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Die Corona-Krise erfasst die gesamte Realwirtschaft. Sie ist ein gleichzeitiger Angebots- und Nachfrageschock für die Weltwirtschaft, und die Maßnahmen, die zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung auf der ganzen Welt ergriffen werden müssen, führen geradewegs in die weltweite Rezession. Die Bekämpfung der Infektion löst die Wirtschaftskrise überhaupt erst richtig aus. Am Ende des Jahres 2020 wird die Weltwirtschaft gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 um mehrere Prozentpunkte geschrumpft sein. Wir können von großem Glück sprechen, wenn es im einstelligen Prozentbereich bleibt. Wie werden Politik und Wirtschaft sich darauf einstellen? Welche Handlungsoptionen haben wir? Das werden die entscheidenden Fragen sein, die die nächsten Jahre prägen.
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Neue Zeit. Neue Verantwortung.
FRIEDRICH MERZ, geboren 1955, Jurist, ist seit über 45 Jahren politisch aktiv. Er kann in der CDU auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurückblicken. Von 1989 bis 1994 war er Abgeordneter im Europäischen Parlament und danach bis 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages. Dort war er von 2000 bis 2002 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Von 2009 bis 2019 war er Vorsitzender der Atlantik-Brücke. Seit 2019 ist Friedrich Merz Vizepräsident des Wirtschaftsrats der CDU. Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrats von zwei großen Unternehmen.
Die Corona-Krise ist der historische Augenblick der heutigen politischen Generation. Sie ist ein gleichzeitiger Angebots- und Nachfrageschock für die Weltwirtschaft, und die Maßnahmen, die zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung auf der ganzen Welt ergriffen werden, führen geradewegs in eine weltweite Rezession. Am Ende des Jahres 2020 wird die Weltwirtschaft um rund 5 Prozentpunkte geschrumpft sein. Wie werden sich Politik und Wirtschaft darauf einstellen? Welche Handlungsoptionen haben wir? Welche Grundrechtseinschränkungen waren im Einzelnen gerechtfertigt? Das werden die entscheidenden Fragen sein, die die nächsten Jahre prägen.
Der Wert unserer Freiheit wird uns mit den verfügten Einschränkungen im täglichen Leben wieder besser bewusst. Die Digitalisierung unseres privaten und beruflichen Alltags hat einen ungeahnten Schub nach vorn bekommen. Die Krise ist eine große Chance, den Transformationsprozess unserer Volkswirtschaft hin zu einer umwelt- und sozialverträglichen Wirtschaftsweise zu gestalten, die vor allem unserer Verantwortung zukünftigen Generationen gegenüber besser gerecht wird. Einmal mehr wird sich zeigen, dass unsere Demokratie und die marktwirtschaftliche Ordnung bei all ihren Schwächen jeder autoritären Staatsform hoch überlegen sind.
Friedrich Merz
Demokratie und Soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert
Ullstein
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ISBN 978-3-8437-2464-7© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020Alle Rechte vorbehaltenLektorat: Dr. Annalisa Viviani, MünchenE-Book-Konvertierung powered by pepyrus.com
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Der Autor / Das Buch
Titelseite
Impressum
Erstes KapitelMit dem Virus leben
Auf Sicht fahren in der Krise
Unser Föderalismus – Stärken und Schwächen
Aus der Rückschau ist man immer klüger
Wissenschaft und Politik – Beratung und Entscheidung
Die Chancen der Krise nutzen
Zweites KapitelDie Soziale Marktwirtschaft ökologisch erneuern
Viel erreicht, noch viel zu tun
Klimaschutz bleibt Querschnittsaufgabe der Weltgemeinschaft
Klimaschutz und Marktwirtschaft
Klimaschutz und neue Technologien
Klimaschutz und Preissteuerung
Klimaschutz und Infrastruktur
Drittes KapitelDeutschland 2030: Ein dynamisches und lebensfrohes Land
Deutschland kann sich neu erfinden – immer wieder
Starker Staat
Lebendige Demokratie
Offene Gesellschaft
Soziale Marktwirtschaft
Die digitale Revolution
Ein modernes Steuersystem
Chancengerechtigkeit und ein leistungsfähiger Sozialstaat
Fundament Familie
Einwanderung und Integration
Bildung, Bildung, Bildung
Die Arbeitswelt von morgen
