärte der Beuteldrache. »Das sind schon kluge Leutchen, die solche Weisheiten von sich geben.« Er grinste anzüglich. »Man sollte noch viel mehr Sprüche ...«

»Seht!«

Burras Aufschrei klang wie eine Warnung. Kaum mehr als achtzig Schritte entfernt huschte ein Aufleuchten durch den Mahlstrom der Schattenzone. Hunderte und Aberhunderte von Irrlichtern tanzten ihren lockenden Reigen.

Beschwörend hob Robbin die Arme.

»Achtet nicht auf sie«, rief er. »Wendet euch ab! Wer ihrem Bann erliegt, ist rettungslos verloren.«

Das Leuchten wurde stärker. Die plötzliche Helligkeit überschwemmte das Hausboot und zeichnete scharf abgegrenzte Schatten.

Eine Amazone schickte sich an, über die Bordwand zu klettern. Ihre Schwerter hatten sie weggeworfen. Sie hörte nicht Robbins warnenden Aufschrei, achtete nicht auf Burra und die anderen, die sich ihr mit schnellen Schritten näherten. Schon stand sie auf der hölzernen Reling, vor sich einen bodenlosen Abgrund.

Burra sprang und bekam die Kriegerin zu fassen, als diese sich gerade in die Tiefe stürzen wollte.

*

Bleich wie der Tod war die Amazone. Sie starrte die Umstehenden an, ohne wirklich zu begreifen.

»Lasst ihrem Geist Zeit, sich zu beruhigen«, drängte Robbin. »Sie ist dem Licht verfallen. Geht unter Deck und schließt die Luken, nur dort ist vielleicht noch Sicherheit.«

»Pah«, machte jemand. »Das Geschwätz eines Mannes ...«

Der Glutball blähte sich auf, erfasste in Gedankenschnelle die Phanus und wirbelte sie vor sich her. Licht und Schatten verschmolzen miteinander, und das, was aus dieser Vereinigung entstand, war so unbegreiflich, dass weder Mythor noch Fronja noch den Kriegerinnen mehr als eine verschwommene Erinnerung daran blieb.

Wie durch Zauberei waren sie davongekommen, das Boot wies lediglich einige kaum nennenswerte Beschädigungen auf. Derjenige, der dies am wenigsten verstand, war Robbin.

»Die Haryien sind verschwunden«, rief Scida. Mit dem Schwert zeigte sie auf die herabsinkenden Seile.

Das bedeutete, dass die Luft hier nicht schwer genug war, um das Schiff zu tragen. Schon neigte sich der Bug, verlor die Phanus an Höhe.

»Das Leuchten war wunderschön«, murmelte Gerrek. »Ein Traum inmitten trostloser Öde.«

Für einen Augenblick sah es so aus, als wolle Robbin sich auf den Beuteldrachen stürzen. Doch dann begann er, eine seiner Leibbinden abzuwickeln. Deutlich spiegelte sich in seinen Gesichtszügen wider, was er dachte.

»Die Irrlichter«, sagte er nach einer Weile und bedachte Gerrek mit einem vernichtenden Blick, »können tödlich sein. Keine Schiffsmannschaft, die mit ihnen in Berührung kam, wurde je wieder gesehen. Selbst wir Pfader stehen dieser Erscheinung hilflos gegenüber.«

»Wir hatten also Glück«, bemerkte Fronja.

»Nicht nur das.«

»Vielleicht haben die Dämonen keinen Appetit auf uns«, spottete Gerrek.

»Wahrscheinlich nur deshalb, weil du ihnen zäh und unverdaulich erschienen bist«, erwiderte der Pfader trocken.

»Ha«, machte der Beuteldrache. »Deine Bandagen würden jedem im Hals steckenbleiben.«

Robbin murmelte etwas, das sich anhörte wie »unmögliches Großmaul«, und wandte sich abrupt ab. Zwischen den beiden bestand ein besonderes Verhältnis, das einerseits gegenseitige Achtung ausdrückte, andererseits aber den bissigsten Zweideutigkeiten Vorschub leistete.

Das Geräusch schwerer Flügelschläge ließ die Amazonen aufmerken. Es schien von überallher aus der Dunkelheit zu erklingen, ohne dass eine eindeutige Bestimmung der Richtung möglich gewesen wäre.

