Nachts in Berlin - Dirk Schiller - E-Book

Nachts in Berlin E-Book

Dirk Schiller

4,7

Beschreibung

Als Kriminalhauptkommissar Falk Brenner im Todesfall eines Industriellen ermittelt, steht er vor einem Dilemma: Alle Spuren führen ihn direkt in jenen schwulen Sexclub, den er bislang nur als Gast kannte. Die wenig gesprächigen Kunden des Etablissements sind zunächst keine große Hilfe, und Brenners Nachforschungen in der Szene geraten schnell zum gefährlichen Spiel mit dem Feuer. Denn Brenner muss oft auf schärfere Verhörmethoden zurückgreifen, um die Wahrheit - und ein paar verruchte Verdächtige - zu enthüllen.

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NACHTS INBERLIN

Dirk Schiller ist Jahrgang 1981 und hat das Ruhrgebiet so früh wie möglich in Richtung Berlin verlassen, wo er inzwischen unter seinem echten Namen für die Bundesregierung arbeitet. Abends widmet er sich dem Schreiben von erotischen Romanen und Krimis, für die er sich in den Bars und Clubs der Hauptstadt Inspiration sucht. Dirk Schiller lebt alleine und ist damit sehr zufrieden.

DIRKSCHILLER

NACHTSIN BERLIN

EROTISCHER KRIMI

BRUNO GMÜNDER

1. Auflage© 2016 Bruno Gmünder GmbHKleiststraße 23-26, D-10787 [email protected]

© 2016 Dirk SchillerUmschlaggestaltung: Matthias Panitz unterVerwendung einer Fotografie von © Exterface.comSatz: Robert Schulze

ISBN 978-3-95985-141-1eISBN 978-3-95985-200-5

Mehr über unsere Bücher und Autoren:www.brunogmuender.com

KAPITEL 1

Brenner hatte die Schnauze voll. Er stand so plötzlich auf, dass sein Stuhl nach hinten umkippte, und beugte sich weit über den schmalen Tisch im Personalraum des kleinen Supermarktes.

»Du bleibst also dabei, dass du keine Ahnung hast von irgendeinem Kreditkartenbetrug?«, knurrte er dem kleinen Scheißer, der da vor ihm saß, ins Gesicht.

»Absolut keine Ahnung«, antwortete der monoton, ohne Brenner anzusehen, und der Hauptkommissar konnte beim besten Willen nicht sagen, ob dieser höchstens achtzehnjährige, spindeldürre Bengel mit der blassen Haut und den straßenköterblonden Haaren einfach nur Desinteresse oder viel eher Überheblichkeit ausstrahlte. Zumindest schien er keine Angst zu haben, was Brenner umso wütender machte. Und hilfloser. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, und der laute Knall sorgte zumindest dafür, dass der Bubi ihm jetzt endlich in die Augen sah.

»Wenn wir hier nicht weiterkommen«, sagte Brenner bedrohlich und zog jetzt sein letztes Ass aus dem Ärmel, »bleibt mir nichts anderes übrig, als dich aufs Revier mitzunehmen und unsere Unterhaltung dort fortzusetzen. Dazu muss ich dir aber leider Handschellen anlegen, an denen ich dich dann einmal durch den ganzen Supermarkt zerre. Vorbei an deinem Chef und an allen Kunden. Da wäre die Kacke aber schön am Dampfen für dich.«

»Das machst du nicht«, sagte der Junge genauso monoton wie zuvor, doch Brenner war sich sicher, dass er jetzt ein kurzes Lächeln auf den schmalen Lippen aufflammen sah. »Du nimmst mich nicht mit aufs Revier«, wiederholte der kleine Scheißer jetzt. »Warum, weiß ich nicht. Aber irgendeinen Grund wird es schon geben. Sonst wären wir längst dort.«

Brenners Mund klappte auf. Dieser blasse Bengel hatte ihn durchschaut. Er konnte ihn nicht mit aufs Revier nehmen, weil das zwangsläufig für Papierkram gesorgt hätte, und er war auf dem kleinen Dienstweg hier. So nannten sie es auf der Wache, wenn gewisse Dinge unter dem offiziellen Radar erledigt werden mussten, um keine Wellen zu schlagen: Der Sohn des Dienstleiters klaut ein Bier am Kiosk? Kleiner Dienstweg. Die Frau des Polizeirats setzt im Suff den Mercedes an ein Stoppschild? Kleiner Dienstweg. Und jetzt: Das halbe Revier entdeckt seltsame Abbuchungen auf ihren Kreditkartenabrechnungen. Klar, kleiner Dienstweg. Wäre ja peinlich, wenn die Polizeireporter davon Wind bekämen.

