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Eine verlorene Liebe und die Kraft der Heimkehr
Der herzerwärmende Liebesroman zum Wohlfühlen
Jenna sollte eigentlich überglücklich sein, denn ihr Freund Eric macht ihr völlig unerwartet einen Antrag. Doch sie zweifelt schon seit einer Weile an ihrer Beziehung und weiß nicht, was sie tun soll. Deshalb kehrt sie nur zu gern in ihr Heimatsdorf Little Falls zurück, wo ihre Eltern Hilfe in der Bäckerei für die Vorbereitungen des großen Stadtjubiläum benötigen. Das einzige Problem an der Sache: Ausgerechnet auf der gegenüberliegenden Straßenseite arbeitet ihre Jugendliebe Cole, der in ihr längst vergessene Gefühle erweckt …
Cole liebt sein ruhiges Leben und die gewohnte Arbeit in seinem kleinen Diner in Little Falls. Leider bringt das bevorstehende Jubiläum allerlei Trubel in seinen geordneten Alltag, weil er ein besonderes Sandwich für den Anlass kreieren soll. Als wäre das nicht schon kompliziert genug steht plötzlich Jenna vor ihm, die sein Herz noch immer höher schlagen lässt …
Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits erschienenen Titels Neuanfang in Little Falls.
Erste Leser:innenstimmen
„Ich liebe das idyllische Kleinstadt-Setting und freue mich riesig auf weitere Liebesgeschichten aus Little Falls!“
„Romantische, herzerwärmende und wundervolle Lektüre.“
„Ein Liebesroman zum Versinken und Wegträumen!“
„So schön geschrieben, dass einem die Bewohner von Little Falls direkt ans Herz wachsen.“
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Seitenzahl: 383
Jenna sollte eigentlich überglücklich sein, denn ihr Freund Eric macht ihr völlig unerwartet einen Antrag. Doch sie zweifelt schon seit einer Weile an ihrer Beziehung und weiß nicht, was sie tun soll. Deshalb kehrt sie nur zu gern in ihr Heimatsdorf Little Falls zurück, wo ihre Eltern Hilfe in der Bäckerei für die Vorbereitungen des großen Stadtjubiläum benötigen. Das einzige Problem an der Sache: Ausgerechnet auf der gegenüberliegenden Straßenseite arbeitet ihre Jugendliebe Cole, der in ihr längst vergessene Gefühle erweckt …
Cole liebt sein ruhiges Leben und die gewohnte Arbeit in seinem kleinen Diner in Little Falls. Leider bringt das bevorstehende Jubiläum allerlei Trubel in seinen geordneten Alltag, weil er ein besonderes Sandwich für den Anlass kreieren soll. Als wäre das nicht schon kompliziert genug steht plötzlich Jenna vor ihm, die sein Herz noch immer höher schlagen lässt …
Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits erschienenen TitelsNeuanfang in Little Falls.
Überarbeitete Neuausgabe Januar 2024
Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten
E-Book-ISBN: 978-3-98778-886-4 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98778-894-9 Hörbuch-ISBN: 978-3-98778-898-7
Copyright © 2021, dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2021 bei dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH erschienenen Titels Neuanfang in Little Falls (ISBN: 978-3-96817-800-4).
Covergestaltung: ArtC.ore-Design / Wildly & Slow Photography unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © Kurt, © ABUELO RAMIRO, © vxnaghiyev Lektorat: Carolin Diefenbach
E-Book-Version 02.08.2024, 11:08:34.
Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.
Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
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Eine verlorene Liebe und die Kraft der HeimkehrDer herzerwärmende Liebesroman zum Wohlfühlen
Ich freue mich riesig über die Neuauflage meiner Little Falls-Reihe. Deshalb habe ich für die inoffizielle Tourismus-Seite meiner fiktiven Kleinstadt einen ersten Beitrag erfasst.
Viel Spaß beim Lesen und eine unvergessliche Reise wünscht
Karin Bell
Die malerische Kleinstadt Little Falls liegt im Herzen von Connecticut und versprüht zu jeder Jahreszeit ihren ganz besonderen Charme. Doch besonders schön ist es bei uns, wenn sich die Blätter bunt färben und endlich unsere liebste Jahreszeit anbricht.
Ob Natur oder doch lieber Kultur und Unterhaltung. Wir haben für Groß und Klein das passende Angebot.
Die Top 5 Unternehmungen im Herbst
1. Einkaufsbummel auf der herbstlich geschmückten Main Street
2. Halloweenparty im Bed & Breakfast (nicht nur für Gäste)
3. Verkostung der neuesten Zimtschnecken-Kreationen in der örtlichen Bäckerei
4. Lesung in Josephines Buchladen bei leckeren Snacks
5. Wandern mit den Senioren des Schachclubs
„Na, wer schleicht sich denn da in die Backstube?“ George Collins schaltete die große Knetmaschine aus und sah seine Enkeltochter Jenna amüsiert an.
„Ich bin’s, Grandpa“, klärte sie den grauhaarigen Mann lächelnd auf und kam näher. „Hab ich doch richtig gehört, das Monstrum ist in Betrieb.“ In sicherer Entfernung blieb sie vor der riesigen Maschine stehen, die nicht nur ziemlich laut war, sondern ihr auch etwas Angst machte. Mit Neugier in der Stimme fragte sie: „Probierst du einen neuen Keksteig aus?“
George wischte sich die mehlbestäubten Hände an der Schürze ab, anschließend winkte er das Mädchen zu sich. „Mmh, eine ganz neue Kreation. Du kommst genau richtig zum Kosten.“
Jenna warf einen schnellen Blick über die Schulter, ob ihre Mom nicht in der Nähe war – sie mochte es nicht so gerne, wenn sie rohen Teig naschte –, dann lief sie zu ihrem Grandpa.
„Was ist dieses Mal drin?“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, konnte aber nichts erkennen.
„Karamell und Schokodrops“, informierte dieser sie mit geheimnisvoller Stimme, danach hob er mahnend den Zeigefinger. „Aber nur ein bisschen, hörst du?“
Jenna nickte eilig und verfolgte, wie der Bäckermeister mit einem Löffelchen eine kleine Portion abmaß. Mit erwartungsvoller Freude nahm sie den Löffel entgegen und probierte. Dabei verzog sie kritisch das Gesicht. Im ersten Moment schmeckte sie nur die leicht herbe Schokolade, die sie nicht besonders überzeugte. Sie schloss die Augen, um sich zu konzentrieren, schließlich wartete ihr Grandpa auf eine fachkundige Meinung, und dann passierte es. Der süße Karamell vermischte sich mit der Schokolade und löste eine Geschmacksexplosion auf ihrer Zunge aus. „Grandpa, du bist ein Genie! Wann geht diese Geschmacksrichtung in Produktion?“
George lachte laut. „Immer langsam, meine Kleine. Ich muss das erst mit deiner Grandma absprechen.“
„Grandma wird begeistert sein und die Cassidy-Brüder auch“, bemerkte sie voller Zuversicht.
„Das glaube ich sofort.“ Er legte den Kopf schief, gleichzeitig breitete sich ein liebevolles Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Du bist gerade auf dem Weg zum Diner?“
Jenna drehte sich einmal im Kreis, denn sie liebte es wie sich der Stoff aufbauschte. „Ja, wie immer am Sonntagnachmittag … Und mit meinem neuen Kleid.“
„Das ist mir gleich als Erstes aufgefallen. Es sieht sehr hübsch aus. Aber du solltest dich besser beeilen, Cole wartet bestimmt schon.“
„Grandpa, das ist doch kein Date!“ Sie schüttelte in gespielter Fassungslosigkeit den Kopf, wandte sich jedoch trotzdem zum Gehen. Sie wollte auf keinen Fall riskieren, dass er ihre Verspätung als Absage sah und ging.
