Nemesis 4: Vom Wasser beschützt - Asuka Lionera - E-Book

Nemesis 4: Vom Wasser beschützt E-Book

Asuka Lionera

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Beschreibung

**Überlebe im Reich der Götter** Noch immer kann Liz nicht wirklich glauben, dass gerade sie im Wettstreit der Götter eine bedeutende Rolle zu spielen hat. Als Hüterin soll sie sich gegen ihre Mitstreiter durchsetzen und für die Göttin Gaia endgültig den Sieg erringen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Ihre Kräfte spielen verrückt und sie scheint nicht mal annähernd so stark wie ihre Beschützerin Eve zu sein. Aber als diese im Wasserreich gefangen gehalten wird, setzt Liz alles daran, die ehemalige Hüterin zu befreien. Unterstützung findet sie ausgerechnet bei Seth, ihrem Wächter. Dieser setzt mit seiner Feuerkraft ungeahnte Gefühle in ihr frei, die sie am liebsten verdrängen würde. Doch nur zusammen können sie dem Spiel der Götter ein Ende bereiten … Spannend und wundervoll berührend! Diese Buchserie wartet auf mit überraschenden Twists und einer phänomenal fantastischen Welt. Eine weitere Glanzleistung aus der Feder von Bestsellerautorin Asuka Lionera!   Leserstimmen zur Reihe: »Geniale Idee!« »Hat mehr als nur eine Überraschung im Gepäck.« »Eine Meisterleistung! Muss man gelesen haben.« »Ich bin absolut verliebt in dieses Buch.«   //Dies ist der vierte Band der magisch-fantastischen Buchreihe »Nemesis« von Asuka Lionera. Alle Bände der Fantasy-Liebesgeschichte bei Impress: -- Nemesis 1: Von Flammen berührt -- Nemesis 2: Vom Sturm geküsst -- Nemesis 3: Von der Erde erwählt -- Nemesis 4: Vom Wasser beschützt// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Asuka Lionera

Nemesis 4: Vom Wasser beschützt

**Überlebe im Reich der Götter**Noch immer kann Liz nicht wirklich glauben, dass gerade sie im Wettstreit der Götter eine bedeutende Rolle zu spielen hat. Als Hüterin soll sie sich gegen ihre Mitstreiter durchsetzen und für die Göttin Gaia endgültig den Sieg erringen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Ihre Kräfte spielen verrückt und sie scheint nicht mal annähernd so stark wie ihre Beschützerin Eve zu sein. Aber als diese im Wasserreich gefangen gehalten wird, setzt Liz alles daran, die ehemalige Hüterin zu befreien. Unterstützung findet sie ausgerechnet bei Seth, ihrem Wächter. Dieser setzt mit seiner Feuerkraft ungeahnte Gefühle in ihr frei, die sie am liebsten verdrängen würde. Doch nur zusammen können sie dem Spiel der Götter ein Ende bereiten …

Wohin soll es gehen?

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Vita

Danksagung

© rini

Asuka Lionera wurde 1987 in einer thüringischen Kleinstadt geboren und begann als Jugendliche nicht nur Fan-Fiction zu ihren Lieblingsserien zu schreiben, sondern entwickelte auch kleine RPG-Spiele für den PC. Ihre Leidenschaft machte sie nach ein paar Umwegen zu ihrem Beruf und ist heute eine erfolgreiche Autorin, die mit ihrem Mann und ihren vierbeinigen Kindern in einem kleinen Dorf in Hessen wohnt, das mehr Kühe als Einwohner hat.

Kapitel 1

Lucian

Ich strecke die Hand nach Eve aus, bekomme sie aber nicht zu fassen, ehe sie wutentbrannt aus dem Saal stürmt. Die Worte, die ich ihr nachrufen will, bleiben mir im Hals stecken. Der verletzte Blick, den sie mir zugeworfen hat, bevor sie ihre wütende Fassade hochgezogen hat und weggelaufen ist, ging mir durch und durch. Viel mehr, als er es gedurft hätte. Schließlich sind wir Wächter im Recht: Es bringt nichts, ein Bündnis mit den anderen Völkern zu erwirken, das jederzeit gebrochen werden kann. Ständig würden wir in Angst leben, müssten weiterhin die Hüterin beschützen und könnten nicht das Leben führen, nach dem wir uns sehnen.

Ein Leben als einfache Menschen. Ohne Kräfte. Ohne Kämpfe. Ohne die ständige Angst im Nacken, bei einem Angriff des Feindes umzukommen.

Ich verstehe teilweise Eves Wunsch, die anderen Hüter zu verschonen. Sie stammen aus der gleichen Welt wie Eve und Liz, und wahrscheinlich fühlt sie sich ihnen verbundener als uns. Außerdem ist jeder weitere Kampf mit einem Risiko verknüpft. Jedes Opfer, das ein Kampf erfordert, könnte auf unserer Seite zu finden sein. Das will sie vermeiden. Um jeden Preis.

Aber dabei lässt sie nur ihre Sicht zu.

Sie kennt uns nur als Wächter, sowohl jetzt als auch zu ihrer Zeit als Hüterin, und verdrängt dadurch, dass auch wir eine Existenz abseits unserer Pflichten haben. Oder hatten, bevor sie mir nichts, dir nichts in unsere Leben stolperte.

»Das lief ja nicht gerade rosig«, murmelt Liz und schaut mit gerunzelter Stirn zur Tür, bevor ihr anklagender Blick mich streift. »Will ihr keiner nachgehen?«

Ich weiß, dass sie damit mich meint, aber ich gehe nicht darauf ein. Eve braucht Zeit für sich, um ihre Gedanken zu ordnen. Heute Abend, wenn sie sich beruhigt hat, werde ich noch einmal mit ihr darüber sprechen und ihr erklären, wie wir Wächter uns fühlen bei dem, was sie von uns verlangt. Von unserer Warte aus will Eve, dass wir bis zu unserem letzten Atemzug Wächter sind und unser Leben ganz allein der Hüterin widmen. Wir würden jeden Morgen mit der Angst erwachen, dass ein Angriff des Feindes bevorstehen könnte, und den ganzen Tag über würden wir über unsere Schulter sehen und nach Gefahren Ausschau halten. Wir könnten nicht die sein, die wir sind. Wir wären nur noch Wächter, und das für immer.

Eve sagte, dass sie nur aus einem Grund hier ist: wegen mir. Sie wünscht sich eine Zukunft mit mir, und so neu diese Gefühle auch für mich sind, wünsche ich mir das ebenfalls. Aber das wäre unmöglich, wenn sie ihren Plan in die Tat umsetzt.

»Was machen wir jetzt?«, fragt Seth. »Ich nehme an, wir sind uns einig, dass wir den Vorschlag der Beschützerin nicht ausführen wollen?«

Alle bis auf Liz nicken.

»Warum wollt ihr kämpfen?«, fragt sie ungläubig. »Die Hälfte von euch kann noch nicht einmal ordentlich kämpfen, trotzdem zieht ihr die offene Konfrontation vor. Wieso versucht ihr es nicht wenigstens mit der friedlichen Lösung, die meine Mutter vorgeschlagen hat?«

Ich finde es weiterhin seltsam, wenn sie Eve als ihre Mutter bezeichnet. Genau wie den Gedanken, dass die junge Frau vor mir meine Tochter sein soll.