Mit Vermögen in den Ruhestand
Ein neuer Generationenvertrag
Viertes KapitelEuropa – Champions League oder Kreisklasse
Die Welt wird neu vermessen
Amerika auf dem Rückzug
Russland – gefangen im System Putin
Weltmacht China
Europa – die Antwort nach zwei Weltkriegen
Währungsraum ohne Politische Union
Europäische Wirtschaftspolitik für das 21. Jahrhundert
Europäische Solidarität
Demokratie und Rechtsstaat in Europa
Ein »weltpolitikfähiges« Europa
Fünftes KapitelDie CDU in der politischen Verantwortung
Prägende Kraft der Nachkriegsgeschichte
Europäische DNA
Christliches Menschenbild
»Sicher, sozial und frei«
Konservativ in moderner Zeit
Wir haben es selbst in der Hand
Ausgewählte Literatur
Empfehlungen
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Erstes KapitelMit dem Virus leben
Zu Beginn des Jahres 2020 habe ich in vielen Reden und Vorträgen meine Zuhörerschaft zu einem Gedankenexperiment aufgefordert: Wie haben Sie, so habe ich gefragt, den Jahreswechsel 2009/2010 in Erinnerung? Hat damals jemand von Ihnen gewagt vorauszusagen, dass dieser Jahreswechsel der Beginn einer Dekade stetigen wirtschaftlichen Wachstums auf der Welt werden würde? Hatten wir uns vorstellen können, dass viele Länder der Welt, darunter auch Deutschland, so schnell aus der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 herauskommen würden? Und können wir heute entgegen den Befürchtungen, die damals geäußert wurden, nicht feststellen, dass es uns Deutschen in unserer Geschichte noch nie so gut gegangen ist wie zu Beginn dieses neuen Jahrzehnts, im Jahr 2020?
Wie würden wir aber, so habe ich weiter gefragt, von nun an wieder in zehn Jahren auf dieses Jahr 2020 zurückschauen? Würden wir im Jahr 2030 diese Feststellungen erneut treffen, dass es uns nämlich noch einmal besser geht, die Welt vielleicht sogar ein wenig friedlicher geworden ist und wir erneut dankbar auf ein weiteres Jahrzehnt in Frieden, Freiheit und Wohlstand zurückschauen können?
Ich konnte in den Augen meiner Zuhörer erkennen, dass die Skepsis groß war. Und ich selbst war auch nicht überzeugt, dass alles so wie bisher weitergehen würde. Es hatten sich doch gerade in den letzten Jahren einige Dinge auf der Welt ereignet, die diese Gewissheiten infrage stellen. Die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA, die endgültige Entscheidung der Briten, aus der Europäischen Union auszutreten, die aggressive Haltung Russlands seit dem Einmarsch in die Ostukraine und der Besetzung der Krim, der globale Machtanspruch der chinesischen Staatsführung und nicht zuletzt die anhaltende und voranschreitende Destabilisierung großer Teile des Nahen und Mittleren Ostens – all diese politischen Entwicklungen waren für mich Anzeichen dafür, dass sich seit einigen Jahren eine Zeitenwende andeutet, in der wir jetzt leben, wir aber vermutlich erst einige Jahre später richtig verstehen würden, wie tiefgreifend dieser Wandel in Wirklichkeit ist. Teile einer neuen politischen Ordnung werden erkennbar, aber wir wissen noch nicht, wie sie in Zukunft aussieht, für uns Deutsche nicht und auch nicht für Europa.
Das war meine Einschätzung zu Beginn des Jahres 2020, die ich mit vielen politischen Akteuren und Beobachtern zu Beginn dieses dritten Jahrzehnts im 21. Jahrhundert geteilt habe. Wir alle hatten aber keine Ahnung davon, was uns einige Wochen später bevorstehen sollte. Die Nachrichten aus China, dass es dort möglicherweise zu einem Ausbruch eines bisher unbekannten Virus gekommen sei, haben wir noch zur Kenntnis genommen, aber die ersten zwei Monate des Jahres verliefen für uns alle ziemlich normal und routinemäßig. Doch ab der zweiten Märzwoche wurde alles anders. Seitdem legt Covid-19 fast die ganze Welt still. Und plötzlich ändert sich alles noch einmal grundlegend, viel weitreichender, als wir es für möglich gehalten hätten. Aus der regionalen Ausbreitung des Virus ist eine Pandemie geworden. Wir machen Grenzerfahrungen im privaten, öffentlichen und beruflichen Leben, die wir uns zuvor nicht vorstellen konnten. Aber eine Gewissheit gibt es schon ziemlich bald: Das Miteinander von Staat und Gesellschaft in allen Ländern der Welt steht vor harten Bewährungsproben.
