Nerz auf nackter Haut - Staf Bischoff - E-Book

Nerz auf nackter Haut E-Book

Staf Bischoff

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Beschreibung

Die Wangen von Sylvie röteten sich hektisch. Selige Anstrengung ließ ihr Gesicht erglühen. Der sinnlich geschwungene Mund hatte sich in stummer Lust geöffnet. Die feuchte Zungenspitze strich unstet über die glänzenden Lippen und signalisierte höchste Erregung. Der Gegendruck ihres Leibes ließ mich die bedingungslose Bereitschaft spüren. Die zügellose Ekstase elektrisierte die Nerven bis in die allerletzten Enden. Trotz aller Triebhaftigkeit verloren ihre wilden Bewegungen zu keiner Sekunde etwas von der leidenschaftlichen Anmut und Harmonie.-

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Staf Bischoff

Nerz auf nackter Haut

Roman

Nerz auf nackter Haut

Copyright © 2017 Zettner Verlag und Staf Bischoff

All rights reserved

ISBN: 9788711717639

1. Ebook-Auflage, 2017

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Zettner Verlag und Autors nicht gestattet.

Der gedämpfte Schein der Nachttischlampe umschmeichelte Sylvias nackten Leib. Er verstärkte den animalischen Reiz des bezaubernden Mädchens, dem kaum ein Mann sich hätte entziehen können.

Schweigend betrachtete ich die Schlafende, die sich im Traume wohlig rekelte. Mein Blick liebkoste das hübsche Gesicht, das von einer üppigen schwarzen Haarflut umrahmt wurde. Die Korkenzieherlocken flossen weich über die schmalen Schultern, um neben den kleinen, festen Brüsten im Laken zu versiegen. Auf den schwellend gerundeten Hüften Sylvias blieben meine Blicke einen Moment lang haften, ehe sie sich unter einem beinah übermächtigen Zwang in den leicht geöffneten Schritt bohrten, der selbst im kindlichen Schlummer des Mädchens noch sinnlich einladend lockte.

Sylvias Mund verzog sich lächelnd. Langsam schlug sie die langen Wimpern auf und sah spöttisch zu mir hoch: „Nun, gefalle ich dir wenigstens?“

Ich nickte beeindruckt.

„Es ist schön, sich in wehrloser Nacktheit beobachtet zu fühlen.“ Sie erschauerte zufrieden, und eine leichte Gänsehaut kräuselte sich auf ihrem Busen.

Als ich noch immer schwieg, richtete sie sich leicht auf. Sie stützte sich mit den Ellenbogen ab und beobachtete scheinbar interessiert das Spiel ihrer rot lakkierten Zehen, die sich vergeblich in das zerknüllte Bettlaken zu krallen versuchten.

Endlich hob sie wieder den Blick und sah mir prüfend ins Gesicht. Ihre Rechte streichelte verspielt meine Brust, tastete sich sodann zielstrebig zu meinen unruhigen Lenden hinunter und umschloß in plötzlicher Koketterie mein unübersehbares Liebespfand, das sich in deutlicher Erregung reckte.

„Du machst mich schon wieder verrückt“, flüsterte ich mit unkontrolliert rauher Stimme. Ich drückte Sylvia zurück in die Kissen und beugte mich verlangend über sie.

Sie schloß die Lider erneut und ließ mich widerstandslos gewähren. Ihre weiß schimmernden Schenkel öffneten sich fast von selber, als ich mich drängend zwischen ihre unruhigen Beine kniete, die unvermittelt zu beben begannen.

„Komm!“ hauchte sie lieb. „Ich wurde vor Sehnsucht nach deinem Körper wach. Jetzt nimm mich! Hart und männlich!“

Ich küßte ihre feuchten Lippen. Dann drückte ich meinen Mund in die Schlucht zwischen ihren duftenden Brüsten. Meine Fingerkuppen umkreisten die rosigen Spitzen, die sich vielversprechend zu versteifen begannen.

„Du machst mich verrückt“, flüsterte Sylvia mit angehaltenem Atem. „Du kennst meine sterblichsten Stellen!“

Ihr Schoß drängte sich mir verlangend entgegen. Ohne Zögern drang ich in sie ein.