„Weiß ich doch, mein Schatz“, rief ihr der ältere Mann amüsiert hinterher und schaltete kurz darauf erneut die Knetmaschine an. „Bis später und viel Spaß!“
„Danke, Grandpa!“ Jenna verließ eilig die Backstube, durchquerte die Bäckerei und rannte geradezu über die Main Street auf den Diner zu. Für einen Moment vergaß sie sogar, dass sie in ihrem besten Sonntagskleid steckte und mit ihrem Spurt einen alles andere als damenhaften Eindruck machte. Erleichtert atmete sie auf, als sie die drei Brüder hinter der Scheibe entdeckte und kurz darauf den Diner betrat.
„Hallo, Jenna!“, begrüßte Emilia Marsh das Mädchen erfreut. „Einen Erdbeershake, wie immer?“ Die Chefin des Diners steckte wie jeden Tag in einer gestärkten Schürze, die grauen Haare zum Dutt hochgesteckt, während ihre Lesebrille an einer Kette um ihren Hals baumelte.
„Sehr gerne, Mrs Marsh“, erwiderte Jenna höflich und grinste Coles Grandma an. Sie fühlte sich sogleich erwachsener, wenn sie selbstständig ihre Bestellung aufgab und nicht ihre Eltern. Ob man ihr auch ansah, dass sie heute unter ihrem Kleid zum ersten Mal einen Mädchen-BH trug, an den sie sich erst noch gewöhnen musste? Aber mittlerweile besaßen all ihre Freundinnen ein derartiges Stück, auch wenn die meisten von ihnen nicht mal ansatzweise in der Pubertät waren – schließlich waren sie erst zehn.
„Dann nimm schon mal Platz, dein Drink kommt sofort.“ Emilia zwinkerte ihr zu und verschwand anschließend in der Küche, in der ihr Ehemann Larry geschäftig mit dem Geschirr klapperte.
„Hi, Jungs!“, begrüßte Jenna die drei Brüder und setzte sich zu ihnen an den Tisch. Bei Coles Anblick, der heute ein Superhelden-T-Shirt trug und Reste seines Schokoshakes am Kinn hatte, machte ihr Herz einen kleinen Hüpfer.
„Da bist du ja endlich“, maulte Clayton, der Mittlere, mit dem größten Ego von allen. „Noch eine Minute länger und ich wäre zum Baseballspielen gegangen.“
„Ich auch“, stimmte ihm der erst vierjährige Chase zu, der mal wieder in seinem heiß geliebten Woody-Kostüm steckte und mit dem kleinen Cowboyhut und dem roten Halstuch einfach zu drollig aussah.
„Lasst sie in Ruhe“, mischte sich Cole grimmig ein, dabei verdrehte er angesichts seiner jüngeren Brüder genervt die Augen.
Jenna konnte sich als Einzelkind nicht vorstellen, ob es nun eher Vorteile oder Nachteile mit sich brachte, Geschwister zu haben. Für den Moment beschloss sie, dass die Nachteile überwogen, denn Chase hatte mittlerweile seinen Zeigefinger in die Nase gesteckt, um etwas, weiß Gott was, herauszuholen, während Clayton ungeniert rülpste.
Jenna atmete tief durch, dann beugte sie sich über den Tisch und kniff die Augen zusammen. „Stellt euch nicht so an, ihr beiden. Wir haben Sonntag, da besteht kein Grund zur Eile. Außerdem habe ich einen guten Grund fürs Zuspätkommen.“
„Und der wäre?“ Clayton hob fragend eine Augenbraue. „Konntest du dich nicht für ein Kleid entscheiden?“
Jenna reckte stolz das Kinn. „Im Gegenteil, ich konnte mich nicht für einen Keksteig entscheiden.“ Dass sie mit dieser Antwort maßlos übertrieb, störte sie überhaupt nicht – Clayton hatte es nicht anders verdient.
„Ein neuer Keksteig?“ Chase zog den Finger wieder aus der Nase und sah Jenna freudestrahlend an. Automatisch rückte sie mit ihrem Stuhl weiter zu Cole, da der älteste der Brüder von allen auch der zivilisierteste zu sein schien. Geheimnisvoll senkte sie die Stimme. „Mein Grandpa ist in diesem Moment dabei, eine neue Kekssorte zu backen – ist alles noch streng geheim.“
„Und du verrätst uns nicht, was drin ist? Wir sind doch Stammkunden“, kam es nun von Cole, der sie mit einem Blick bedachte, der sie beinahe schwach werden ließ. Nein, sie würde nichts verraten und ihrem Grandpa in der Rücken fallen, schließlich gab es so etwas wie Betriebsgeheimnisse. Schwärmerei hin oder her.
„Jungs, quetscht Jenna doch nicht so aus!“ Emilia schüttelte amüsiert den Kopf und servierte ihr den Erdbeershake, der in einem pokalförmigen Glas kam und obenauf mit Sprühsahne und einer Kirsche verziert war. „Bitte schön, meine Liebe, lass es dir schmecken.“
Dankbar nahm sie das Getränk entgegen, das ihr einige Sekunden Ablenkung verschaffte. „Mmh, sehr lecker.“ Genussvoll sog Jenna an dem rot-weiß-gestreiften Strohhalm und erzeugte dadurch laute Schlürfgeräusche.
„Jungs, ihr hattet für heute genug. Für euch gibt es ab sofort nur noch Wasser“, informierte Emilia ihre Enkelsöhne, die mit sehnsuchtsvollen Blicken den Shake anschmachteten.
„Wasser ist nur für Kamele“, maulte Chase und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
Liebevoll lächelnd legte Emilia den Kopf schief. „Du, mein Lieber, kommst jetzt besser mit mir. Wir können in der Küche eine helfende Hand gebrauchen.“
Erleichtert, dass sie wenigstes einen der beiden los war, schnappte sich Jenna die Kirsche, die erst auf ihrem Kleid landete, bevor sie in ihren Mund wanderte. Mist, das gab Ärger. Vor allem, weil ihre Mom nicht einmal wusste, dass sie heute in ihrem neuesten Sommerkleid steckte, das gerade mal vierundzwanzig Stunden alt war. Zerknirscht sah sie zu Emilia, die Chase an die Hand genommen hatte, um ihn mitzunehmen. Besonders der jüngste der Brüder hatte es sich zur Aufgabe gemacht, jede Kleinigkeit ihrer gemeinsamen Treffen auszuplaudern. Klar, er war noch ein halbes Baby, aber niemanden, wirklich niemanden in der Stadt ging es etwas an, dass sie für ihr Leben gern gepunktete Unterhosen trug. Leider war ihr beim letzten Baseballspiel ein kleines Missgeschick passiert, was ebendiese Vorliebe zu Tage gebracht hatte.
Sie bekam immer noch rote Ohren, wenn sie an Coles überraschten Blick dachte. Zumindest hatte er sehr geistesgegenwärtig reagiert und ihr in Rekordzeit eine neue Hose organisiert, damit sie nicht halb nackt durch Little Falls hatte laufen müssen. Sie konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen, aber es musste seine Ritterlichkeit an jenem Tag gewesen sein, dass sie ihn auf einmal mit anderen Augen sah.