Haben wir eine Vorstellung, vielleicht einen historischen Vergleich, wie unser Leben mit einer solchen Pandemie aussieht? In den letzten Jahrzehnten hat es zwar immer wieder Virusinfektionen gegeben, teilweise mit schweren Auswirkungen auf einzelne Länder und Regionen. Aber selbst die Spanische Grippe, die vor 100 Jahren weltweit nach Schätzungen der Weltgesundheitsbehörde (WHO) mindestens 20, vielleicht sogar bis zu 50 Millionen Menschenleben gekostet hat, war nicht verbunden mit einem so umfassenden Shutdown der Unternehmen, nicht mit einem solchen Stillstand fast des gesamten öffentlichen Lebens. Es gab damals nicht diese enge Verflechtung der Weltwirtschaft, nicht diese internationale Reisetätigkeit, mit der sich ein Virus in kürzester Zeit über Länder und Kontinente verbreitet. Vor 100 Jahren lebten rund 2 Milliarden Menschen auf der Welt, heute sind es fast 8 Milliarden. Corona ist ein »Schwarzer-Schwan-Augenblick«, die Macht eines höchst unwahrscheinlichen, aber eben doch jetzt eingetretenen Ereignisses. Und damit wird das politische Führungspersonal auf der ganzen Welt vor ungeahnte Herausforderungen gestellt. Corona ist der historische Augenblick der heutigen politischen Generation.
Dieser Augenblick wird lange dauern, und die Folgen werden uns noch sehr lange beschäftigen. In einer offenen und freien Gesellschaft nimmt die Bevölkerung Einschränkungen ihres Lebens eine gewisse Zeit hin, aber nicht unbegrenzt. Erwartungen an die Politik stoßen an die Grenzen des Möglichen, zumal die Erwartungen sehr unterschiedlich sind. Die einzig realistische Erwartung an die Politik konnte und kann auch in Zukunft nur sein, ein Szenario zu beschreiben, wie wir in einer solchen Lage möglichst rasch zur Normalität zurückkehren könnten, in einzelnen Schritten, abhängig von der Eindämmung der Epidemie, und wie wir bis zur Verfügung eines Impfstoffs und möglicherweise wirksamer Medikamente ein »Corona-gerechtes« Leben führen.
Aber was heißt mit und nach Corona »Normalität«? Wird das Leben mit einem Impfstoff und mit Medikamenten einfach da wieder anknüpfen, wo wir vorher waren? Die Infektion als kleiner Zwischenfall, und danach geht alles weiter wie bisher?
Allein die Verwerfungen in unserer Volkswirtschaft und auf der ganzen Welt lassen eine solche Zuversicht eher unrealistisch erscheinen. Die Einschränkungen des sozialen und wirtschaftlichen Lebens hinterlassen Spuren in den Familien, in der Gesellschaft und in den Unternehmen, auch wenn viele gute Erfahrungen im Miteinander der Menschen dazugehören. Aber allein die öffentlichen Haushalte sind in einer Weise belastet worden, wie wir das bisher noch nicht gekannt haben. Viele Unternehmen müssen Insolvenz anmelden, damit gehen Arbeitsplätze in großer Zahl verloren. Unternehmen, die überleben, verlieren erhebliche Teile ihres Eigenkapitals, viele sind hoch verschuldet. Kleine Betriebe und viele Selbstständige, vor allem in der Kultur und in den Dienstleistungsberufen, haben keine Reserven, um eine solche Lage zu überstehen. Die privaten Haushalte müssen sich verschulden, mehr Menschen denn je sind auf staatliche Unterstützung angewiesen. Wir blicken weltweit auf eine tiefe Rezession, in vielen Ländern und Regionen der Welt nehmen die politischen Spannungen und Konflikte massiv zu.
In diesen Dimensionen gibt es auch keinen Vergleich mit früheren Pandemien. Es sind eher andere säkulare Ereignisse, die uns erahnen lassen, was gegenwärtig geschieht. Die Anschläge vom 11. September 2001 haben unser Leben verändert, fast in jedem Land der Welt. Der Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 hat die Koordinaten der politischen Nachkriegsordnung weit über Deutschland und Europa hinaus neu bestimmt. Wir haben die deutsche Einheit als ein großes Glück empfunden, aber wir haben das Ausmaß der Herausforderungen lange unterschätzt, bei Weitem nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, auch und ganz besonders in den sozialen und menschlichen Dimensionen.
Niemand konnte vor dreißig Jahren voraussagen, welche Auswirkungen die Überwindung der deutschen Teilung auf das politische Gleichgewicht zwischen Ost und West haben würde und dass damit ganz anders als gedacht eben nicht das »Ende der Geschichte« einhergehen, sondern ein ganz neues Kapitel der Geschichte für Europa und darüber hinaus eröffnet werden würde.
