Nebelrache - Nancy Farmer - E-Book

Nebelrache E-Book

Nancy Farmer

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Beschreibung

Jack ist Lehrling des alten Barden Drachenzunge. Von ihm hat er gelernt, über die Magie der Erde zu gebieten. Aber ist er auch fähig, den Kampf gegen einen Meeresgeist aufzunehmen, der Jacks Dorf bedroht und auf ewige Rache sinnt? Um ein Unglück abzuwenden, macht Jack sich zusammen mit dem Barden und der Schildmaid Thorgil auf den gefahrvollen Weg nach Notland, in das Reich des gefürchteten Seevolks der Nordmänner. Sie reisen auf einem Wikingerschiff, bekämpfen unterwegs einen Hogboon, treffen Hobgoblins und Meermädchen und sogar Odin, den alten Kriegsgott. Gemeinsam trotzen die Freunde tödlichen Gefahren, und doch scheint es am Ende so, als würde das untote Monster einen von ihnen als Preis fordern. Jetzt muss sich zeigen, ob Jack schon soweit ist, das Erbe des Barden anzutreten. High Fantasy der Extraklasse! In dieser Trilogie erschafft Nancy Farmer meisterhaft aus nordischen Sagen und Erzählungen ein Fantasy-Epos in der Tradition von J. R. R. Tolkiens Der Herr der Ringe. "Nebelrache" ist der dritte Band einer Trilogie. Die Vorgängerbände sind "Drachenmeer" und "Elfenfluch".

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Für HaroldMögen wir die Insel der Seligen gemeinsam finden

Danksagungen

Mein tief empfundener Dank gilt den Lektoren, die mich aus dem Stapel herausgezogen und meine Karriere vorangetrieben haben: Richard Jackson, Susan Hirschman und Sharon November.

Ich danke auch Emma Dryden und Carol Chou, die mich beim Schreiben dieses Buches immer wieder angefeuert haben.

Und natürlich möchte ich mich auch bei meinem Sohn Daniel und meinem Neffen Nathan Stout für die Inspiration zu Olaf Einbraue bedanken.

Inhalt

Ein Gewitter zieht auf

Die wilde Jagd

Der Haselwald

Seefahrer

Ein Schrei in der Nacht

Heitere Wehklage

Die Meerjungfrau

Der Draugr

Rachsucht

Die Hobgoblins

Hazel kommt nach Hause

Die Tanner-Mädchen

Die Pfade öffnen sich

Schlaup

Alles an Bord

Wahre Liebe

Eine Burg in Rosa

Pangur Ban

Suche nach den Tanners

Die Mission

Ethnes Zelle

Schlaups Verlobung

Der Opferstein

Björn Schädelspalter

Prinzessin Thorgil

Der Hogboon

Fluchtpläne

Vollmond

Die tote Mauer

Das Wasser des Lebens

Reise nach Notland

Das Meervolk

Die Stadt unter dem Meer

Shoneys Festessen

Das Grab des Draugr

Ein Leben für ein Leben

Grims Insel

Die Höhle des heiligen Kolumban

Odin

Freudiges Wiedersehen

Rettung

Fliegendes Gift

Wulfhilda

Die Schutzrune

Aufbruch

Thorgil Silberhand

Die Insel der Seligen

Personenverzeichnis

Anhang

Quellen

Pangur Ban

Ich und mein Kater Pangur Banverfolgen beide einen ähnlichen Plan:Mäuse fangen ist der seine,Wörter fangen ist der meine.

Besser als der schnelle Ruhm ist des Schreibers fleiß’ges Tun.Pangur auch ganz ruhig bleibtund sein eignes Spiel betreibt.

Beide sind wir frei und froh,denn es gefällt uns beiden so,wenn wir sitzen beieinandund erproben den Verstand.

Er fängt manchmal eine Maus,welche schleicht durch unser Haus,während ich am Arbeitstischemal ein gutes Wort erwische.

Er beäugt meist unverwandtdie verheißungsvolle Wand;ich lieg ständig auf der Lauervor der Wissenschaften Mauer.

Wenn ein Mäuslein flitzt heran,o wie freut sich Pangur Ban!O wie erlöst fühl ich mich dann,wenn ein Problem ich lösen kann.

So tun wir beide unsre Pflicht,mein Kater Pangur Ban und ich.Unser Tun macht uns Vergnügen,jeder findet sein Genügen.

Durch viel Übung Tag und Nachthat er’s zum Meister schon gebracht.Und auch ich ein Lob erringe,indem ich Licht ins Dunkel bringe.

An den Rand eines Manuskripts geschrieben von einem unbekannten Mönch aus dem 8. Jahrhundert, der eigentlich die Bibel kopieren sollte.

Ein Gewitter zieht auf

Jack taten die Finger weh und seine Handflächen waren voller Blasen. Er erinnerte sich an Zeiten, als ihm die Arbeit viel leichter gefallen war. Da hatte er noch Schwielen an den Händen gehabt und die Sichel mühelos geschwungen. Aber das war jetzt anders. Er war schon seit drei Jahren von der Landarbeit befreit und hatte seitdem nur Gedichte gelernt und an einer Harfe herumgezupft – natürlich war sein Spiel nicht mit dem des Barden zu vergleichen. So gut würde er es niemals können. Doch jetzt floss ihm der Schweiß von der Stirn. Jack fuhr sich übers Gesicht und schaffte es, sich dabei Dreck in sein Auge zu reiben. „Diese Mistarbeit“, fluchte er und warf die Sichel hin.

„Wenigstens hast du zwei Hände“, sagte Thorgil, die ein Stück weiter schuftete und schwitzte. Sie musste den Adlerfarn in der Ellbogenbeuge einklemmen und ihn dann mit dem Messer abschneiden. Ihre rechte Hand war steif und nutzlos, aber sie gab trotzdem nicht auf. Das beeindruckte Jack, aber es ärgerte ihn auch.

„Warum kann das nicht jemand anders machen?“, beschwerte er sich und ließ sich ins Farnkraut fallen.

„Selbst Thor verrichtet auf einer Mission manchmal niedere Arbeiten“, verkündete Thorgil und ließ einen weiteren Packen Farnwedel auf den stetig wachsenden Haufen fallen. Ohne Unterbrechung erntete sie weiter.

„Das ist aber keine Mission! Es ist Thrall-Arbeit.“

„Du musst es ja wissen“, stichelte die Schildmaid.

Bei der Erinnerung an seine Zeit als Sklave im Nordland glühte Jacks Gesicht noch mehr. Aber er verschluckte die Erwiderung, dass auch Thorgil als Kind ein Thrall gewesen war. Schließlich neigte sie zu Wutausbrüchen, die alles verpesteten. Ein Pesthauch, dachte Jack bissig. Ein Pesthauch, der alles gelb werden lässt.

Es war fast alles schiefgegangen, seit sie ins Dorf gekommen war. Es bedurfte der schlimmsten Drohungen des Barden, sie daran zu hindern, damit herauszuplatzen, dass sie ein Nordmann war; einer der mörderischen Piraten, die einst über die Heilige Insel herfielen. Aber die Dorfbewohner waren auch so schon misstrauisch genug. Thorgil weigerte sich, Frauenkleider zu tragen. Sie war schnell beleidigt. Sie hatte keine Manieren. Sie war immer mürrisch. Kurz gesagt, gab sie den perfekten Nordmann ab.

Und doch, so musste Jack sich in Erinnerung rufen, hatte sie auch ihre guten Seiten – so weit man bei einer wie ihr überhaupt von guten Seiten reden konnte. Thorgil war mutig, treu und absolut vertrauenswürdig. Wenn sie doch nur auch ein bisschen anpassungsfähiger wäre!

„Wenn du deinen Hintern da wegbewegtest, könnte ich den Farn ernten. Oder wolltest du ihn als Bett benutzen?“, fragte Thorgil gehässig.

„Ach, halt doch den Mund!“ Jack schnappte nach seiner Sichel und verzog das Gesicht, als eine Blase an seiner Hand aufplatzte.

Sie arbeiteten lange Zeit schweigend vor sich hin. Die Sonne schickte ihre heißen Strahlen in den stickigen Wald. Der Himmel – zumindest das, was sie davon sehen konnten – war blau und wolkenlos. Er lastete auf ihnen wie ein umgestülpter See: heiß, feucht und vollkommen unbewegt. Jack konnte sich kaum vorstellen, dass ein Gewitter aufziehen sollte, aber das hatte der Barde gesagt. Und niemand stellte den Barden infrage. Er hörte den Vögeln zu und beobachtete das Meer von dem einsamen Aussichtpunkt in der Nähe des alten Römerhauses, in dem er lebte.

Ein Geräusch ließ Jack und Thorgil aufschauen. Die beiden Sklaven des Hufschmieds waren mit einem Ochsenkarren gekommen. Einen Moment später trampelten die beiden großen, schweigsamen Männer durchs Unterholz, um den geernteten Farn zusammenzuraffen. Sie brachten eine Ladung nach der anderen zum Wagen, ohne ein Wort und ohne jemals Augenkontakt aufzunehmen. Sie waren in Bebbas Town von ihrem Vater verkauft worden, weil sie nicht die Hellsten waren, und Jack fragte sich manchmal, was sie wohl dachten. Sie schienen nie miteinander oder mit jemand anderem zu sprechen.

Sogar Tiere dachten etwas. Der Barde hatte Jack beigebracht, dass Tiere denen viel zu sagen hatten, die ihnen zuhörten. Was hatten Gog und Magog, wie die Sklaven hießen, wohl zu sagen? Bestimmt nichts Gutes, entschied Jack nach einem Blick in ihre verschlossenen Gesichter.