Eigentlich war Brenner nur wegen einer beschissenen Wette hier. Er hatte sich von seinem dämlichen Kollegen Armin Scherrer zu der Behauptung hinreißen lassen, jeder Idiot könnte herausfinden, was hinter diesen ominösen Abbuchungen steckte, worauf dieser blöde Wichser Scherrer Brenner dazu gebracht hatte, einen Hunderter darauf zu setzen, dass er bis zum Ende der Woche einen Verdächtigen einbuchten würde. Also hatte Brenner sich mit sämtlichen Kollegen unterhalten, denen Unregelmäßigkeiten auf ihren Abrechnungen aufgefallen waren, und es hatte sich herausgestellt, dass sie alle mit ihrer Kreditkarte in dieser Bruchbude von Supermarkt bezahlt hatten, die keine hundert Meter vom Revier entfernt war.

»Du hältst dich für schlau, oder?«, fragte Brenner jetzt und beugte sich noch etwas weiter über den Tisch, sodass sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von der pickeligen Nase des Jungen entfernt war.

»Ich bin schlau«, antwortete der völlig unbeeindruckt.

Brenner fletschte die Zähne und knurrte. An diese Taktikscheiße mit dem guten und dem bösen Cop hatte er noch nie geglaubt. Er spielte seit Jahren böser Cop und noch böserer Cop, und er war beides in Personalunion. Allein durch seine körperliche Präsenz – einen Meter neunzig, hundert gut marmorierte Kilo, dunkle Haare mitsamt wildem Fünftagebart – schüchterte er die meisten Zeugen und Verdächtigen derart ein, dass er in der Regel nur noch eine Augenbraue hochziehen brauchte, damit sie sich vor Angst in die Hose machten und ihm alles erzählten, was er wissen wollte. Doch ausgerechnet dieser blasse Bengel hier war der erste seit langer Zeit, der absolut keine Angst vor ihm zu haben schien. Weder vor ihm als Person noch vor ihm als Kriminalbeamter. Und das wirkte sich ganz und gar nicht gut auf Brenners Laune aus.

»Ich fasse es dir ein letztes Mal zusammen«, sagte der Kommissar, der jetzt langsam um den Tisch herum- und auf den Kassierer zuging. »Meinen Kollegen fehlt Geld. Nicht besonders viel, deshalb hätten es die meisten dieser Flachtaucher wahrscheinlich nicht einmal gemerkt, wenn nicht plötzlich einer von ihnen Alarm geschlagen hätte. Danach haben sie alle in ihre Abrechnungen geguckt, und siehe da: Dem einen wurden zehn Euro abgebucht, dem nächsten fünfzehn, keinem mehr als zwanzig. In der Summe kommt aber ganz schön was zusammen.«

Inzwischen war er bei dem Jungen angekommen. Er packte den Stuhl, auf dem der Kleine saß, und drehte ihn mit einem Ruck zu sich, sodass der Bengel Brenners Gemächt direkt vor seiner Nase hatte. Brenner hatte am Morgen keine Zeit gehabt zu duschen, und seine Jeans hatte er auch bereits seit einigen Tagen an. Sollte der bockige Scheißer also ruhig den Moschusduft seiner Klöten einatmen, damit er vielleicht auf diese Weise lernte, wer hier der Chef im Ring war.

»Sämtliche Kollegen, denen das passiert ist, holen sich hier ab und zu mittags was zu essen«, fuhr er fort. »Und die haben dabei alle schon mindestens einmal mit ihrer Kreditkarte bezahlt. Das ist die einzige Verbindung, die ich finden konnte. Du bist die einzige Verbindung, die ich finden konnte. Weil du hier jeden Mittag Dienst schiebst.«

»Ist doch nicht meine Schuld, wenn die so dämlich sind und ’ne Butterbrezel mit der Visa bezahlen, oder?«, antwortete der Junge jetzt langsam, wobei er stur geradeaus auf Brenners Beule glotzte. »Da bettelt man doch förmlich darum, dass mal einer kommt und sich bedient.«

»Du gibst es also zu?«, fragte Brenner und bemühte sich, sein Erstaunen zu verbergen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der Junge es ihm plötzlich so leicht machen würde.

