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Lass uns Freunde werden – oder lieber doch nicht …?
Alice ist fertig mit der Welt – genauer: mit ihrem Freund, seit Neuestem: Ex-Freund. Weil sie deshalb ein wenig die Fassung verliert, landet ihre Matratze dummerweise auf dem Kopf des völlig unbeteiligten Lennon. Bei einem gemeinsamen Drink schaltet der dann ziemlich schnell von zurecht sauer auf zunehmend hingerissen. Doch Alice hält ihr Leben mit Listen im Griff, und im Moment ist gerade »Alles, was ohne Männer mehr Spaß macht« angesagt. Aber Lennon lässt nicht locker und taucht immer wieder in der Kinderbuchhandlung auf, in der Alice arbeitet. Als er es schafft, noch einen Blauwal ins Spiel zu bringen, zeigen sich auf einmal Wege aus der Friendzone …
Charming wie nie: eine Feelgood-RomCom von SPIEGEL-Bestsellerautorin Kira Mohn - d er Auftakt einer Reihe bezaubernder Lovestorys in New York.
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Seitenzahl: 364
Veröffentlichungsjahr: 2025
Alice: Behält ihr Leben mithilfe von Listen unter Kontrolle. Als sie sich – ziemlich unvorbereitet– von ihrem Freund Bennett trennt, lernt sie Lennon kennen, der zwar eigentlich ziemlich umwerfend ist, aber erstens ist sie noch in der Heartbreak-Phase, und zweitens braucht sie dringend eine Reflexions-Phase, damit nicht jede weitere Beziehung so unglücklich endet wie alle zuvor. Allerdings wird es immer schwieriger, an diesem Plan festzuhalten.
Lennon: Begegnet Alice in der unglücklichsten aller Situationen und hätte nie damit gerechnet, sich so schnell so sicher zu sein, dass er diese Frau unbedingt kennenlernen muss. Doch bei Alice landet er prompt in der Friendzone, und da muss man es erst einmal wieder rausschaffen …
Bennett: Merkt erst, nachdem er Alice verloren hat, dass er sie um keinen Preis verlieren wollte. Doch sie zurückzugewinnen, gestaltet sich schwieriger als gedacht. Bennett hat allerdings ein Ass im Ärmel, etwas, das Alice sich schon immer gewünscht hat, und diese Karte wird er zücken.
Kira Mohn hat schon die unterschiedlichsten Dinge in ihrem Leben getan. Bevor sie als freie Journalistin und Texterin arbeitete, hat sie Psychologie und Pädagogik studiert. Sie gründete eine Musikfachzeitschrift, lebte eine Zeit lang in New York und hob zusammen mit vier Freundinnen das Autorinnen-Label »Ink Rebels« aus der Taufe. Heute widmet sie sich ganz ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin und lebt mit ihren Kindern in München.
Mehr auf Instagram unter @kira.mohn
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Kira Mohn
Note to myself: Liebe ist keine Option
Roman
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
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10 Dinge, die ich an Bennett hasse
Kapitel 1
10 Dinge, die ohne Männer mehr Spaß machen
Kapitel 2
10 Dinge, die einen guten Start in den Tag garantieren
Kapitel 3
10 Dinge, die helfen, wenn man verkatert ist
Kapitel 4
10 Filme & Serien,die man gesehen haben muss
Kapitel 5
10 Männer, in die ich (unglücklich) verliebt war
Kapitel 6
Die 10 nervigsten Dinge der Welt
Kapitel 7
Die 10 peinlichsten Momente meines Lebens
Kapitel 8
10 Gründe, die Lennon zum besten Freund aller Zeiten machen
Kapitel 9
10 Sätze, mit denen man die beste Freundin aufheitern kann
Kapitel 10
10 Gründe, warum man sich in Lennon verlieben könnte
Kapitel 11
10 Dinge, über die ich in meinem Leben zu viel nachgedacht habe
Kapitel 12
10 Dinge, die ich verdammt noch mal bereue
Kapitel 13
10 Songs, bei denen es sich hervorragend weinen lässt
Kapitel 14
10 Dinge, die man tun sollte, wenn man den Fehler seines Lebens begangen hat
Kapitel 15
10 überraschende Momente in meinem Leben
Kapitel 16
10 Dinge, die an Kindern nerven (insbesondere an Babys)
Kapitel 17
10 Dinge, die zeigen, dass du den Mann deines Lebens gefunden hast
Impressum
10 Dinge, die ich an Bennett hasse
Er klopft morgens an die Badezimmertür, um mich zu fragen, wie lange ich noch brauche
Er sieht Frauen hinterher, wenn er denkt, ich bekomme es nicht mit
Er sagt im Bett manchmal: »Oh, Baby!«
Seine Proteinjoghurts nehmen mittlerweile ein ganzes Fach in meinem Kühlschrank ein
Er kocht keinen neuen Kaffee, wenn er den letzten getrunken hat
In seiner Wohnung ist er ein verdammter Ordnungsfetischist, aber in meiner tropft er beim Zähneputzen auf den Badezimmerboden
Sex ist für ihn Hochleistungssport
Er unterbricht mich ständig
Er lächelt sein Spiegelbild verliebter an als mich
Er schläft mit meiner Freundin
Ich stehe erst seit einigen Sekunden im Türrahmen meines Schlafzimmers, doch es reicht vollkommen aus, um die Situation zu erfassen. Da sind die ineinander verknäulten Jeans auf dem Boden und der BH über dem Schirm der Nachttischlampe, da sind Bennetts Zehen hinter dem Metallrahmen am Fußende meines Bettes, und da ist Mindys wippender Hintern, auf dem Bennetts Hände liegen. Es wippt auch sonst ziemlich viel.