»Weil wir dann auf ewig Wächter wären«, erklärt Seth. »Wir werden zwar als Wächter und mit unseren Kräften geboren, aber das bedeutet nicht, dass wir auch tatsächlich Wächter sein werden. Oft kommt es vor, dass der Hüter stirbt, bevor er all seine Wächter um sich versammeln konnte.«

»Die meisten Wächter wissen nicht einmal, dass sie welche sind«, fügt Narissa an. »Sie erfahren erst davon, wenn der Hüter vor ihnen steht, sie berührt und sie eine Kraft spüren, die sie vorher noch nicht gekannt haben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte jeder Wächter ein Leben, eine Familie und Freunde, aus deren Umfeld er herausgerissen wird. Ob er nun will oder nicht.«

»Ein Wächter zu sein, ist keine Auszeichnung«, sage ich. »Es ist eine Bürde.«

Vincent nickt. »Jeder von uns ist bereit, alles dafür zu tun, so schnell wie möglich kein Wächter mehr sein zu müssen.«

Auf Lizzys panischen Blick hin hebt Seth die Hand, um sie zu beruhigen. »Das hat nichts mit dir als Hüterin zu tun. Aber wir … wollen unser altes Leben zurück. Wir wollen eine Zukunft. Aber die bekommen wir nur, wenn wir kämpfen und gewinnen. Nicht, wenn wir verhandeln und uns verkriechen.«

»Ihr seid also fest entschlossen, die anderen Hüter zu töten?«, fragt Liz.

»Wir werden unsere Pflicht als Wächter erfüllen«, sage ich. »Wir werden dich beschützen und dabei helfen, dem Erdvolk erneut den Sieg zu bringen. Aber danach … wenn wir es schaffen sollten … dann wollen wir wieder diejenigen sein, die wir waren. Keine Wächter. Keine Hüterin.« Murmelnd füge ich hinzu: »Keine Beschützerin.«

Liz reibt sich mit der Hand über die Stirn. »Dann lasst mich das kurz zusammenfassen: Um die Göttin zu erwecken, müssen wir die anderen beiden Hüter töten, denn erst dann erscheint ihr versiegelter Körper. Um das Siegel zu brechen, benötigen wir das Amulett, das wir erst noch dem Wasserhüter abluchsen müssen. Stirbt einer der anderen Hüter, wird unsere Zeit jedoch knapp, weil das jeweilige Element nicht mehr richtig funktioniert. Hab ich irgendwas vergessen?«

»Nein, das trifft den Kern in etwa«, sagt Vincent.

»Na toll«, murmelt die Hüterin. »Klingt ja super-einfach.«

»Keiner hat behauptet, dass es einfach werden wird«, sage ich. »Deswegen hast du ja vier Wächter an deiner Seite.«

Liz gibt ein Schnauben von sich und sieht alles andere als überzeugt aus, belässt es jedoch dabei.

»Aber was machen wir jetzt?«, fragt Narissa. »Wenn die Zeit nach einem Sieg über einen anderen Hüter knapp wird, sollten wir das Amulett möglichst schon besitzen. Aber dazu müssen wir dem Wasserhüter gegenübertreten. Wenn Eve recht hat, ist der Wasserhüter ein gefährlicher Gegner, den wir auf keinen Fall unterschätzen dürfen. Und so wie Eve eben reagiert hat, glaube ich nicht, dass sie einen offenen Kampf gegen diesen Thunderstrike bestreiten will. Ohne sie bin ich jedoch kaum zu gebrauchen; meine Kraft reagiert nur auf sie.«

»Wir haben zwei Möglichkeiten«, sagt Seth. »Entweder wir treten dem Wasserhüter gegenüber, töten ihn und nehmen ihm gleichzeitig das Amulett ab, oder wir besorgen uns nur das Amulett und entscheiden dann, wie wir die beiden anderen Hüter möglichst zeitnah besiegen können. Denn wenn der Wasserhüter fällt, müssten wir uns schnellstmöglich um den Lufthüter kümmern. Ohne jemandem von euch zu nahe treten zu wollen, aber ich denke nicht, dass wir kurz hintereinander zwei solche Kämpfe bestehen können.«

»Wenn wir das Amulett hätten, könnten wir die gewonnene Zeit nutzen, um zu trainieren und einen sicheren Plan auszutüfteln«, murmelt Narissa. »Früher oder später werden die Hüter sowieso hierherkommen, um uns herauszufordern.«

»Ist der Tempel auf solche Angriffe vorbereitet?«, fragt Liz an Vincent gerichtet.

Mein Bruder kaut auf seiner Unterlippe, ehe er antwortet: »Wenn es sich vermeiden ließe, würde ich hier keine Kämpfe austragen wollen. Nur wenige meiner Priester wissen, wie sie eine Waffe halten sollen, und wir beherbergen viele Ältere und Frauen.«

»Du meinst, es würde unweigerlich zu Kollateralschäden kommen.« Liz fährt sich seufzend mit beiden Händen durchs Haar. »Das ist mir alles zu kompliziert. Um solche Entscheidungen zu treffen, habe ich meine Mutter. Sie kennt sich hier besser aus als ich.«

»Aber du bist die Hüterin«, sagt Seth vorsichtig.

»Ich weiß«, knurrt sie und funkelt ihn wütend an.

»Mir raucht nach dieser Diskussion auch der Kopf«, wirft Narissa beschwichtigend ein. »Lasst uns nur noch klären, wie der Plan für die nächsten Tage aussieht, bevor wir ausknobeln, wer von uns nach Eve sehen soll.«

Da keiner etwas sagt, übernehme ich das. »Seth, du überlegst, ob du nicht doch noch einen Zugang zur Iglustadt findest, der weniger gut bewacht wird, damit wir an das Amulett gelangen können. Du hattest recht damit, dass wir nicht zwei direkte Konfrontationen überstehen werden. Liz konnte uns zwar einmal verwandeln, aber wir wissen noch nicht, ob sie das zuverlässig schafft. Narissa ist – sofern Eve nicht dabei ist – nur eine halbe Wächterin. Vincent, du kümmerst dich darum, dass jeder, der hier im Tempel lebt, im Falle eines Angriffs weiß, was er zu tun oder wohin er zu gehen hat.«

Die beiden Angesprochenen nicken.

»Wir werden jeden Tag nach Sonnenaufgang trainieren, damit wir unsere Kräfte beherrschen können, wenn es darauf ankommt«, fahre ich fort. »Und erst, wenn das der Fall ist, werden wir einen Angriff planen. Wenn wir uns zu früh vorwagen, laufen wir nur Gefahr zu verlieren. Nur weil wir vollzählig sind, bedeutet das nicht, dass wir uns überschätzen dürfen.«

»Schon wieder Training?«, mault Liz. »Hast du so früh nichts Besseres zu tun?«

Narissa hält sich schnell die Hand vor den Mund, um ihr Grinsen zu verbergen, aber ich habe es trotzdem gesehen.

»Das ist nichts, was ich mit euch diskutieren werde«, grolle ich.