»Verteilt euch«, raunte Burra ihren Kriegerinnen zu. Sie selbst blieb an Mythors und Fronjas Seite, ihr Seelenschwert abschätzend in der Rechten wiegend.

»Was meinst du?«, wollte sie wissen. »Haryien?«

Der Mann aus Gorgan nickte.

»Ich denke. Bleibt die Frage, ob es sich um Nesfar handelt. Robbin?«

Ehe der Pfader etwas erwidern konnte, grub sich ein Paar scharfer Raubvogelkrallen in den Schiffsbug. Flügelschlagend verharrte ein gewaltiger Schatten halb in der Luft, scheinbar bereit, sich auf die Menschen zu stürzen.

Es war wirklich eines jener Mischwesen, mehr als zehneinhalb Fuß groß und mit mindestens dem Doppelten an Spannweite. Der Unterleib war der eines Vogels, mit zwei stämmigen, verhornten Beinen und einem weit ausladenden, dicht gefiederten Schwanz. Der Oberkörper hingegen hätte einer begehrenswerten Frau gehören können, wäre nicht der weiche Flaum gewesen, der die Haut bedeckte. Die Schwingen endeten in gefährlichen Greifklauen. Das Gesicht der Haryie war durchaus menschenähnlich, ließ allerdings in dem breiten, verhornten Mund, der wie ein kurzer Schnabel mit zwei Reihen spitzer Zahnkämme wirkte, auch das Tierische erkennen.

Zwölf weitere dieser Geschöpfe, die über der Phanus enger werdende Kreise zogen, zählte Mythor. Er sah aber auch, dass einige Kriegerinnen Pfeile auf die Sehnen ihrer Bogen legten.

»Nicht schießen!«, warnte er deshalb. »Es ist Asmilai, die Stockherrin der Nesfar.«

»Ja, Mythor«, krächzte die Haryie und scharrte ungeduldig mit dem rechten Fang. »Wir hätten nie geglaubt, dich wiederzusehen. Das Leuchten hat noch kein Opfer freigegeben. Aber gerade das macht dich zu einem besonders wertvollen Gast für uns.«

Der Gorganer bemerkte, dass Burra unwillkürlich die Zähne zusammenbiss. Auch sie hatte also ihr Misstrauen nicht überwunden.

»Unser Stock ist nahe«, verkündete Asmilai und schwang sich auf das Deck, wo sie mit angewinkelten Flügeln umher hüpfte. »Wir werden ein Fest feiern, wie die Nesfar seit langer Zeit keines mehr sahen.« Sie schenkte Mythor ein Lächeln, doch der Anblick ihrer zuckenden Fänge und des halb geöffneten Mundes ließ ihn schaudern.

*

In der Ferne trieb eine mächtige Felseninsel vorbei. Sie ließ eine Reihe tiefer Krater erkennen, von denen etliche Rauch und Feuer ausspien. Zonen schwerer Luft erlaubten es dem glutflüssigen Magma, sich ringförmig um das zerklüftete Gebilde auszubreiten. Selbst als die Finsternis den Felsbrocken längst wieder verschluckt hatte, war noch immer dessen wabernder, blutroter Widerschein auszumachen.

»Eine unwirtliche Gegend«, schimpfte Gerrek, während er gleichzeitig überaus interessiert an einer der viereckigen Luken stand und nach draußen blickte, um ja nichts zu versäumen.

Man hatte sich auf die geschlossenen Decks zurückgezogen. Oben gab es ohnehin nichts zu tun, nachdem die Haryien das Hausboot wieder in Schlepptau genommen hatten.

»Du, Robbin«, sprach Gerrek unvermittelt den Pfader an. »Du hörst doch förmlich das Gras wachsen. Was hältst du von den Vogelweibern?«

Der Lotse wickelte an den Binden herum, der einzigen Kleidung, die er trug. Er tat dies immer, wenn er Zeit gewinnen wollte oder nervös war.