»Ich geb’s zu, Herr Kommissar. Die Sache mit den Kreditkarten und den Mord an Kennedy. Kann ich jetzt wieder an die Arbeit gehen?«

»Hauptkommissar«, antwortete Brenner. »Und wenn du denkst, dass die dich noch eine Sekunde an die Kasse lassen, wenn ich mit dem Marktleiter gesprochen habe, bist du noch dümmer, als ich dachte.«

Jetzt blickte der Junge nach oben und ließ für eine Sekunde wieder dieses Lächeln aufblitzen: »Ein Rabe«, sagte er, und sein Lächeln wurde nun zu einem unerträglich frechen Grinsen.

»Was?«, fragte Brenner irritiert.

»Ein Rabe«, wiederholte er, »auf deinem Schambein.« Er legte seinen rechten Daumen auf Brenners Ledergürtel. »Genau hier. Ist ein echt hässliches Tattoo.«

Brenner machte einen Schritt zurück. »Ich weiß nicht – «

» – was ich damit sagen will?«, fragte der Kassierer. »Ich will damit sagen, dass ich behaupten werde, du hättest deinen Schwanz rausgeholt und mir angeboten, dass wir die Sache auf sich beruhen lassen, wenn ich dir schön einen lutsche. Und wer von uns beiden steht dann dümmer da, Herr Haupt-Kommissar?«

Brenner fühlte sich, als hätte man ihn gerade in eine Badewanne voller Eiswürfel geworfen. Er hatte den Instinkt, einfach wegzulaufen, doch gleichzeitig wollte er diesem grinsenden, kleinen Bastard die Tracht Prügel seines Lebens verpassen. Aber er wusste, dass ihm beides nicht geholfen hätte. Also zwang er sich, sich zusammenzureißen.

»Wie kommst du darauf, dass ich ein Tattoo habe?«, fragte er so ruhig wie möglich.

»Komm her, ich zeig’s dir.« Der Kassierer griff in den Hosenbund des Polizisten und zog ihn daran wieder näher zu sich. Dann öffnete er geschickt Gürtel, Knopf und Reißverschluss und schob Brenners Unterhose ein kleines Stück nach unten. »Siehst du«, sagte er, »ein Rabe.«

Jetzt zog er die Unterhose noch ein Stück weiter herunter und griff nach Brenners inzwischen im Freien baumelndem, fettem Fleischpimmel. Er streifte sanft mit der Hand darüber, und der Schwanz begann sofort, härter zu werden und sich aufzurichten.

»Ich bin ein verheirateter Mann!«, sagte Brenner, der so perplex gewesen war, dass er das alles hatte geschehen lassen.

»Ich weiß«, antwortete der Junge und umgriff Brenners inzwischen steinhartes Teil, um es sanft zu wichsen. »Schicker Ehering übrigens. Breit und schlicht. Passt zu dir.«

Brenner stöhnte leise auf und drehte sich zur Tür des Aufenthaltsraums, um sich zu vergewissern, dass sie geschlossen war.

»Du erinnerst dich nicht an mich, oder?«, fragte der Junge, der jetzt mit der zweiten Hand die Eier des Hauptkommissars kraulte. »Dachte ich mir schon, warst ja auch ganz schön besoffen. Wie immer eigentlich.«

»Wann?«, fragte Brenner. Er ließ seine große Hand über das Gesicht des vorlauten Bengels wandern und gab ihm dabei leichte Ohrfeigen.

»Vor achtzehn Tagen. Im Stall. Hab dich schon öfters dort gesehen, und jedes Mal biste sturzbesoffen, wenn du reinkommst. Muss sich wohl einer Mut antrinken, bevor er sein Weibchen mit ein paar Typen betrügen geht.«

Brenner verpasste dem Kerl eine deutlich festere Ohrfeige: »Nicht von meiner Frau reden. Und schon gar nicht so, du kleine Fotze. Was ist passiert vor achtzehn Tagen?«

Der Junge zuckte mit den Schultern: »Das Übliche. Bist besoffen reingetorkelt, hast erstmal noch ’n Bier und ’n Schnaps gezogen, um dann in den Darkroom zu wanken, wo die Typen schon Schlange standen, weil jeder wenigstens einmal dieses fette Rohr in den Rachen geschoben kriegen will. Und letztes Mal war ich der Glückliche. Dabei hab ich dein Tattoo gesehen.«

»Nur aus Neugier«, sagte Brenner schwer atmend. Dieser Kerl war wirklich verdammt geschickt mit den Händen. »Wie hast du das gemacht mit den Kreditkarten?«

»Ziemlich einfach. Wenn ich irgendwo drei Sekunden lang draufgucke, kann ich mir alles merken. Name, Nummer, Ablaufdatum, Sicherheitscode. Kein Problem.«

»Fotografisches Gedächtnis?«, fragte Brenner.