»Hmpf«, macht Narissa, »Eve war auch schon so zugeknöpft. Muss ja eine ganz tolle Nacht gewesen sein.«

Ich bringe sie mit einem Blick zum Schweigen, woraufhin sie sich hinter Vincent versteckt.

»Nun«, sagt mein Bruder, »ich denke, das wäre für heute alles. Seth und ich kümmern uns um unsere Aufgaben und ab morgen steht bei Sonnenaufgang Training auf der Tagesordnung. Ich werde dafür sorgen, dass wir den Tempelplatz zur Verfügung haben.«

»Und ich werde nach Eve sehen«, sage ich. »Bestimmt kann sie auf eure Spitzen verzichten.«

Liz und Narissa kichern, als ich mich kopfschüttelnd abwende. Nach ihren Bemerkungen kann ich verstehen, warum Eves Laune nicht mehr so gelöst war wie zum Zeitpunkt unseres Abschieds. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass die beiden sich hier in dieser Runde noch zurückgehalten haben. Zwar kann Eve sicherlich ein wenig Spaß vertragen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass Liz und Narissa es zu weit getrieben haben.

Nun bin ich es, der es ausbaden muss … Ich kann nur hoffen, dass sie nicht so gereizt auf mich reagiert wie auf die anderen beiden.

Wir haben die richtige Entscheidung getroffen. Eves Wunsch nach einer friedlichen Lösung ist zwar nachvollziehbar, aber nicht umzusetzen. Davon hängen zu viele Faktoren ab, die wir nicht beeinflussen können, da nur sie die anderen Hüter persönlich kennt. Ich habe bisher nur den Lufthüter gesehen, der mir nicht so aussah, als würde er sich auf irgendwelche Verhandlungen einlassen. Ganz im Gegenteil: Er war bereit, seinen Sieg mit Gewalt zu erringen, und wenn Eve die Hüterin wäre, hätte er nicht gezögert, sie zu töten, als er die Gelegenheit dazu hatte. Was er ihr angetan hat, ist schlimm genug, und dafür wird er noch bezahlen.

Ich muss Eve begreiflich machen, dass ihre Idee nichts bringt. Dass ihr Wunsch nicht in Erfüllung gehen wird.

Dazu muss ich ihr erklären, was es für mich als Wächter bedeuten würde, auf ewig eine Hüterin zu haben. Ich fürchte mich davor, ihr meine Gefühle darzulegen. Das ist etwas, was mich nervös werden lässt.

Ich stehe vor ihrer Zimmertür, doch anstatt anzuklopfen, verlagere ich unruhig das Gewicht von einem Bein aufs andere, als wäre ich jederzeit bereit, davonzulaufen.

»Was machst du hier?«, fragt eine mir bekannte Frauenstimme hinter mir und ich drehe mich herum.

Auf dem Korridor steht meine Mutter. Nachdem sie mich gemustert hat, kommt sie auf mich zu. Sie reicht mir zwar nur bis zur Brust, strahlt jedoch trotz ihrer geringen Größe eine Autorität aus, die mich sofort zusammensinken lässt. Ihre einst rabenschwarzen Haare, die mittlerweile von vielen grauen Strähnen durchzogen sind, hat sie zu einem strengen Zopf zurückgebunden. Ihre silbernen Augen blitzen wissend, als sie fragt: »Willst du zu dem rothaarigen Mädchen?«

»Ihr Name ist Eve«, sage ich, ohne direkt ihre Frage zu beantworten.

»Sie ist nicht hier.«

Augenblicklich zucke ich zusammen. »Woher weißt du das?«

»Ich habe sie getroffen. Sie … kannte meinen Namen, obwohl ich sicher bin, dass ich sie noch nie vorher gesehen habe. Sie sagte, dass es ihr leidtut, sie aber nicht zulassen will, dass ich wieder sterbe, was auch immer sie damit meint.« Mutter schüttelt den Kopf und hebt dann ihre Hand. »Und sie gab mir den hier.«

Ich fühle mich, als hätte mir jemand in den Magen geboxt. Ungläubig starre ich auf den silbernen Ring an Mutters Finger. Das … kann nicht sein. Warum sollte sie …?

»Woher hatte sie diesen Ring?«, fragt sie. »Ich dachte, ich hätte ihn vor einigen Monaten verloren …«

Ich packe Mutter bei den Schultern. »Hat sie gesagt, wo sie hingehen wollte?«

»Luc, was geht hier vor?«, fragt sie scharf.

»Wo ist sie hingegangen?«, hake ich lauter nach.

»Ich … weiß es nicht. Sie hat nichts darüber gesagt. Aber sie sah aus, als wäre sie in Eile. Sag mir, was hier vor sich geht! Woher hatte das Mädchen den Ring? Und warum suchst du sie überhaupt?«

Ich lasse sie abrupt stehen und renne zurück Richtung Saal, wobei ich Mutters Rufen hinter mir ignoriere.

»Sie ist weg«, sage ich sofort, als ich die Türen aufstoße. Nur Seth und Vincent stehen noch um den Tisch herum und schauen verwirrt zu mir auf. »Eve ist verschwunden.«

Die beiden tauschen einen Blick, bevor sie wieder mich ansehen.

»Was machen wir jetzt?«, fragt Seth. »Sie ist garantiert zur Iglustadt aufgebrochen, um mit dieser Letizia zu sprechen.«

»Weit kann sie noch nicht gekommen sein. Wir müssen ihr nach«, dränge ich, doch Vincent hält mich zurück.

»Wenn wir ihr jetzt folgen, laufen wir in einen Kampf. Allein hat sie vielleicht die Chance, ungesehen zur Wächterin zu gelangen. Aber mit uns allen auf den Fersen …«

»Du willst nichts tun?« Meine Stimme überschlägt sich fast vor Unglauben. »Schon wieder?« Ich lasse die Faust auf den Tisch krachen. »Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie dir völlig egal ist. Aber mir ist sie nicht egal! Ich werde nicht hierbleiben und darauf hoffen, dass ihr nichts passiert. Diesen Fehler habe ich einmal gemacht und werde ihn nicht wiederholen.«

»Luc, jetzt beruhige dich doch.« Begütigend hebt Vincent beide Hände. »Ich verstehe ja, dass dir etwas an ihr liegt, aber …«

»Mir liegt nicht nur etwas an ihr, ich liebe sie, verdammt noch mal!«, schreie ich ihn an. »Was würdest du tun, wenn es Narissa wäre? Und wage ja nicht, mir weismachen zu wollen, dass du dann ebenfalls nur abwarten würdest!«

Er zögert einen Moment und schaut mich nur finster an. »Du kannst nicht gehen. Du bist ein Wächter und wir brauchen dich hier. Es ist deine Pflicht, die Hüterin …«

»Nein!«, sagt Liz, die hinter mich getreten ist, ohne dass ich es bemerkt habe. Ihr Blick ist so eiskalt, dass selbst Vincent ihm ausweicht. »Es ist seine Pflicht, meine Mutter unbeschadet zurückzuholen. Sie ist gegangen, weil sie es für den richtigen Weg hält. Und um keinen von uns in Gefahr zu bringen, ist sie allein gegangen.«

Sie schaut zu mir und legt mir die Hand auf den Arm. Sofort durchströmt mich ihre Feuerkraft – ungezügelt und ungebremst. Ich spüre ihre Angst, ihre Wut und ihre Sorge, die sich mit meinen eigenen Gefühlen vermischen. Ich lasse es zu, nehme dankend alles an Kraft an, was sie mir zu geben bereit ist. Auch wenn Eve keinen großen Vorsprung haben kann, weiß sie, wohin sie sich wenden muss. Ich war noch nie im Gebiet des Wasservolkes und habe nur eine vage Ahnung, in welche Richtung ich gehen muss, um sie zu finden.