Sylvia zuckte zusammen. Mit einem unbeschreiblichen Glücksgefühl, das sich nicht verheimlichen ließ, genoß sie den übermächtigen Rausch, den mein Glücksbringer in ihrem heiß fiebernden Schoß zu entfesseln begann.

Ihre Wangen röteten sich hektisch. Selige Anstrengung ließ ihr Gesicht erglühen. Der sinnlich geschwungene Mund hatte sich in stummer Lust geöffnet. Die feuchte Zungenspitze strich unstet über die glänzenden Lippen und signalisierte höchste Erregung. Der Gegendruck ihres Leibes ließ mich die bedingungslose Bereitschaft spüren.

Berauscht fühlte ich, wie mächtig mein Phallus ihre warme Scheide ausfüllte. Jede Bewegung ihres Unterleibs verursachte einen beinah unerträglichen Kitzel in den sensiblen Nerven meines stolzen Schweifes, der unbeherrscht zu zucken begann.

Fest miteinander verschweißt, wiegten sich unsere Leiber im Takt der hemmungslosen Leidenschaft. Immer schneller wurde der Rhythmus. Immer heißer kochte unser Atem. Und immer sieghafter wurden meine Stöße, die Sylvia zur Weißglut reizten.

„Aaah“, stöhnte sie schmelzend, während sie weich und dennoch zielstrebig gegenhielt. „Du machst mich zu deinem willenlosen Werkzeug! Ich bin wie Wachs in deinen Händen!“

Nicht nur in meinen Händen. Ihre gespreizten Beine ragten jetzt suchend in die Luft. Dann schlangen sie sich so drängend um meine Lenden, daß die zierlichen Füße sich hinter meinem Rücken berührten. Einer Zange gleich umklammerte sie meinen Unterleib, als wolle sie mich für alle Ewigkeit festhalten. Mir schien, als könne sie meine Ausdauer ins Endlose verlängern.

Fest wie eine elastische Manschette, umschlossen die Scheidenmuskeln meinen Holm, der den übermächtigen Druck vergeblich zu sprengen versuchte. Eng und elastisch schmiegten sie sich um den Penis, um sich von ihm provozieren zu lassen.

„Du bist wunderbar! Ich schmelze vor Lust!“ Sylvia wand sich in erfülltem Begehren auf dem Laken, das längst durchgeschwitzt war. Unaufhaltsam bahnte sich ein explosiver Höhepunkt an.

Der Liebesrausch peitschte die Sinne auf und lähmte den Verstand. Dampfend klebte Haut auf Haut. Silbernes Naß glänzte auf unseren wogenden Leibern. Die zügellose Ekstase elektrisierte die Nerven bis in die allerletzten Enden.

Der Orgasmus übermannte uns beide fast gleichzeitig. Noch einmal bäumte ich mich hoch. Dann ging ich völlig in Sylvia auf, die meine Eruption mit einem unterdrückten Aufschrei quittierte.

Gemeinsam erreichten wir nach dem heftigen Sturm den ruhigen Hafen, der Erfüllung hieß.

Aber erst, als Sylvias Erregung verklungen war, löste ich mich von ihr.

Mit einem bedauernden Seufzer entließ sie meinen kleinen Zauberstab aus der heißen Muschel. Dann lehnte sie sich erschöpft an meine Brust, als suche sie Schutz und Geborgenheit.

„Du bist eine zauberhafte Geliebte“, flüsterte ich zärtlich. Mein Blick war in imaginäre Fernen gerichtet. Meine Finger glitten streichelnd durch Sylvias blauschwarzes Haar.

„Im Bett verstehen wir uns glänzend“, nickte sie nachdenklich. Ihre Stimme klang süß und sündig zugleich.