»Hm-mh«, antwortete der Junge, der inzwischen mit der Zunge an Brenners Schwanzspitze spielte.

»Und jetzt erzählst du mir gleich, dass du eigentlich viel zu clever bist, um als Kassierer zu arbeiten, und das nur machst, um an die Daten von möglichst vielen Leuten ranzukommen?«

»Hm-mh.«

Brenner zog seine Eichel aus dem Maul des kleinen Ganoven und verstaute das knallharte Rohr mit einiger Mühe wieder in seinem Slip. Er hätte zwar nichts lieber getan, als dieser vorlauten kleinen Hure den Rachenfick ihres Lebens zu verpassen, doch die Gefahr war zu groß, dass einer der anderen Angestellten ohne Vorwarnung zur Tür hereinkam.

»Hier ist mein Angebot«, sagte er zu dem enttäuscht aussehenden Bengel, während er seinen Gürtel wieder schloss. »Du hörst mit dieser Scheiße auf, zumindest bei den Leuten, die drüben im Kommissariat arbeiten. Sonst fangen die irgendwann doch noch an, offiziell zu ermitteln, und dann werden die bald wieder hier auf der Matte stehen.« Er packte den Kassierer grob am Kinn und drehte seinen Kopf nach oben, sodass die beiden sich jetzt direkt ansahen. »Hast du das verstanden?«

Der Junge nickte.

»Gut«, sagte Brenner. »Und deine Strafe sind hundert Euro.«

Der Scheißer holte Luft, um zu protestieren, doch er merkte selbst, dass es zwecklos sein würde. Schließlich wussten beide, dass er sich im Laufe der letzten Monate ein Vielfaches davon zusammengeklaut hatte. Also zog er seufzend zwei Fünfziger aus seinem Geldbeutel, die Brenner wortlos einsteckte. Zum Abschied legte er sich seinen Zeigefinger auf die Lippen und sah den Jungen ein letztes Mal ernst an, bis dieser nickte.

»Vielen Dank für Ihr Entgegenkommen«, rief er im Rausgehen dem Filialleiter zu, der gerade die Haltbarkeitsdaten von Tütensuppe kontrollierte. »Ihr Kassierer konnte mir wirklich weiterhelfen. Sehr fähiger Junge. Wirklich sehr fähig.«

Kaum, dass er das Revier betreten hatte, kam dem Kommissar schon der dämlich grinsende Idiot Scherrer entgegen. »Heute ist Freitag, Kollege«, rief der einmal quer über den Gang. »Und wir haben noch keinen Verdächtigen, nehme ich an?«

Brenner schob ihm im Vorbeigehen die zwei Fünfziger zu, die er dem Kassierer abgenommen hatte, und murmelte: »Gewonnen.«

»Tja, mach dir nichts draus, Falk«, grinste Scherrer und klopfte Brenner kumpelhaft auf die Schulter, was den fast zur Weißglut brachte. »Auch die Besten übernehmen sich mal. Ach, übrigens: Winter will dich sehen, und zwar so schnell wie möglich. Er sah nicht gerade happy aus.«

»Hm-mh, gleich«, brummte Brenner und lief auf direktem Weg zum Klo. Dort sperrte er sich in eine der Kabinen und holte sich in Ruhe einen runter.

KAPITEL 2

Albert Winter war seit fünfzehn Jahren Dezernatsleiter des LKA 11, jener Abteilung des Berliner Landeskriminalamtes, die sich hauptsächlich mit Tötungsdelikten beschäftigte, und er war eine Art Ziehvater für Kriminalhauptkommissar Falk Brenner. Als Brenner Winters Büro betrat, stand der schlanke Mann mit den streng nach hinten gekämmten Haaren und der wie immer tadellos sitzenden Kleidung mit dem Rücken zu ihm am Fenster und blickte über die Häuser hinweg auf den nahegelegenen Tiergarten.

»Du wolltest mich sprechen?«, fragte Brenner.

»Ich nehme an, du hast dich noch nicht entschieden«, gab Winter zurück, ohne sich umzudrehen.

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