»Oh, Baby«, keucht Bennett.
In mir krümmt sich etwas zusammen, wie immer, wenn Bennett beim Sex Oh, Baby sagt, aber ich muss zugeben, dass es mich sogar noch mehr stört, wenn er damit nicht mich, sondern Mindy meint.
Ich sollte jetzt schreien, oder? Statt einfach nur herumzustehen. Oder mich wenigstens räuspern, damit wiederum Mindy zu schreien beginnen kann.
Verdammt, Alice!, würde Bennett dann vielleicht rufen, statt Oh, Baby, und Mindy würde irgendetwas an sich raffen, meine Bettdecke vermutlich, als hätte ich nicht sowieso schon sehr viel mehr gesehen, als ich jemals sehen wollte.
Eigentlich würde ich sogar gern schreien, doch es funktioniert irgendwie nicht, und dann ist es plötzlich egal, weil Bennett an Mindys Brüsten vorbei in meine Richtung guckt.
»Scheiße!«, ruft er und stößt Mindy so heftig von sich, dass sie von der Matratze rutscht und mit einem Quieken auf dem Boden landet. Dann springt er auf und wickelt sich dabei hastig die Decke um die Hüften, während Mindy mir einen entsetzten Blick zuwirft und ihre Jeans an sich reißt.
»Alice!« Bennett fährt sich erst durch die Haare, dann übers Gesicht. »Scheiße, Alice, also …«
Mindy hüpft auf und ab, um die Hose über ihren nackten Hintern zu kriegen, und jetzt wippt schon wieder so viel, dass ich Kopfschmerzen kriege.
»Raus«, sage ich.
»Alice, hör zu …«
»Raus!« Ich bücke mich nach Bennetts Jeans und marschiere damit zur Wohnungstür.
»Alice, hör doch mal zu, es war … ich bin …«
Die Hose fliegt fast bis zum Apartment von Mrs. Daniels, und als ich mich umdrehe, umklammert Bennett noch immer mit einer Hand meine Bettdecke, mit der anderen hat er sich sein T-Shirt gegriffen.
»Es tut mir leid, okay? Sorry, es tut mir wirklich leid – es war keine Absicht.«
»Keine Absicht?!« Na also. Ich kann kreischen. Es hat nur noch einen letzten Impuls gebraucht. »Wie meinst du das, es war keine Absicht? War es ein Unfall? Ist Mindy auf dich draufgefallen?«
»Nein, ich meine, du solltest nicht …«
»Raus!«
Mindy huscht an mir vorbei, ihre Schuhe in den Händen, und Bennett stolpert mit betretenem Gesicht hinter ihr her. Als er Anstalten macht, sich aus der Bettdecke zu schälen, wehre ich ab.
»Kannst du behalten.«
»Alice. Jetzt beruhige dich doch mal«, sagt er noch, bevor ich die Tür zuschlage.
Eine Sekunde später reiße ich sie wieder auf.
»Warum in meiner Wohnung?«
Er hat eine eigene. Warum vögelt er meine Freundin nicht da?
In Bennetts Gesicht arbeitet es. »Wir waren in der Nähe«, druckst er herum. »Es war … na ja …«
Moment mal – heute ist Dienstag. »Bei dir ist die Putzfrau!«, platze ich heraus, und ein Blick in sein schuldbewusstes Gesicht macht mir klar, dass ich ins Schwarze getroffen habe. »Dein verdammter Ernst? Ich fass es nicht!«
Ich werfe die Tür wieder zu und registriere Bennetts Schlüssel im Schloss. Ich hätte ihm sagen können, dass es nicht ausreicht, ihn von innen stecken zu lassen, doch natürlich hat er nie danach gefragt.