„Ich komme mit in die Küche“, riss Clayton sie aus ihren Träumereien und folgte Emilia. „Hier ist es mir zu schnulzig.“
Jenna sah entgeistert zu Cole, der mit einem Mal knallrot angelaufen war und seine Augen starr auf den Milchshake vor sich richtete. Ganz offensichtlich schämte er sich so sehr für die beiden, dass er sie nicht einmal mehr anschauen wollte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit drehte er sich zu ihr. „Tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was heute mit denen los ist.“
Jenna verzog mitfühlend den Mund, dann erwiderte sie trocken: „Vielleicht zu viel Zucker oder Sonne!“
Bei Jennas Kommentar zuckte es belustigt um Coles Mundwinkel, bevor er losprustete. „Ich denke beides … Dazu noch Grandpas neues Sandwich mit Spezialsoße.“
„Dein Grandpa hat ein neues Sandwich?“, fragte sie mit großen Augen. Sie liebte Larrys Sandwiches für ihr Leben gern.
„Mmh“, antwortete Cole und grinste wie ein Honigkuchenpferd. „Truthahn mit Speck!“
Schon allein der Gedanke an ein Sandwich, das beide Zutaten vereinte, ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen und ihren Magen laut knurren. Der Erdbeershake war für einen Moment vergessen. „Und was ist in dieser Spezialsoße drin?“
„Betriebsgeheimnis“, erwiderte Cole und zwinkerte ihr frech zu.
Für einen Moment klappte ihr der Mund auf. Ok, Cole war gewiefter, als sie gedacht hatte. Er wollte ihr eindeutig die Zutaten des Keksteigs entlocken. Unentschlossen nagte Jenna auf ihrer Unterlippe und warf einen nachdenklichen Blick zur Bäckerei, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite lag. Ihr Grandpa würde es ihr sicher nicht übel nehmen, bei ihrer Grandma Francis war sie sich dagegen nicht ganz so sicher. Jedoch war ihre Neugierde geweckt und seine Brüder außer Reichweite.
„Okay, du hast gewonnen“, zischte sie ihm zu und lehnte sich dann verschwörerisch zu ihm rüber. „Karamell mit Schokodrops.“
„Lecker, ich liebe Karamell“, bemerkte dieser im Flüsterton und fuhr sich mit der Zunge kurz über die Lippen.
„Aber kein Wort an deine Brüder!“
Cole hob wie zum Schwur die Hand, danach grinste er verlegen. „Versprochen, das bleibt unser Geheimnis.“
Die Tatsache, dass sie jetzt so etwas Wichtiges wie ein Betriebsgeheimnis miteinander teilten, verursachte ein aufgeregtes Flattern in ihrem Bauch – oder war es Coles Lächeln?
„So jetzt bist du dran“, forderte Jenna ihn ungeduldig auf und hob eine Augenbraue. „Was ist in der Spezialsoße drin?“
Cole drehte den Kopf zur Küche, aus der es immer noch geschäftig klapperte, dann hob er entschuldigend die Arme. „Die ist so geheim, dass ich es auch nicht weiß.“
„Du hast mich reingelegt?“ Jenna boxte ihm empört in die Seite. Sie konnte nicht glauben, dass ausgerechnet Cole mit ihrem Vertrauen spielte. Kurz darauf sah sie das amüsierte Zucken um seinen Mund.
„Du weißt es doch!“ Sie boxte ihm erneut auf den Oberarm, den er sich anschließend mit gespielt schmerzverzerrter Miene rieb.
„Okay, ich verrat es dir ja“, erwiderte er lachend und sah erneut zur Küchentür. „Er mischt Parmesanraspel und Zitronensaft unter die Soße.“
„Mmh, diese Kombination muss mich erst noch überzeugen“, antwortete Jenna mit kritischer Miene, als wollte sie in Larry’s Diner Michelin-Sterne verteilen. „Aber der Truthahn und der Bacon sind schon mal nicht schlecht.“
Sie schnappte sich ihren Shake und schlürfte die letzten Reste mit dem Strohhalm aus, dabei beobachtete sie Cole aus dem Augenwinkel, der wieder verstummt war und nervös mit der Serviette spielte. Ihr Schulkamerad und bester Freund war ihr ehrlich ein Rätsel. In einem Moment machte er Witze und im nächsten Moment wirkte er so schüchtern, dass sie sich fragte, ob sie irgendetwas Falsches gesagt hatte.
Sie wollte ihn gerade darauf ansprechen, als er sich plötzlich zu ihr drehte und ihr einen Schmatz auf die Wange gab. Okay, sie nahm alles zurück. Das hatte sich noch keine Junge getraut.
Jenna starrte ihn überrascht an, während ihr Herz aufgeregt klopfte – hatten sie jetzt ein Date? Nur gut, dass Larry und Emilia gleich nebenan in der Küche waren, denn jetzt hatte es sogar ihr die Sprache verschlagen.
Achtzehn Jahre später
„Einmal Rührei mit Speck, zwei Pancakes mit Heidelbeeren und Kaffee.“
Cole servierte die vollbeladenen Teller wie immer mit einem knappen Lächeln auf den Lippen und wandte sich nach einem kurzen „Lasst es euch schmecken“ wieder zum Gehen.
„Danke, Cole, das werden wir“, antwortete die Frau mit bereits vollen Backen und hob kurz den Arm, wobei die schlaffe Haut an ihrem Oberarm munter wackelte. Cole nickte Martha und deren Ehemann Eugene zu und verschwand eilig hinterm Tresen. Sicher war sicher, denn die Bürgermeisterin von Little Falls konnte sehr aufdringlich sein. Einmal in ein Gespräch verwickelt, war es schon zu spät – die Gute redete über nichts lieber als sich selbst.
Am Tisch daneben schien es genau andersherum zu sein. Wie jeden Samstagmorgen hatten sich die Golden Girls von Little Falls zum gemeinsamen Frühstück versammelt, um den neuesten Dorftratsch auszutauschen. Cole schüttelte über die eingeschworene Truppe schmunzelnd den Kopf. Wie praktisch, dass die Damen allesamt direkt an der Quelle saßen. Wo sonst konnte man mehr erfahren als in einer Bäckerei, einem Bed & Breakfast oder einem Buchladen? Er selbst hielt sich aus derlei Tratsch heraus. Dennoch kam es vor, dass er den ein oder anderen Satz aufschnappte, da manche Gäste – insbesondere die älteren Damen – mit der Mäßigung ihrer Stimmen so ihre Probleme hatten.
Das dumpfe Stimmengewirr, das Geklapper von Geschirr und die leise Musik im Hintergrund wirkten beruhigend auf ihn, weswegen er sich für einen kurzen Moment eine Pause gönnte und sich zufrieden umschaute. Dabei stützte er sich lässig mit einer Hand auf der Theke vor ihm ab. Die Einrichtung stammte noch aus der Zeit, als sein Grandpa – der mittlerweile im Ruhestand war – den Diner in den Siebzigern eröffnet hatte. Dazu gehörten die verchromten Tische samt passenden Stühlen und eine holzverkleidete Bar mit vier Hockern. Hier und da hatte Cole ein Regal oder eine Ablage erneuert, aber es war ihm wichtig gewesen, den ursprünglichen Charme des Diners zu erhalten.
