"Nein, so etwas hat es hier nie gegeben!" - Angelina Kowalczyk - E-Book

"Nein, so etwas hat es hier nie gegeben!" E-Book

Angelina Kowalczyk

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Beschreibung

Während des Alltags entdeckte die Autorin eine Vielzahl von Bauten aus der Zeit des Nationalsozialismus. Sie begab sich auf Spurensuche, besuchte diverse Orte wie Nürnberg, München, Berlin u.a. "Nein, so etwas hat es hier nie gegeben!" hörte sie nicht nur einmal... Das 7. Buch der Autorin gilt als Anregung, selbst mit offenen Augen die Geschichte des Umfeldes zu ergründen. Nach Büchern über DDR-Vergangenheit hat sich Angelina Kowalczyk von diesem Thema verabschiedet und wendet sich neuen Bereichen zu.

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Inhalt

VorwortMünchen, die frühere „Stadt der Bewegung“Nürnberg – Stadt der ReichsparteitageBerlinHaus am Werderschen MarktBesuch der Mariendorfer „Martin-Luther-Gedächtniskirche“Spurensuche in und im TiergartenEhemaliges Sammellager Iranische StraßeStreifzug durch Köpenicks GeschichteEntdeckungen in JohannisthalErkundungen in TreptowSpaziergang durch meine alte Heimat – PlänterwaldTermin im Neuköllner KrankenhausSteinerne Zeugen in Schöneweide – ein RundgangAuf Tour in SchönebergBerlin-MarzahnBahnhof FriedrichstraßeEhemaliger Frauenknast BarnimstraßeFrühere Synagoge in WilmersdorfEin Ort von Deportationen – Bahnhof GrunewaldAbstecher zum Fichte-Bunker in KreuzbergAuf Spurensuche im Prenzlauer BergEntdeckungen in CharlottenburgBesuch Tiergartenstraße, Bendlerblock und andereBesuch der Bunkeranlage HumboldthainBunkerberg FriedrichshainDer Anhalter BahnhofAuf Spurensuche in MitteEntdeckungen in KarlshorstBesuch des Hochbunkers in TempelhofSpaziergang im Umfeld des GendarmenmarktesEntdeckungen im Historischen Museum – ehem. ZeughausSpaziergang durch AdlershofDie ehemalige Machtzentrale des Dritten Reichs – die WilhelmstraßeBesuch des Krankenhauses WuhlgartenEine Synagoge in Steglitz?Dessau – die geplante GauhauptstadtAbstecher nach WörlitzPirna/Sonnenstein – eine Reise zur früheren „Tötungsanstalt“ der T4-AktionWeimar in der NS-ZeitMagdeburgErkundungen in DresdenBesuch in Eisenach/Thüringen August 2011Entdeckungen 2009 am Kyffhäuser – Die RothenburgAuf Spurensuche in PotsdamQuellenangaben

Vorwort

Warum ich ein Buch über Altlasten der NS-Zeit schreiben möchte?

Wozu an Dingen rühren, die vergessen und vor allem unschön waren?

Bei meinen Recherchen und Fototouren stieß ich auf jede Menge Unverständnis, und vor allem rollte man mir wieder einmal ganze Schrottberge in den Weg und hoffte wohl, dass ich es dabei belassen würde. Aber genau diese Reaktionen zeigen mir deutlich, dass es mehr als an der Zeit ist, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Dass es wichtig ist, für seine eigene Meinungsbildung auch Dinge zu hinterfragen, auf die man nur ungerne Antworten gibt.

Woran das im Einzelnen liegt, ist hier nicht meine Aufgabe zu ergründen. Ich bin nur ein Spiegel der Gesellschaft, die noch heute oder schon wieder in Tendenzen der Ausgrenzung und Bevormundung verfallen möchte.

Ich möchte keinesfalls belehren, auch nicht den Zeigefinger erheben zur Thematik einer Neonaziszene.

Wenn wir alle anfangen, ein Stück weit selbst für uns Verantwortung zu übernehmen, muss ich das gar nicht erst.

Da man mir eine Meinung aufzuzwängen versuchte, werde ich wohl kaum das Gleiche tun.

Ich bin nur ein Spaziergänger, der auf seinen Wegen der Vergangenheit begegnet ist und vielleicht dazu anhalten möchte, selbst einmal die nähere Umgebung zu ergründen. Aber auch mal unbequeme Fragen zu stellen und sich vor allem auf sich selbst zu verlassen und sich nicht das Mundwerk verbieten zu lassen, weil es „unbequem“ ist.