Ein paar Sekunden noch stehe ich da, bevor ich zurück ins Schlafzimmer gehe, dort Mindys BH und Bennetts Schuhe entdecke und die Tür so behutsam schließe, als wolle ich die drei nicht stören. Dann gehe ich ins Wohnzimmer, rolle mich auf dem Sofa zusammen und ziehe mir trotz sommerlicher Höchsttemperaturen eine Wolldecke über den Kopf.
***
Bennett schläft also mit Mindy, und deshalb habe ich jetzt nicht nur einen weiteren Ex-Freund, sondern auch eine weitere Ex-Freundin. Vor Bennett wurden nämlich bereits Gabriel zu meinem Ex-Freund und Stella zu meiner Ex-Freundin, aber immerhin haben die beiden mir das nicht nackt klargemacht. Stattdessen haben sie mir bei einem Abendessen eröffnet, dass sie sich leider ineinander verliebt hätten.
»Na ja, was heißt leider?«, hat Stella dann noch gesagt und Gabriel dabei angelächelt. »Was kann man schon dagegen tun, wenn man sich verliebt?«
Es war alles sehr ruhig und sehr vernünftig und lange nicht so verschwitzt wie heute, aber ich habe das verdammte Essen damals trotzdem sehr abrupt beendet. Gabriel war sich Tage später nicht zu blöd, mir die Rechnung der Reinigung zukommen zu lassen, und ich habe ihm daraufhin eine Rechnung für das Essen geschickt. Meine Rechnung war höher, und ich habe dazugeschrieben, dass ich auf der Differenz bestehe, wenn er es noch einmal wagen sollte, sich bei mir zu melden.
Ich meine, was bin ich? Eine Art Datingportal? Verabrede dich mit der falschen Frau und triff dabei die richtige?
Und jetzt also Bennett. Nach beinahe drei gemeinsamen Jahren.
Ich zupfe an der Decke herum, bis ich eine trockene Stelle finde, um mir die Nase abzuwischen.
Bennett ist … Bennett war … Ich dachte wirklich, es sei etwas Ernstes zwischen uns. Ich dachte, alles sei nur noch eine Frage der Zeit – ich habe sogar schon eine Liste geschrieben, mit 10 Dingen, die bei meiner Hochzeit auf keinen Fall fehlen dürfen! Vielleicht hätte ich unter Punkt eins statt des allerschönsten Brautkleids der Welt den Bräutigam aufführen sollen.
Mindy steht auch auf dieser Liste. Zusammen mit Zara. Als Brautjungfer.
Gott. Ich bin so unsagbar blöd.
Mein Telefon klingelt. Ich schließe die Augen und lasse es klingeln. Wenn es Bennett ist, will ich nicht hören, was er zu sagen hat, und der Rest der Welt ist mir gerade egal.
***
Als ich die Augen wieder öffne, dauert es ein paar benommene Sekunden, in denen ich mich frage, warum ich in diesem feuchtwarmen Kokon liege, bevor das Bild von Bennett und Mindy aufleuchtet und Mindys Hinterteil zu wippen beginnt.
Ein Gewicht scheint sich auf mich herabzusenken, und weil ich Luft brauche und außerdem demnächst in meinem eigenen Schweiß ertrinken werde, strecke ich den Kopf unter der Decke hervor. Vor dem Fenster beginnt es, dämmerig zu werden, doch noch ist es hell genug, um die angebrochene Packung Jalapeño-Chips zu erkennen, die auf dem Tisch vor dem Sofa liegt, direkt neben einer aufgeschlagenen Men’s Health.
Ich hasse Jalapeño-Chips. Und ich hasse die Men’s Health.
Mit einem Ruck schlage ich die Decke zurück. Ich kann das Zeug nicht schon wieder Mrs. Daniels vor die Tür werfen, aber ich kann es in den Mülleimer befördern. Und genau dort landen auch Bennetts extrascharfer Ketchup, seine widerliche Barbecue-Soße, seine Proteinjoghurts und die eingelegten Oliven, die ich nur für ihn gekauft habe.
Das Dröhnen der Schranktüren hallt noch in der Wohnung nach, als ich mir mit der Mülltüte in der Hand das Bad vornehme. Bennetts Zahnbürste, Bennetts Kamm, Bennetts Rasierapparat, dazu noch sein Haargel, seine Gesichtscreme und sein bescheuerter Nagelknipser.
Mit einer neuen Tüte bewaffnet nähere ich mich dem Schlafzimmer und atme mehrere Male tief ein und wieder aus. Zuerst Bennetts Schuhe. Dann Mindys BH. Mit spitzen Fingern pflücke ich das Teil von der Nachttischlampe. Es folgen Bennetts Shirts sowie seine Socken und Unterhosen aus dem Kleiderschrank, bevor ich noch das Bettlaken von der Matratze reiße und die beiden Kissen von ihren Bezügen befreie.