Als der Ochsenkarren beladen war, machten sich Jack und Thorgil auf den Heimweg. Die meiste Zeit lebten sie im Haus des Barden, aber wegen des drohenden Gewitters waren sie auf die Farm von Jacks Eltern gezogen. Die hatte sich in den letzten drei Jahren deutlich vergrößert.

Außer den Feldern, dem Farmhaus, der Scheune und dem Heulager gab es jetzt einen neuen Kuhstall, den Jacks Vater gebaut hatte. Darin standen drei stämmige schwarze Kühe, die von Pega versorgt wurden, dem Mädchen, das Jack aus der Sklaverei befreit hatte. Sie war auch für die Hühner, die neugeborenen Lämmer und den Esel zuständig. Aber die Pferde durfte sie nicht anfassen. Sie gehörten Thorgil und wurden von ihr eifersüchtig bewacht, vor allem gegenüber den Töchtern des Gerbers.

Am Rand des Grundstücks, wo der Boden für den Ackerbau zu steinig war, stand eine aus Torf errichtete Hütte. Dort lebte die Witwe des Gerbers mit ihren beiden Töchtern auf so engem Raum zusammen wie Erbsen in einer Schote. Sie waren im letzten Jahr gekommen, um Jacks Mutter zu helfen, und seitdem geblieben.

„Ich wünschte, dieses Gewitter würde endlich kommen!“, rief Thorgil und warf einen Stein nach einer Krähe. Die Krähe wich dem Geschoss mühelos aus. „Die Luft ist so drückend! Es ist, als müsste man Schlamm einatmen.“

Jack schaute auf in den wolkenlosen blauen Himmel. Von der verdächtigen Stille abgesehen, hätte es ein normaler Frühsommertag sein können. „Der Barde hat mit einer Schwalbe aus dem Süden gesprochen. Sie hat gesagt, dass die Ströme der Luft durcheinandergeraten und alle Zugvögel verwirrt sind. Warum redest du eigentlich nicht mehr mit den Vögeln, Thorgil?“ Die Schildmaid besaß diese Fähigkeit, seit sie versehentlich etwas Drachenblut geschluckt hatte.

„Die sagen mir ja doch nichts“, murrte sie.

„Vielleicht solltest du nicht mit Steinen nach ihnen werfen …“

„Vögel sind dumm wie Stroh“, verkündete Thorgil entschieden.

Jack zuckte mit den Schultern. Es war typisch für sie, die Gaben zu ignorieren, die sie besaß, und stattdessen etwas zu wollen, was sie nie haben konnte, nämlich eine ruhmreiche Karriere als Kriegerin. Aber mit ihrer gelähmten Hand konnte sie das vergessen. Sie wollte außerdem eine großartige Geschichtenerzählerin sein, und Jack musste zugeben, dass sie nicht schlecht war. Ihre Stimme war zwar rau und sie hatte eine Vorliebe für blutige Sterbeszenen, aber spannend waren ihre Geschichten immer.

An den langen Winterabenden saßen die Dorfbewohner oft um den Herd des Ältesten, lauschten den Geschichten und tranken warmen Apfelmost. Der Barde spielte Harfe, und wenn er müde wurde, wechselten sich Jack und Thorgil mit dem Erzählen ab. Bruder Aiden, der kleine Mönch von der Heiligen Insel, beteiligte sich mit Erzählungen über Jesus und wie der es geschafft hatte, tausend Menschen mit nur fünf Broten und zwei Fischen satt zu bekommen, und anderen Wundergeschichten. Aber der eigentliche Star dieser Abende war Pega. Ihre Stimme hatte etwas so Fesselndes, dass selbst ein Sturm verstummte, um besser zuhören zu können.

„Bei Thor, diese Tanner-Gören sind bei meinen Pferden!“ Thorgil rannte los, und Jack sprintete hinter ihr her, um den unvermeidlichen Streit zu schlichten. Die Töchter des Gerbers waren fasziniert von den Pferden – ein Geschenk von König Brutus im Jahr zuvor. Im Grunde war nicht genau geklärt, wessen Pferde es waren, weil die ganze Pilgergruppe sie für den Rückweg aus Bebbas Town bekommen hatte. Jack fand, dass sie eigentlich dem Barden gehören sollten, aber Thorgil bestand darauf, dass sie das alleinige Anrecht darauf hatte, weil sie die einzige Kriegerin unter ihnen war.

„Schert euch da runter, ihr räudiges Pack! Ihr werdet die Tiere verderben!“ Thorgil pfiff und die Pferde fuhren so schnell herum, dass ihre kleinen Reiterinnen im Dreck landeten. Die Pferde bremsten vor der Schildmaid und tänzelten nervös. Jack lief zu den weinenden Mädchen. „Sag ihnen, dass sie damit aufhören sollen, oder ich gebe ihnen einen wirklichen Grund zum Heulen“, fauchte Thorgil und strich ihren Pferden über die Mähnen.

Jack vergewisserte sich, dass die Mädchen unverletzt waren. Die beiden waren acht und zehn Jahre alt, aber klein für ihr Alter, was an den Jahren der Unterernährung und den giftigen Dämpfen der alten Gerberei lag, in der sie bis zum Tod ihres Vaters gelebt hatten.

„Es sind doch nur Kinder“, schalt Jack und wischte den Mädchen die schmutzigen, verweinten Gesichter mit dem Saum seines Hemds ab. „In ihrem Alter hast du bestimmt genau dasselbe gemacht.“

„Ich war eine Schildmaid. Ich war die Tochter von –“

„Vorsicht!“, unterbrach Jack sie scharf. Die Mädchen hörten auf zu weinen und musterten Thorgil neugierig.

„Wer war denn dein Papa?“, fragte die Ältere.

„Bestimmt ein Troll“, sagte die Jüngere kichernd. Thorgil bückte sich, doch die beiden rasten davon, bevor sie einen Stein nach ihnen werfen konnte.

„Blöde Sumpfratten“, knurrte sie.

„Du musst dich nur einmal verplappern“, warnte Jack. „Ein Wort, dass du kein Angelsachse bist, und sofort wird sich das ganze Dorf gegen dich stellen. Und gegen meine Eltern und mich, weil wir dich bei uns aufgenommen haben.“

„Diese Schuld ist das Einzige, was mich davon abhält, ihnen meine wahre Herkunft ins Gesicht zu schreien.“ Thorgil legte die Arme um den Hals eines der Pferde, und es pustete ihr einen langen Pferdekuss in die Haare. Jack war wieder einmal beeindruckt, wie sehr die Tiere sie liebten. Wirklich schade, dass Thorgil diese Wirkung nicht auch auf Menschen hatte.

„Lass uns ins Haus gehen“, sagte Jack. „Ich verhungere, und wir müssen noch den ganzen Nachmittag Farnkraut schneiden.“

„Das verfluchte Zeug“, wütete Thorgil. „Dieses ganze verfluchte sinnlose und langweilige Leben in diesem Dorf. Ich würde mich schon für eine verfaulte Rübe von einer Klippe ins Meer stürzen!“

„Würdest du nicht“, sagte Jack und ging voraus.

Die wilde Jagd

Thorgils schlechte Laune folgte ihnen bis nach Hause. Sie nahm Mutters Essen mürrisch entgegen und wollte wortlos anfangen, sich damit vollzustopfen.

„In diesem Dorf ist es üblich, sich für das Essen zu bedanken“, sagte Mutter.

Jack seufzte unhörbar. Der Schildmaid zumindest ein paar Manieren beizubringen – das war wohl eine Schlacht, die niemals ein Ende finden würde.

„Wieso?“, fragte Thorgil bockig.

„Um seine Dankbarkeit zu zeigen.“

„Ich bin dankbar. Ich esse diesen Fraß, oder etwa nicht? Außerdem macht das genauso viel Sinn, als würdest du mir dafür danken, dass ich Farn schneide. Wenn wir damit anfangen, dass sich jeder beim anderen für jede kleine Handreichung bedankt, werden wir nicht mehr zum Arbeiten kommen.“

„Darum geht es nicht“, widersprach Mutter geduldig. „Die Menschen hören gern ein paar nette Worte. Es ist dasselbe wie ‚Guten Morgen‘ oder ‚Wie geht es dir?‘.“

„Und wenn es ein lausiger Morgen ist oder es mich nicht die Bohne interessiert, wie es jemandem geht?“

„Ach, mach doch, was du willst!“, rief Mutter aus. „Manchmal wünschte ich, dass ein Nordmann-Schiff kommt und dich mitnimmt!“ Sie stürmte hinaus, und Jack hob die Brauen. Es passte nicht zu seiner Mutter, dass sie so die Beherrschung verlor. Aber wenn Thorgil eine ihrer Launen hatte, machte sogar der sanfte Bruder Aiden Tintenkleckse auf seine Manuskripte.

Jack hörte, wie seine Mutter mit Pega besprach, auf welche Weise sie das Vieh vor dem aufziehenden Gewitter schützen konnten. Die Kühe und Pferde würden sich in der Scheune zusammendrängen müssen. Die robusteren Schafe konnten draußen bleiben.

„Sogar Olaf Einbraue hat den Leuten einen Guten Morgen gewünscht“, bemerkte Jack und bezog sich damit auf Thorgils verstorbenen Pflegevater.

„Aber nur, wenn es auch ein guter Morgen war. Er hat nie gelogen.“ Thorgil fuhr sich mit der Hand über die Augen.