Corona fordert auf der Welt eine große Zahl von Menschenopfern. Jenseits dieser menschlichen Schicksale wird Corona Auswirkungen haben auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt, auf die Globalisierung, möglicherweise auch auf die Demokratie und den Wettbewerb der politischen und ökonomischen Systeme.
Ein Zurück zu der Zeit davor ist deshalb keine Option. Selbstverständlich wird es auch dieses Mal ein Leben danach geben, und es wird auch nicht alles anders. Viel Gutes lässt sich bewahren, doch dieses »Danach« wird anders aussehen als etwa nach der Finanzkrise. Dieser Vergleich – wenn er denn gezogen wurde – war von Anfang an falsch. Finanzkrise und Corona sind zwei vollkommen verschiedene Krisen, und zwar nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Der Grund dafür liegt in dem unterschiedlichen Charakter beider Krisen.
Die Finanzkrise war das Ergebnis einer Bankenkrise, die ihren Ausgang hatte in der Krise des Immobilienmarktes in den USA und dessen verschachtelter Finanzierung bis hin zu den Schrottpapieren, die aus den unterfinanzierten Hypothekenkrediten zu Derivaten zusammengeschustert worden waren, die trotzdem noch ein erstklassiges Rating bekamen, und mit denen anschließend die Kapitalmärkte geflutet wurden. Als diese Blase platzte, einzelne Banken und ihre Kreditversicherer nicht mehr zahlen konnten, musste der Finanzsektor mit bislang unvorstellbaren Mitteln gerettet werden, das weltweite Finanzsystem stand vor dem Kollaps.
Das konzertierte Vorgehen der Staatengemeinschaft und der Notenbanken konnte diese Krise weitgehend auf den Finanzsektor begrenzen. Der Bankensektor konnte stabilisiert werden, ab 2009 konnte die Wirtschaft sehr schnell den Wachstumspfad wieder beschreiten, und es begann der längste Aufschwung in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte.
Das wird nach Corona ganz anders. Diese Krise erfasst die gesamte Realwirtschaft. Sie ist ein gleichzeitiger Angebots- und Nachfrageschock für die Weltwirtschaft, und die Maßnahmen, die zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung auf der ganzen Welt ergriffen werden müssen, führen geradewegs in die weltweite Rezession. In der Finanzkrise waren alle Rettungsschirme darauf ausgelegt, das Problem zu lösen. Corona verlangt danach, den »Teufel mit dem Beelzebub« auszutreiben, die Bekämpfung der Infektion löst die Wirtschaftskrise überhaupt erst richtig aus. Und da niemand mit Gewissheit zu sagen weiß, wie lange wir denn mit diesem Virus leben müssen, beginnt mit Corona eine Phase unseres Lebens, in der wir beides miteinander vereinbaren müssen, den Kampf gegen die Pandemie und den Kampf für unsere Freiheit und für den Erhalt unseres Wohlstands. Die Widersprüche werden dabei immer sichtbarer, was dem einen nutzt, schadet dem anderen und umgekehrt. Politik und Gesellschaft sind mit einer bisher in moderner Zeit nicht gekannten Ambivalenz konfrontiert, die ein konfliktfreies, in sich widerspruchsfreies politisches Handeln kaum noch zulässt.
Es war zweifellos richtig, die Maßnahmen Schritt für Schritt zu beschließen und immer wieder neu zu beurteilen, ob sie die erhoffte Wirkung erzielen. Auch im europäischen und internationalen Vergleich kann sich Deutschland sehen lassen. Unser Gesundheitssystem hat sich als sehr stabil und leistungsfähig erwiesen. Die Zahl der Intensivbetten wurde schnell erhöht, zu keinem Zeitpunkt hat es eine Überlastung des gesamten Systems der Patientenversorgung gegeben, bei einem hohen örtlichen Aufkommen an Infektionen waren schnell Ausweichkrankenhäuser bereit zur Aufnahme. Wir können heute sagen, dass das Gesundheitswesen in Deutschland mit derzeit mehr als 30.000 Intensivbetten auf die weitgehend unbekannten Herausforderungen vorbereitet war und zu Beginn die notwendigen Entscheidungen getroffen wurden, um auch mit einer großen Infektionswelle fertigzuwerden. Deutschland konnte zudem eine Anzahl von sehr ernsthaft erkrankten Patienten aus europäischen Nachbarländern aufnehmen und die meisten von ihnen erfolgreich behandeln. Ich wüsste kein Land zu nennen, in dem ich mich mit Corona besser aufgehoben gefühlt hätte als in Deutschland!