Nach kurzem Überlegen stopfe ich auch die Kissen in den Beutel. Will ich mein Gesicht in etwas schmiegen, in das Bennett und Mindy hineingestöhnt haben? Nein, definitiv nicht. Die zweite Tüte lässt sich kaum noch zuschnüren, doch darum kümmere ich mich später.
Jetzt die Matratze. Sie passt in keine Tüte, aber sie muss raus. Ich werde auf dem Sofa schlafen und mir eine neue kaufen.
Ich wuchte sie in die Höhe, lasse sie aber sofort wieder fallen. Verdammt, warum ist die so schwer? Und sperrig obendrein. Entschlossen zerre ich sie vom Lattenrost und schleife sie zur Tür – dann fällt mein Blick auf das Fenster.
Also gut, zwei Möglichkeiten: Entweder ich laviere das Ungetüm über zwei Stockwerke hinweg im engen Treppenhaus nach unten, oder aber ich werfe es einfach vom Schlafzimmer aus auf die Straße.
Ich steige über die Matratze hinweg zur Fensterbank, stelle den Ficus von dort auf den Boden und sehe nach unten. Sie würde auf dem Gehsteig vor den schwarzen Mülltüten landen, die sich am Straßenrand türmen. Anschließend könnte ich hinuntergehen, um sie gegen das schmiedeeiserne Geländer neben dem Treppenaufgang zu lehnen, und ich wette, noch vor morgen früh wäre sie weg. Meine Wohnung befindet sich in einem der Brownstones in der 84th Street, einer ruhigen Seitenstraße zwischen dem Broadway und der Amsterdam Avenue, und in dieser Sekunde lässt nur eine ältere Dame ihren Hund auf der gegenüberliegenden Seite am Stamm eines Baumes schnuppern.
Also. Raus damit.
Ich schiebe das Fenster nach oben, so weit es eben geht, und stoße als Nächstes die Matratze durchs Zimmer. Beim Aufrichten trampele ich um ein Haar meinen armen Ficus nieder. Mit der Schulter hindere ich die Matratze daran, sich wieder langzulegen, während ich den Blumentopf sicherheitshalber mit dem Fuß außer Reichweite befördere. Dann wuchte ich die Matratze gegen die Fensteröffnung, wo sie sich oben, unten, links und rechts verkantet, quetsche und drücke so lange, bis sie ihren Widerstand endlich aufgibt und ich mich am Fensterrahmen festhalten muss, um nicht hinterherzusegeln.
»WHAT THE …!«, höre ich, dann einen Aufschrei.
O nein.
Für einen Moment halte ich entsetzt die Luft an, bevor ich mich vorbeuge, um nach unten zu sehen.
Meine Matratze liegt auf dem Gehweg, so weit immerhin ist mein Plan aufgegangen. Nur dass sie sich bewegt, das hätte nicht passieren dürfen. O nein, o nein. O verdammt! Bei diesem Anblick tritt selbst der Gedanke an Bennett für den Moment in den Hintergrund.
So schnell bin ich noch nie in meinem Leben die Treppen hinuntergestürzt. Als ich die Haustür aufreiße und die Stufen zur Straße runterlaufe, steht ein Mann neben meiner Matratze und hält sich den Kopf, als befürchte er, es könne noch etwas hinterherkommen. Seine dunkelblonden Haare stehen zerzaust in alle Richtungen ab, doch soweit ich es auf den ersten Blick feststellen kann, scheint sein Hals stabil, und Blut tropft ihm auch nicht in die Augen. Gott sei Dank.
Wütend funkelt er mich an. »Ist das deine?«
»Es tut mir leid«, stammele ich. »Das tut mir wirklich schrecklich leid!«
»Bist du noch zu retten? Du kannst das Ding doch nicht einfach aus dem Fenster werfen!«
»Stimmt. Natürlich, ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte – soll ich einen Krankenwagen rufen?«
Gerade noch hat er Luft geholt, jetzt hält er inne, und seine Hand, mit der er seine Haare noch mehr durcheinandergebracht hat, sinkt herab. »Du weißt nicht, wie das passieren konnte?«
»Nein. Also – doch, natürlich weiß ich, wie es passieren konnte, aber … Es war eine Art Notfall.«
»Ein Notfall?« Verblüfft mustert er erst die Matratze und dann mich. »Hat sie dich angegriffen?«
»Indirekt«, erwidere ich, weil ich einem wildfremden Typen ganz sicher nicht auf die Nase binden werde, dass diese Matratze noch wenige Stunden zuvor unter meinem Ex-Freund und meiner Ex-Freundin lag.
»Indirekt«, wiederholt er, und ein Grinsen taucht in seinen Mundwinkeln auf.