„Weinst du etwa?“

„Natürlich nicht. Es ist nur dieser stinkige Qualm in dieser stinkigen Hütte.“ Die Schildmaid rieb immer noch an ihren Augen herum.

„Willst du etwas von meinem Brot haben?“

„Wieso sollte ich deine wurmzerfressenen Essensreste haben wollen?“, fuhr Thorgil ihn an, doch an der Art, wie sie aß, war deutlich zu erkennen, wie viel Hunger sie hatte.

Mitgefühl war bei ihr total verschwendet, dachte Jack. Sie betrachtete es als Schwäche. Ihre Wutausbrüche waren mit Sommergewittern zu vergleichen, die Blitze flogen in alle Richtungen, aber wenn man geduldig war – und die Beleidigungen einfach ignorierte –, verzogen sich die schwarzen Wolken irgendwann wieder. Jack war nicht sicher, was ihm lieber war, Thorgils schlechte Laune oder ihre gelegentlichen Anfälle von Freude. Manchmal bekam sie eine Art Rappel und geriet über Farben, Gerüche oder Geräusche vollkommen aus dem Häuschen. Dann packte sie seinen Arm und zwang ihn, sich auf das zu konzentrieren, was es gerade war.

Der Barde sagte, dass das passierte, weil Thorgil als Berserkerin aufgezogen und damit dem Tod geweiht war. Aber seit sie die Schutzrune trug, stand sie unter dem Schutz der Erdmagie. Da war es nur verständlich, dass diese beiden Instinkte einander bekämpften.

Pega kam mit einem Huhn im Korb an die Tür, und Jacks Laune besserte sich schlagartig. Bei Pega fühlte man sich nie schlecht. Sie war immer vernünftig und stets bemüht, andere Leute glücklich zu machen. Sie half Mutter beim Kochen, jätete Unkraut im Kräutergarten des Barden und wachte darüber, dass Bruder Aiden das Essen nicht vergaß. Sie war als Sklavin geboren worden und für jedes nette Wort rührend dankbar. Jack fand, dass sie beinahe hübsch war, wenn man nicht auf das entstellende Muttermal achtete, das die Hälfte ihres Gesichts bedeckte. Der Barde sagte, dass es an ihrer Seele lag, die durchschimmerte, so wie Thorgils ewiges Grollen ihre tatsächliche Schönheit verbarg.

„Wir müssen die Hühner hier unterbringen“, erklärte Pega und stellte den Korb an der Wand ab. „Du solltest den Himmel im Süden sehen! Er ist ganz komisch und dunkel, aber es sind keine Wolken zu erkennen.“

„Brauchst du Hilfe?“, fragte Jack hoffnungsvoll.

„Ich brauche dich, um den Arbeitern ihr Essen aufs Feld zu bringen“, sagte Mutter, die mit einem weiteren Huhn unter dem Arm die Tür aufstieß. „So wie der Himmel aussieht, schafft ihr es nicht, noch mehr Farn zu schneiden. Sieh auf dem Rückweg noch einmal nach den Bienen.“

Sie lächelte nicht, und Jack fand es unfair, dass er zusammen mit Thorgil in Ungnade gefallen war. Es war schließlich nicht seine Schuld, dass die Schildmaid nicht zu zügeln war. Sogar Olaf Einbraue hatte sie gelegentlich von einer Klippe baumeln lassen, um sie wieder zur Vernunft zu bringen. Leider hatte Olaf sie auch für schlechtes Benehmen belohnt, denn die Nordmänner hatten mit guten Manieren nichts im Sinn.

Jack und Thorgil beluden den Esel mit Brotkörben und Schläuchen voll Apfelmost. Die meisten Dorfbewohner ernteten Heu, so schnell sie konnten. Ein paar wie Mutter und die Frau des Ältesten sorgten für die Verpflegung, damit die Männer keine Zeit verloren. Der Himmel hatte sich in den letzten Minuten dramatisch verändert. Im Norden war er blau, aber wenn man Richtung Süden schaute, verwandelte sich seine Farbe in Schiefergrau. Doch wie Pega gesagt hatte – es waren keine Wolken zu sehen.

„Was ist das auf einmal für ein komischer Geruch?“, fragte Thorgil.

„Ich bin mir nicht sicher“, antwortete Jack. „Es riecht ein bisschen wie Kleidung, die in der Sonne trocknet.“

„Es riecht … schön. Ich habe das Gefühl, als müsste ich rennen oder singen. Vielleicht wird dieses Gewitter doch ein großer Spaß.“ Ihre finstere Miene hellte sich auf. Jack fand es typisch für sie, dass sie von etwas aufgeheitert wurde, vor dem sich alle anderen fürchteten.

„Ich habe noch nie so einen Himmel gesehen“, bemerkte er.

„Ich schon“, sagte die Schildmaid, „als ich noch sehr klein war. Meine Mutter hat mich in den Keller getragen, in dem das Gemüse gelagert wurde. Sie hat versucht, mich zu beschützen, und ich erinnere mich, dass sie auf mir lag. Ich habe die Hunde heulen gehört oder vielleicht auch den Wind –“

„Lass uns das Essen verteilen“, sagte Jack schnell, um das Thema zu wechseln. Thorgils Mutter war eine Sklavin gewesen, die man bei der Einäscherung von Thorgils richtigem Vater auf dem Scheiterhaufen verbrannt hatte. Alle Erinnerungen, die Thorgil an dieses Leben hatte, waren grausig. Und wenn sie wirklich einmal darüber sprach, machte sie das so wütend, dass sie geradezu unausstehlich wurde.

Sie rannten von einer Farm zur nächsten und lieferten das Essen auf Feldern und in Scheunen ab. Die Scheunen hatten Schieferböden, die mit einer Schicht Adlerfarn bedeckt waren. Die Farnwedel schützten das Heu nicht nur vor der aufsteigenden Feuchtigkeit, sie schnitten den Ratten auch in die Mäuler, was die Schädlinge vom Heu fernhielt. Das Vieh war auf das Heu als Winterfutter angewiesen. Wenn es verregnete, verdarb es und die Tiere würden verhungern. Das frische Heu verbreitete einen angenehmen Duft.

Auf jeder Wiese sah Jack, wie die Leute sich bückten und Garben banden. Wenn es möglich war, benutzten sie den Karren des Hufschmieds für den Transport. Aber es war Eile geboten, und so trugen viele der Dorfbewohner ihr Heu eigenhändig nach Hause. Wer keine Scheune hatte, schützte seine Heustapel mit einer Haube aus Riedgras und hoffte das Beste.

Vor Monaten hatte Jack versucht, Thorgils Pferde vor einen Karren zu spannen, aber sie hatten gegen das Geschirr gekämpft und waren nicht zu bändigen gewesen. Das war noch etwas, das man ihm vorwarf, obwohl es nicht seine Schuld war. Er hatte doch keine Ahnung, wie man Pferde trainierte! Es war Thorgil, der sie vertrauten, aber sie weigerte sich, die beiden Tiere zur Farmarbeit auszubilden. Es wären schließlich Kriegspferde und keine Thralls, wie sie ihm an den Kopf geworfen hatte.

Thorgil war auch sonst ein Problem. Jack sah, wie ungern die Dorfbewohner das Essen aus ihren Händen nahmen und wie sie sich danach wegdrehten und ein Kreuz schlugen.

Jack und Thorgil ließen den Esel in der letzten Scheune und machten sich auf den Weg zu den Bienenstöcken. „Wir sollten uns beeilen“, sagte Jack und schaute in den schwarzen Himmel im Süden. Waren da Wolken? Irgendetwas war da, und doch war die Luft still und wie tot. Die Blätter an den Bäumen hingen schlapp herunter.

Sogar die Bienen wussten, dass etwas nicht stimmte. Sie flogen nicht mehr auf der Suche nach Nektar hin und her, und die Aufpasser summten vor dem Eingang herum, als rechneten sie mit einem Feind, der aus dem Hinterhalt angriff. Die Nester waren mit umgestülpten Körben geschützt, ähnlich den Hauben auf den Heustapeln. In einer Scheune wären die Bienen entschieden sicherer gewesen, aber es verwirrte die Tiere immer ganz furchtbar, wenn die Bienenkörbe umgestellt wurden. Sie würden also überleben müssen, wo sie waren.

Im Frühjahr hatte Vater eine Steinmauer um die Körbe gebaut, damit die Schafe ihnen beim Grasen nicht zu nahe kamen, und jetzt war Jack froh über den zusätzlichen Schutz. „Die benehmen sich, als wäre es Nacht“, stellte er verwundert fest. „Sie sind fast alle drinnen. Hör dir das Summen an!“

„Weißt du was? Ich kann beinahe verstehen, was sie sagen“ Thorgil presste ihr Ohr gegen einen der Körbe. „Es ist so ähnlich wie mit den Vogelstimmen. Ist das nicht verrückt?“

„Bienen sind doch auch Kreaturen der Lüfte. Was sagen sie?“

„Sie haben Angst. Sie spüren den nahenden Tod – au!“ Thorgil schlug sich aufs Ohr und sprang zurück.

„Geh lieber weg. Wenn eine sticht, machen die anderen es ihr nach“, rief Jack.

Aber die Bienen blieben in ihren Körben. Jack und Thorgil hockten sich ein Stück entfernt hin und beobachteten sie. Welchen Feind die Bienen auch immer ausgemacht hatten, er war offensichtlich zu gefährlich, um sich ihm entgegenzustellen.