Ich besuche einige Orte der NS-Ideologie und suche besonders vor der eigenen Haustür mitten in Berlin.

Aber nicht nur in Berlin traf ich auf Spuren ebendieser NS-Vergangenheit, sodass es mir sehr schwer fiel, eine Grenze zu ziehen zwischen geeignet oder weniger geeignet für dieses Projekt.

Ich versuchte so viele Orte wie möglich zu erfassen und im wahrsten Sinne auch zu begreifen, aber wie bei vielem fehlte für mehr einfach der materielle Hintergrund, ohne den ja leider gar nichts läuft.

Dennoch lasse ich mir Zeit und lasse jeden Ort auf eine geheimnisvolle Weise auf mich wirken. Ich sehe und stelle mir vor, wie es dort wohl gewesen ist. In einer Zeit, in der Antisemitismus zur Staatsdoktrin erhoben wurde und Hakenkreuzfahnen das Stadtbild „verschönten“. Und oftmals ziehe ich auch Parallelen zur Zeit der DDR, in welcher ich aufgewachsen bin.

Ich erfülle mir selbst mit diesem Projekt ein großes Anliegen und hoffe, dass man es am Ende auch bemerken wird.

In diesem Sinne: Lassen Sie sich anstecken und gehen Sie ab sofort etwas wachsamer durch die Straßen! Glauben Sie mir, Sie werden staunen und so manches neu entdecken.

München, die frühere „Stadt der Bewegung“

München an den Anfang des Buches zu setzen fällt auch aus historischen Gründen nicht schwer.

Bereits in den 20er-Jahren formierten sich hier nationale und nationalsozialistische Verbände um einen damals noch eher unbekannten Redner, Adolf Hitler. Am 24. Februar 1920 wurde im Hofbräuhaus vor ca. 2000 Anwesenden die NSDAP gegründet.

Hier gab es die Braukeller, die sich herrlich zu politischen Treffen eigneten, versteckte Keller, in denen erste Verschwörungen geplant und diskutiert wurden.

Die Weimarer Republik war geprägt von der Ungerechtigkeit des Versailler Vertrages, der den Deutschen offiziell jegliche Lebensgrundlage raubte. Zumindest kam dies so bei der Bevölkerung an, die ums Überleben kämpfte mit Inflation und Arbeitslosigkeit.

Gebietsabtretungen und Reparationszahlungen durch den verlorenen Ersten Weltkrieg stimmten nicht gerade optimistisch, was die Zukunft betraf.

Viele wünschten sich auch die Monarchie zurück, in welcher noch eine Art „Zucht und Ordnung“ vorherrschte.

In dieser Zeit bekamen Parteien wie die KPD, aber auch die Rechten immense Zuläufe.

Beide Richtungen standen sich aber bald strikt gegenüber.

Frühere Generäle, Geldleute und frühere Monarchisten schlossen sich zunehmend den Rechten an.

Adolf Hitler, anfangs oft als „Spinner“ verpönt, schaffte es, immer mehr Leute um sich zu scharen.

Schon damals muss er eine gehörige Portion Größenwahn besessen haben, als er sich 1923 zum Putsch gegen die Regierung entschloss.

Ihm folgten viele Anhänger, aber seine Zeit war damals noch nicht gekommen; so scheiterte der infame Versuch, die Regierung an sich zu reißen, auch am Zögern einiger Schlüsselpersonen.

Er wurde verhaftet und verlebte seine berühmte Festungshaft, in der er auch sein Werk „Mein Kampf“ verfasste, zugleich aber seine Herkunft und Vergangenheit verschönte und bei Bedarf korrigierte.

Vor Jahren auf einer Bustour nur kurz durchquert, konnte ich München im Juni 2011 endlich einmal besuchen.

Bereits auf meiner Fahrt ins Hotel fielen mir massive Bauten ins Auge, die unschwer erkennbar in die Zeit des Nationalsozialismus gehörten.

Mein Forschergeist war erwacht, meine Kameras parat.

Mein erster Weg führte mich zum weltbekannten Hofbräuhaus.

Ich wusste: HIER hatte Hitler zu den Massen gesprochen. HIER hatte sich die Rechte lange vor einem Machtantritt zur NSDAP vereinigt. HIER hatte Hitler sein Parteiprogramm verkündet.

Der sehr imposante Saal verrät heute davon gar nichts mehr, dennoch spürte ich ein leichtes Unbehagen.