Wir haben ein bewundernswertes Engagement des Personals in den Krankenhäusern, Pflegeheimen und Altenheimen erlebt, die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung war beeindruckend groß. Wie wir überhaupt dankbar feststellen dürfen, dass die deutsche Gesellschaft in Situationen, in denen es wirklich darauf ankommt, anzupacken und zu helfen, ein hohes Maß an Solidarität und Zusammenhalt zeigt. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, aber die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft fühlt sich mit verantwortlich für das, was in der Nachbarschaft, in der örtlichen Gemeinschaft und im Land geschieht.
Es gab auch keinen Masterplan für eine solche Krise. Wir haben so etwas noch nie erlebt. Richtig ist, dass es bereits im Januar 2013 einen Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz gab. Diese Risikoanalyse hat versucht, auf die Frage »Wie kann der Staat eine bedarfsgerechte und risikoorientierte Vorsorge- und Abwehrplanung im Zivil- und Katastrophenschutz gewährleisten?« eine Antwort zu geben. Das Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz erteilt dem Bund auch einen ausdrücklichen Auftrag, im Zusammenwirken mit den Bundesländern eine solche Risikoanalyse vorzunehmen. Dabei wurden zwei Szenarien zugrunde gelegt, ein »extremes Schmelzhochwasser aus den Mittelgebirgen« und eine »Pandemie durch Virus Modi-SARS«. Die Wahrscheinlichkeit einer Pandemie wurde in die Klasse C eingeordnet, »bedingt wahrscheinlich, ein Ereignis, das statistisch in der Regel einmal in einem Zeitraum von 100 bis 1000 Jahren eintritt«.
Völlig überraschend kam Corona also für den Zivil- und Katastrophenschutz in Deutschland nicht. Der Bericht der Bundesregierung ging sogar von einem sehr ähnlichen Zeitgeschehen aus: »Das Ereignis beginnt im Februar in Asien, wird dort allerdings erst einige Wochen später in seiner Dimension/Bedeutung erkannt. Im April tritt der erste identifizierte Modi-SARS-Fall in Deutschland auf.« Und auch weitere Annahmen in diesem Szenario ähneln auf erstaunliche Weise den Erfahrungen, die wir seit Februar 2020 mit Corona machen. Andere Annahmen sind dagegen zu pessimistisch, zum Beispiel im Hinblick auf die Mobilisierung der ehrenamtlichen Potenziale. Im Ergebnis zählt: Deutschland ist für alle denkbaren Fälle einer Katastrophe oder einer Pandemie ein gut aufgestelltes Land. Die Erfahrungen mit Corona werden uns noch besser machen, wenn wir erst einmal den Höhepunkt hinter uns haben und an die Auswertung der getroffenen Maßnahmen herangehen können.
Es wird sich auch zeigen, dass sich unser Föderalismus in der Krise erneut bewährt hat. Anders als etwa in Frankreich oder in den Vereinigten Staaten von Amerika liegt die Verantwortung für die politischen Entscheidungen in Deutschland eben nicht allein in der Hand eines Staatspräsidenten oder Regierungschefs (wobei in Amerika der Schein trügt, der Präsident mag vor allem aus dem Blickwinkel des Auslands die dominierende Person sein, tatsächlich sind die Einzelstaaten und die dortigen Gouverneure in örtlichen Angelegenheiten viel einflussreicher als der Präsident!). Die Vorsorge in Notfällen ist in Deutschland föderal differenziert geregelt und aufgeteilt in die Bereiche Zivilschutz und Katastrophenschutz. Für den Zivilschutz hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz, Zivilschutz ist aber begrenzt auf den Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren im Verteidigungsfall. Für den Katastrophenschutz sind dagegen die Länder in der Gesetzgebung zuständig, verantwortliche Träger des Katastrophenschutzes sind die Kreise und kreisfreien Städte. Die Abwehr von Infektionsgefahren für die Bevölkerung wiederum ist im Infektionsschutzgesetz des Bundes (früher: »Bundesseuchengesetz«) geregelt, für die Ausführung dieses Gesetzes sind wiederum allein die Länder und im Rahmen ihrer Organisationshoheit innerhalb der Länder die regionalen und kommunalen Verwaltungen zuständig. Der Bund hat auch kein »Durchgriffsrecht« in die Länder, er kann daher grundsätzlich auch nicht für einen einheitlichen Verwaltungsvollzug sorgen.