Sein Blick wanderte zum großen Sprossenfenster, das von einer halbhohen Bistrogardine geziert wurde, nach draußen. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er den grauhaarigen Mann mit Schnauzbart entdeckte, der geradewegs auf ihn zukam. Automatisch sah er auf die Uhr. Ja, sein Grandpa war pünktlich wie ein Uhrwerk. Kurz darauf schwang die hellblaue Holztür auf und Larry trat gut gelaunt ein. Der ältere Herr steckte in einer groben Strickjacke und derben Stiefeln, unter seinem Arm klemmte ein klappbares Schachbrett aus Mahagoniholz. Nach einer kurzen Begrüßungsrunde nahm er am Tresen Platz.
„Hallo, Grandpa! Dein Essen ist gleich so weit.“
„Guten Morgen, Cole! Das Wetter ist herrlich, nicht? Perfekt für eine morgendliche Runde Schach unterm Pavillon.“ Behutsam legte Larry die kunstvoll verzierte Holzkiste auf dem Tresen ab und schnappte sich die Speisekarte.
Verwirrt sah Cole seinen Grandpa an. „Kein Sandwich heute?“ Er wunderte sich, dass Larry überhaupt einen Blick in die Karte warf, schließlich aß er immer dasselbe – außer mittwochs, am Pancake-Tag.
Sein Grandpa schaute zerknirscht auf. „Ganz ehrlich? Mir kommt das Truthahn-Sandwich zu den Ohren raus. Ich dachte, du würdest hier mal frischen Wind reinbringen, mein Junge.“
In diesem Moment wurde Larrys Sandwich von der Küchenhilfe durch die Durchreiche geschoben. Der knusprige Speck, der noch immer brutzelte, verströmte einen herzhaften Duft, der Cole das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Er schnappte sich den Teller und stellte ihn vor seinem Grandpa auf dem Tresen ab. „Warum etwas ändern, wenn das Alte funktioniert? Wir haben Stammgäste, die genau deshalb kommen.“
Larry drehte sich kurz zu den Golden Girls um und flüsterte in verschwörerischem Ton: „Die Karte ist so altbacken wie unsere Damen.“ Dennoch griff er hungrig nach dem Sandwich. „Ich hab mich auf Reisen inspirieren lassen oder bei der Konkurrenz geschaut. Heutzutage sollte es Dank des Internets einfacher sein.“
„Es ist ja nicht so, dass ich gar nichts geändert habe. Den French Toast gibt es mittlerweile sogar mit Erdbeeren“, erwiderte Cole lässig, während er einen Becher mit Kaffee füllte und ihn seinem Grandpa reichte. Kopfschüttelnd wandte sich Larry wieder seinem Sandwich zu, erwiderte darauf aber nichts.
Erleichtert, dass sein Grandpa endlich Ruhe gab, überprüfte Cole, ob die übliche Morgenrunde versorgt war, und gönnte sich dann ebenfalls einen großen Schluck von seinem Kaffee, den er sich bereits vor dem großen Ansturm eingegossen hatte.
„Foodporn! Das war’s“, stieß Larry lauthals aus und schlug mit der flachen Hand auf den Tresen. „Letztens kam was im Fernsehen darüber – da läuft einem das Wasser im Mund zusammen!“
Cole prustete los, dabei schwabbte der lauwarme Kaffee über den Becherrand und ein großer brauner Fleck breitete sich auf seinem T-Shirt aus. So ein Mist. „Na vielen Dank! Musst du mich so erschrecken, Grandpa?“ Doch sein amüsiertes Grinsen strafte die Rüge Lügen.
Wie ein begossener Pudel sah Larry zu seinem Enkelsohn auf. „Oje.“
„Kein Problem“, winkte Cole lapidar ab. „Wozu hab ich kartonweise T-Shirts für den Diner bestellt – übrigens noch eine weitere Neuerung.“ Mit einem Augenzwinkern drehte er sich um, öffnete den Karton, der hinter ihm im Regal stand, und fischte ein frisches Exemplar heraus. Als er sich wieder umdrehte, hatten sich die Golden Girls und die Bürgermeisterin hinter seinem Grandpa versammelt.
„So kann man sich das Waschen sparen“, bemerkte Martha mit einem amüsierten Lachen.
„Dann zieh dich mal schnell um und weich es ein, sonst bleiben Flecken!“, flötete Josephine. Die Buchhändlerin ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. „Keine Sorge, wir schauen dir schon nichts ab.“
Den erwartungsvollen Augenpaaren nach zu urteilen, hegte Cole daran Zweifel. Aus Mangel an Alternativen zog er das feuchte Shirt dennoch und trotz Unwohlseins eilig über den Kopf, schlüpfte in das neue und brachte die Damen so für einen Sekundenbruchteil in den Genuss seines durchtrainierten Oberkörpers.
„Wie schön das Logo zur Geltung kommt“, schwärmte Dorothy aus dem B & B, während sie auf Coles definierten Brustkorb starrte. „Du solltest die Shirts zum Verkauf anbieten und Tassen drucken lassen!“
Cole sah die Dame, die vom Alter her seine Großmutter sein könnte, skeptisch an.
„Eine tolle Idee, Dorothy. Das wär auch was fürs Stadtfest!“ Martha hob in ausladender Geste die Hand, als sähe sie die Vision schon vor sich. „Cole’s Diner – die besten Burger in Little Falls.“
Cole und Larry wechselten einen amüsierten Blick. Tatsächlich gab es bei Cole nicht nur die besten Burger der Stadt, sondern die einzigen.
„Ich weiß nicht, wer sollte Geld für ein T-Shirt meines Diners ausgeben?“, gab Cole zu bedenken.
„Also ich würde eines kaufen.“ Überrascht drehten sich alle zu Eugene um, der immer noch an seinem und Marthas Tisch saß. Es kam äußerst selten vor, dass sich dieser einmischte. Die meiste Zeit über fiel er nicht einmal auf, besonders wenn er sich, wie jetzt, hinter der Tageszeitung verschanzte.
„Wenn Eugene eins bekommt, will ich auch eins.“ Larry zwinkerte Cole zu. „Ich muss meinen Enkel schließlich unterstützen. Besorg mir eins in ‚Large‘, ich muss meine Plauze verstecken.“
„Wird gemacht! Am besten bestell ich gleich mehrere. So wie ich die Damen kenne, wird die Neuigkeit schneller die Runde machen, als mir lieb ist.“ Cole schenkte den Golden Girls und der Bürgermeisterin ein strahlendes Lächeln, das – wenn es zum Einsatz kam – nie seine Wirkung verfehlte.
Martha mimte für einen kurzen Moment die Gekränkte, dann lächelte sie. „Deine freche Antwort sei dir verziehen, Cole. Euch Cassidy-Brüdern kann man nie lange böse sein. Wenn ich mich da an eure Flausen von früher erinnere!“
„Na, sie haben ja vom Besten gelernt“, brüstete sich Larry und sprang leichtfüßig vom Barhocker. „Eugene, wie sieht’s aus, kommst du mit zum Pavillon?“ Ohne dessen Antwort abzuwarten, schnappte er sich seinen Schachkasten, nickte den Damen zu und lief in Richtung Tür.
„Ja, nimm mich mit. Kannst mich doch nicht zurücklassen“, scherzte der leicht untersetzte Mann übermütig.
Martha schnappte mit gespielter Empörung nach Luft, was ihr Doppelkinn zum Beben brachte. „Pah, und das, nachdem ich dir meinen zweiten Pancake überlassen habe.“
„Du warst doch ohnehin satt, mein Liebling“, erwiderte Eugene fröhlich.