Die wunderschöne Ausstattung und die Deckenmalerei lenkten von meinen düsteren Gedanken ab.

Ich schmunzelte über die Sammlung der verschlossenen persönlichen Bierkrüge und grüßte freundliche Kellner zurück.

Das heutige Hofbräuhaus ist eine originalgetreue Rekonstruktion, passend zur 800-Jahr-Feier der Stadt München 1958. Das geschichtsträchtige vorherige Gebäude wurde 1945 von alliierten Bomben vollständig zerstört.

Ich schlenderte weiter durch diese alte Stadt. Blieb oft einfach stehen, um mich an der Baukunst vergangener Zeiten zu erfreuen.

Plötzlich tauchte die Feldherrnhalle vor mir auf. Ich erkannte sie sofort. Habe sie unzählige Male in Filmen und Dokumentationen gesehen.

Ich hatte Glück, nur wenige Touristen umlagerten dieses Wahrzeichen.

Als ich ein zweites Mal in seiner Nähe war, war es buchstäblich inmitten seiner Besucher versunken.

Ursprünglich wurde die Feldherrnhalle zur Ehre des bayerischen Heeres im Auftrag König Ludwigs I. im Jahr 1841 errichtet.

Später ist sie eng mit dem Putschversuch Hitlers verbunden.

Am 9. November 1923 kam es dort zu blutigen Auseinandersetzungen mit der bayerischen Polizei, welche den Marsch Hitlers und seiner Anhänger jäh stoppte.

Nach 1933 wurde die Feldherrnhalle von der NS-Propaganda vereinnahmt. An der Seite wurde eine Tafel mit den Namen der gefallenen sog. „Blutzeugen“ des Putsches angebracht, welche von SS-Leuten bewacht wurde.

Jeder, der den Weg passierte, hatte nun mit dem sog. „Hitlergruß“ Ehre zu erweisen.

Um dies zu umgehen, gingen nun viele Passanten an der anderen Seite vorbei. Darum nennen noch heute einige Münchner die Viscardigasse „Drückebergergasserl“.

Wie aus alten Archivaufnahmen bekannt, wurde der gesamte Platz zum Aufmarschplatz umfunktioniert.

1945, mit dem Einmarsch der Amerikaner, wurde die Ehrentafel entfernt.

Heute wirkt alles etwas harmloser, auch die beiden Löwen auf dem Denkmal wirken eher erhaben als bedrohlich und werden heute von etlichen Kindern zum Beklettern genutzt.

Ich brauchte Ruhe, das Unterbewusstsein versorgte mich mit verschütteten Informationen und Erinnerungen an Film und Zeitungsartikel. Das Grün an den Ufern der Isar tat gut, entspannte.

So schlenderte ich dahin, bis mein Blick ganz plötzlich auf eine Hausüberschrift fiel: „Franz Hanfstaengel“.

Da war doch etwas? Der Name kam mir mehr als nur bekannt vor.

Dann fielen mir die Schuppen von meiner Erinnerung.

Hanfstaengel war doch ein Verlag und Druckhaus, das eng mit der NS-Riege zusammenarbeitete.

Ich hatte es nicht gesucht, aber dennoch gefunden.

Ernst Hanfstaengel suchte die Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten, sein Bruder Edgar war strikt dagegen. So wurde am Ende verhindert, dass im Familienunternehmen Hitlers „Mein Kampf“ publiziert wurde.

Dennoch blieb das Unternehmen vorrangig bei der Herstellung von NS-Bildmaterial.

Obwohl Ernst engen Kontakt zur NS-Elite hielt, fiel er doch 1937 in Ungnade und musste aus Deutschland flüchten.

Seine einstigen Mitstreiter waren nun zu seinen Gegnern geworden.

Das heutige „Haus der Kunst“ ist schon von Weitem als NS-Bau erkenntlich.

Es wurde als „erster repräsentativer Monumentalbau des Dritten Reiches“ vom bekannten Baumeister Troost entworfen und auch teilweise gebaut. Hitler persönlich gab den Auftrag zum Bau.

Nach dem Tod des Bauherrn wurde die begonnene Arbeit durch seine Witwe und deren Werkstättenleiter fortgesetzt. Troost bekam den Titel „Baumeister des Führers“ verliehen.

1937 wurde der Bau eröffnet mit viel Propaganda.