»Genau. Es war … quasi Notwehr, aber es tut mir trotzdem leid, dass sie dir auf den Kopf gefallen ist.«
»Na ja, so gesehen bin ich froh, dass du nicht mit deinem Kühlschrank gekämpft hast.« Noch einmal wuschelt er sich durch die Haare. »Sind alle deine Sachen so unberechenbar?«
»Manchmal der Rauchmelder.«
Er lacht auf. »Ich habe einen heimtückischen Staubsaugerroboter. Wir könnten eine Selbsthilfegruppe gründen.«
Damit, dass ich heute noch einmal lächeln würde, hätte ich nicht gerechnet. Als ich mich zur Matratze hinunterbeuge, hilft er mir, sie aufzurichten und zur Seite zu tragen.
»Danke«, sage ich. Und noch einmal: »Es tut mir wirklich leid. Ich hoffe, du bekommst keine Kopfschmerzen.«
»Moment mal«, sagt er, als ich mich umdrehe, um wieder ins Haus zu gehen. »Du kannst mich doch jetzt nicht so einfach hier stehenlassen.«
Kann ich nicht?
»Das war immerhin eine ganze Matratze, die mir da auf den Kopf gekracht ist – vielleicht gibt es Folgeschäden.«
Skeptisch betrachte ich ihn von oben bis unten. »Dann vielleicht doch ein Krankenwagen?«, schlage ich vor. »Oder reicht ein Kamm?«
»Also, ich muss schon sagen.« Er verschränkt die Arme, und jetzt grinst er richtig. »Erst die eigene Matratze nicht im Griff haben, und dann machst du dich auch noch über meine Frisur lustig – die du auf dem Gewissen hast.«
Ich grinse zurück, wenn auch nur kurz. »Was wäre denn deiner Meinung nach angemessen?«, frage ich und verschränke die Arme ebenfalls.
»Du erkundigst dich demnächst mal bei einem Drink, wie’s mir geht. Vielleicht im Mr. Sniffles?«
Ein Drink im Mr. Sniffles. Das ist eine Bar einen Block weiter. Sie gehört Hazel Arrowsmith, und ich bin häufiger dort. Mr. Sniffles heißt ihr Hund, der so riesig ist, dass er die meisten von Hazels Gästen locker überragt, wenn er sie zur Begrüßung anspringt.
»Ich habe dir immerhin beim Tragen geholfen«, erinnert der Kerl mich jetzt und tätschelt dabei meine Ex-Matratze. »Und ich habe tatsächlich ein bisschen Kopfweh.«
»Okay, ein Drink.« Ein Drink, kein Date. Der Wiedergutmachung wegen. »Wann?«
»Samstagabend? Halb neun?«
»Okay.«
»Soll ich dich abholen?«
»Ich weiß, wo es ist, danke.«
»Gut. Ich heiße übrigens Lennon. Lennon Sullivan.«
Er streckt mir die Hand hin, die ich nach einigem Zögern ergreife.
»Alice«, sage ich.
»Alice. Ich freu mich sehr. Bringst du deinen Rauchmelder mit?«
Fast hätte ich aufgelacht. »Ich glaube nicht.«
»Gut, dann lass ich meinen Staubsaugerroboter auch zu Hause.«
Was genau mache ich hier eigentlich? »Also dann, Lennon, bis Samstag.«
»Bis Samstag, Alice. Hat mich gefreut, dich kennenzulernen.«
Weil er keine Anstalten macht zu gehen, bin ich es, die jetzt die Stufen zum Eingang hinaufsteigt. Kurz bevor die Tür zufällt, sehe ich mich noch einmal um. Er steht immer noch da, eine Hand auf der Matratze, und das Letzte, das mir auffällt, ist sein wirklich sympathisches Grinsen.
***
Erst in meiner Wohnung holt mich beim Anblick meines matratzenlosen Betts und der beiden Müllsäcke das Gefühl wieder ein, das mich vorhin aufs Sofa und unter die Decke getrieben hat.
Nach ein paar halbherzigen Versuchen gebe ich es auf, den Beutel mit den Kopfkissen zuknoten zu wollen, und schleppe erst ihn und anschließend den anderen die Treppen hinunter in den Innenhof, wo der Hausmeister sich darum kümmern wird. Vielleicht liegt das ganze Zeug bereits morgen früh gut verschnürt in einem schwarzen Müllsack an der Straße. Dann müsste ich mir nur noch jegliche Bennett-Erinnerung aus dem Hirn ätzen.