Einen Augenblick später verließen die beiden Männer den Diner und liefen in Richtung Park, wo sich der inoffizielle Treffpunkt der Schachfreunde befand.
Cole kam hinterm Tresen hervor und drehte das Türschild auf „Geschlossen“, anschließend räumte er die letzten Tische ab.
„Für mich wird es Zeit, Ladys. Ich muss zurück zur Bäckerei. Außerdem halten wir Cole nur auf!“, stellte Francis nach einem Blick auf die Uhr fest.
Cole schenkte ihr ein dankbares Lächeln – offenbar war ihm der Wink mit dem Zaunpfahl gelungen. Seine Vormittagsschicht war beendet und er hatte keine Lust, seine Pause mit Klatsch und Tratsch zu verbringen.
„Tschühüs!“, flötete Martha, als sie endlich hinausschwebte. „Und vergesst morgen Nachmittag ja nicht die nächste Stadtversammlung!“
„Wie könnten wir die vergessen, Martha? Little Falls wird schließlich nur einmal 250 Jahre“, antwortete Francis mit einem Strahlen im Gesicht und hakte sich bei ihren Freundinnen unter. „Ich kann es kaum glauben. Sind wir tatsächlich schon so alt?“
„Auf Wiedersehen, die Damen!“, rief Cole den Freundinnen hinterher, die zu sehr in ihre Erinnerungen vertieft waren, um sich zu verabschieden.
„Tschüß, Cole, bis dann“, kam es im Chor zurück, während sich die hellblaue Holztür hinter ihnen schloss.
Cole atmete tief durch und warf einen Blick in die Küche. So wie es aussah, hatte sich sein Mitarbeiter unbemerkt durch den Hinterausgang in die Pause verabschiedet – welch ein Glückspilz. Schmunzelnd schaltete Cole im gesamten Diner das Licht aus, schloss die Vordertür ab und stieg die knarzende Holztreppe in den ersten Stock hinauf, wo sich seine Wohnung befand. Diese wirkte auf den ersten Blick chaotisch, da die Einrichtung keinem einheitlichen Stil folgte. Es war ein Mix aus alt und neu, Erbstücken, einem abgewetzten Ledersofa und einem Bücherregal, das aus allen Nähten platzte.
Nach dieser Unterhaltung dröhnte ihm der Kopf. Geschafft ließ er sich auf die Couch fallen und schloss die Augen, als ihm das Gespräch mit seinem Großvater durch den Kopf ging. Cole hatte nichts gegen Veränderungen, aber manche Dinge waren eben perfekt, so wie sie waren – und dazu gehörte die Speisekarte seines Diners. Ehrliches Essen ohne den ganzen Schnickschnack. Er wollte niemanden beeindrucken, sondern hungrige Mägen füllen.
„Foodporn“ war ihm natürlich ein Begriff, dennoch war ihm das Wort zuwider. Sofort musste er an das Bild eines perfekt in Szene gesetzten Gerichts denken, professionell ausgeleuchtet, um es in den sozialen Medien zu teilen. Pah, ohne ihn. Außerdem hatte er so einen Quatsch nicht nötig. Cole’s Diner war eine Institution, ein Ort der Zusammenkunft mit großzügigen Portionen. Hier störte es niemanden, wenn der Eigentümer von Zeit zu Zeit etwas mürrisch war oder schlecht gelaunt.
Cole setzte sich auf, da er sich heute nicht entspannen konnte, und lief zum Fenster. Sein Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln. Von hier oben aus hatte man einen grandiosen Blick auf den Park. Die Bäume trugen ein buntes Blätterdach, sodass man den weißen Pavillon im Zentrum des Parks nur erahnte. Auch wenn er sie heute nicht zwischen den Blättern erkennen konnte, sah er die älteren Herren bildlich vor sich. Die Schachkästen zeremoniell auf den Holztischen aufgeklappt, schweigend in ihre Partie vertieft. Er liebte diese kleine Stadt mehr als alles andere und konnte sich keinen schöneren Ort zum Leben vorstellen. Genau aus diesem Grund hatte er sich vor Jahren für Little Falls entschieden und sich mit der Übernahme des Diners einen Traum erfüllt. Wie praktisch, dass seine Brüder andere Pläne gehabt hatten. Clayton arbeitete mittlerweile im elterlichen Baubetrieb und Chase war vor Kurzem zum Deputy Sheriff ernannt worden.
Kurz fragte er sich, ob seine jüngeren Brüder wussten, auf was sie sich da eingelassen hatten. Das idyllische Kleinstadtleben ging schließlich oft zu Lasten der Privatsphäre und – schlimmer noch – Frauen in ihrem Alter waren Mangelware. Entweder waren bereits alle unter der Haube oder abgehauen.
Unbewusst presste Cole die Kiefer zusammen, ehe sein Blick automatisch zur Bäckerei wanderte, was seine Laune vollends auf einen Tiefpunkt sinken ließ.
Gut gelaunt packte Jenna ein weiteres Kleid in den kleinen Koffer, in dem sich bereits zwei Bikinis, Flipflops, eine leichte Strickjacke und zwei Chinoshorts befanden. Sie konnte gar nicht beschreiben, wie sehr sie sich auf das kommende Wochenende und die gemeinsame Zeit mit Eric freute. Ihr Freund gönnte sich nur selten ein paar freie Tage. Als Juniorpartner einer Anwaltskanzlei hatte er alle Hände voll zu tun und musste sich zudem noch beweisen. Ein Lächeln schlich sich auf Jennas Lippen, als sie an ihre erste schicksalhafte Begegnung dachte.
Wie jeden Morgen hatte sie sich im Erdgeschoss des Bürokomplexes, in dem sie als Anwaltsgehilfin arbeitete, ihr Frühstück besorgt. Doch an jenem schönen Sommertag fielen ihr weder die üblichen Verdächtigen noch die schlecht gelaunten Kollegen der Kanzlei auf. Ihre ganze Aufmerksamkeit hatte einem hilflos dreinblickenden Mann gegolten, der kurz vor einer Panikattacke stand. Ihr armer Eric hatte sich ausgerechnet an seinem ersten Arbeitstag einen doppelten Espresso über das gestärkte Businesshemd gekippt und sah einfach zum Schießen, aber auch supersüß aus – natürlich war sie ihm gleich zu Hilfe geeilt.
Bei dem Gedanken daran musste Jenna immer noch schmunzeln. Eric wirkte mit seinen sonnengebleichten Haaren und dem gebräunten Gesicht überhaupt nicht wie ein Jurist, sondern vielmehr wie jemand, der sich lieber am Strand herumtrieb, statt sich mit langweiligen Akten zu beschäftigen. Diese Mischung aus cool und lässig, gepaart mit seinem geschäftsmäßigen Auftreten, hatte sie sofort umgehauen.
Umso größer war die Überraschung gewesen, nachdem ihr Boss ihn kurze Zeit später als den neuen Anwalt vorgestellt hatte. Obwohl Jenna sich einmal geschworen hatte, nie mit einem männlichen Kollegen auszugehen, war sie seinem Charme kurze Zeit später erlegen und hatte seine Einladung zum Essen angenommen, mit der er sich für ihre Hilfe hatte revanchieren wollen. Wie gut, dass sie immer ihren Fleckenstift „to go“ dabeihatte.