Kunst wurde zusammengetragen und teilweise gezeigt. So kam auch die propagandistische Ausstellung „Entartete Kunst“ mit Werken, die dem NS-Kunstgeschmack entgegenwirkten, wie Picasso u. a., auf einer Etappe hier durch.

Viele Jahre wurde der Eröffnungstag des Gebäudes als „Tag der deutschen Kunst“ gefeiert und geehrt. Durch den Krieg musste dies nach 1939 eingestellt werden.

Heute ist das Haus offen für Besucher von Ausstellungen, Veranstaltungen, einem kleinen Buchladen und einfach interessierten Besuchern.

Das Innere zeigt deutlich den Baustil von damals.

Selbst auf der öffentlichen Toilette fand ich einen Zettel an der Wand, dass sich die Einrichtung weitgehend im baulichen Zustand von 1937 befindet.

„Diese Toilette befindet sich zum großen Teil im originalen Zustand von 1937, als das Haus der Kunst eröffnet wurde.

Sie ist somit so alt wie das Haus der Kunst selbst, das inzwischen unter Denkmalschutz steht.

Im Rahmen der ab 2014 geplanten Generalsanierung werden auch die Toiletten erneuert.

Wir bitten bis dahin um Ihr Verständnis!“

Es ist eher schade, dass man das alte Interieur entfernen möchte. Sehenswert ist es allemal.

Der Besucher betritt das Gebäude durch einen Säulengang. Die massive Bauart schüchtert ein, zeigt deutlich, dass der Einzelne klein und nichts bedeutend ist. Dennoch kann sich auch dieser Stil einer gewissen Schönheit nicht erwehren. Es erinnert an antike Tempel, an Macht aus Stein, die den Menschen klein und winzig erscheinen lassen.

Blickt man hinter den Säulen nach oben, erkennt man in den Deckenmosaiken verschlungene Hakenkreuze an den Enden.

Mancherorts wurden bereits diese leichten Andeutungen entfernt. Dabei handelt es sich gar nicht um ein reines Nazisymbol, sondern es wird als Swastika noch heute in verschiedenen Religionen verehrt.

Ich wanderte gemächlich um das Gebäude herum.

Ich fühlte mich angezogen und abgestoßen zugleich.

Der monumentale Bau, der so massiv ist, dass er wohl noch Jahrhunderte bestehen könnte, dann zum anderen die Energie, die von ihm ausgeht.

Hier einige Bilder, die die Kraft haben, für sich selbst zu sprechen.

Unweit von meinem Hotel befindet sich der Prinzregentenplatz.

Hier fand nicht nur die Vergabe des Bayerischen Filmpreises im Prinzregententheater statt, sondern nur wenige Meter weiter wohnte der wohl bekannteste und berüchtigtste Mann der Geschichte.

Adolf Hitler.

Von 1929 bis 1945 war er dort offiziell gemeldet, auch wenn er sich nach seiner Machtergreifung nur noch selten dort aufhielt.

Ich lief an diesem Eckhaus vorbei und es fiel mir schwer, mir dort im zweiten Stock einen Hitler auf dem Balkon vorzustellen. Dazu noch als Privatmann.

Ein mulmiges Gefühl nahm mich in Besitz und kroch in mir hoch bis zum Magen.

Ich musste an Geli Raubal denken, die Nichte des Führers. Sie hatte dort ihrem jungen Leben ein Ende gesetzt. Hatte sich erschossen … Und niemand bemerkte ihren stundenlangen Todeskampf? Was ging in ihr vor in diesen Minuten? Oder war alles ganz anders?

Heute befindet sich in den Räumen ein Polizeirevier. Vielleicht hätte ich dort einfach fragen sollen, ob ich mir den Ort ansehen könnte?

Ich tat es nicht … auch aus Scheu, „schon wieder einer zu sein“.

Neun Zimmer, Küche, Bad soll er gehabt haben … Das wäre heute unbezahlbar!

Auf dem Hof soll sich sein Privatbunker befinden, der heute mit einer Metallplatte versiegelt ist.

Aber das weiß ich nur aus der Zeitung. So weit kam ich nie.

Das Haus flößte bereits von außen Respekt ein. Ich kam gar nicht auf die Idee, dort näher einzudringen. Eigenartig!

Vielleicht ergibt es sich ja bei einem späteren Besuch?

Ich hatte Zeit, also konnte ich einfach laufen, wohin mich meine Beine trugen. Auch wenn diese durchs Herumwandern von Blasen übersät waren, der Forscherdrang war größer als der Schmerz.

Unweit des Prinzregentenplatzes stand ich plötzlich vor einem Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg.