Ich setze mich aufs Sofa und verschränke die Hände in meinem Schoß. Irgendwo draußen sind heulende Sirenen zu hören, doch hier drin scheint es stiller als gewöhnlich. Dabei hat Bennett ja nicht einmal richtig bei mir gewohnt. Und jetzt wird er auch niemals bei mir wohnen. Wird nicht mehr kurz vorbeischauen, nie wieder warme Bagel vom besten Deli an der Ecke mitbringen, nie wieder meinen Nacken massieren und nie wieder morgens um sieben das Fenster aufreißen und beim Entgegenschlagen schwülwarmer New Yorker Luft, die ins Zimmer quillt, verkünden, es sei das ideale Wetter für eine Joggingrunde im Central Park. Okay, diesen Satz werde ich nicht vermissen. Aber ich werde es vermissen, wie er mich an sich zog, seine überraschend weiche Stimme, nachdem wir miteinander geschlafen haben, und wie er manchmal Sweetheart sagte. Sweetsweetdoublesweetheart.
Ich habe mich ihm so verbunden gefühlt – wie oft habe ich mir unsere gemeinsame Zukunft ausgemalt, und hat er nicht neulich erst fallen lassen, er könne sich ein Leben ohne mich gar nicht mehr vorstellen? Das war der Zeitpunkt, ab dem ich darüber nachgedacht habe, ob wir nicht bereit für den nächsten Schritt seien, für immer und ewig und so weiter. Und jetzt ist alles kaputt.
Bevor mir schon wieder die Tränen kommen, stehe ich lieber auf. Vielleicht sollte ich mir etwas zu essen machen. Als ich vor gefühlt hundert Jahren nach Hause gekommen bin, hatte ich jedenfalls noch Hunger.
Eine Weile starre ich in den geöffneten Kühlschrank und denke darüber nach, wie Bennett immer davorstand und herummeckerte, es sei mal wieder nichts Leckeres zu essen da. Einmal hat er mich damit so aufgeregt, dass ich die Kühlschranktür zuschlug, während sein mauliger Kopf noch drinnen war. Danach war Ruhe, zumindest für eine Weile.
Warum erinnert mein Hirn mich ausgerechnet daran? Selbstschutz vermutlich.
Ich schließe den Kühlschrank wieder, ohne etwas herausgenommen zu haben. Keine Ahnung, was ich will.
Makkaroni mit Tomatensoße? Eine mit Kreuzkümmel, Koriander und Kardamom auf Indisch getrimmte Nudelsuppe? Will ich mich vielleicht betrinken, bis Mindys Wipphintern endlich aus meinem Kopf verschwindet?
Ein Schauder lässt mich die Schultern hochziehen.
Ich will einen Brownie vom Coffeeshop in der 78th Street. Einen klebrigen, schokoladigen Brownie mit fettglänzender Glasur, der so süß ist, dass mir die Tränen kommen. Vor Glück! Vor Glück werden mir die Tränen kommen! Fick dich doch, Bennett, ich entscheide immer noch selbst, worüber ich heule.
Ich sitze gerade in der Diele auf dem Boden und bin in meine Schuhe geschlüpft, als es klingelt. Das wird doch nicht … Wenn er es ist, lass ich ihn nicht rein!
»Ja?«, rufe ich.
»Alice?« Zaras Stimme. »Ist alles okay mit dir?«
Ich öffne die Tür, und meine beste Freundin stürmt herein. »Ich habe angerufen! Ungefähr tausend Mal! Wieso gehst du nicht ans Telefon?«
»Ich habe geschlafen.«
»Und wie siehst du überhaupt aus?« Zara tritt einen Schritt zurück, um mich im schwachen Licht der Deckenlampe besser mustern zu können. »Hast du geweint?«
Ich werfe einen Blick in den Spiegel neben den Garderobenhaken. Verschmierte Wimperntusche und Kajal lassen mich wirken, als müsse ich eigentlich Cooper mit Nachnamen heißen. Dazu passen dann sogar meine Haare, die mir strähnig am Kopf kleben, und meine zerknitterte Bluse. Ganz kurz schießt mir der Gedanke durch den Kopf, was Lennon wohl über meinen Aufzug gedacht haben muss.
»Vielleicht habe ich geweint«, seufze ich. »Ein bisschen.«
»Aber warum denn? Was ist los?« Zara greift nach meinen Händen.
Wortlos führe ich sie ins Schlafzimmer.
»Dann ist das deine Matratze, die da unten auf der Straße steht? Wie ist die da hingekommen?«
»Ich habe sie aus dem Fenster geworfen.«
»Warum?«
»Weil Bennett Mindy darauf gevögelt hat.«
Ich sage das sehr stoisch, sehr tapfer, und nur die Tatsache, dass ich aussehe wie ein Waschbär, trübt diesen heldenhaften Moment.
»Was?« Zara reißt die Augen auf. »Er hat was? Was für ein Arsch!«
»Schon, oder?« Das kam jetzt etwas kläglich, und ich räuspere mich schnell.
»Dieser verdammte Mistkerl! Dieser elende Bastard! Du hast ihn in deiner eigenen Wohnung erwischt, wie er mit Mindy … Moment, mit Mindy?«
Ich nicke, zu mehr bin ich nicht in der Lage.