Mein Körper verändert sich, wird durch die Hitze, die durch meine Adern fließt, verbrannt, um sich neu zu formen. Ich beiße fest die Zähne zusammen, als der Schmerz beinahe unerträglich wird, und sinke auf die Knie.

Nur am Rande bemerke ich, dass meine Mutter ebenfalls in den Saal gekommen ist und auf mich zugestürmt kommt.

»Luc, bei der Göttin!«, ruft sie. »Was passiert mit dir?«

Doch ehe sie mich erreichen kann, streckt Liz den Arm aus und hält sie auf. Ich wende mich zu den beiden Frauen um. Mutters Augen sind weit aufgerissen vor Schreck und Unverständnis, während in Lizzys Augen das Feuer tanzt.

»Was habt Ihr mit ihm gemacht?«, fragt meine Mutter, und ich bin mir sicher, dass sie ihren Tonfall nur mäßigt, weil die Hüterin neben ihr steht. »Er sieht aus, als hätte er Schmerzen.«

»Es geht ihm gleich besser«, antwortet Liz, bevor sie sich zur Tür umwendet und Seth heranwinkt. »Erkläre ihm, wie er zu dieser Iglustadt kommt.«

Als die Veränderung vollendet ist, schüttele ich meinen neuen Körper, um die letzten Schmerzen abzustreifen.

»Heilige Göttin«, murmelt meine Mutter, als ihr Blick über mich huscht. »Bist das wirklich du, Luc?«

Meine Aufmerksamkeit liegt jedoch ganz und gar auf Seth. Ich warte darauf, dass er mir endlich sagt, wie ich zu dieser verdammten Stadt des Wasservolkes komme, und als er nach ein paar Sekunden noch immer nicht den Mund aufgemacht hat, helfe ich mit einem tiefen Knurren nach. Sofort fängt er an, mir den Weg zu beschreiben. Ich kenne kaum eine der Gegenden, die er nennt, deshalb kann ich nur hoffen, dass ich Eve finde, bevor sie zu weit weg ist.

Liz schwankt kurz und stützt sich an Mutters Schulter ab. Anscheinend hat sie mir zu viel Energie übertragen.

»Finde sie«, sagt sie und wählt dieselben Worte, die sie schon einmal zu mir gesagt hat. »Und komme nicht ohne sie zurück.«

Ich nicke und presche ohne eine weitere Sekunde zu vergeuden aus dem Saal.

Kapitel 2

Evelyn

Dass ich allein losgezogen bin, war eine Kurzschlussreaktion.

Ich bereue sie nicht, aber ich fühle mich auch nicht wohl dabei. Mit nichts weiter als meinem Schwert, einem Umhang mit Kapuze, um meine Haare zu verbergen, und ein wenig Proviant für zwei Tage, den ich auf die Schnelle einem Priester in der Küche abschwatzen konnte, habe ich mich davongemacht.

Ich weiß, dass ich das Richtige tue. Selbst wenn Liz Fortschritte gemacht hat, ist sie noch Lichtjahre davon entfernt, gegen den unberechenbaren Killswitch zu gewinnen. Gegen den Meisterstrategen Thunderstrike hätte sie von vornherein keine Chance. Egal, wie vereint die Wächter hinter ihr stehen und wie viele Tage sie noch zum Trainieren nutzen – Liz wird im Kampf gegen die beiden anderen Hüter scheitern.

Das kann ich nicht zulassen. Ich kann meine eigene Tochter nicht ins Verderben rennen lassen. Und ich kann nicht tatenlos zusehen, wie wir verlieren.

Ich hatte nicht vor, auf eigene Faust loszuziehen – schließlich leide ich nicht unter Todessehnsucht –, doch als ich zufällig Lucians Mutter Vilanna auf dem Korridor begegnet bin, spielte sich vor meinem inneren Auge wieder der Moment ihres Todes ab. Es war meine Schuld, dass das Luftvolk den Tempel angegriffen hat, und nur wegen mir sind damals Gwen und Vilanna gestorben. Diesmal werde ich das nicht erlauben! Niemand wird meinetwegen oder wegen der Hüterin sterben.

Ohne weiter darüber nachzudenken, streifte ich den Ring von meinem Finger und gab ihn ihr zurück. Nun fühlt sich meine Hand ungewohnt leicht an und mein Daumen sucht unentwegt nach dem Schmuckstück.

Es wird nicht lange dauern, bis mein Verschwinden bemerkt wird. Deshalb besorge ich mir in der Stadt am Fuße des Tempels zuerst ein Tier, das mich entfernt an ein Pferd erinnert, um schneller voranzukommen. Zögernd bezahle ich es mit zwei Goldmünzen, die ich aus dem Tempel habe mitgehen lassen.

Ich bin kein Fan von lebenden Fortbewegungsmitteln.

Erstens brauche ich mehrere Anläufe, um überhaupt auf den Rücken des Tieres zu gelangen. Es schnaubt und scharrt mit den Hufen, was ich als weniger gutes Zeichen werte. Irgendwo habe ich mal gehört, dass man Pferde – und im weitesten Sinne ist dieses Tier ein Pferd, obwohl es mich äußerlich eher an eine Mischung aus Lama und Muli erinnert – mit dem Druck der Schenkel lenken kann. Davon hat das Tier anscheinend jedoch nichts gehört und reagiert nicht im Entferntesten auf meine Bemühungen.

Zweitens bin ich kein großer Pferdenarr und das Reiten an sich nicht gewohnt. Schon nach kurzer Zeit werde ich wund sein und nicht mehr richtig laufen können. Eine Bewegungseinschränkung ist fatal, vor allem, wenn es doch zu einem Kampf kommen sollte.

Aber es gibt auch Vorteile. Wenn sie bemerken, dass ich verschwunden bin, gibt es nur einen, den Liz hinter mir herschicken wird. Und wenn Lucian seine andere Gestalt auch nur ein bisschen beherrscht, wird er früher oder später meine Witterung aufnehmen, wenn ich mich zu Fuß fortbewege.

Also füge ich mich zähneknirschend meinem Schicksal und schaffe es nach einigen Fehlversuchen, das Tier zum Laufen zu bringen.

»So ist es brav«, murmele ich und tätschele ihm den überproportional großen Hals.

Ich erinnere mich an den Weg, den wir damals genommen haben. Die Hauptstadt werde ich umgehen – zu viele Menschen. Begegnungen mit anderen werde ich auf ein Minimum reduzieren, denn es kann jederzeit passieren, dass jemand meine roten Haare sieht. Ich muss es so lange wie möglich schaffen, unerkannt zu bleiben. Wenn ich die Hauptstadt hinter mir gelassen habe, brauche ich nur etwa zwei Tage bis zum Schrein der Erdgöttin, der auf einer großen Wiese direkt am Meer liegt.