„Sieh doch!“, rief Jack fassungslos. Im Süden türmten sich jetzt Wolken am Himmel auf. Aus der verschwommenen Schwärze hatten sich nebelartige Fetzen gebildet, die mit solchem Tempo auf sie zurasten, dass Jack sich instinktiv auf den Boden warf und Thorgil mit sich riss. Eine Sekunde später war das Gewitter da.

Aus der vollkommenen Stille war plötzlich ein Orkan geworden, der sie über den Boden schob. Einer der Bienenkörbe kippte um und fiel gegen die Steinmauer. Der Wind heulte so laut, dass Jack ihn nicht überschreien konnte. Auf dem Bauch robbten er und Thorgil auf einen Schafstall zu, der am Feldrand stand. Er konnte ihn nicht sehen, bis ein Blitz alles in weißes Licht tauchte, dicht gefolgt von einem Donnern, das den Boden beben ließ.

„Bei Thor!“, formten Thorgils Lippen im gleißenden Licht. Sie robbten, so schnell sie konnten, und erstarrten jedes Mal, wenn ein Blitz vom Himmel schoss. Bis jetzt regnete es noch nicht. Sie erreichten den Schafstall und quetschten sich zu den drei Mutterschafen, die dieselbe Idee gehabt hatten. Der Wind fauchte über die schützende Steinmauer hinweg, aber auf dem Boden, in einem Haufen feuchter Wolle, fühlte Jack sich beinahe sicher.

„Bei Thor!“, brüllte Thorgil wieder und zeigte nach draußen.

Jack schaute hinaus und sah eine röhrenförmige Wolke vom Himmel herunterhängen. So etwas hatte er noch nie gesehen. Sie brüllte wie tausend wütende Bienen und Jacks Haut kribbelte, als liefen Ameisen darüber. Der Mund der Röhre klaffte auf, und er sah, wie Blitze darin herumwirbelten und Äste und etwas, das aussah wie ein Teil von einem Haus. Dann war es weg.

Die Schafe blökten entsetzt und drängten sich noch dichter zusammen. Jack vergrub sich in ihnen, aber Thorgil versuchte plötzlich, aus dem Schafstall zu kommen. Der Wind schob sie wieder hinein. Sie rappelte sich erneut auf und reckte die Arme zum Himmel. Ihre Stimme war im Heulen des Sturms kaum lauter als das Zirpen einer Grille, aber Jack konnte die Worte trotzdem verstehen: „Nimm mich mit!“

„Geh in Deckung!“, brüllte Jack und warf sich gegen ihre Beine.

„Nein! Nein!“, schrie sie. Er schaffte es, sie umzuwerfen, und sie schlug ihm dafür in den Magen. Er klappte zusammen und japste nach Luft, und sie sprang wieder auf. „Nimm mich mit!“, schrie sie noch einmal. Dann fing es an zu regnen, wahre Eimerladungen voller Wasser, die den Schafstall so schnell volllaufen ließen, dass die Schafe kaum noch Luft bekamen. Ihre Hufe trommelten auf Jack herum, und eines stand sogar auf ihm. Doch dann kippte der Wind es um, und Jack hörte das entsetzte Blöken, als der Sturm das Schaf mit sich riss.

Jack hätte nicht sagen können, wie lang der Regen auf ihn herunterprasselte. Es kam ihm vor, als wären es Stunden. Es wurde plötzlich ganz kalt, und eine Weile hagelte es – dicke Körner, die wehtaten und die Schafe zum Blöken brachten. Danach rauschte wieder der Regen herab, und die ganze Zeit zuckten Blitze vom Himmel und Donner rollte über den Horizont.

Doch irgendwann beruhigte sich der Himmel wieder. Die Blitze wurden seltener und der Donner verzog sich grummelnd nach Norden. Im Süden hatte der Himmel wieder eine wunderschöne blassblaue Farbe.

Jack rappelte sich zögernd auf und musste feststellen, dass rund um ihn herum alles verwüstet war. Jeder Busch war platt gedrückt. Äste vom weit entfernten Wald lagen überall herum, und ein Stück entfernt lag das Schaf, das auf ihm gestanden hatte – tot.

Auch Thorgil lag ausgestreckt im Matsch. Er hatte nicht einmal mitbekommen, dass sie so weit vom Schafstall weggelaufen war! „Oh, Thorgil!“, rief Jack, kletterte über die Mauer und rannte zu ihr. Er hob sie auf seine Knie. „Oh, meine Liebste!“

Ihre Augen waren weit offen, der Blick starr. Aber sie waren nicht glasig wie bei einer Toten. Jack war so erleichtert, dass er sie fest drückte und sich erst dann Sorgen machte, ob sie womöglich eine gebrochene Rippe hatte. „Er wollte mich nicht mitnehmen“, murmelte sie niedergeschlagen.

„Wer wollte dich nicht mitnehmen?“, fragte Jack, der annahm, dass sie fantasierte.

„Er hat meine nutzlose Hand gesehen und gewusst, dass ich nicht länger ein Krieger bin. Er wollte mich trotzdem, aber Odin hat es verboten. Oh, Freya, ich wünschte, ich wäre tot!“ Thorgil begann zu weinen, was Jack noch mehr beunruhigte, als wenn sie angefangen hätte zu fluchen.

„Bist du innendrin verletzt?“, fragte er besorgt.

„Wenn ja, ist es nichts, das der Tod nicht kurieren würde“, antwortete sie mit einem Hauch ihrer alten Schlagfertigkeit. „Auch wenn ich ihn dann trotzdem nie wiedersehe.“

„Wen? Von wem redest du?“ Im Süden kam die Sonne heraus, und über ihnen hatten sich weiße Wolken am Himmel verteilt.

„Olaf Einbraue“, sagte die Schildmaid und seufzte abgrundtief. „Er war in den Wolken, aber er musste mich zurücklassen.“

Der Haselwald

„Wie kann sie Olaf gesehen haben?“, wollte Jack wissen. „Sie hat gesagt, Odin hätte eine wilde Jagd angeführt, aber alles, was ich gesehen habe, waren Wolken und dieses … dieses Ding, das vom Himmel herunterhing.“

„Dieses Ding ist vermutlich eine Windhose gewesen“, erklärte der Barde und warf eine Handvoll trockener Fichtennadeln ins Feuer. Ein angenehmer Duft verbreitete sich. Thorgil schlief auf einem Bett aus getrocknetem Heidekraut. Einem Schlaftrunk des Barden hatten sie es zu verdanken, dass Thorgil jetzt nicht mehr im Schlaf um sich schlug oder sich die eigenen Haare auszureißen versuchte. Es war die längste Stunde in Jacks bisherigem Leben gewesen, sie zum Haus des Barden zurückzuschleppen, ohne dass sie sich etwas antat.

Ihr Haar war im letzten Jahr deutlich gewachsen, und es war erstaunlich sauber. Es hing ihr auch nicht mehr zottelig ins Gesicht wie zu den Zeiten, als man es mit einem Fischmesser in Form gesäbelt hatte. Es war hellgolden, fast wie Sonnenschein auf Schnee. Trotz der blauen Flecken – und Thorgil kannte man eigentlich nie ohne – hatten ihre Gesichtszüge eine Feinheit, die Jack bisher nie bemerkt hatte. Erst jetzt erkannte er, dass sie sich im letzten Jahr verändert hatte, dass sie größer und hübscher geworden war.

Jack wendete sich ab, und seine Wangen glühten vor Verlegenheit. Was machte das für einen Unterschied? Sie war immer noch dieselbe ewig missgelaunte Thorgil, egal, wie sie aussah.

„Ich habe noch nie erlebt, dass eine Windhose solche Verwüstungen anrichtet“, bemerkte der alte Mann und wühlte in einer Truhe herum. „Sie hat eine Schneise in den Wald geschlagen und offenbar auch Gog und Magog mitgerissen.“

„Was?“, fragte Jack entgeistert. Nachdem er nach Hause gerannt war, um nach seinen Eltern zu sehen, hatte Jack den Rest des vergangenen Nachmittags damit verbracht, dem Barden bei der Zubereitung seiner Elixiere zu helfen. Jetzt war es Morgen, und Jack war seit dem Gewitter nicht mehr in der Nähe des Dorfs gewesen.

„Der Sohn des Schmieds hat mir erzählt, dass Gog und Magog verschwunden sind.“

„Vielleicht sind sie weggelaufen“, sagte Jack hastig. Der Gedanke, dass die beiden Männer in den Himmel gesaugt worden waren, war zu schrecklich.

„Ich fürchte, nein. Der Schmied sagt, dass sie gern bei Gewitter draußen gesessen haben. Das waren die einzigen Gelegenheiten, bei denen er sie lächeln gesehen hat, und da sie sonst keine Vergnügungen hatten, wollte er es ihnen nicht verbieten. Was anscheinend ein Fehler war.“

Jack hatte Gog und Magog auch schon während eines Gewitters im Schlamm hocken sehen. Damals schienen sie von einer wilden Freude erfüllt, die Jack weder verstehen konnte noch ansehen wollte, und er war weggerannt, so schnell er konnte. Er schauderte. „Wo sind sie jetzt, Herr?“

„Das hängt davon ab, wer für diese wilde Jagd verantwortlich war.“ Der Barde stellte eine Reihe von Gefäßen auf, schnupperte an jedem einzelnen und wählte eines aus. Dann nahm er einen großen Mörser von einem Bord. „Oh, ja, es hat eine Jagd stattgefunden“, versicherte er und fing an, die Kräuter zu zermahlen. „Wer sie anführt, das hängt vom Betrachter ab. Bruder Aiden war als Kind auch mal ein Gejagter, bis Pater Severus ihn gerettet hat. Aiden war damals überzeugt, dass er den Herrn des Waldes mit seinen Hunden gesehen hat. Severus dagegen glaubte, dass es Satan war, der die Seelen der Verdammten anführte.“

„Und Thorgil hat Olaf Einbraue gesehen“, fügte Jack hinzu.