Diese Differenzierung ist wichtig, um zu verstehen, was eine Bundesregierung im Fall einer Pandemie wie die Covid-19-Infektion politisch zu leisten imstande ist und was nicht. Im Hinblick auf die zu ergreifenden Maßnahmen sind die Länder allein in der Verantwortung. Maskenpflicht, Schulschließungen, Versammlungsverbote, Abstandsregelungen, die Stilllegung des öffentlichen Personennah- und -fernverkehrs, Sportstätten, Opernhäuser, Konzertsäle, Veranstaltungshallen – kurzum: Die Länder und mit ihnen die kommunalen Ebenen sind bei der Ausführung der Gesetze für (fast) alles zuständig. Damit bleibt der Bundesregierung neben der formalen Gesetzgebungskompetenz nur eine Appellfunktion, die Möglichkeit, sich werbend und mahnend an die Bevölkerung zu wenden, immer mit dem Risiko, die Gefahr zu groß oder doch zu gering einzuschätzen, und häufig genug unter Bevormundungsverdacht gestellt. In einer solchen Situation kann es eine Bundesregierung nicht allen recht machen.
In der beschriebenen Aufgaben- und Arbeitsverteilung liegen Risiken und Chancen dicht beieinander. Unverständliche und voneinander abweichende Regeln sind das eine, Kuriositäten eingeschlossen: So musste ein Golfplatz, durch den die Landesgrenze zwischen Bremen und Niedersachsen verläuft, zur Hälfte geschlossen bleiben, während die andere Hälfte schon wieder bespielt werden durfte. Unterschiedliche Regelungen zum Beispiel für die Schulen je nach Bundesland wiegen deutlich schwerer und belasten die Familien, die Lehrer und die Schüler gleichermaßen. Aber das Nebeneinander in den Ländern ist bis heute ein beständiger Lern- und Suchprozess aller Beteiligten, die Landesregierungen waren in einem intensiven Erfahrungsaustausch, und die einzelnen Erfahrungen werden eines Tages in viele Berichte und Evaluierungen einfließen, die uns für zukünftige Pandemien, die es ziemlich sicher geben wird, noch besser gerüstet sein lassen. Erst dann lässt sich – hoffentlich – ein besserer und vor allem einheitlicherer Verwaltungsvollzug über Landesgrenzen hinweg ermöglichen. Besonders wünschenswert erscheint mir dies für den gesamten Bildungssektor, der ohnehin unter den viel zu großen Unterschieden zwischen den Bundesländern leidet und der mit Corona am härtesten betroffen war. Die Folgen werden uns noch sehr lange Zeit begleiten. Der Bildungspolitik widme ich daher im dritten Kapitel einen ausführlichen eigenen Abschnitt.
Besondere Kritik wird – auch unter Hinweis auf die Grundrechte – an den Ausgangsbeschränkungen und den angeordneten Betriebsschließungen sowie den Unterbrechungen aller Sportwettkämpfe laut. Waren die Maßnahmen zu rigide, war der weitgehende Shutdown falsch?
Man kann, ja man muss diese Frage in einer offenen Gesellschaft stellen. Es hat Länder auf der Welt gegeben, die ganz anders reagiert haben als wir. Südkorea etwa hat das Land deutlich früher und viel rigoroser als wir heruntergefahren und konnte die Infektionszahlen dadurch zunächst sehr früh unter Kontrolle bringen. China hat ebenfalls – wenn auch später – hart durchgegriffen und dann schnell wieder geöffnet. Die amerikanische Regierung hat das Problem dagegen von Anfang an kleingeredet und hätte bei früherem Einschreiten sicher vielen Menschen das Leben retten können. Zu besichtigen war dort im Übrigen ein Gesundheitssystem, das zu den teuersten der Welt zählt und trotzdem innerhalb weniger Tage vor allem in New York völlig kollabierte. Die Schweden hingegen begnügten sich mit einigen wenigen Schutzmaßnahmen, waren aber von Anfang an darum bemüht, das öffentliche Leben, vor allem die Schulen und Universitäten, aber auch die Betriebe und die öffentliche Verwaltung so wenig wie möglich einzuschränken. Das Ergebnis wird man erst in einigen Monaten genau abschätzen können, aber offenbar sind die Infektionsraten in Schweden prozentual auf die Bevölkerungszahl bezogen nur geringfügig höher ausgefallen als etwa in Deutschland, dafür sind die Todesfälle höher. Die Gründe dafür scheinen noch nicht ganz klar zu sein.