Wie ich es allerdings schaffen soll, das Meer zu überqueren, um zur Insel zu gelangen, weiß ich noch nicht. Ich werde improvisieren, sobald ich dort bin. Vielleicht finde ich einen von diesen fahrenden Händlern, von denen Seth gesprochen hat, und kann mit ihm aushandeln, dass er Letizia eine Nachricht überbringen soll. Irgendetwas wird mir schon einfallen, doch jetzt muss ich mich darauf konzentrieren, so viel Strecke wie möglich zwischen mich und den Tempel zu bringen.

Kapitel 3

Evelyn

Ich bin ungefähr einen halben Tag unterwegs, als ich das Gefühl habe, verfolgt zu werden. Dieses Kribbeln im Nacken, das mich ständig dazu verleitet, einen Blick über die Schulter zu werfen, macht mich wahnsinnig. Mein Reittier scheint meinen Unmut zu bemerken und reagiert bockig, als ich es antreiben will. Um ein Haar hätte es mich abgeworfen und ich schaffe es gerade so, mich im Sattel zu halten.

Sosehr ich mich auch bemühe, es gelingt mir nicht, das Gefühl abzuschütteln. Sicher ist es nur Einbildung … Immerhin bin ich so gut vorangekommen, dass es unmöglich ist, mich zu verfolgen. Ich beschließe, dass es Zeit für eine Pause ist. Da ich mich abseits der Wege halte, höre ich in der Nähe einen Bach. Ein paar Spritzer kaltes Wasser ins Gesicht werden mir bestimmt guttun und vielleicht kann ich so diesen Verfolgungswahn abschütteln.

Wenig elegant rutsche ich aus dem Sattel und führe das Tier am Strick in ein kleines Wäldchen. Nachdem ich es festgebunden habe, schnappe ich mir die kleine Tasche mit dem Proviant und mache mich auf die Suche nach dem Bach. Die wenigen Bäume stehen so dicht, dass ich ihre Äste mit den Händen beiseiteschieben muss.

Als ich hinter mir ein Knacken höre, erstarre ich. Mein erster Impuls ist Flucht, doch ich kämpfe ihn nieder. In diesem Gestrüpp würde ich mir eher den Hals brechen, als meinen etwaigen Verfolgern zu entkommen. Doch einfach stehen bleiben kann ich auch nicht. Panisch wende ich mich nach allen Seiten, während mein Herzschlag unnatürlich laut in meinen Ohren dröhnt. Vielleicht habe ich mich auch nur verhört? Aber das Risiko kann ich nicht eingehen. Schnell binde ich mir die Tasche an den Gürtel und greife nach einem niedrigen Ast, von dem ich hoffe, dass er mein Gewicht trägt. Ich ziehe mich daran hoch, bis ich ein Bein darüberschwingen kann. Ich war noch nie besonders sportlich und das Reck war während meiner Schulzeit mein Todfeind. Auch jetzt gebe ich mit Sicherheit keine gute Figur ab. Trotzdem hieve ich mich so schnell wie möglich nach oben und verberge mich zwischen den Zweigen.

Mein Herz trommelt einen abgehackten Takt in meiner Brust und ich habe Angst, dass das, was auch immer hinter mir her ist, es hören kann. Dennoch spähe ich zwischen den dichten Blättern hindurch nach unten.

Als ich ihn sehe, kann ich mir ein gezischtes »Mist!« nicht verkneifen, schlage aber schnell die Hand vor den Mund.

Schnüffelnd bewegt sich der Feuerwolf durch das Unterholz und folgt meiner Spur. Das ist doch unfair! Wie konnte er mich so schnell finden?

Obwohl hohe Flammen aus seinem Körper und vor allem seinem Schwanz schlagen, entfacht er nicht seine Umgebung. Ein netter Nebeneffekt der Feuerkraft: Bis auf Seths Gabe verschont das Feuer alles, was zur Erde gehört. Bäume, Sträucher und all solche Dinge können nicht verbrannt werden. Aber der Rest … Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie Lucians Feuerwolf-Gestalt fast einen ganzen See verdampfen ließ.

Ich presse mich gegen den Stamm und halte die Luft an. Bitte lass ihn nicht hier hochsehen, bitte lasse ihn nicht hier …

Verdammt!

Ich versuche, mit dem Blattwerk zu verschmelzen, allerdings mit kläglichem Erfolg.

Er hat mich entdeckt und starrt mich an, die Lefzen leicht gekräuselt, sodass ich seine spitzen Zähne aufblitzen sehen kann. Seine Haltung ist angespannt und das grollende Geräusch, das er von sich gibt, suggeriert mir, dass ich verdammt noch mal meinen Hintern nach unten schwingen soll.

Zumindest hätte er das wohl gern! Solange ich hier oben bin, kommt er nicht an mich heran.

»Verschwinde, Luc!«, rufe ich nach unten. »Ich gehe nicht mit dir zurück.«

Sein Grollen wird lauter, drohender, und ich muss zugeben, dass mir doch ein wenig mulmig zumute wird. Doch ich gebe mein Bestes, mir das nicht anmerken zu lassen.

»Vergiss es«, zische ich. »Geh zurück zum Tempel und sag ihnen, dass du mich nicht gefunden hast. Ich muss das durchziehen. Ihr wollt mir nicht dabei helfen – schön! Aber dann haltet mich auch nicht auf.«

Er stellt die Vorderpfoten an den Baumstamm und knurrt mich an.

»Die Antwort lautet: Nein!« Mit verschränkten Armen lehne ich mich zurück. »Ich kann hier den ganzen Tag ausharren und du kannst von mir aus so lange knurren, bis du heiser wirst.«

Ob ich mich zickig verhalte? Vermutlich, aber es ist mir scheißegal. Ich wusste zwar, dass Lucian es sein wird, der mir nacheilt, aber ihn dort unten zu beobachten, wie er unruhig den Baum umrundet und mir dabei giftige Blicke zuwirft, zehrt an meinen ohnehin papierdünnen Nerven.

Ich stelle mich schon auf eine sehr unbequeme Nacht hier oben in den Baumwipfeln ein, als Lucian sich plötzlich umdreht und wieder im Unterholz verschwindet. Völlig perplex starre ich auf die Stelle, an der er verschwunden ist, und warte, dass er gleich wieder auftaucht.

Doch nichts geschieht.

Nach etwa einer halben Stunde bin ich sicher, dass er nicht zurückkommen wird, und seltsamerweise lässt mir diese Erkenntnis das Herz schwer werden. Gibt er so leicht auf?

Ich klettere vom Baum herunter. Die richtige Entscheidung wäre, zurück zu meinem Reittier zu gehen und zu hoffen, dass es von dem Feuerwolf nicht gänzlich verrückt gemacht wurde. Ich muss weiter, um mein Ziel so schnell wie möglich zu erreichen, doch ich bewege mich nicht, stehe nur verloren herum.

Ein Teil von mir wollte, dass Lucian kommt, um mich zu holen. Ich wollte, dass er mich überzeugt, mit ihm zurückzugehen. Stattdessen … hat er einfach aufgegeben und ist verschwunden. Als wäre ich ihm nicht wichtig. Als wäre ich … nur irgendjemand. Eine Randfigur.