„Das ist doch wenigstens etwas!“

„Zu wenig“, flüsterte sie bedauernd. „Du hast so selten Zeit für mich. Und wenn es am schönsten wird, mußt du wieder fort!“

„Schicksal.“ Ich hüstelte verlegen. „Kein Tag dauert länger als vierundzwanzig Stunden. Ich kann nichts daran ändern.“

„Heute bleibst du aber bei mir?“ Sie tippte unkonzentriert mein Glied an, das doch keiner Heldentat mehr fähig war. Trotzdem umschlossen ihre Finger es bittend. „Wir könnten noch so viel Spaß miteinander haben!“

„Sorry!“ Ich sah unauffällig auf die Uhr. „Gleich läutet der Wecker. Du weißt, daß ich verabredet bin. Von diesem Termin hängt sehr viel für mich ab.“ „Ich bin dir nicht so wichtig wie dein Beruf!“ Ihre Hand ließ mich frei. „Nennt man das Liebe?“

„Man nennt es Pflicht.“ Ich küßte sie sanft auf die Nasenspitze. „Immerhin brauche ich sehr viel Geld, um dich verwöhnen zu können. Mit einem Hungerleider ist dir bestimmt nicht gedient.“

„Wenn man es so betrachtet, dann hast du selbstredend recht!“ Sie gab sich einen Ruck. Ihre schlanken Beine schwangen sich über den Bettrand. Die zierlichen Füße tasteten nach den hochhackigen Hausschuhen, deren Eleganz ihre Unbequemlichkeit vergessen ließ.

In atemberaubender Natürlichkeit schritt Sylvia wiegend zum Badezimmer. Sie trug ihre Nacktheit wie ein kostbares Gewand. Sie war sich ihrer makellosen Schönheit zu jeder Sekunde voll bewußt.

An der Tür blieb sie stehen und wandte sich noch einmal um: „Ich werde heute abend wieder auf dich warten!“

In ihren Augen funkelte Katzengold. Es war ein verheißungsvolles Glitzern.

Als ich zu meinem Verleger kam, erwartete er mich bereits. Er nötigte mich in seinen bequemsten Sessel und dozierte: „Schreiben Sie doch einmal einen heiteren Roman! Nicht zu lang, nicht zu kurz, dafür aber mit geschliffenem Humor, mit einem Hauch tiefer Bedeutung und natürlich von allgemeinem Interesse! Na, Sie wissen schon, was die Leute heute so brauchen. Einen handfesten Hintergrund muß die Sache selbstverständlich haben, zum Beispiel die Dolomiten! Lassen Sie die Probleme des Alltags nicht aus den Augen! Greifen Sie ganz einfach hinein ins volle Menschenleben!“

„Und wo man‘s packt, da ist es interessant!“ Ich kenne auch unsere Klassiker. Vielleicht sogar besser als er, weil er doch bei jedem meiner Romane nur immer zusetzt und deshalb vor lauter Sorgen kaum zum Lesen kommt.

„Richtig“, bestätigte er erfreut. „Sie haben es erfaßt. Darum will ich vergessen, daß mich Ihre unverkäuflichen Werke bisher stets an den Rand des Ruins gebracht haben!“

Dabei baute er sich von meinem Geld bereits die zweite Villa in Lugano, mit Swimmingpool und vier Garagen, versteht sich.

„Ich habe da eine Tante“, fuhr er wohlwollend fort.

„Wenn Sie die Geschichte noch besonders würzen wollen, also eine Tante, die heiratete mit achtzig Jahren ihren sechsten Mann. Ich kann Ihnen nur sagen, wirklich putzig. Und nun ans Werk!“

Im Vorzimmer verdaute ich erst einmal die diktatorischen Anregungen meines Verlegers in aller Ruhe. Seine Sekretärin Rosalinde half mir dabei.

Rosalinde ist ein hübsches Mädchen, gut gebaut. Kein Wunder, immerhin hat ihr Vater sich einen ausgezeichneten Ruf als überdurchschnittlich begabter Architekt erworben.

„Du mußt aktiver werden!“ spornte Rosalinde mich an. „Du solltest die Leute herausreißen aus ihrem langweiligen Trott! Leg den Finger auf die Wunden des Alltags!“

Sie sah allerliebst aus, als sie das sagte. Aber leider bin ich schon verheiratet, und sogar recht glücklich. Ich schüttelte nachdenklich meinen klugen Kopf.