„Wenn sie recht hat, sind Gog und Magog jetzt in Walhall. Das würde Thorgil schön wütend machen, meinst du nicht?“ Die blauen Augen des Barden funkelten. „Aber Thorgil wäre nicht Thorgil, wenn sie nicht immer wütend wäre.“

„Wenn Ihr es sagt.“ Wenn es nach Jack ginge, hätte die Schildmaid gern umgänglicher sein dürfen – mehr wie Pega zum Beispiel. Es war wirklich anstrengend, ständig zwischen ihr und den Feinden zu vermitteln, die sie sich überall machte. Aber dennoch, als er sie vor dem Schafstall hatte liegen sehen, so tot wie das arme Schaf …

„Es geht ihr gut“, sagte der Barde, der wieder einmal Jacks Gedanken zu lesen schien. „Und jetzt möchte ich, dass du den Inhalt dieses Mörsers mit einem Klumpen Butter von der Größe eines Hühnereis vermischst. Knete eine Handvoll Mehl mit genügend Wasser, bis eine feste Paste entsteht, vermische alles und forme daraus Pillen, so groß wie Erbsen. Dann trockne sie am Feuer.“

„In welches Gefäß soll ich sie tun?“, fragte Jack, der diese Arbeit schon öfter gemacht hatte.

„Für Kopfweh – das grüne. Du meine Güte, der Garten ist beinahe leer gepflückt. Ich werde Kräuter aus dem Wald brauchen.“

Kurze Zeit später gingen sie den Pfad hinunter. Thorgil ließen sie schlafen. Der Barde hatte seine gute Robe angezogen und mit einem Gürtel so hochgerafft, dass sie vor dem Schlamm geschützt war. Der weiße Bart wehte ihm über die Brust, und seine Füße steckten in hellen Lederstiefeln, die vorn geschnürt wurden. Obwohl er so alt war, musste er sich kaum auf seinen schwarzen Eschenstab stützen, doch er brauchte Jack, um die Elixiere und die Harfe zu tragen.

Jack spürte die Erdmagie, die die Luft rund um den Stab erfüllte. Sie weckte Sehnsucht in ihm. Auch er hatte einmal einen solchen magischen Stab besessen. Und er hatte die Schutzrune besessen, sofern man überhaupt von Besitz sprechen konnte. Die Rune wechselte von einem Menschen zum nächsten und folgte dabei ihrem eigenen Schicksal. Niemand konnte darauf Einfluss nehmen, schon gar nicht der, der sie unbedingt besitzen wollte. Einmal fortgegeben, konnte sie nie zurückkehren. Jack seufzte, als er an die eingravierte Weltesche Yggdrasil dachte. Die Rune hatte viele Jahre über den Barden gewacht, bevor Jack sie bekommen hatte, der sie dann – in einem Anfall geistiger Umnachtung, wie er verbittert dachte – an Thorgil weitergegeben hatte.

Die Felder waren merkwürdig kahl, wie gerupfte Hühner, und bei mehr als einem Haus fehlte das Dach. Wasser quoll an verschiedenen Stellen aus den Hügeln. Bäche hatten neue Furchen in die Erde geschnitten und hier und dort glitzerte das Sonnenlicht auf einem Teich.

Jack warf einen Blick zurück auf das Haus des Barden, das gefährlich nah am Rand einer Klippe stand. Es hatte den Sturm gut überstanden. Ob es nur Glück gewesen war oder etwas mit der Zauberei des alten Mannes zu tun hatte, wusste Jack nicht, aber das Haus klammerte sich immer noch an den Felsen wie eine Napfschnecke.

Sie gingen durchs Dorf, verteilten Medizin, wo sie gebraucht wurde, und erteilten gute Ratschläge. Beim Haus des Schmieds spielte der Barde auf seiner Harfe, um die Familie ein wenig aufzumuntern.

„Gog und Magog waren für mich wie meine eigenen Söhne – also, zumindest, wenn sie ein bisschen klüger und vorzeigbarer gewesen wären“, behauptete der Schmied und ließ den Blick stolz über seine gut aussehenden Söhne und Töchter schweifen. „Ich hatte mich so an sie gewöhnt. Sie haben immer zwischen den Kühen geschlafen, und wenn ein Wolf kam, haben sie so laut gemuht, dass ich nie auch nur ein einziges Kalb verloren habe. Bei Gott, ich werde sie vermissen, diese armen, einfältigen Kreaturen.“

Ja, jetzt hast du niemanden mehr, den du für ein paar Brotrinden schuften lassen kannst, dachte Jack boshaft.

Der Barde spielte auf seiner Harfe. Die Frau des Schmieds wippte im Takt der Musik mit dem Fuß, und ihr jüngster Sohn Colin fing sogar an zu tanzen.

Aber wenn Gog und Magog nicht hierhergekommen wären, überlegte Jack, wer weiß, was sie dann für ein Schicksal gehabt hätten? Vielleicht als Sklaven in einer Bleimine schuften? So hatten sie wenigstens ein paar kleine Freuden gehabt, mit den Kühen gemuht und Blitz und Donner angebetet. Was war denn eigentlich Glück? Er dachte an Thorgil, deren Hoffnung es gewesen war, in der Schlacht zu fallen, und an seinen Vater, Giles Krummbein, der sich an Enttäuschungen erfreute; und an Pater Severus, der eiskalte Bäder nahm und mit Freuden fastete. Die Elfen gingen immer nur ihrem Vergnügen nach – was ihnen nicht viel brachte, weil sie am Ende doch dazu verdammt waren, einfach zu verblassen.

Glück besteht aus unendlich vielen Einzelteilen, erkannte Jack schließlich.

Der Barde stieß ihn an, und sie machten sich wieder auf den Weg. Nebelschwaden stiegen von den unzähligen kleinen Rinnsalen auf, die das Gewitter hinterlassen hatte, und auf einem verwüsteten Feld stand eine in der Mitte geknickte Vogelscheuche. „Die hat gar nichts beschützt“, bemerkte Jack, als sie durch den aufgeweichten Boden daran vorbeistapften.

„Es braucht mehr als ein bisschen Stroh, um Odins Krähen zu vertreiben“, sagte der Barde.

Sie setzten ihren Weg fort und betrachteten die ruinierten Weizen- und Haferfelder. Die Dorfbewohner hatten berichtet, dass die Hälfte der Schafe fehlte, doch die meisten davon würden wohl wieder auftauchen. Hühner und Rinder waren rechtzeitig in die Ställe gebracht worden, und auch Thorgils Pferde hatten überlebt. Die Tanner-Mädchen hatten sie in ihre Hütte gezerrt, als sie die schwarzen Wolken heranstürmen sahen.

Das war eine beachtliche Leistung, wenn man bedachte, dass drinnen kaum genug Platz für die drei Menschen war. Die Mädchen hatten die Pferde gezwungen, sich hinzulegen, und sich dann auf sie gelegt, mit ihrer Mutter zwischen sich. Weder Mensch noch Tier hatten sich rühren können, aber sie alle hatten überlebt.

„Das bedeutet, dass wir uns jetzt das Recht verdient haben, sie zu reiten“, verkündete Ymma, das ältere der beiden Tanner-Mädchen, als Jack und der Barde bei ihnen ankamen, um nachzusehen, wie es ihnen ging.

„Besprich das mit Thorgil“, sagte der Barde.

„Pah! Sie bildet sich ein, dass ihr alles gehört. Wer ist denn ihr Vater, frage ich Euch?“, fuhr das Mädchen den Barden grob an. „Und wo ist ihre Familie?“

„Alle sagen, dass sie sich benimmt wie ein Nordmann“, fügte ihre jüngere Schwester Ythla hinzu.

Der Barde fuhr so schnell zu ihnen herum, dass die Mädchen zurückzuckten und ihre Mutter sie hastig an den Armen packte.

„Was fällt euch ein, so mit dem Barden zu sprechen?“, fuhr sie ihre Töchter an. „Auf die Knie mit euch – bittet um Verzeihung. Ehrlich, Herr, ich weiß nicht, was mit den beiden los ist, seit ihr Vater gestorben ist.“ Sie stieß die Kinder auf den Boden, und die beiden entschuldigten sich lautstark.

Jack war nicht überrascht. Ein Blick in das Gesicht des alten Mannes reichte, um zu erkennen, warum er Drachenzunge genannt wurde und warum sogar Nordmann-Könige Angst vor ihm hatten. Jack wusste aber auch, dass die Mädchen eigentlich nur ausgesprochen hatten, was alle anderen flüsterten.

Sie fanden Mutter bei ihren Bienenkörben. Nur zwei Völker hatten überlebt. Die übrigen waren an Kälte und Nässe gestorben; etliche krochen über den Boden oder zappelten schwach im Schlamm herum. Mutter hatte in der Nähe ein Feuer entzündet – nicht zu nah, weil auch Rauch den Tieren schadete – und hatte mit Honig bestrichene Brotstücke ausgelegt. Die Insekten drängten sich gierig um das Futter.