Und wieder einmal bin ich allein.

Ich weiß, dass es dumm ist, aber in diesem Moment zerbricht etwas in mir. Das Knirschen, das aus meinem Innersten kommt, übertönt jedes andere Geräusch um mich herum. Ich fasse mir an die Brust, um den Schmerz zu dämpfen, doch es ist zwecklos. Es fühlt sich an wie damals im Schrein der Göttin, als ich ihm zum ersten Mal meine Liebe gestanden habe und er mich zurückgewiesen hat. Er sagte, dass er mich zwar auch lieben, aber sich nicht auf mich einlassen könnte, da ich die Hüterin und er einer meiner Wächter sei.

Dieses Mal bin ich nicht die Hüterin und wir können zusammen sein, ohne dass jemand die Nase darüber rümpft. Ich hatte das Gefühl, dass er es ebenso genossen hat wie ich, und doch …

Er ist einfach gegangen, ohne sich um mich zu bemühen. Er hat mir, seit ich wieder hier bin, nie gesagt, dass er mich liebt.

Der Lucian, den ich kannte, hätte sich nicht so verhalten …

Ich denke Blödsinn, aber ich kann nichts dagegen tun. Egal, wie oft ich mir vor Augen führe, dass er kam, um mich vor Killswitch zu retten, mich in den Armen hielt, als mein Körper mehr zerschmettert denn gesund war – es hilft nichts. All das tritt in den Hintergrund. Jetzt ist er nicht hier, um mich zu halten oder mir meinen Kosenamen ins Ohr zu flüstern.

Ich bin allein wie die letzten zwanzig Jahre. Nichts hat sich geändert. Ich war eine Närrin, anzunehmen, dass es wieder so sein könnte wie damals.

Erneut fährt mein Daumen über den leeren Ringfinger und ich blinzele gegen die Tränen an.

Wütend über mich selbst straffe ich die Schultern und stakse zu meinem Reittier zurück. Zum Glück ist es noch genau da, wo ich es zurückgelassen habe, und grast friedlich.

»Wenigstens du bist hiergeblieben«, murmele ich dem Tier zu, als ich den Strick lösen will.

»Es konnte auch schwerlich abhauen«, sagt jemand hinter mir.

Erschrocken wirbele ich herum und mein Herz macht einen Satz. Atmen wage ich gar nicht mehr. Lucians Blick gleitet an mir hoch und runter, während etwas in seinen Silberaugen aufblitzt, was mich schlucken lässt.

Splitterfasernackt lehnt er scheinbar ohne jedes Schamgefühl an einem Baumstamm. Ich habe ihn bereits mehrmals nackt gesehen. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Anblick mich kaltlässt.

Und vor allem ist er für mein logisches Denkvermögen alles andere als förderlich. Würde ich jetzt den Mund öffnen, käme nur unzusammenhängender Blödsinn heraus, deshalb presse ich fest die Lippen aufeinander und versuche, nicht zu hyperventilieren.

Schnell balle ich meine Hände zu Fäusten, um meine vor Verlangen kribbelnden Finger davon abzuhalten, sich nach ihm auszustrecken und seine Brust sowie seine Bauchmuskeln entlangzufahren.

»Du weißt, warum ich hier bin«, sagt er in die entstandene Stille hinein.

Ich nicke und versuche, mich ausschließlich auf sein Gesicht zu konzentrieren. Sein durchdringender Blick jedoch erweckt in mir den Wunsch, ihm auszuweichen – wodurch mein Blick wieder an seinem Körper hängen bleibt.

Ein Teufelskreis!

»Kommst du freiwillig mit mir zurück oder muss ich dich dazu zwingen?«

Ich räuspere mich, bevor ich sage: »Ich komme nicht mit dir zurück.«

Seine Augen verengen sich zu Schlitzen und ich schnappe nach Luft, bleibe aber an Ort und Stelle stehen, obwohl mein Fluchtinstinkt gerade lautstark nach Beachtung schreit.

»Die Hüterin hat mir aufgetragen, bloß nicht ohne dich zurückzukommen.«

»Dann sag ihr, dass du mich nicht gefunden hast«, entgegne ich.

»Ich soll meine Hüterin anlügen?«

Schnell schlucke ich eine spitze und gleichzeitig zickige Bemerkung hinunter – ›Wäre ja nicht das erste Mal, dass du deine Hüterin anlügst!‹ – und zähle im Stillen bis zehn. »Von mir aus sag ihr eben gar nichts, aber ich komme nicht mit dir mit. Ich werde versuchen, diesen Wettstreit auf friedlichem Weg zu beenden.«

Lucian runzelt die Stirn. »Friedlich? Als ich dich aus den Fängen des Lufthüters gerettet habe, hattest du für eine friedliche Lösung nicht viel übrig. Du verlangtest, dass dieser Killswitch ganz allein dir gehören würde, wenn ihr euch noch einmal gegenüberstehen solltet.« Er stößt sich vom Baumstamm ab und kommt einen Schritt auf mich zu. Jede Bewegung von ihm erinnert mich an die eines Raubtieres: geschmeidig, lauernd, berechnend. Sofort fühlt sich mein Mund wie ausgedörrt an. »Du kamst mir immer wie eine Kämpferin vor. Was hat sich geändert?«

Nun weiche ich doch einen Schritt vor ihm zurück. »N–Nichts«, stammele ich und stoße von mir selbst genervt die Luft aus. »Könntest du dir um Himmels willen etwas anziehen? Ich kann nicht klar denken, wenn du so vor mir stehst.«

Er zieht spöttisch die Augenbrauen nach oben. »Ich enttäusche dich nur ungern, aber ich habe nichts dabei. An solche Nebensächlichkeiten habe ich nicht gedacht, sondern bin sofort aufgebrochen, als ich bemerkt habe, dass du nicht mehr da warst.«

Meine Finger zittern so sehr, dass ich mehrere Versuche brauche, um die Schleife, die meinen Umhang vorn zusammenhält, zu lösen. Wortlos reiche ich ihm den Umhang und schaue demonstrativ in eine andere Richtung.

»Ich wiederhole meine Frage noch einmal«, sagt er, nachdem er sich den Stoff übergeworfen hat. »Was hat sich für dich geändert? War es, weil wir mit deinem Vorschlag nicht einverstanden waren?«

»Nein«, nuschele ich. »Jedenfalls nicht direkt.«

»Was dann? Was hat dich so aufgewühlt, dass du meiner Mutter den Ring zurückgegeben und Hals über Kopf weggerannt bist?«

Die Erwähnung des Rings lässt mich kurz ins Straucheln geraten. Ich weiß selbst nicht, warum ich ihn Vilanna zurückgegeben habe. Vielleicht weil ich dachte, dass er keine Bedeutung mehr für mich hätte.

Nein, es war etwas anderes … Ich wusste, dass dieser Lucian, der jetzt vor mir steht, ihn mir nicht gegeben hat.