„Das kann ich nicht“, sagte ich nach einer gedankenschweren Pause düster. „Ich darf keine guten Romane schreiben, denn die lehnt der Alte stets ab. Zum Glück kauft sie dann immer die Konkurrenz. Und er ist darüber natürlich böse.“

„Das kommt, weil du überall immer nur halbe Arbeit leistest. Als Schriftsteller, als Liebhaber, als – – –“

In der Tür erschien der gepflegte Goethekopf meines Verlegers: „Wenn meine Sekretärin an Ihren Werken beratend mitarbeiten muß, ziehe ich Ihnen selbstverständlich zehn Prozent ab!“

Dabei tat er das schon immer. Und das, wo doch die Preise in jedem Jahr um mindestens zehn Prozent stiegen.

„Bitte!“ sagte ich schneidender als beabsichtigt.

„Überdies bekommen Sie sowieso fünfzig Prozent. Der Druck meiner Bücher kostet dreißig, und zehn Prozent nimmt mir Sylvia zu Hause immer heimlich aus der Brieftasche. Ich arbeite also ohnehin schon für ein denkbar karges Butterbrot.“

„Versuchen Sie es doch mal mit ehrlicher Arbeit!“ riet mir der Verleger Rainer Maria Rauhwolf giftig. Dabei hätte er sich gleich darauf am liebsten auf die Zunge gebissen. Denn es war ja nicht unmöglich, daß ich eines Tages seinen Rat befolgte. Und dann stand er ganz schön da.

Als Rauhwolfs Kopf wieder hinter der Tür verschwunden war, begann Rosalinde: „Dann mußt du etwas ganz Ausgefallenes schreiben!“

„Ja“, nickte ich. „Zum Beispiel über Rainer Maria Rauhwolfs Tante, die mit achtig Jahren ihren sechsten Mann heiratete.“

Da leuchteten Rosalindes Augen auf. „Das ist gut. Aber ich wüßte noch ein besseres Thema! Ich habe da einen Vetter, der betreibt Nacktkultur. Wäre das nicht vielleicht ein außergewöhnlicher Stoff? Denk doch mal darüber nach!“

„Ich weiß nicht so recht“, sagte ich gedehnt. „Vielleicht ein wenig zu außergewöhnlich?“

„Frag doch einfach den Alten!“ riet mir Rosalinde. Sie ist ein ebenso hübsches wie vorsichtiges Mädchen. „Das Thema wird ihn zweifellos begeistern.“ Da betrat ich noch einmal das Arbeitszimmer des Verlegers.

„Vorschuß?“ fragte er mißtrauisch, während er sich in seinem Schreibtischsessel hellwach zurücklehnte. Dabei griff seine Rechte vorbeugend nach dem silbernen Briefbeschwerer.

„Keineswegs!“ Ich ignorierte tapfer das schwere Wurfgeschoß in seiner Hand. „Ich habe da vielmehr eine ausgezeichnete Idee für einen aufregenden Roman!“

„Nun? Ich höre!“ Erleichtert ließ er den Briefbeschwerer wieder los.

„Ich möchte einen heiteren Roman über Nacktkultur schreiben. Das wäre doch gar nicht so übel. Oder?“ Vorsichtshalber zog ich meinen Kopf ein, so weit es ging.

Aber Rainer Maria Rauhwolf war wider Erwarten begeistert. Denn er nickte nur weise und murmelte: „Nicht übel. Wirklich, nicht übel. Daß Sie mir dabei aber keinen Flurschaden anrichten!“

„Ich bin denkbar gut erzogen“, zerstörte ich seine äußerst schwachen Bedenken.

Rauhwolf war langsam aufgestanden. Er sah mir warnend in die Augen und drohte: „Wenn Sie unsittliche Obszönitäten schreiben, dann sind wir beide geschiedene Leute!“

„Und wer bezahlt dann Ihre zweite Villa in Lugano?“ fragte ich hinterhältig.

Da senkte er verschämt den Blick. Ich hatte ihn an seiner verwundbarsten Stelle getroffen.

„Schreiben Sie meinetwegen über Nacktkultur!“ seufzte er resignierend. „Aber schreiben Sie bitte ohne Zoten, falls Sie verstehen, was ich meine! Ich möchte nicht, daß wir mit diesem Roman vermeidbaren Ärger bekommen!“

„Ich bin für mein Fingerspitzengefühl bekannt“, flüsterte ich gekränkt und verließ Herrn Rauhwolf in gemessener Eile. Er sah mir mit gemischten Gefühlen nach.