»Versuche wenigstens für eine Weile, deine Hände ruhig zu halten«, ächzte Gerrek. »Wie soll man vernünftig mit dir reden, wenn du nie zuhörst.«

»Ich ahne, was du wissen willst.«

»Ach ...«

»Du fürchtest dich vor den Haryien, weil sie fliegen können, während du ...«

»Genug.« Abwehrend riss Gerrek die Arme hoch. »Habe ich dich gefragt, nur um mich beleidigen zu lassen? Spiel doch weiter mit deinen dreckigen Stofffetzen.«

Robbins Miene verfinsterte sich. Ruckartig warf er die Binde, die er eben abgewickelt hatte, sich lose über die Schulter. Seine großen roten Augen schienen sich den Beuteldrachen bannen zu wollen.

»Ich werde meinen Preis verdoppeln«, erklärte er schließlich. »Niemand kann ernsthaft von mir verlangen, dass ich mich ...«

Weiter kam er nicht. Ein langgezogener gellender Schrei ertönte von draußen und endete abrupt. Zugleich wurde die Phanus schwer erschüttert. Jemand machte sich an der Bordwand zu schaffen.

Ein blaues, gefiedertes Etwas huschte auf Gerrek zu. Instinktiv sprang er zurück, stolperte dabei aber über seinen Rattenschwanz und stürzte. Da, wo er eben noch gestanden hatte, zerfetzten hornige Greifklauen das Holz.

Die Haryie zwängte sich gänzlich durch die Luke herein. Hinter ihr drängten weitere nach. Mit einem einzigen Blick erfasste sie die Lage. Gerrek hatte das Pech, ihr am nächsten zu sein. Kreischend griff sie ihn an, schlug mit ihren Fängen nach ihm, und als er sich herumwälzte und sein Kurzschwert ziehen wollte, drückten ihre Schwingen ihn zu Boden.

Gerrek konnte nicht mehr erkennen, was um ihn her geschah. »Es sind Zaron«, vernahm er den Schrei einer Kriegerin, dann brandete Kampflärm auf.

Das Gewicht der Haryie lastete schwer auf ihm. Verzweifelt versuchte er, wenigstens die Arme freizubekommen, um seinen kalten Griff abwenden zu können, aber die Angreiferin hielt seine Handgelenke fest umklammert. Mit dem Schnabel hackte sie nach ihm, doch er entging dem mörderischen Hieb, indem er im letzten Moment den Kopf zur Seite warf.

»Heimtückisches Biest«, zischte Gerrek. Kleine Rauchwölkchen drangen aus seinen aufgeblähten Nüstern, gefolgt von zwei ellenlangen Flammenzungen.

Die Haryie schrie gellend auf, wollte schützend die Flügel vors Gesicht halten, doch dabei verlor sie das Gleichgewicht.

Die Angreiferin kam auf dem Rücken zu liegen, aber ihre Fänge zuckten in die Höhe. Eine der Klauen schrammte über Gerreks Drachenhaut. Sich einen Schmerzensschrei verbeißend, packte er zu. Die Bewegungen der Haryie erlahmten.

Mehr als ein Dutzend der Mischwesen waren eingedrungen. Zum Teil hatten sie die Luken von außen her geöffnet und sich hindurchgezwängt. Andere hüpften inzwischen die Treppe herab, die vom Oberdeck aus ins Schiffsinnere führte.

Die Haryien kämpften nur mit ihren natürlichen Waffen. Dabei standen die Krallen an Klauen und Fängen der Schärfe eines Schwertes kaum nach, und mit einem einzigen Flügelschlag konnten sie einen Menschen von den Beinen werfen.

Dennoch waren die Amazonen ihnen überlegen. Die Schwerter verschafften ihnen in der qualvoll werdenden Enge den Vorteil einer größeren Reichweite.

*

Mit heiserer Stimme versuchte Burra, den Lärm zu übertönen:

»Besetzt die Luken! Drängt sie über die Treppe zurück!«

Etliche Kriegerinnen schafften es, die hölzernen Klappen zu schließen und von innen zu verriegeln. Dass es dabei im Bauch der Phanus merklich düster wurde, störte niemanden. Eine Entscheidung zeichnete sich bereits ab. Die Haryien mochten in der Überzahl sein – hier unten half es ihnen wenig.

Gerrek sah Mythor in der Umklammerung eines der Vogelweiber. Das Gläserne Schwert hatte sie ihm entrissen, allerdings nicht, ohne selbst schwere Verwundungen davonzutragen. Mit bloßen Fäusten versuchte der Kometensohn nun, die Angreiferin niederzuringen.