„Es sind die Letzten einer königlichen Zucht“, sagte Mutter traurig, „die die Römer mitgebracht haben. Die Frauen meiner Familie hüten sie schon seit urdenklichen Zeiten. Keine angelsächsische Biene ist so stark und fleißig, aber es grenzt an ein Wunder, wenn sie den Winter überleben.“

Der Barde spielte Harfe und Mutter sang dazu und setzte die kleine Magie ein, mit der sie nervöse Tiere beruhigte. Ihre Stimme klang so ähnlich wie das Summen zufriedener Bienen. Sie erzählte von sonnigen Tagen, die kommen würden, von neuen Blüten und warmer Luft.

„Wie steht es um deinen Vorrat an Kerzen?“, fragte der Barde sie, als er die Harfe wieder an Jack abgegeben hatte.

„Ich weiß, woran Ihr denkt“, antwortete sie. „Die Ernte ist vernichtet, und wenn wir den Winter überleben wollen, müssen wir Getreide eintauschen. Was immer ich habe, gehört Euch.“

„Auf dich kann ich immer zählen, Alditha“, sagte der Barde freudig und nahm ihre Hände in seine.

Jack und der Barde machten sich auf den Weg zum Haselwald, der im Schatten des Eichenwaldes lag. Hier war der Boden zwar überall mit abgebrochenen Ästen übersät, aber ansonsten war das Waldstück verschont geblieben. Zwischen den Bäumen und knorrigen Wurzeln führten gewundene kleine Pfade hindurch, die mit Glockenblumen bewachsen waren. Im Haselwald konnte man alles Mögliche sehen – langohrige Hasen, Dachse, einen Wolf, der durchs Zwielicht huschte, und manchmal sogar einen Bären. Es war ein geheimnisvoller Ort, den man nach Einbruch der Dunkelheit nicht ohne guten Grund aufsuchte. Aber jetzt funkelten die Blätter schon fast unheimlich hell und die Luft war frisch und angenehm.

„Hier sieht es aus, als hätte es das Gewitter nie gegeben“, stellte Jack verblüfft fest.

„Haselwälder sind geschützt“, sagte der Barde. „An der Bardenschule – wo ich übrigens ein hervorragender Schüler war – musste jeder Neuankömmling eine Nacht in einem Haselwald verbringen. Am Morgen haben ihn die Lehrer dann gefragt, was er gesehen hat. Du kannst dir nicht vorstellen, wie manche der Jungen sich in dem Versuch, das zu sagen, was die alten Barden hören wollten, förmlich verknotet haben. Aber wer log, wurde fortgeschickt und durfte nie wiederkommen.“

„Nur dafür?“, murmelte Jack und musste daran denken, wie oft er schon gelogen hatte, um den Prügeln seines Vaters zu entgehen.

„Der Erdmagie zu dienen ist eine ernste Sache“, verkündete der Barde.

„Was habt Ihr gesehen, Herr?“, fragte Jack mutig, denn der Barde beantwortete gewöhnlich keine Fragen über sich selbst.

Der alte Mann schob mit seinem Stab einen abgebrochenen Ast zur Seite. „Gerade jetzt sehe ich Steinpilze.“ Am Fuß eines Baums wuchs eine ganze Gruppe der Pilze mit den braunen Kappen. „Wir haben Glück, Junge. Die geben ein leckeres Abendessen ab.“

Jack hockte sich hin, um die Pilze zu ernten, und ihr erdiger Duft ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen.

„Haselwälder sind voller Erdmagie“, fuhr der Barde fort und schob weitere Äste aus dem Weg. „Sie liegen dicht an den Grenzen zwischen den neun Welten, und unter ihrem Laub verbirgt sich so mancher geheime Weg. Ein wahrer Barde weiß, wie man einen solchen findet.“

Jack verspürte einen Anflug von Angst, versuchte ihn aber schnell zu unterdrücken. Seine Erfahrungen mit anderen Welten waren überwiegend unerfreulich gewesen. Es hatte allerdings auch Momente gegeben – zum Beispiel, als er und Thorgil das Tal von Yggdrasil gefunden hatten –, die so glorreich gewesen waren, dass ihm bei der Erinnerung daran auch jetzt noch die Tränen kamen. Und dann kam ihm ein schrecklicher Gedanke: Was, wenn der Barde ihn gerade jetzt auf die Probe stellte? Vielleicht würde sich jetzt erweisen, ob er das Zeug zu einem wahren Barden hatte oder ob er lieber zu seinen Rüben und den Schafen zurückkehren sollte.

Jack sah sich um, in der Hoffnung, dass sich die Blätter auflösen und ihm einen geheimen Pfad zeigen würden. Aber es tat sich nichts. Es war ein ganz normales Wäldchen voller Moos und Flechten. Die Bäume am Rand der Felder waren knapp über dem Boden abgesägt worden, damit gerade Äste nachwuchsen, die als Zaunpfähle taugten. Ein Eichhörnchen zeterte von einem Ast herunter, und er sah, wie der buschige rote Schwanz zuckte.

„Was siehst du?“, fragte der Barde halblaut.

Jack schnürte es die Kehle zu. Das Sonnenlicht schwebte über dem schützenden Blätterdach. Eine Drossel klappte den Schnabel auf und fing laut an zu singen. Ein Spinnennetz schwang in einem Windstoß hin und her. „Ich sehe … ach, Mist! Ich sehe gar nichts. Nein, das stimmt nicht. Ich sehe ein Eichhörnchen, einen Käfer, eine Drossel, ein Spinnennetz, aber nichts von Bedeutung. Ich werde nie ein wahrer Barde sein!“

„Und was könnte mehr Bedeutung haben als ein Eichhörnchen, ein Käfer, eine Drossel und ein Spinnennetz?“, fragte der alte Mann.

„Wieso …?“ Jack schaute zu ihm auf.

„Genau. Seit du mein Lehrling bist, habe ich dich gelehrt, die Dinge zu sehen, wie sie sind. Solange du das nicht kannst, brauchst du auch keine Hoffnung haben, darüber hinauszusehen. Ich werde schon bald von dir verlangen, dass du eine Nacht hier verbringst.“

Jack schluckte nervös. Bei Tage wirkte der Wald friedlich und sicher, aber er wusste, dass sich manche Dinge nach Einbruch der Dunkelheit änderten.

„Du hast gefragt, was ich bei meiner Prüfung an der Bardenschule gesehen habe“, sagte der alte Mann. „Beim ersten Mal sind mir dieselben Wesen begegnet wie dir – ein Igel, eine Fledermaus, eine Ricke mit ihrem Kitz. Aber beim zweiten Mal –“ Er verstummte.

Was war beim zweiten Mal?, dachte Jack panisch. Der Barde setzte sich wieder in Bewegung und an seinem energischen Schritt erkannte Jack, dass er keine weiteren Fragen beantworten würde.

Sie folgten einem der vielen Wege durch den Haselwald. Glockenblumen streiften ihre Knöchel, und sie hörten das Plätschern eines Baches.

„Sieh dorthin“, verlangte der Barde. Jack stockte der Atem. Wo noch vor Kurzem uralte Eichen dicht an dicht gestanden hatten, war jetzt eine Schneise geschlagen worden, als hätte jemand ein gigantisches Schwert geschwungen und sich einen Weg durch das Herz des Waldes gebahnt.

„Typisch für Olaf und seine Bande von Dickschädeln, dass sie so eine Verwüstung hinterlassen“, bemerkte der Barde und ließ den Blick über die Schneise schweifen.

„Hatte Thorgil recht?“, fragte Jack. „Hat Odin hier wirklich eine wilde Jagd angeführt?“

„Irgendetwas hat diese Eichen vernichtet.“

Die breite Schneise war mit Zweigen und Ästen übersät und in der Mitte, wo der Boden tiefer gefurcht war, standen Pfützen. „Wenn es eine Jagd war“, sagte Jack nachdenklich, „was war dann die Beute?“

„Nicht Gog und Magog, die armen Kerle. Sie hatten nur das Pech, den Jägern in die Quere zu kommen“, sagte der Barde. „Die wilde Jagd treibt das Unglück vor sich her. Und es folgen ihr Seuchen, Hungersnöte und Kriege. Ich denke, dass uns eine interessante Zeit bevorsteht.“

Der Himmel war so strahlend blau, als wäre nie etwas geschehen, und die Luft hatte die gewohnte Sommerwärme. Jack entdeckte Bruder Aiden, der sich einen Weg durch das Unterholz bahnte, indem er wie ein Spatz von einem Ast zum nächsten hüpfte. Der Mönch hielt ein Holzkreuz hoch und aus seinem Mund kam ein merkwürdiger Singsang auf Lateinisch. Jack konnte zwar nichts davon verstehen, aber es war klar, dass die Worte voll von christlicher Magie waren.

„Aiden, mein Freund“, rief der Barde, „seht Euch vor, damit Ihr nicht gleich bis zu den Ohren im Schlamm steckt.“

Der kleine Mönch schaute auf und wäre dabei beinahe von einem Ast gerutscht. „Ich muss diesen Ort weihen“, sagte er und suchte sich einen sicheren Stand. „Hier ist Böses geschehen.“

„Das ist wahr, und nicht nur hier – auch die Farmen hat es hart getroffen. Wir müssen Getreide eintauschen, bevor es Winter wird.“ Der Barde überquerte die Schneise – für einen alten Mann war er erstaunlich trittsicher – und half Bruder Aiden auf festen Boden.

„Ich kann Tinte anmischen. Die Leute kaufen sie gern“, bot der Mönch an. Bruder Aiden war berühmt für seine leuchtenden Farben, die dazu verwendet wurden, die heiligen Manuskripte zu bebildern.