Das Besondere daran war, dass dieser seitlich an das Wohnhaus angebaut worden ist. Ich erinnerte mich an einen TV-Bericht und freute mich, dass das Schicksal oder der „Zufall“ (an den ich einfach nicht glaube!) mich genau dort hingeführt hatte.

Neugierig schlenderte ich um diesen Bau herum. Über einem Seiteneingang stand „Kunstbunker Tumulka“, leider war niemand dort. Gerne hätte ich einen neugierigen Blick hineingeworfen.

Derselbe Bau auch auf der anderen Seite des Hauses. Nur hier mehr in Urform, wohl ohne Nutzung.

Ich berührte die alte Betonoberfläche mit der Hand.

Im Nu waren Bilder aus meinem Inneren da.

Angst und Bedrohung der Bombennächte schlugen mir entgegen. Schlaftrunkene Menschen mit weinenden Kindern auf dem Arm strömten mit kleinen Köfferchen in der Hand Richtung Eingangsschleuse.

Alles lief mechanisch ab. Es war nichts Neues. Das gab es öfter, und Menschen sind Gewohnheitstiere.

Ich roch Angstschweiß, Tränen und einen leichten Brandgeruch, welcher mir die Kehle zuschnürte.

Dunkle gebückte Gestalten … Meine Tränen saßen locker.

Obwohl ich diese Zeit niemals erleben musste, so bin ich doch durch das kollektive Bewusstsein der Menschheit damit verbunden.

Bis zu meinem Rückflug nach Berlin hatte ich noch Zeit. Also die Liste mit den Orten, die ich aufsuchen wollte, aus dem Stadtplan gesucht und los ging es. Dass ich mein Gepäck mitschleppen musste, störte mich nicht. Das kannte ich gut von anderen Touren.

Wie gut, dass jemand Trolleys erfunden hatte.

Ich wollte zum Königsplatz. Ich hatte bereits einiges über diesen Ort erfahren und war neugierig, was mich dort in natura erwarten würde.

Die Verbindung mit der U-Bahn funktionierte einwandfrei, so stand ich wenig später bereits mitten auf der heutigen Rasenfläche des Platzes.

Von 1934 bis 1936 waren dort Granitplatten ausgelegt und der gesamte Platz diente als Aufmarschplatz. Bereits 1933 machte er unrühmliche Geschichte. Es wurden dort Bücher verbrannt, wie in vielen anderen Städten auch. Werke der Weltliteratur gingen dort in Flammen auf.

Hitlers damaliger Architekt Paul Ludwig Troost baute an der Ostseite zwei ähnliche Gebäudekomplexe, den sog. „Führerbau“ und den Verwaltungsbau. Je ein Ehrentempel wurde den massiven Gebäuden zur Seite gestellt, in denen die Särge von 16 Gefallenen des Hitlerputsches 1923 untergebracht und verehrt wurden.

Im sogenannten „Führerbau“ wurde 1938 das Abkommen zur Abtretung des Sudetenlandes der Tschechoslowakei an Deutschland von Hitler, Mussolini, Daladier und Chamberlain unterzeichnet. Die tschechische Regierung war nicht eingeladen.

Dieses Abkommen war eigentlich der einzige politische Vorgang in diesem Bau. Mit der Fertigstellung der „Neuen Reichskanzlei“ in Berlin wurden repräsentative Staatsangelegenheiten dorthin verlegt. Nur noch sehr selten hielt sich Hitler im Münchner „Führerbau“ auf. Dennoch blieb er bestehen, nur das edle Mobiliar wurde 1943 aufgrund von Luftangriffen in Depots ausgelagert.

Heute befindet sich in den Räumen eine Musikschule, die aber noch deutlich ihre architektonische Herkunft in der NS-Zeit verrät.

Ich ging um das Gebäude, es war leider geschlossen, und konnte oberhalb der Balkonebene deutlich den Ort des früheren Hakenkreuzes erkennen. Diese Löcher in den massiven Betonwänden hatten bereits die Amerikaner zur Anbringung ihrer Fahne genutzt.

Ich ging weiter, an den ehemaligen Ehrentempeln vorbei. Von ihnen sind zurzeit nur überwucherte Sockelreste erhalten. Durch den Erlass der Direktive Nr. 30 des Alliierten Kontrollrates von 1946 wurde jegliche Beseitigung nationalsozialistischer Symbole und Denkmäler gefordert, dem fielen auch diese Bauten zum Opfer.