»O nein, doch nicht mit Mindy!«
Ich nicke immer noch.
»Ich mach Kaffee.«
Zara schleift mich in die Küche, und dort hocke ich trostlos am Tisch, während sie die Kaffeemaschine zum Röcheln bringt.
»Du hast ihn rausgeschmissen, hoffe ich?« Sie stellt eine Tasse vor mich und setzt sich mir gegenüber.
»Beide. Ich habe beide rausgeschmissen.«
»Ich fass es nicht, dass es Mindy war.«
Ich auch nicht. Ich kenne Mindy, seit sie vor zweieinhalb Jahren hierhergezogen ist, um an der Martha Graham Dance Company zu studieren. Sie hat mir mal erzählt, sie könne es sich nicht vorstellen, einen Freund zu haben, der kein Tänzer sei. Gut, Bennett war ja auch mein Freund, nicht ihrer.
»Willst du darüber reden?«
»Lieber nicht.« Mindy wippt schon wieder.
»Hilft es, wenn ich ihn beschimpfe?«
»Nicht sehr.«
»Ach, Alice.« Über den Tisch hinweg legt Zara eine Hand auf meinen Arm. »Bennett ist so ein Idiot. Und das wird ihm auch noch früh genug auffallen.«
»Ist mir egal. Also, es ist mir eigentlich nicht egal, aber ich fang ganz bestimmt nicht noch mal was mit ihm an.«
»Auf keinen Fall! Einen solchen Typen brauchst du nicht. Und dann auch noch in deiner Wohnung! Er hätte dazu wenigstens in seine eigene gehen können!«
»Da war die Putzfrau.«
»Bitte?«
Zara reißt schon wieder die Augen auf, aber diesmal nicht, weil sie so schockiert wäre. Sie atmet tief durch die Nase ein und presst die Lippen zusammen. Ihre Schultern beginnen zu zittern, und der Griff um meinen Arm verstärkt sich.
»Also, das ist doch …«, sagt sie mit belegter Stimme, und dann muss ich lachen, und auch Zara prustet los.
»Hat er das etwa gesagt? Weil seine Putzfrau …?«
Ich nicke schon wieder, während ich mir mit dem Ärmel übers Gesicht wische und so sehr lache, dass es beinahe ein Heulen ist.
Als wir aufhören zu lachen, schmerzt mein Bauch, und ich fühle mich erschöpft und traurig und ein ganz klein wenig befreit.
»Brauchst du ein paar Tage Urlaub?«, fragt Zara. »Tobey und ich kommen auch eine Weile ohne dich zurecht.«
»Nein, bloß nicht. Sonst sitze ich nur hier rum und stelle mir Bennett zusammen mit Mindy vor.«
Zara verzieht das Gesicht. »Nein, dann kommst du besser in den Laden.«
Zara ist nicht nur meine beste Freundin, sie ist auch meine und Tobeys Chefin. Ihr gehört das Unicorns, Starships & Bugs, ein wahrgewordener Kinderbuchtraum am Broadway. Zwischen einem Schuhgeschäft und einer Bank gelegen, würde der Buchladen durch den riesigen Drachen im Schaufenster selbst dann noch herausstechen, wenn keine bunten Käfer über seine dunkelgrüne Vertäfelung krabbeln würden – es vergeht kein Tag, an dem nicht Touristen davor stehen bleiben, um ihn zu fotografieren. Innen ist der Laden eine einzige Leseecke. Zwischen den Regalen und Tischen gibt es Sessel und große Kissen, und wenn alles belegt ist oder man es bequemer findet, setzt man sich einfach auf den honigfarbenen Holzboden und blättert dort in den Büchern herum. Einige sind mittlerweile schon so abgegriffen, dass Zara immer ein neues Exemplar aus dem Lager holt, wenn jemand es kaufen will. Manchmal bestehen die Leute dann trotzdem auf dem zerfledderten Buch, wie diese eine Frau, die sagte, sie würde nun seit fast zwei Monaten jeden Mittwochnachmittag nach der Musikspielgruppe ihrem Sohn It’s okay to be different vorlesen, und es fühle sich ohnehin schon so an, als gehöre es ihnen.
Zara ist der festen Überzeugung, dass gute Kinderbücher die Welt retten können. Würden zum Beispiel alle Menschen in jungen Jahren die grundlegende Botschaft von It’s okay to be different verinnerlichen, meint sie, gäbe es definitiv weniger Probleme auf der Welt.