„Hat er das Thema akzeptiert?“ fragte Rosalinde gespannt, als ich das Vorzimmer wieder betrat.

„Natürlich.“ Ich warf mich stolz in die Brust. „Meine Vorschläge akzeptiert er immer, weil sie gut sind.“

Rosalindes Blicke wanderten hinaus in den sonnigen Frühlingstag. Ihre Augen leuchteten sehnsuchtsvoll wie die Iphigenies, als sie das Land der Griechen mit der Seele suchte.

„Du bist zu beneiden, Henry“, seufzte sie elegisch. „Du fährst jetzt sicher zu irgendeinem Club für Freikörperkultur, wo moderne Menschen sich in Licht, Luft und Sonne baden. Ich aber muß in diesem staubigen Vorzimmer herumsitzen. Du ahnst ja nicht, wie gern ich dich begleiten würde!“

Ich ahnte es. Und ich bedauerte Rosalinde aus tiefstem Herzen. Allerdings wurde mein Mitgefühl von der Sorge überschattet, wie ich Sylvia meinen bevorstehenden Aufenthalt bei den Nudisten erklären sollte. Denn zweifellos glaubte sie mich in deren Gefilden an Leib und Seele gefährdet, zumal mich die Studien für meinen Roman dort eine geraume Weile festhalten würden. Ich dachte so an drei oder vier Wochen. Denn eine gute Story braucht ihre Zeit. Und Rainer Maria Rauhwolf konnte ruhig ein paar Spesen ausspucken. Die Aufwandsentschädigung für Bekleidung fiel ja weg. Allerhöchstens war ein Sombrero nötig, vielleicht auch eine Sonnenbrille.

Ich brauchte allerdings weder Sombrero noch Sonnenbrille. Denn der Roman über die Anhänger der Nacktkultur wurde nicht geschrieben. Zumindest vorläufig nicht. Am nächsten Morgen nämlich rief Rainer Maria Rauhwolf mich bereits in aller Herrgottsfrühe an. Er riß mich aus den allerschönsten Träumen.

Ich war noch völlig schlaftrunken, als ich mich aus dem Bett direkt ans Telefon stürzte. Hätte ich allerdings gewußt, wer meinen verdienten Schlummer störte, wäre ich ungerührt liegengeblieben. Aber Fernsprecher üben auf die meisten Menschen eine magische Anziehungskraft aus. Besonders, wenn sie läuten.

„Haben Sie Ihre Arbeit schon begonnen?“ wollte Rauhwolf ohne höfliche Einleitungsfloskeln wissen. Ich wurde nur allmählich wach. Deshalb sagte ich auf alle Fälle: „Selbstverständlich, hochverehrter Herr Verleger! Seit vierzehn Stunden bereits tippe ich mir auf der Maschine die Finger wund!“

Man soll niemals seine Faulheit dokumentieren. Die Menschen honorieren Müßiggang denkbar schlecht. „Dann schmeißen Sie das begonnene Manuskript gefälligst in den Ofen!“ riet mir Rauhwolf überaus freundlich. „Wir machen nämlich einen ganz anderen Roman!“

Mit „Wir“ meinte er mich. Er sprach immer im Plural, obwohl stets nur einer wirklich arbeitete, während der andere das Geld kassierte. Aber im Leben geht es immer ungerecht zu.

„Selbstverständlich“, nickte ich, wenngleich er mich nicht sehen konnte. „Machen wir eben einen anderen Roman.“

Dabei überlegte ich mir, daß Rosalinde sehr traurig sein würde. Nun konnte ich im Vorspann nicht mehr schreiben: „Nach einer Idee von Rosa Linde.“

„Im Mittelpunkt unseres neuen Romans stehen die Ohrwürmer“, informierte mich der Verleger emsig. „Diese Burschen haben ein bißchen Publicity nämlich dringend nötig.“

Die „Ohrwürmer“ waren ein literarisches Kabarett, das seine Texte von Rainer Maria Rauhwolfs Verlag bezog. Das bedeutete zwangsläufig, daß die „Ohrwürmer“ dem sicheren Ruin entgegensteuerten. Denn Rauhwolf hatte mich bisher immer wieder erfolgreich daran gehindert, an ihren Texten mitzuarbeiten. Und mit mittelschlechten Kalauern können selbst sehr fähige Kabarettisten nicht viel Staat machen. So trug Rauhwolf nachdrücklich zu ihrem Niedergang bei.