Zuletzt verstaute Jenna noch ihre Kosmetiktasche im Koffer und zog anschließend den Reißverschluss zu. Mit einem verträumten Seufzer ließ sie sich aufs Bett fallen, schnappte sich ihr Handy und bewunderte erneut das wunderschöne Strandhaus, in dem sie das Wochenende verbringen würden und das Erics Eltern gehörte. Soweit sie wusste, nutzten die Ashcrofts das Anwesen auf Cape Cod nur sporadisch, sodass es die meiste Zeit über leer stand – welch Verschwendung. Jenna konnte sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie es war, in solch einem Luxus zu leben, geschweige denn, mit ehemaligen Präsidenten zu dinieren.
Wenn sie dagegen an ihr Elternhaus in Little Falls dachte, in dem sich zudem die Bäckerei ihrer Grandma Francis befand, wurden die Unterschiede nur allzu deutlich. Sofort hatte sie den vertrauten Duft von Gebäck in der Nase, der sie seit ihrer frühesten Kindheit begleitete. Sie kannte es gar nicht anders, als schon morgens von frischen Zimtschnecken geweckt zu werden, deren Aroma bis hoch ins oberste Stockwerk stieg. Wehmut überkam sie, sobald sie an ihre Familie dachte, der sie so abrupt den Rücken gekehrt hatte.
Auch wenn sie es nie öffentlich zugeben würde, vermisste Jenna ihr altes Leben ab und an. Aber wie sagte man so schön: „Du kannst nicht zwei Hasen gleichzeitig jagen.“ Und mit dem Umzug nach Boston vor drei Jahren und der Stelle als Anwaltsgehilfin hatte sie sich schließlich ihren Traum erfüllt.
Das Klingeln an der Tür riss sie aus ihren Gedanken … Eric war endlich da und das Abenteuer konnte beginnen.
***
Gegen Mittag erreichten sie schließlich die malerische Halbinsel, die nur eine Autostunde von Boston entfernt lag und zum Staate Massachusetts gehörte. Jenna konnte sich geradezu bildlich vorstellen, wie es hier zur Hauptsaison aussehen mochte. Wohlhabende Familien, die in Scharen zu ihren Feriendomizilen ausströmten, Gartenpartys auf gepflegten Anwesen feierten und ihren Freunden voller Stolz das neue Segelboot präsentierten. Natürlich wurde dieses direkt mit einem Ausflug nach Nantucket oder Martha’s Vineyard eingeweiht.
Mittlerweile war der größte Ansturm jedoch vorbei und Jenna bedauerte für einen Moment, dass sie es nicht früher hierhergeschafft hatten. Wie gerne hätte sie sich selbst ins Getümmel gestürzt und sich outfit-technisch inspirieren lassen, insbesondere vom klassischen Preppy-Stil mit seinen Blautönen und maritimen Streifen, der hier gang und gäbe war. Vielleicht hatte sie wenigstens die Gelegenheit, sich in einer der exklusiven Boutiquen nach einem schönen Kleid im Polo-Stil umzuschauen.
Sie verzog kurz den Mund und sah nachdenklich aus dem Fenster. Zwischenzeitlich war es Ende September und in den Ortschaften dementsprechend leer. Der Herbst hatte die Ostküste zwar noch nicht gänzlich erreicht, dennoch kühlte es in den Abendstunden schon ziemlich ab. Doch dieses Wochenende war das Glück auf ihrer Seite, die Sonne strahlte mit voller Kraft vom Himmel und auch die Temperaturanzeige im Cockpit zeigte wohlige 25 Grad an.
„Noch eine Viertelmeile, dann haben wir unser Ziel erreicht“, bemerkte Eric mit einem entspannten Lächeln, während er die Klimaanlage ausschaltete und die Fensterscheibe herunterließ. Warme, salzige Luft drang sofort ins Wageninnere und ließ Jennas Herz vor Aufregung klopfen.
„Es ist noch viel schöner, als ich es mir vorgestellt habe. Die malerischen Fischerorte, die langen Sandstrände mit ihren Leuchttürmen und die charmanten Läden an jeder Ecke.“
Erneut warf Jenna einen Blick auf das glitzernde Wasser des Atlantiks, das immer wieder zwischen den Häusern und Bäumen hindurchblitzte. „Ich kann es kaum erwarten, ins Meer zu springen!“
Eric zwinkerte ihr gutgelaunt zu und bog kurz darauf scharf rechts auf einen Schotterweg ab. „Kannst du gleich machen, wir sind nämlich gerade angekommen.“
Mit großen Augen bewunderte Jenna das zweigeschossige Haus im New-England-Stil, das nur wenige Meter vor ihr aufragte. Es war noch schöner als auf dem Foto, das Eric ihr geschickt hatte. Die Holzfassade, die durch Wind und Wetter bereits leicht ergraut war, schimmerte silbern in der Sonne und harmonierte perfekt mit der umlaufenden weißen Veranda, die zur Strandseite hin breiter wurde.
Eric parkte seinen SUV mitten in der Einfahrt und sprang glücklich aus dem Wagen. „Wie ich das vermisst habe! Kaum zu glauben, dass ich es ein ganzes Jahr lang nicht mehr hierhergeschafft habe!“
Jenna, die ebenfalls ausgestiegen war, schenkte Eric ein liebevolles Lächeln, denn sie wusste nur zu gut, wie hart er in den letzten Monaten gearbeitet hatte. „Wirklich ein Traum und diese unglaubliche Ruhe – ich hoffe, du kannst dich etwas entspannen.“
„Mit dir an meiner Seite, mein Schatz, wird mir das bestimmt gelingen“, antwortete Eric und kam auf Jenna zu.
Seine Worte ließen ihr Herz vor Freude hüpfen. Sie konnte sich nicht erinnern, dass er jemals etwas in der Art zu ihr gesagt hätte. Umso mehr hoffte sie, dass sie hier, fernab von Boston und der Kanzlei, etwas Erholung fanden.
„Lass uns reingehen, bevor wir noch in der Sonne schmelzen“, fuhr Eric lächelnd fort. „Geh schon mal vor, während ich das Gepäck auslade.“
Jenna ließ sich nicht zweimal bitten, nahm den Schlüssel mit dem verspielten Walanhänger und schloss die Haustüre auf. Sofort schlug ihr klimatisierte Luft entgegen und beim Anblick der geschmackvollen Einrichtung blieb ihr beinahe die Spucke weg. Die weiß gebeizten Holzmöbel harmonierten perfekt mit der beigefarbenen Couch und den blau-weiß gestreiften Sesseln, die zwanglos im riesigen Wohnzimmer verteilt waren. Aber es war die Deko, die diesem Haus den letzten Schliff gab. Hier und da entdeckte Jenna maritime Elemente wie Muscheln, Treibholz oder sogar ein riesiges Segelboot in einer Flasche. Auf den Beistelltischen fanden sich Kerzen und wunderschöne Tischlampen mit Rattanschirmchen. Doch nirgends konnte Jenna einen persönlichen Gegenstand oder gar ein Familienfoto entdecken. Es wirkte beinahe zu perfekt und steril, wie aus einem Immobilienkatalog und von einem Dekorateur durchgeplant. Nichtsdestotrotz fühlte sie sich sofort wohl.
„Na, was sagst du?“ Übermütig packte Eric Jenna von hinten und drückte sich an sie.