„Hervorragend! Ich schicke Euch Pega zum Helfen. Jack und Thorgil können Kräuter für meine Elixiere sammeln. John der Böttcher hat einen ganzen Packen Hirschfelle, und ich bin sicher, dass ich den Ältesten überreden kann, ein paar Münzen aus seinem privaten Schatz herauszurücken. Meine Sterne! Diese Schneise ist so schnurgerade, als hätten die Römer hier eine Straße gebaut.“

Jack schaute die Schneise entlang bis hin zu einer weit entfernten Wiese und zu den dahinterliegenden Hügeln. Ein einsamer Vogel flog von einer Seite der Schneise zur anderen. Seine Rufe ertönten aus dem Schatten einer Eibe. „Das klingt so … traurig“, murmelte Jack.

Der Barde musterte ihn scharf. „In der Tat. Er betrauert den Verlust seiner Küken. Hast du bei Thorgil Unterricht in der Vogelsprache genommen?“

Jack verzog das Gesicht. „Nein, Herr. Thorgil würde niemals zugeben, dass sie die Vögel verstehen kann.“

„Dieses unausstehliche Kind. So viel Sturheit gibt es wirklich kein zweites Mal. Bleib hier und hilf Aiden, Junge. Ich erwarte dich zum Essen.“ Der alte Mann nahm seine Harfe und den Korb mit den Pilzen und wendete sich zum Gehen. Jack wusste nicht genau, was jetzt von ihm erwartet wurde.

„Ich würde mich freuen, wenn du für mich singen könntest“, sagte Bruder Aiden schüchtern. „Mir ist das Herz ganz schwer, weil wir diese beiden armen Männer verloren haben.“ Die Augen des kleinen Mönchs waren voller Tränen, und Jack war klar, dass er daran dachte, wie er damals entkommen war, als der Herr des Waldes oder Satan oder wer auch immer hinter ihm hergewesen war.

Und so sang Jack von der Erde, wenn sie sanft und nicht wild war, vom Wind, der durch die Blätter wehte und auf den Bäumen Harfe spielte. Er sang von grünen Wiesen, auf die die Rehe ihre Kitze brachten, weil sie wussten, dass sie dort sicher waren, und von den Rufen der Lerchen hoch oben in der Luft.

Langsam hellte sich das Gesicht von Bruder Aiden auf und er sah wieder hoffnungsvoll aus. „Ich danke dir“, sagte er. „Deine Stimme hat eine heilende Wirkung, fast so gut wie die von Pega.“ Er begann erneut, die klaffende Wunde im Wald zu weihen.

Jack starrte die Schneise an und dachte: Wenn Thorgil richtig gesehen hat, ist dies der Pfad, den Odin mit seinen Kriegern genommen hat. Sie haben Thorgil nicht geholt, sie ignoriert, obwohl sie sich ihnen anschließen wollte, und stattdessen Gog und Magog genommen, die es nicht wollten. Wieso vergleicht mich eigentlich jeder mit Pega?

Leicht gereizt verabschiedete er sich von Bruder Aiden und machte sich auf den Weg zu seinen Eltern, um nachzusehen, ob sie Hilfe bei der Reparatur der Sturmschäden brauchten.

Seefahrer

Die letzten Sonnenstrahlen fielen auf die Federn der Schwalben, als Jack sich auf den Heimweg zum Haus des Barden machte. Auf dem Meer, das immer noch von weit entfernten Stürmen aufgewühlt war, lag Schaum. Die Luft war jedoch wundervoll klar, und alle Geräusche waren meilenweit zu hören. Jack hörte, wie Bruder Aiden in seiner kleinen Hütte, die die Form eines Bienenkorbs hatte, die Glocke läutete. Der Ton vibrierte wie eine singende Harfensaite, bevor er im tief dunkelblauen Himmel verklang – ganz anders als eine Kuhglocke. Diese Glocke hatte mit einer Kuhglocke so viel gemeinsam wie eine Kuh mit einer Nachtigall.

König Brutus hatte diese Glocke tief unten in einer alten Truhe im Kloster des heiligen Filian gefunden. Und da das Kloster schon eine Glocke besaß und die neu gefundene ohnehin zu klein für eine so große Anlage war, hatte der König sie ins Dorf geschickt. Bruder Aiden war begeistert davon. Noch vor einer Woche hatte er ein rostiges Instrument benutzen müssen, das eher gescheppert als geklungen hatte.

Jack hörte die neue Glocke jetzt zum ersten Mal, und ihr Klang erfüllte ihn mit einer Sehnsucht, die er nicht recht begreifen konnte. Es läutete wieder. Bruder Aiden kniete wahrscheinlich schon und betete; die Glocke sollte diejenigen herbeirufen, die am Gottesdienst teilnehmen wollten. Jack fand es merkwürdig, dass Geräusche weiter getragen wurden, als er sehen konnte, denn Bruder Aiden war so weit weg, dass Jack nicht einmal das Feuer vor seiner Hütte ausmachen konnte.

Thorgil sagte, dass Laute niemals starben. Sie behauptete auch, dass die Nordmänner in Nächten, wenn Lichter am Himmel tanzten, ihre Toten rufen hörten. So etwas hatte Jack noch nie erlebt, und er konnte auch gut darauf verzichten.

Die Glocke läutete zum dritten Mal, und gleich im Anschluss ertönte vom Meer ein grauenvolles Heulen. Jacks Hand fuhr zum Messer. Das Heulen verblasste zu einem Schluchzer, dann verstummte es. Jack stand da wie erstarrt, und sein Blick suchte die Wellen ab. Er sah einen langen, andersfarbigen Fleck im Meer, der sich aufs Land zubewegte, doch dann verschwand er wieder.

Wahrscheinlich Seetang, dachte Jack. Trotzdem starrte er aufs Meer hinaus, bis die einbrechende Dunkelheit ihn zum Aufgeben zwang.

Im Haus des Barden brannte ein Feuer aus Treibholz mit grünen, roten und gelben Flammen. In einem Eisentopf brodelte es, und der Duft von Pilzen stieg daraus auf. Alles war so, wie es sein sollte. Die gemalten Vögel an den Wänden bewegten sich im Feuerschein, und die Blätter eines ebenfalls gemalten Blumengartens schienen in der Brise zu wehen.

Jack wollte den Barden fragen, ob er den Schrei gehört hatte, als ihm auffiel, dass der alte Mann einen sehr großen, zerrupft aussehenden Vogel mit Fischstückchen fütterte. Thorgil hockte neben ihm und schien sich – dem Gekrächze nach zu urteilen – angeregt mit ihm zu unterhalten. Sehr glücklich sah sie nicht aus, und Jack vermutete, dass der Barde sie mit Drohungen dazu gebracht hatte.

„Sieh mal, was der Sturm hergetrieben hat“, sagte der Barde. „Hol uns etwas von dem Eintopf, während ich unseren Freund zu Bett bringe.“ Er drängte den Vogel in eine mit Stroh ausgelegte Ecke. Jack fiel auf, wie unsicher der Vogel hüpfte und dass einer seiner Flügel auf dem Boden schleifte.

„Was ist das?“, fragte er.

„Ein wahres Wunder“, antwortete der Barde begeistert. „Er ist ein – was sagtest du, Thorgil?“

„Ein Albatros“, knurrte sie mürrisch. Sie war blass und hatte eine schlimme Prellung im Gesicht, aber davon abgesehen schien sie sich erholt zu haben.

„Er ist ein Besucher aus dem fernen Süden, und damit meine ich sehr fern“, sagte der Barde. „Stell dir das vor! Es gibt ein Land, von dem selbst ich noch nie gehört habe. Es ist ein Land voller Berge aus Eis, die den ganzen Winter ächzen und in Inseln zerbrechen, wenn es Sommer wird.“

„Das klingt wie Jötunheim“, stellte Jack fest.

„Das dachte ich anfangs auch, aber Seefahrer – das ist der Name des Vogels – sagt, dass dort nur Vögel und Robben leben. Es ist so abgelegen, dass ich seine Sprache nicht verstehe. Zum Glück kann Thorgil ihn verstehen.“

Jack holte die Schalen, legte ein Stück Brot in jede und löffelte den Eintopf darauf.

„Der arme Kerl hat die volle Wucht des Sturms abbekommen und sich dabei den Flügel ausgerenkt. Thorgil hat ihn in der Brandung herumzappeln sehen und ihn hergetragen.“ Der Barde war ganz aufgeregt wegen ihres neuen Gastes, und Jack nahm an, dass Grund dafür nicht der Vogel an sich war, sondern die Geschichten über ein ganz neues Land, die sie zu hören bekommen würden. Der Barde war an Neuem immer sehr interessiert.

Jack und Thorgil setzten sich zum Essen auf den Boden. „Eine so große Möwe habe ich noch nie gesehen“, sagte Jack und beobachtete den Vogel, der unruhig in seiner Ecke herumhüpfte.

„Etwas wie ihn habe ich auch noch nie gesehen“, bestätigte der Barde. „Als er hier ankam, war er auch nicht besonders freundlich – er hat versucht, mir die Augen auszuhacken –, aber ich habe ihn mit einem Angstzauber unter Kontrolle gebracht. Jetzt herrscht zwischen uns eine Art Waffenstillstand. Er braucht meine Hilfe, aber er wird sie nur bekommen, wenn er sich benimmt.“

„Diesen Angstzauber würde ich gern lernen“, bemerkte Thorgil und spießte ein Fleischstück mit dem Messer auf.