„Ich schreibe nicht gerne Nachrufe“, wandte ich mutig ein, weil meine Feder sich lieber mit aufstrebenden Objekten befaßt, was jeder vernünftige Mensch begreifen wird.

„Sie schreiben!“ Rauhwolfs Stimme vibrierte unüberhörbar. Sie nahm eine warnende Färbung an, deren lockendem Nachdruck sich kein finanziell Abhängiger mutwillig entzieht.

„Wie Sie meinen“, lenkte ich rasch ein. „Ich stehe immer zu Ihren Diensten!“

„So ist es recht“, freute sich mein Verleger. Dann wurde er verschwörerisch leise. „Wir werden dem Kabarett der Ohrwürmer zum endgültigen Durchbruch verhelfen. Immerhin sind sie gute Kunden von uns, vielleicht sogar die besten!“

„Wann wollen Sie den fertigen Roman haben?“ Ich hatte es auf einmal überhaupt nicht mehr eilig. Wer sich auf braungebrannte Sonnenanbeter gefreut hat, der schwenkt nur äußerst widerwillig auf Ohrwürmer um. Außerdem würde ihr Weg zum Erfolg symbolisch über meine Leiche führen.

„Fangen Sie sofort an!“ gebot der Herr Verleger.

Ich gehorchte folgsam. Das heißt, ich frühstückte erst einmal ausgiebig und in aller Ruhe. Dann kleidete ich mich an und machte mich auf den Weg zum literarischen Kabarett der „Ohrwürmer“.

In dem winzigen Theater, das einem besseren Stehbierausschank glich, begrüßte mich der Regisseur. Er begrüßte mich sehr freundlich, weil er bereits wußte, daß ich wohlwollend über sein zeitkritisches Etablissement schreiben sollte.

„Sie sind allein hier?“ wunderte ich mich, weil ein Kabarett doch normalerweise immer aus mehreren Personen besteht, auch wenn es noch so wenige sind.

Da rief der Regisseur erleichtert: „Es war blinder Alarm! Alles wieder auftauchen!“

Und schon kamen alle Mitarbeiter ans Tageslicht. Sie krochen aus Schränken heraus und unter den Tischen hervor. Sie traten aus den Kulissen und der Requisitenkammer in mein Blickfeld. Es war wie in der Mär vom Wolf und den sieben Geißlein.

„Was bedeutet dies?“ wollte ich wissen.

„Wir wähnten in dem frühen Besucher den Herrn Gerichtsvollzieher“, belehrte mich ein entzückendes Mädchen mitleidig. Vermutlich hielt die Schöne mich für weltfremd und hoffnungslos rückständig. Denn sie ergänzte salopp: „Der Lümmel pfändet einfach alles, was ihm in die Krallen fällt!“

„Steht es wirklich so schlimm?“ Ich wandte mich an den Regisseur.

„Und ob!“ Er nickte bekümmert. „Der Gerichtsvollzieher ist bei uns Stammgast. Die hohen Unkosten und unsere soliden Preise, die konstant fortschreitende Teuerung, und unsere maßhaltende Finanzgestaltung treiben uns geradezu in den Bankrott!“

Ich nickte verstehend und warf tröstend ein: „Auch ich bin ein Opfer der momentanen wirtschaftlichen Misere. Ich arbeite lediglich für ein Margarinebrot und einen Maggiwürfel.“

Da brachte jemand eine Flasche Cognac und ließ sie reihum gehen. Ein älterer Mime dozierte wissend: „Nur was man im Magen hat, das ist vor dem Gerichtsvollzieher sicher.“

Ich nahm noch einen kräftigen Schluck und begann sodann, die Räume hinter der wurmstichigen Bühne zu besichtigen. Schließlich mußte ich mich ja sachkundig machen, ehe ich zu schreiben begann.