„Ehrlich gesagt bin ich noch nicht weit mit meiner Haustour gekommen“, erwiderte sie, überrascht von Erics ungewohnter Gelöstheit. Sie konnte seine Hitze und Lebensfreude förmlich spüren. Ob es an diesem Haus oder einfach nur an der längst überfälligen Auszeit lag?
„Dann solltest du dir als Nächstes die Küche und das Schlafzimmer ansehen. Die Küche werden wir dieses Wochenende zwar nicht brauchen – ich hab für heute Abend einen Tisch im ‚Seastar‘ reserviert –, aber das Schlafzimmer“, raunte er ihr ins Ohr.
Jenna drehte sich mit einem Schmunzeln zu ihrem Freund um. „Eins nach dem anderen, mein Lieber, wir sind gerade erst angekommen und haben noch das ganze Wochenende vor uns.“
„Du hast ja recht, tut mir leid, Liebling. Aber eine Abkühlung wäre nicht schlecht. Was hältst du davon?“, fragte Eric und deutete mit dem Kopf zum Wasser.
„Prima Idee! Ich zieh mich schnell um, danach können wir los.“
„Warte, ich komme mit“, erwiderte er schnell und schnappte sich das Gepäck, das er zuvor am Boden abgestellt hatte. „Ich kann’s kaum erwarten, dich endlich im Bikini zu sehen.“
Jenna verzog skeptisch den Mund. Ja, heute war tatsächlich das erste Mal, dass sie sich ihm in Badebekleidung präsentierte. Was er wohl zu ihrem gestreiften Zweiteiler sagen würde? Plötzlich schlug ihr das Herz bis zum Hals; auch wenn es ziemlich albern war, schließlich hatte er sie schon öfters nackt gesehen.
Gemeinsam stiegen sie die Stufen zum Schlafzimmer hinauf, wo Jenna kurz darauf mit ihrem Bikini im angrenzenden Badezimmer verschwand. Sie war sehr neugierig, auf welche Art von Badehosen Eric wohl stand. Hoffentlich nichts Altbackenes. Wenn sie an den wild gemusterten Badeslip ihres Vaters dachte, mit dem er sich bereits seit den Achtzigern am Badesee von Little Falls präsentierte …
Überrascht riss sie die Augen auf, als Eric einen Moment später in mintgrünen Shorts vor ihr stand.
„Sehr schick“, bemerkte sie mit einem amüsierten Zwinkern, während sie ihren Blick über seinen gut definierten Körper wandern ließ, der sonst nur in maßgeschneiderten Anzügen steckte. Das blasse Grün war zwar nicht ihr Ding, dafür machten sein knackiger Hintern und der flache Bauch die Farbe wieder wett.
„Wow, du siehst heiß aus“, erwiderte Eric mit glänzenden Augen. „Warum sind wir nicht schon früher schwimmen gegangen?“
„Hm, vielleicht, weil du an den Wochenenden immer zu beschäftigt warst?“, erwiderte Jenna mit hochgezogener Augenbraue.
Eric nickte schuldbewusst und setzte seinen Dackelblick auf, den er auch gerne bei ungeplanten Überstunden anwandte. „Ja, ich weiß, mein Liebling. Deshalb werde ich jetzt alles wiedergutmachen, was ich versäumt habe, versprochen.“ Er zog sie an sich und drückte ihr einen fordernden Kuss auf den Mund, gleichzeitig glitt seine Hand nach unten in ihr Bikinikörbchen.
„Wollten wir nicht an den Strand?“, fragte Jenna atemlos. Auch wenn sie von Erics Leidenschaft förmlich überrollt wurde, ärgerte es sie doch, dass er schon wieder an das Eine dachte.
„Ja, du hast recht. Du machst mich gerade einfach zu scharf“, antwortete er mit heiserer Stimme, zog sich aber zurück und griff nach ihrer Hand. „Lass uns los, bevor ich dich noch hier auf der Stelle nehme.“
Wer war dieser Mann und was hatte er mit Eric gemacht? Sie konnte sich nicht erinnern, dass ihr Freund jemals so direkt gewesen war. Sie kannte ihn eigentlich als sehr beherrschten, beinahe nüchternen Mann. Ehrlich gesagt wusste sie in diesem Moment nicht so wirklich, was sie von alldem halten sollte.
Jenna schnappte sich ihr Badetuch, dann machten sich die beiden auf den Weg ins Erdgeschoss, wo sie über die Veranda das Haus verließen. Die Sonnenstrahlen und die leichte Brise, die ihr übers Gesicht strichen, brachten sie direkt auf andere Gedanken. Tief atmete sie die frische Meeresluft ein, während sie über einen schmalen Holzsteg auf den Privatstrand zusteuerten. Dieser war perfekt gepflegt und von beiden Seiten vor neugierigen Blicken durch hohe Gräser geschützt.
Als sie den Steg verließen und der Sand unter ihren Flipflops leicht knirschte, weckte dies sogleich ihre kindliche Freude auf einen ausgelassenen Nachmittag. Sie konnte nicht behaupten, jemals ein schöneres Fleckchen Erde gesehen zu haben. Mit einem tiefen Seufzer ließ sie sich auf der Liege nieder und sah gedankenverloren auf den Ozean hinaus, der geheimnisvoll in der Mittagssonne glitzerte.
„Und, hab ich zu viel versprochen?“, fragte Eric in die Stille hinein und nahm ebenfalls Platz.
„Es ist wunderschön hier“, erwiderte Jenna ehrlich. „Ich kann nicht glauben, dass deine Eltern so selten herkommen.“
„Na ja, im Sommer schon, wenn es Partys gibt“, bemerkte Eric zwinkernd, „aber ansonsten würde sich meine Mom hier nur schrecklich langweilen.“
Jenna verzog das Gesicht zu einem Lächeln und verkniff sich einen abfälligen Kommentar. Sie wusste, dass Eric sehr empfindlich war, was seine Mutter anging. Er hatte sie auf ein imaginäres Podest gestellt, auf dem sie sich pudelwohl fühlte.
„Hm, ich würde wohl den ganzen Tag lesen und am Strand spazieren gehen“, erwiderte Jenna deswegen im Plauderton.
Eric schenkte ihr ein knappes Lächeln und tätschelte ihren Arm. „Ist halt nicht jeder so ein Bücherwurm wie du.“ Mit diesen Worten streckte er sich auf der Liege aus und starrte aufs Meer.
Jenna lehnte sich ebenfalls zurück und versuchte, Erics Kommentar nicht persönlich zu nehmen. Sie schloss für einen Moment die Augen und hörte nur das Rauschen der Wellen und die Möwen, die über ihnen kreisten.
Sie war kurz davor wegzudösen, als sie plötzlich aus ihrer Ruhe aufschreckte. Ärgerlich sah sie sich nach den Störenfrieden um, die mit ihrem dröhnenden Auto und der laut aufgedrehten Anlage einen Heidenlärm veranstalteten. Es handelte sich um zwei Männer in Erics Alter, die mit ihren bunten Poloshirts und den Segelschuhen wie aus dem Ei gepellt waren und sich mit ihrem Gehabe wie pubertierende Teenager aufführten.
„Eric, du Penner, warum gehst du nicht ans Telefon?“, rief einer der beiden noch vom Parkplatz, während er aus einem roten Porsche-Cabrio stieg.
Jenna musterte den blonden Mann, der mit unvorteilhaften Schafslöckchen gesegnet war und extrem arrogant wirkte. Er entsprach eins zu eins dem Klischee des „reichen Sohnes“, das schon mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt gekommen war und um das sich die ganze Welt drehte.