Besonders bedauerlich bleibt aus meiner Sicht, dass die europäischen Binnengrenzen von jeweils beiden Seiten, aber in Einzelfällen auch unkoordiniert und ohne Absprachen an vielen Stellen schnell geschlossen wurden. Plötzlich waren alte Ressentiments wieder hörbar, im Saarland gegen die Franzosen, in Bayern gegen die Österreicher. Das hätten wir uns von Anfang ersparen sollen. Die europäischen Binnengrenzen sind nun wahrlich kein Landstrich, entlang dessen man ein Infektionsgeschehen reduzieren kann. Im Gegenteil, eine gute grenzüberschreitende Koordinierung hätte einen positiven Beitrag zur Eindämmung der Pandemie erbringen können und vor allem viel Goodwill für Europa mobilisieren können. Das sollten wir beim nächsten Mal in jedem Fall anders und folglich besser machen.
Schwieriger wird die Frage zu beantworten sein, welche Grundrechtseinschränkungen im Einzelnen gerechtfertigt gewesen sind. Eine größere Zahl von Verwaltungsgerichtsverfahren hat bereits für etwas mehr Klarheit gesorgt. Die Politik ist in vielen Fällen, in denen die Verwaltungsgerichte angerufen wurden, korrigiert worden. Alle Maßnahmen der vollziehenden Verwaltung müssen sich am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen lassen, der jede Einschränkung von Rechten, ganz besonders von Grundrechten, danach bemisst, ob sie einen legitimen Zweck erfüllt, grundsätzlich geeignet und auch erforderlich ist, diesen Zweck zu erreichen, und schließlich auch angemessen ist. Insbesondere die Prüfung der Angemessenheit eines Eingriffs schafft einen weiten Ermessensspielraum, zwingt aber auch zur Abwägung zwischen den verschiedenen Rechtsgütern. Es blieb Wolfgang Schäuble in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel am 26. April 2020 überlassen, darauf hinzuweisen, dass auch der Schutz des menschlichen Lebens nicht absolut ist und über allem steht, sondern allenfalls die Würde des Menschen als ein solcher absoluter Wert anzusehen ist. Nach einem Blick in unser Grundgesetz konnten sich auch diejenigen von der Richtigkeit dieses Satzes überzeugen, die vorher Unverständnis und Kritik geübt hatten.
Seit dem Spätsommer des Jahres 2020 nehmen die öffentlichen Demonstrationen und Proteste gegen die Maßnahmen der Regierung zu, vor allem in Berlin rund um das Regierungsviertel und das Reichstagsgebäude. Diese Demonstrationen sind Ausdruck der Meinungsfreiheit und des Rechts, sich friedlich zu versammeln – mit der Betonung auf das Wort »friedlich«. Unter den Demonstranten sind viele, die sich ernsthaft Sorgen machen um unsere Freiheit und um die Geltung der Grundrechte. Die Politik muss diese Meinungsäußerungen nicht teilen, aber sie muss sie ernst nehmen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die deutsche Politik die Demonstrationen der Menschen in Minsk und vielen weiteren Städten in Belarus begrüßt und in Deutschland am liebsten jede Ruhestörung vermeiden würde. Man darf in Deutschland auch gegen alles sein, man darf die absonderlichsten Verschwörungstheorien verbreiten. Und solange die Symbole nicht verboten sind, darf man dabei auch die schwarz-weiß-rote Reichsflagge neben der Regenbogenfahne schwenken, die Teilnehmer müssen selbst wissen, mit wem sie sich da zeigen. Die Bilder aber, wie eine Gruppe von Demonstranten am letzten August-Wochenende die Reichstagstreppe heraufstürmen und von drei mutigen Polizisten wenigstens davon abgehalten werden können, in das Gebäude einzudringen, gingen um die Welt und haben ein schlechtes Bild von uns abgegeben. Das hätten wir uns ebenfalls besser erspart. Warum gibt es nicht einen befriedeten Bezirk um unser Parlament, auch wenn dort nicht getagt wird? Parlamentsgebäude haben zu Recht in aller Welt einen hohen Symbolcharakter, gerade in Deutschland sollten wir keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie ein Ort des friedlichen Meinungsstreits, der Vertretung unseres Volkes, des Ausgleichs und des Kompromisses und schließlich der Entscheidungen nach demokratischen Spielregeln sind und bleiben müssen – und nicht der Adressat von Attacken hasserfüllter »Wutbürger«, denen die Emotionen entgleisen.