In der Künstlergarderobe schaute ich mir die Kostüme an. Das heißt, es waren eigentlich keine Kostüme mehr vorhanden. Die hatte der Gerichtsvollzieher längst gepfändet. Deshalb vermutlich, treten die Künstler in den meisten Kabaretts stets in ihrer Straßenkleidung auf. Ich bin mir sicher, daß ich damit kein Geheimnis verrate.

In der Garderobe hing nur ein einziges Kostüm. Vielleicht hatte der Gerichtsvollzieher es vergessen. Vielleicht ist er aber auch zu schamhaft gewesen, damit durch die belebten Straßen zu wandern. Denn es war ein mannsgroßes Affenfell samt hohlem, markantem Kopf. Ein ausgefranstes, zotteliges Fell zwar, aber ein sehr dekoratives. Vermutlich hatte es zu Lebzeiten ein riesiger Menschenaffe, auch Gorilla genannt, getragen. Denn es sah verblüffend echt aus.

Ohne lange zu überlegen, schlüpfte ich probeweise in das Haarkleid. Den Charakterkopf stülpte ich mir über. Die neue Montur paßte mir wie angegossen. Im Vollgefühl meines edlen Aussehens trat ich vor einen halbblinden Spiegel. In der Tat, ich wirkte sehr echt und gewaltig. Selbst Sylvia hätte mich in diesem Aufzug nicht wiedererkannt. Und Rainer Maria Rauhwolf erst recht nicht.

Als ich mich auf der Bühne den Künstlern zeigte, krönte frenetischer Applaus meine Verwandlung. Ich war richtig stolz auf mich. Denn ein wenig Anerkennung braucht nun mal jeder Mensch.

Aber plötzlich stoben die Ohrwürmer auf einen leisen Warnruf auseinander. Mit einer Geschwindigkeit, die ich Schauspielerin niemals zugetraut hätte. Verständnislos blickte ich in die Runde. Und dann sah ich ihn!

In der Tür stand die imponierende Gestalt des Gerichtsvollziehers Reinhold! Ich kannte ihn bestens, weil er bei jeder sich bietenden Gelegenheit auch immer zu mir pfänden kam. Aus seinen häufigen Besuchen hatte sich zwangsläufig ein eher freundschaftliches Verhältnis entwickelt, das nur hin und wieder durch Reinholds obwaltende Amtshandlungen getrübt wurde, welche mit der Zeit allerdings recht selten geworden waren, weil es bei mir kaum noch etwas zu holen gab. Irgendwann schöpft sich auch der tiefste Brunnen leer.

„Niemand hier?“ dröhnte Reinholds fragender Baß durch den Musentempel, den nur noch ich allein auf dem Präsentierteller der Bühne bevölkerte.

Ich stand mir regelrecht im Wege. Dabei wäre ich am liebsten im Erdboden versunken, weil Reinhold seinen säumigen Schuldnern gegenüber äußerst unangenehm zu werden vermag. Bei seinen letzten vier oder fünf Besuchen hatte ich ihm bereits nicht mehr die Wohnungstür geöffnet, weshalb ich ihm hier am allerwenigsten unter die staunenden Augen treten wollte.

„Niemand hier“, brummte ich mit mühsam verstellter Stimme.

„Sind Sie ein Ohrwurm?“ wollte Reinhold wissen, indem er mir unangenehm nah auf den Pelz rückte.

„Nein, ich bin kein Ohrwurm!“ Ich wandte mich betont lässig um und strebte unauffällig dem Notausgang zu.

Aber ich kam nicht weit. Kaum hatte ich die ersten Stufen der abwärtsführenden Treppe erreicht, als Reinhold hinter mir herrief:

„Sind Sie etwa der Schriftsteller Henry George?“

Ich stimmte mein Organ noch um einige Terzen tiefer: „Nein!“

„Doch!“ jubelte er sieghaft. „Du bist es, Henry! Du bist es! Ich erkenne dich an deiner unverwechselbaren Stimme!“ Da sprang ich wie der Leibhaftige die Treppe hinunter.

„Warte doch, Henry!“ rief Reinhold flehend hinter mir her. „Ich habe einen Haftbefehl gegen dich in der Tasche! Warum auch bist du nicht vor Gericht zum Offenbarungseid erschienen?!“