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Nicht nur Wein muss atmen Heinrich Probst wollte sich eigentlich zur Ruhe setzen und sein kleines Weinmuseum in der Pfalz schließen. Die Besucher wurden immer oberflächlicher und unverschämter und dann kam auch noch der Montag, der rabenschwarze Montag mit der Sonderführung. Alle Jahre wieder Anfang Dezember hasste 012 Weihnachten. Alle Jahre wieder! Die Kunden im Kaufhaus wurden immer hektischer und rücksichtsloser. Alle Jahre wieder! Der Chef bekam seine cholerischen Anfälle. Alle Jahre wieder! Und wegen diesem Lied "Alle Jahre wieder" hätte sie am liebsten die Lautsprecher zerschossen. Die Moritat der Gebrechlichen Es war im Jahre 1820. Schlag zwölf trafen sie sich auf dem Marktplatz: der Einbeinige, der Blinde, der Stumme und der Bucklige. Sie warteten auf ihren Kundschafter, der etwas ausbaldowert hatte …
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Seitenzahl: 20
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Ingrid Schmitz
NICHT NUR WEIN MUSS ATMEN
Ingrid Schmitz - Mörderisch liebe Grüße - 1. Teil
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Nicht nur Wein muss atmen
Alle Jahre wieder
Die Moritat der Gebrechlichen
Impressum neobooks
Heinrich Probst, der vergangene Woche fünfundsechzig Jahre alt geworden war, wollte nicht mehr. Er überlegte, ob er die Türen seines Privatmuseums für immer schließen sollte. Bislang hatte es ihm sehr viel Spaß gemacht, all die Dinge für sein privates Weinmuseum zusammenzutragen. Gegen ein kleines Eintrittsgeld stellte er dem interessierten Publikum diese Gegenstände stets persönlich vor. Das Museum hatte in der Anfangszeit, in den Siebziger Jahren, großen Anklang gefunden, war beliebt bei den vielen Touristen. Seine Idee mit der anschließenden Weinprobe, dank verschiedener Winzer aus der Region verwirklicht, sprach sich schnell herum und der Zulauf wurde noch größer. Aber in letzter Zeit ärgerte er sich sehr darüber, dass die Erwachsenen immer oberflächlicher, die Jugendlichen immer lauter, die Kinder immer dreister wurden. Anscheinend waren die Zeiten vorbei, in denen sonntäglich gekleidete Menschen vor den Ausstellungsstücken stehen blieben und andächtig die Beschriftungen davor lasen oder gespannt seinen Ausführungen lauschten. Den Rest hatte ihm aber der Montag gegeben – der rabenschwarze Montag. An diesem Tag öffnete er das Museum nur für eine Sonderführung. Schon bevor die Gruppe erschien, schmerzte Heinrich Probsts Narbe am Bein. Das verhieß entweder Unheil oder schlechtes Wetter - draußen schien die Sonne und es war brütendheiß. Punkt 15 Uhr standen sie vor dem Museum: Heinrich Probst, geschniegelt und gestriegelt im feinen Zwirn und der angemeldete Kegelclub Stief drop aus dem Rheinland, sportlich liderlich gekleidet. Die Männer im mittleren Alter trugen jeder eine Kampftrinkweste, die mit den vielen Taschen für Schnapsfläschchen und scharrten mit den Füßen. Sie beabsichtigten am letzten Tag ihres Ausfluges den Punkt: Kultur auf der Tagesordnung abzuhaken. Irgendetwas mussten sie ja ihren Frauen berichten. Da standen sie also am Eingang des Weinmuseums und grölten Kornblumenblau und Thomas, der lauteste von allen überstimmte mit einem Wein her, Wein her, oder ich fall’ um. Die bereits um diese Zeit nicht mehr ganz nüchternen Männer schenkten der reich geschnitzten antiken Eichentür mit den Motiven aus dem Weinbau keine Beachtung. Sie lauerten nur darauf, wann Heinrich Probst die Tür öffnete. Der ließ sich extra viel Zeit. Er versuchte die Fassung zu bewahren. Mit seinen 1,80m hielt er sich kerzengerade im dunkelgrünen Blazer, was ihm eine stolze Haltung verlieh, dann schloss er langsam die Tür auf.