Der Ring ist nichts weiter als ein Relikt anderer Zeiten … Eine andere Zeit, in der meine Wächter geschlossen hinter mir standen, obwohl sie nicht stets mit meinen Entscheidungen einverstanden waren. Aber ich hatte das Gefühl, dass sie stolz waren, meine Wächter sein zu können. Mir gegenüber sprachen sie nie davon, dass es für sie eine Bürde wäre, ein Wächter zu sein. Sie gaben mir die Zeit, die ich brauchte, um zu einer Hüterin zu werden, auf die sie stolz sein konnten.

Auch wenn Lizzys vier Wächter so aussehen wie meine, so sind sie doch nicht dieselben. Sie sind nicht die Wächter, die ich kannte. Und dieser Lucian, der vor mir steht, ist …

»Euch geht es nur darum, die Sache schnellstmöglich hinter euch zu bringen«, murmele ich und schaue ihn wieder an. »Du hast es selbst gesagt: Wächter zu sein ist eine Bürde. Ihr wollt nur eure Pflicht erfüllen.«

»Und was ist so schlimm daran?«

Seine Gegenfrage bringt mich aus dem Konzept und ich blinzle ihn verwirrt an.

»Ich habe nie darum gebeten, ein Wächter zu sein«, sagt er. »Aber ich bin einer, ob ich es will oder nicht. Daran kann ich nichts ändern. Ich kann nur versuchen, mein Schicksal anzunehmen. Jeder von uns Wächtern wird seine Sache gut machen, wenn es darauf ankommt. Doch danach … Danach wollen wir unser Leben zurück. Wir wollen nicht für den Rest unserer Tage auf einen Hüter aufpassen, sondern …«, er zuckt hilflos mit den Schultern, »… leben. Vincent will wieder der Hohepriester sein und zusammen mit Narissa alt werden. Keine Ahnung, was Seth will, aber auch er wird irgendwelche Träume für die Zukunft haben.«

»Aber Liz ist nicht bereit für eine offene Konfrontation und – verzeih mir meine Offenheit – ihr seid es ebenfalls nicht. In einem richtigen Kampf würdet ihr sowohl gegen Killswitch als auch gegen Thunderstrike verlieren. Warum wollt ihr euch nicht von mir helfen lassen? Ich kenne die beiden besser als ihr alle zusammen. Mir sind ihre Gewohnheiten und Angriffsmuster vertraut. Und wenn ich sage, dass ich es schaffen könnte, Thunderstrike von einer friedlichen Lösung zu überzeugen, dann sage ich das nicht, weil ich mich wichtigmachen will, sondern weil ich davon überzeugt bin.«

Sein Blick verfinstert sich erneut und ich schlucke heftig. Fieberhaft gehe ich noch einmal das eben Gesagte durch, kann aber nichts finden, was ihn gegen mich aufgebracht haben könnte. Doch das Gewittergrau ist eindeutig: Er ist richtig sauer, und diesmal werde ich es sein, die seine Wut abbekommt.

»Es geht hier nicht um die anderen Hüter oder dich. Es geht noch nicht einmal um Liz«, knurrt er.

»Worum geht es dann?«, frage ich verwirrt.

»Denkst du, mir entgeht nicht, wie du meinen Fragen ausweichst?« Er macht einen Schritt auf mich zu, doch ich bin wie erstarrt. »Was habe ich eben gesagt?«

Mein Blick huscht unstet umher. »Dass es … hier nicht um mich oder die anderen Hüter geht?«

»Nein, davor.«

An seiner rauen Stimme höre ich, dass er langsam, aber sicher die Geduld mit mir verliert, und dadurch werde ich nur noch nervöser. Ich weiß nicht genau, woran es liegt, dass er mich so dermaßen verunsichert, doch seine ganze Präsenz drückt eine Wut aus, die ich mir nicht erklären kann. Was ist geschehen, dass er so außer sich ist?

»Dass … Seth sicher auch irgendwelche Zukunftsträume hat?«, krächze ich, dankbar, dass es mir endlich eingefallen ist. Dennoch habe ich keinen Schimmer, was das jetzt mit uns beiden zu tun haben soll.

»Ich habe dir von Vincent, Narissa und Seth erzählt«, murmelt er, als sei plötzlich er es, der verunsichert ist.

So langsam komme ich bei seinen Stimmungsschwankungen wirklich nicht mehr mit … Er sieht mich an, als würde er etwas von mir erwarten, und ich winde mich unwohl unter seinem Blick.

»Es interessiert dich nicht, oder?« Lucians Stimme klingt heiser.

»Was soll mich nicht interessieren?«, frage ich schärfer als beabsichtigt.

Seine Andeutungen, seine Fragen, die aus dem Nichts zu kommen scheinen, gehen mir auf die Nerven. Für so einen Bullshit habe ich keine Zeit! Ich muss …

»Was ich will«, wispert er so leise, dass ich ihn fast nicht verstehen kann. »Was ich mir für meine Zukunft wünsche, sobald ich kein Wächter mehr sein muss. Das heißt, sofern ich überlebe.«

Ich ziehe scharf die Luft ein. »Natürlich wirst du überleben! Genau wie die anderen auch. Liz wird ihren Wunsch dafür nutzen, um euch alle zu retten, so wie ich es auch getan habe.«

»Wenn es nach dir ginge, würde es aber gar nicht so weit kommen.«

»Ich versuche nur, euch allen zu helfen«, zische ich. »Ihr könnt nicht gegen beide Hüter gewinnen und ich kann nicht riskieren, dass einer von euch beim Versuch dabei draufgeht. Es stimmt, dass mein Weg vielleicht nicht leicht ist, aber das ist der andere auch nicht. Ich bemühe mich, Verluste zu vermeiden. Doch stattdessen wollt ihr lieber mit dem Kopf durch die Wand. Ich verstehe es einfach nicht! Als ich die Hüterin war …«

»Du bist aber nicht die Hüterin«, fällt er mir ins Wort. »Du bist auch kein Wächter. Genau genommen bist du gar nichts. Also hör auf damit, Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg zu treffen, von deren Tragweite du keine Ahnung hast!«

Erschrocken schnappe ich nach Luft und starre ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Das … hat er gerade nicht gesagt, oder? Wie kann er es wagen?! Für einen Moment bin ich sprachlos und innerlich wie taub.

Doch dann setzt der Schmerz ein. Durch seine Worte wurde eine alte Wunde aufgerissen, die ich schon beinahe vergessen hatte.

Ich presse eine Hand gegen meine Brust, um das dumpfe Ziehen, das darin wütet, zu dämpfen, und bemühe mich, mir nach außen hin nichts anmerken zu lassen.

Was bisher nur eine vage Vermutung war, ist nun bittere Gewissheit. Und ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Deshalb kanalisiere ich meinen Schmerz, die Enttäuschung und die Angst, die in mir toben, in Wut.

»Du dämlicher Vollhorst!«, schreie ich ihn an. »Mach doch, was du willst!«

Außer mir vor Zorn stapfe ich in die entgegengesetzte Richtung davon.

»Ich wollte dich schon die ganze Zeit über fragen, was genau ein Vollhorst ist«, ruft er mir hinterher. »Sicherlich nichts Nettes, oder?«

»Worauf du Gift nehmen kannst!«, zische ich über die Schulter, bleibe aber nicht stehen.