„Nicht im Traum würde ich daran denken, ihn dir beizubringen“, sagte der Barde. „Du würdest damit jedes Mal das ganze Dorf in Angst und Schrecken versetzen, wenn du schlechte Laune hast.“

Der Albatros klackte mit dem Schnabel. Jack hielt ihm auf Armeslänge ein Stückchen Fleisch hin. Der Vogel schnappte es sich, bevor er sich wieder in den Schatten zurückzog.

„Er vertraut dir“, sagte der Barde anerkennend. „Das ist sehr interessant. Deine Kräfte sind gewachsen, seit du deinen Stab verloren hast.“

Jack konzentrierte sich auf sein Essen. Es tat immer noch weh, wenn er an seinen Stab dachte. Er hatte ihn vom Baum Yggdrasil abgeschnitten. Es war ein echter Bardenstab gewesen, aber leider hatte er, Jack, nie die Chance gehabt, herauszufinden, welche Kraft tatsächlich in ihm steckte. Er hatte mit ihm die Kluft zwischen Leben und Unleben überbrückt, um Din Guardi von einem Fluch zu befreien. Und jetzt war der Stab verschwunden wie Asche im Wind.

„Diese Tat hat dir eine Tür in die unsichtbare Welt geöffnet“, sagte der Barde, der mal wieder wusste, was in Jacks Kopf vorging. „Ein Opfer, zur rechten Zeit dargeboten, ist stärker als jede Magie.“

„Die Nordmänner opfern Sklaven“, mischte sich Thorgil ein. „Aber ich habe nie gesehen, dass es denen etwas Gutes gebracht hätte.“

„Ich spreche hier nicht vom Abschlachten wehrloser Sklaven. Ich spreche von einem Mann, der sein Leben opfert, damit andere leben, oder von einer Frau, die sich zu Tode hungert, nur um die Münder ihrer Kinder zu füllen.“

„Ihr klingt wie einer von diesen jämmerlichen Christen“, sagte die Schildmaid verächtlich. Jack hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Es dauerte zwar eine ganze Weile, bis der Barde wütend wurde, aber es war trotzdem nicht ratsam, ihn zu weit zu treiben.

„Ich würde die Christen nicht so abtun, Thorgil Spatzenhirn“, sagte der alte Mann. „Sie mögen schwach wirken und einige von ihnen sind zweifellos Spitzbuben, aber sie haben oft genug Situationen überstanden, bei denen selbst dem größten Helden das Blut in den Adern gefroren wäre.“

„Die taugen doch nur, um Mistkarren zu ziehen“, sagte Thorgil unvorsichtig. „Die Zukunft gehört immer den Starken.“

„Genau dieser Glaube wird der Untergang der Nordmänner sein.“

„Untergang?“ Thorgil sprang auf. „Mein Volk wird nie besiegt werden! Unser Ruhm wird niemals sterben!“

Einen kurzen Moment loderten die Flammen im Herd hoch auf, und der Schatten des Barden wurde riesengroß. Thorgil sank auf den Boden, die Augen weit aufgerissen und verängstigt. Der Albatros stöhnte, und Jack war plötzlich ganz verschwitzt. Dann nahmen die Flammen wieder ihre normale Größe an. Der Barde war wieder der freundliche alte Mann, normal groß und ein bisschen gebrechlich.

„Guter Angstzauber“, murmelte Jack.

„Danke“, sagte der alte Mann. „Ich habe ihn von einer Seehexe auf den Orkney-Inseln gelernt.“

Die Schildmaid rappelte sich auf und setzte sich so würdevoll hin, wie sie nur konnte. Ihre Augen schossen Blitze auf den Barden.

Er achtete nicht darauf und sprach weiter. „Hier sind viele merkwürdige Dinge geschehen: die wilde Jagd, der Verlust von Gog und Magog, die Ankunft von Seefahrer, dieser Schrei vom Meer.“

„Dann habt Ihr ihn auch gehört, Herr?“, fragte Jack.

„Er war ja nicht zu überhören. Ich war auf den Klippen und habe die Wellen beobachtet“, berichtete der Barde. „Ich hatte gehofft, noch einen Albatros zu finden. Der Schrei ertönte direkt unter mir, und als ich gerade hinuntersteigen und nachsehen wollte, hat etwas den Kopf aus dem Wasser gestreckt. Es war so lang wie ein Nordmann-Schiff und hatte einen langen geringelten Schwanz.“

„Eine Seeschlange?“, rief Jack entsetzt.

„Ein noch viel selteneres Wesen. Es war eine piktische Bestie.“

„Ich wusste doch, dass wir vom Pech verfolgt sind“, sagte Jack.

„Du meine Güte“, schalt der Barde. „Nicht alles Piktische ist schlecht. Nun, jedenfalls schien die Bestie von dem Schrei angelockt worden zu sein. Sie schwamm direkt auf den Strand zu, und ich rannte zu meinem Stab. Man weiß ja nie, ob ein Monster hungrig ist oder nur neugierig. Aber es war verschwunden, als ich zurückkam.“

„Und die andere Kreatur?“

„Die konnte ich nicht finden“, antwortete der Barde. „Ich weiß aber, dass ich diesen Schrei schon einmal gehört habe … Wenn ich mich nur erinnern könnte, wo das war.“

„Wir sollten es jagen“, sagte Thorgil. Sie zog ihr Messer und hielt es ins Licht des Feuers. Ihre Bewegungen waren nach einem Jahr des Übens mit der linken Hand viel fließender geworden, aber so geschickt wie früher würde sie sicher nie werden. Ihre rechte Hand sah ganz normal aus, wenn man von dem merkwürdigen silbrigen Schimmer absah, aber sie war ungefähr so nützlich wie ein Holzklotz.

Jack wusste nicht genau, ob Thorgils Lähmung aus ihrem Kopf kam oder ob der Dämon, den sie attackiert hatte, ihr irgendeine furchtbare Krankheit verpasst hatte. Der Barde hatte versucht, sie zu heilen. Sogar Bruder Aiden hatte für sie gebetet (allerdings als sie schlief und ihn nicht anspucken konnte). Nichts von alldem hatte geholfen.

„Da draußen ist es so schwarz wie in einer Bleimine“, sagte der Barde. „Es ist wesentlich wahrscheinlicher, dass du von diesem Etwas gefunden wirst als umgekehrt. Außerdem muss ich Jack einen neuen Zauber beibringen.“

Jack war begeistert. Endlich! Er hatte die letzten Monate nur damit verbracht, die Zauber zu wiederholen, die er schon kannte. Er hatte Feuer gemacht, den Wind beruhigt und das Herbeirufen von Visionen geübt. Wobei seine Visionen immer nur bedeutungslose Strände und nichtssagende Felsen gewesen waren. Der einzige neue Zauber, den er gelernt hatte, war, die Spreu vom Weizen zu trennen, indem er die Erdmagie in den Körnern anrief.

„Was ist mit mir? Wieso kann ich nicht zaubern lernen?“, fragte Thorgil bockig.

„Weil ich nicht dich als meinen Lehrling ausgewählt habe. Aber falls es dir ein Trost ist – du hast bereits gewisse Kräfte. Als du das Drachenblut geschluckt hast, wurdest du zum Teil Drache. Deswegen verstehst du jetzt die Sprache der Lüfte.“

„Ein Teil Drache?“, wiederholte Thorgil interessiert. Jack konnte beinahe sehen, was in ihrem Kopf vorging. Wenn sie zum Teil Drache war, konnte sie über ihre Feinde hinwegfliegen und Feuer auf sie speien.

Der Barde lächelte etwas gezwungen und bewies damit, dass auch er ihre Gedanken erkannt hatte. „Rechne nicht damit, dass dir in nächster Zeit Flügel wachsen. Du hast eine nützliche Fähigkeit erhalten, und als du deine Hand geopfert hast, vermutlich noch einige weitere. Vielleicht wird aus dir einmal eine Heilerin.“

Jack konnte nicht anders, er musste losprusten.

„Ganz sicher nicht“, fauchte Thorgil. „Ich bin keine Heilerin, die Zaubersprüche über Schwächlingen murmelt. Ich bin eine Schildmaid und werde eines Tages im Kampf fallen – mit dem Schwert in der Hand, auch wenn es die falsche Hand ist.“

„Dieser Weg steht dir nicht länger offen“, sagte der Barde. „Ich habe gesehen, wie die Pferde zu dir kommen und jeden deiner Befehle befolgen. Und ich habe gehört, wie du die Krähe aus dem Schlamm gehoben und Hoffnung in ihr Gefieder geblasen hast.“

„Welche Krähe? Niemand hat mich gesehen. Das habe ich nicht getan“, rief Thorgil.

„Sie ist am Haus vorbeigekommen und hat es mir erzählt“, widersprach der Barde amüsiert.

„Sie gehörte zu Odins Gefolge. Das war das Mindeste, was ich tun konnte“, gestand die Schildmaid.

„Du brauchst dich deines Mitgefühls nicht zu schämen, Thorgil. Sogar der große Olaf Einbraue hat einmal einem Mädchen die Hand hingestreckt, das sonst keiner wollte. Und jetzt werde ich Jack einen Schlafzauber beibringen. Wir müssen Seefahrers Flügel richten, bevor er für immer in dieser Haltung bleibt.“

„Das kann ich auch lernen“, sagte Thorgil eifrig.

„Nein, kannst du nicht. Aber du kannst Seefahrer für mich aus seiner Ecke holen.“