„Andrew, mein Kumpel, wie geht’s dir?“ Eric sprang eilig von der Strandliege auf und begrüßte die Männer mit einer Art „Insidergruß“, der aus einer Ghettofaust, tanzenden Fingern und einem angedeuteten Highfive bestand.
Jenna, die das Schauspiel bis jetzt nur stumm verfolgt hatte, zog sich schnell ihr Strandkleid über und ging ebenfalls zu den Neuankömmlingen, um Hallo zu sagen.
„Jenna, mein Schatz. Das sind Andrew und Steve, meine Verbindungsbrüder von der Columbia“, stellte Eric die beiden vor.
„Hallo, schön, euch kennenzulernen“, hieß Jenna die Männer mit einem Lächeln willkommen.
„Du hast uns gar nicht gesagt, dass deine Süße so heiß aussieht“, bemerkte Andrew mit einem anzüglichen Grinsen, während er seinen Blick über ihr knappes Strandkleid wandern ließ.
Jenna, der die Situation zunehmend unangenehmer wurde, sah etwas hilflos zu Eric. Der legte nur besitzergreifend seinen Arm um sie und erwiderte mit einem Augenzwinkern: „Hey, du sprichst hier mit meinem Mädchen, also Finger weg. Such dir gefälligst was Eigenes.“
Automatisch versteifte sich Jenna in Erics Arm. Sie konnte nicht glauben, wie ungehobelt er sich benahm. Entweder war ihm die Mittagssonne in der kurzen Zeit bereits zu Kopf gestiegen oder er vergaß beim Anblick seiner alten Collegefreunde jeglichen Anstand.
„Wir konnten es einfach nicht mehr bis heute Abend zum Essen abwarten“, meldete sich nun auch Steve zu Wort.
Jenna schwante Böses. Hatte sie gerade richtig gehört? Allein der Gedanke daran, das Wochenende mit diesen aufgeblasenen Schnöseln zu verbringen, war ihr zutiefst zuwider. Sie konnte sich nicht erklären, was es war, aber auf einmal fühlte sie sich äußerst unwohl.
„Eric, ich geh mal rein. Ihr habt sicher viel nachzuholen.“
„Ja klar, geh nur“, antwortete dieser, ohne aufzuschauen. Offensichtlich war ihm die fette Rolex am Arm seines Freundes, die er gerade entdeckt hatte, wichtiger.
Enttäuscht lief Jenna den Holzsteg zurück zum Haus und kämpfte mit den Tränen. So hatte sie sich ihr erstes gemeinsames Wochenende am Strand ganz sicher nicht vorgestellt. Sie fühlte sich verraten, weil er sie nicht in seine Pläne eingeweiht hatte. Von wegen romantische Zweisamkeit.
Sie warf einen letzten Blick über die Schulter und schloss dann die Verandatür. Da sie im Moment ganz klar abgemeldet war, konnte sie sich genauso gut frisch machen und ein wenig lesen. Doch noch während des Duschens nahm sie das laute Gejohle und Knallen von Korken durch das gekippte Badezimmerfenster wahr. Na toll, die drei feierten wohl eine Wiedersehensparty auf der Veranda. Stühle wurden auf dem Holzdeck hin und her geschoben und die Stereoanlage aufgedreht.
Missmutig trocknete sie sich ab und schlüpfte in ein frisches Kleid. Anschließend machte sie es sich mit ihrem neuen Buch in dem gemütlichen Korbsessel, der vor der geöffneten Balkontür stand, bequem. Aber die Ruhe währte nicht lange, denn die Gesprächsfetzen und vor allem die Erwähnung ihres Namens ließen sie aufhorchen.
„Eins muss man dir lassen Eric, du bekommst immer noch die geilsten Weiber ab – genauso wie früher.“
„Übertreib mal nicht, Andrew. Jenna ist höchstens Durchschnitt, aber sie hat Köpfchen und lässt mich die meiste Zeit in Ruhe.“
Für einen Sekundenbruchteil hoffte Jenna, sie hätte sich nur verhört, bei dieser Entfernung konnte es ja durchaus möglich sein, doch dann traf sie die Bedeutung seiner Worte mit voller Wucht. Ihr wurde mit einem Mal speiübel, gleichzeitig verfiel ihr Körper in ein unkontrollierbares Zittern. Erics Worte trafen sie bis ins Mark und ließen ihren Atem für einen Moment stocken – wie konnte er sie so verletzen? Tränen schossen ihr in die Augen, welchen sie unkontrollierbar ihren Lauf ließ.
„Was macht sie denn so? Sag bloß, sie ist auch Anwältin“, hakte Steven nach.
„Nein, sie ist Anwaltsgehilfin, was so viel heißt wie ‚Mädchen für alles’.“
Bei Erics Antwort klappte ihr der Mund auf. Wie bitte? Sie spürte, wie Wut in ihr aufstieg und die Verletzung beiseiteschob.
„Erzähl mir nicht, dass du sie schon mal auf dem Kopierer genommen hast!“ Andrews dreckiges Lachen wurde schnell von Eric unterbrochen.
„Psst, etwas leiser. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Ehrlich gesagt habe ich da schon meine Fantasien.“
„Und wir dachten, du bist mittlerweile ganz der brave Anwalt mit Stock im Arsch.“
„Na ja, in der Kanzlei muss ich natürlich eine gewisse Rolle spielen“, bemerkte Eric mit unverkennbarem Stolz in der Stimme. „Ich bin schließlich keine zwanzig mehr. Aber wie sagt man so schön – einmal Alpha, immer Alpha.“
Tränenüberströmt legte Jenna ihr Buch, das sie fest umklammert hatte, auf dem Beistelltischchen ab und schloss leise die Balkontür. Sie hatte genug gehört. Wie hatte sie sich nur so in Eric täuschen können?
„Ruhe bitte!“ Martha klopfte mit einem kleinen Holzhammer auf das Pult vor ihr und sah sich streng um. Ganz offensichtlich vergaß die Gute mal wieder, dass sie nicht die Vorsitzende eines Gerichtssaals war, sondern nur die Bürgermeisterin von Little Falls.
Cole warf seinen Brüdern, die rechts neben ihm saßen, einen genervten Blick zu, den die beiden mit einem Grinsen quittierten. Sein Bruder Clayton steckte immer noch in seiner Arbeitskleidung, die aus abgewetzten Jeans und einem Flanellhemd bestand, auf dem einige Sägespäne zu sehen waren. Er hatte es gerade rechtzeitig von einer Baustelle hierhergeschafft. Chase, der Jüngste von ihnen, war natürlich wieder der Pünktlichste gewesen und wirkte mit seiner gestärkten und sorgfältig gebügelten Polizeiuniform wie aus dem Ei gepellt.
„Cole, hörst du mir überhaupt zu?“ Marthas Organ drang zu ihm durch und holte ihn abrupt zurück zur Stadtversammlung. „Welchen Beitrag möchtest du zum 250-jährigen Jubiläum beisteuern?“
Wie auf Kommando richteten sich rund fünfzig Augenpaare auf ihn und sahen ihn erwartungsvoll an.
„Ähm, na ja, ehrlich gesagt hab ich mir dazu noch keine Gedanken gemacht. Ich öffne meinen Diner, reicht das nicht?“
Sofort fiel Cole der tadelnde Blick seiner Mom auf, die einige Stuhlreihen vor ihm saß. Entschuldigend zuckte er mit den Schultern.