Dieser blöde, arrogante … Argh, mir fällt nicht mal ein Schimpfwort ein, das stark genug wäre, meinen Groll zu beschreiben. Habe ich mich tatsächlich darüber gefreut, dass er doch nicht verschwunden ist? Anscheinend ist er nur geblieben, um mich zu beleidigen und mir erneut das Herz zu brechen. Herzlichen Glückwunsch, das hat er hingekriegt!

Als ich bei meinem Reittier angelangt bin, zittern meine Hände so sehr, dass ich es nicht schaffe, die Zügel von dem kleinen Ast zu lösen. Dabei weiß ich gar nicht, auf wen ich wütender bin: auf ihn, auf Liz, die ihn hinter mir hergeschickt hat, oder auf mich.

Bereits vorhin fiel es mir wie Schuppen von den Augen, doch ich habe die Erkenntnis beiseitegeschoben, weil ich sie nicht wahrhaben wollte. Wie konnte ich nur so dumm sein?

Egal, wie sehr ich es mir wünsche … Er ist nicht der Lucian, den ich kannte. Uns verbinden keine Erinnerungen, keine Zeit als Hüter und Wächter, keine Gefahren, die wir gemeinsam überwunden haben.

Er ist nicht mein Lucian.

Ich schlucke verbissen gegen den dicken Kloß in meinem Hals an, doch er will nicht verschwinden. Ebenso wenig wie die brennenden Tränen, die sich in meinen Augen sammeln.

Gestern Nacht dachte ich, etwas in seinem Blick gesehen zu haben … Gestern Nacht hatte ich das Gefühl, in die Augen meines Lucians zu blicken.

Doch das muss ein Irrtum gewesen sein.

Mein Lucian existiert nicht. Und er wird auch nie mehr existieren.

Ich schwinge mich in den Sattel und ramme dem Tier meine Fersen in die Flanken. Tränenblind und ohne zurückzublicken reite ich davon.

Kapitel 4

Evelyn

Beim letzten Mal, als wir zum Schrein der Erdgöttin gereist sind, mussten wir jeden Weiler, jedes Dorf und jede Stadt abklappern, in der Hoffnung, dass mein Amulett anschlagen und uns zum dritten Wächter führen würde. Wir waren eine gefühlte Ewigkeit unterwegs.

Diesmal halte ich mich zwar abseits der großen Straßen, komme aber doch sehr zügig voran. Die ganze Zeit über reite ich durch Wälder, meide die angrenzenden Felder und Wiesen und schlage einen Bogen, sobald ich die Geräusche von Menschen höre. In meiner Vorstellung war der Schrein eine halbe Weltreise entfernt; in Wahrheit erreiche ich ihn schon am zweiten Tag. Schon von Weitem kann ich das Rauschen der Wellen hören und den salzigen Geruch des Meeres riechen.

Als ich aus dem Wald reite, befinde ich mich auf einer weitläufigen Wiese. Am Waldrand sitze ich ab, tätschele meinem Reittier kurz den Hals und schnappe mir den Beutel mit dem restlichen Proviant. Ich binde das Tier nicht an, schließlich weiß ich nicht, wann – oder ob! – ich zurückkomme. Das wäre ihm gegenüber nicht fair. Vielleicht findet es sogar den Weg nach Hause.

Das hohe Gras reicht mir bis zur Hüfte. In der Mitte der Wiese befinden sich mehrere Felsen. Ich weiß, dass zwischen ihnen ein Weg tief unter die Erde führt, hinab zum Schrein der Göttin.

An diese Höhle habe ich nur wenige erfreuliche Erinnerungen … Daher wende ich mich schnell ab und schaue auf das Meer. Stetig brechen sich die Wellen an einem kleinen Strand, der aber schon nach wenigen Metern in die Wiese übergeht. Die Grenze des Erd- und des Wasservolkes. Weit hinten am Horizont meine ich die Insel der Fischmenschen zu sehen, doch ich bin mir nicht sicher.

Ich gehe hinunter zum Strand und laufe dort eine Weile entlang, den Blick stets auf das Wasser gerichtet. Unter der glitzernden Oberfläche huschen Fische umher, die hin und wieder zum Luftholen nach oben kommen und dadurch kleine Wellen auslösen.

Seufzend gehe ich in die Hocke und hebe einen Stein auf, den ich ins Meer werfe. Früher oder später werden die Fischmenschen auf mich aufmerksam werden. Ich kann nur hoffen, dass sie mir so lange zuhören werden, um mich anschließend zu Letizia zu bringen.

Meine Hand wandert zu meiner Halsbeuge und fast meine ich, den Biss des Fischmenschen erneut zu spüren. Seine zweireihigen, nadelspitzen Zähne, die mich an das Gebiss eines Haies erinnern, haben sich dort in meine Haut gegraben … Heute erinnert nur noch eine blasse, unauffällige Narbe daran. Auch das fällt unter die Kategorie ›Muss ich nicht noch mal haben‹.

»Na, kleines Menschlein?«, gurrt eine Stimme direkt neben mir. Vor Schreck kippe ich nach hinten um und starre auf die Stelle, von der aus die Stimme kam. Aus dem Wasser taucht ein Kopf auf. »So ganz allein hier?«

Mit einem Blick aus den hellen, fast weißen Augen mustert mich der Fischmann interessiert und seine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen. Seine Haut glänzt feucht und schleimig in der Sonne und ich kann ein Schaudern nicht unterdrücken. Verbissen schlucke ich meinen Ekel hinunter und konzentriere mich wieder darauf, warum ich hier bin.

»Ich suche jemanden«, presse ich hervor. »Vielleicht kannst du mir helfen?«

Seine Lippen teilen sich und entblößen ein schauriges Gebiss. Am liebsten würde ich das Gesagte zurücknehmen und schleunigst weiter zurück an Land krabbeln, doch ich beiße mir auf die Zunge. Ich darf jetzt nicht kneifen.

»Vielleicht kann ich das«, säuselt er. »Wen genau suchst du denn?«

»Eine von eurem Volk. Ihr Name ist Letizia und sie ist eine Wächterin.«

Sein Grinsen erstirbt. »Was will denn eine vom Erdvolk von einem unserer Wächter?«, fragt er misstrauisch.

»Ich kenne sie. Sie hat mir geholfen. Und ich kenne auch euren Hüter.« Ich greife nach oben und schlage die Kapuze zurück. Keine Ahnung, ob die Farbe meiner Haare auf ihn ebenfalls eine solche Wirkung hat wie auf das Erdvolk, aber ich lasse es auf einen Versuch ankommen. »Thunderstrike stammt aus der gleichen Welt wie ich.«

»Du bist ganz schön mutig«, zischt der Fischmann. »Oder dumm. Wenn du tatsächlich aus der Welt meines Hüters kommst, bist du mein Feind. Ich könnte dich jederzeit unter Wasser ziehen. Dort hast du keine Chance gegen mich.«

Möglichst unbeeindruckt zucke ich mit den Schultern. »Schon möglich. Es bringt dir aber nichts, mich zu töten. Auch wenn ich ebenfalls nicht von dieser Welt bin, so bin ich doch nicht die Hüterin. Ich möchte einfach nur zu Letizia, um mich für ihre Hilfe zu bedanken. Kannst du ihr sagen, dass ich hier am Strand auf sie warte?«