Die Hinweise von Wolfgang Schäuble zu den Grundrechten waren insofern wichtig, als sich zu diesem Zeitpunkt die unterschiedlichen Zuständigkeiten der Politik auf der einen Seite und der medizinischen Experten auf der anderen Seite nicht mehr klar genug herausfinden ließen. Die Öffentlichkeit wurde über Wochen und in täglichen Sondersendungen aller Fernsehanstalten ständig über das Infektionsgeschehen informiert. Besonders das Robert-Koch-Institut in Berlin, aber auch mehrere weitere universitäre Fachinstitute versuchten, Maßstäbe zu finden, wie das Infektionsgeschehen zu bewerten sei und ab wann eine besondere Gefährdung der Bevölkerung angenommen werden müsste. Zugleich sollten und wollten viele Epidemiologen Empfehlungen aussprechen, welche Maßnahmen denn geboten seien, um die Ausbreitung des Virus unter Kontrolle zu bringen. Deutschlands Virologen, die bisher schon eine wichtige, aber doch eher unauffällige Arbeit geleistet hatten, mutierten zu allabendlichen Fernsehstars.
Spätestens hier hätte die Politik meines Erachtens klarer und deutlicher sagen müssen, dass sie zwar den Rat der Fachleute sucht, aber dass die Politik die Entscheidungen in eigener Verantwortung und nach umfassender Abwägung aller Aspekte trifft und dies nicht der Wissenschaft überlässt. Hier verläuft eine klare Trennlinie zwischen Beratung der Politik und Entscheidung durch die Politik. Schon Pressekonferenzen mit Virologen oder anderen Experten an der Seite verwischen die Verantwortlichkeiten und erwecken den Eindruck, dass es eine Art geteilte Zuständigkeit in diesem Fall zwischen Ärzten und Politik gibt. Solche Bilder mögen für die handelnden Politiker auch eine gewisse Sicherheit oder zumindest Erleichterung vermitteln, dass ihre Entscheidungen von der Wissenschaft geteilt und unterstützt werden. Aber in Wahrheit schwächen solche Auftritte beide, die Politik und die Wissenschaft. Die Politik begibt sich nach dem äußeren Eindruck in die Hand der Fachleute, die Fachleute rücken zu nah an politische Entscheidungen heran, die sie weder zu treffen noch zu verantworten haben. Und wenn sich die Wissenschaft korrigieren muss, weil vielleicht neue Erkenntnisse vorliegen oder weil neue Ereignisse ein verändertes Lagebild ergeben, dann läuft die Politik, wenn sie sich zu sehr allein auf wissenschaftliche Erkenntnisse beruft, den sich ändernden Einschätzungen nur noch hinterher.
So zeigen sich Unterschiede auch im Charakter und der Führungsstärke des politischen Personals. Insgesamt ist erneut festzustellen, dass Deutschland das Glück hat, überwiegend mit Politikern ausgestattet zu sein, die das Geschehen überblicken und die Krise meistern können. Nicht nur ein Nebeneffekt ist, dass die Bevölkerung erkennt, wie sehr politische Entscheidungen in ihr Leben eingreifen können, wie sehr es also auch auf handelnde Personen ankommt. »Die da oben« sind plötzlich Menschen, die mit ihren Entscheidungen ringen, die rund um die Uhr arbeiten, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und auf die es ankommt. So ist es kein Wunder, dass in der Krise das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung und vor allem in die Regierungschefs im Bund und in den meisten Ländern zunimmt.
Wenn dieses Vertrauen kein flüchtiger Ausdruck des Augenblicks sein, sondern längerfristig bestehen bleiben soll, dann kommt es nach der akuten Bewältigung der Gesundheitsrisiken auf das langfristige Konzept an, wie wir aus den wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen wieder herauskommen, die Corona verursacht hat. Auch in dieser Krise entstehen Chancen. Im sozialen Leben unserer Gesellschaft machen wir viele Erfahrungen, die wir bewahren sollten. Der Wert unserer Freiheit wird uns bei den verfügten Einschränkungen im täglichen Leben wieder etwas besser bewusst. Die Digitalisierung unseres privaten und beruflichen Alltags bekommt einen ungeahnten Schub nach vorn. Und die Krise ist eine immens große Chance, den Transformationsprozess unserer Volkswirtschaft hin zu einer umwelt- und sozialverträglichen Wirtschaftsweise zu gestalten, die vor allem unserer Verantwortung zukünftigen Generationen gegenüber besser gerecht wird. Und nicht zuletzt wird sich einmal mehr zeigen, dass unsere Demokratie und die marktwirtschaftliche Ordnung bei all ihren Schwächen jeder autoritären Staatsform und jeder zentralen Verwaltungswirtschaft hoch überlegen sind. So kann aus der Krise in der längeren Perspektive eine bessere politische Ordnung auf der Welt und ein materieller Wohlstand entstehen, der im umfassenden Sinn den Grundsatz der Nachhaltigkeit achtet und damit Perspektiven eröffnet, die Anlass zur Zuversicht und zum Optimismus geben.