Ich stimme ihr grundsätzlich in allem zu, allerdings glaube ich auch, dass sie sich mit dem Unicorns, Starships & Bugs nicht zuletzt den heimlichen Traum erfüllt hat, ihr ganzes Leben lang Kinderbücher lesen zu dürfen, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Aber na ja – darin sind wir uns wohl ähnlich. Ich besaß einen Bibliotheksausweis, noch bevor ich den Kindergarten besuchte, und habe mir selbst das Lesen beigebracht. Nicht dass ich Grandma allzu lange hätte bitten müssen, mir vorzulesen. Granny und ich in dem dunkelroten Samtsessel, ich auf ihrem Schoß und auf meinem ein Abenteuer von Winnie-the-Pooh, gehört zu meinen schönsten Erinnerungen. Mittlerweile steht der Sessel in meiner Wohnung.
»Gibt es irgendetwas anderes, das ich für dich tun kann?«, fragt Zara jetzt.
»Im Moment nicht, aber es ist schön, dass du vorbeigekommen bist.«
»Ich habe mir Sorgen gemacht. Willst du heute Nacht vielleicht lieber bei mir schlafen?«
Ich denke an den nackten Lattenrost im Schlafzimmer und an die verschwitzte Wolldecke auf dem Sofa, und dann muss ich noch einmal an den nackten und verschwitzten Bennett denken und seufze. »Das ist eine gute Idee, glaube ich.«
»Dann komm. Pack was für ein paar Nächte zusammen und lass uns gehen. Ich habe noch Tacos im Kühlschrank.«
10 Dinge, die ohne Männer mehr Spaß machen
Spazierengehen im Park (nicht rennen!)
Alles mit Kultur
Serien-Binge-Watching
Essen, was ich mag (KEINE Thunfisch-Zwiebel-Sandwiches ☠)
Eine ganze Woche lang jeden Abend nur lesen
Musik hören (laut) und mitsingen (auch laut)
Reisen
Mit Freundinnen telefonieren, mich mit Freundinnen treffen, mit Freundinnen Spaß haben
Auf dem Dach liegen und die Sterne anschauen
Mit Walen tauchen
Ich bleibe bis Freitag bei Zara, und in dieser Zeit ruft Bennett gefühlt hundertmal an und hinterlässt ebenso viele Nachrichten, die ich allesamt lösche.
»Hör dir doch wenigstens eine an«, sagt Zara.
»Wieso denn?«
»Damit wir uns darüber aufregen können.«
So gern ich ihr diesen Gefallen täte – meine äußere Gelassenheit ist brüchig, und ich habe keine Ahnung, was Bennetts Stimme in mir auslösen würde.
Als ich Freitagvormittag zum ersten Mal wieder bei meiner Wohnung vorbeischaue, ist die Matratze weg, und vor meiner Wohnungstür steht ein schlapper Strauß Rosen in einer senfgelben Vase. Mrs. Daniels von gegenüber beeilt sich, in den Hausflur zu trippeln.
»Ich habe die Blumen ins Wasser gestellt«, sagt sie. »So schöne Rosen – ich dachte, bevor sie verwelken …«
»Das war wirklich nett von Ihnen«, erwidere ich. »Vielen Dank. Möchten Sie die Rosen vielleicht haben?«
»Ach nein, die hat der nette, junge Mann doch für Sie vorbeigebracht.«
Der nette, junge Mann, der mit meiner Freundin schläft und eigentlich wissen sollte, dass ich keine Schnittblumen mag.
»Ich habe eine Rosenallergie.«
»Oh. Na, das ist aber schade.« Mrs. Daniels lässt sich von mir ihre Vase in die Hände drücken. »Die schönen Blumen … Er hat hier auch auf Sie gewartet.«
Ich werfe einen unbehaglichen Blick die Treppe hinunter. »Wann denn?«
»Ich glaube … gestern. Und vorgestern auch. Vielleicht kommt er ja heute wieder?«
Hoffentlich nicht. Käme er in diesem Moment die Treppen hinauf, könnte ich nicht ausschließen, dass all meine guten Vorsätze, ihn aus meinem Leben zu verbannen, in sich zusammenstürzen würden. Ich vermisse ihn, vermisse das, was ich in uns habe sehen wollen – wie kann etwas, das vor wenigen Tagen noch genau richtig schien, plötzlich so vollkommen in Trümmern liegen? Es fühlt sich irreal an, so als müsste ich in meinem Leben nur ein paar Seiten zurückschlagen, und alles wäre wieder in Ordnung.
»Geht’s Ihnen denn gut?«, fragt Mrs. Daniels, die nicht nur eine sehr freundliche ältere Nachbarin ist, sondern auch eine sehr neugierige, und holt mich damit aus meinen Gedanken.
»Ja, mir geht’s hervorragend.«
Das scheint Mrs. Daniels mir nicht abzukaufen, zweifelnd neigt sie den Kopf. »Es wird sich schon alles wieder einrenken«, sagt sie. »Mein George – Gott hab ihn selig – mein George und ich haben auch oft gestritten, als wir noch jung waren. Das ist ganz normal. Und so schöne rote Rosen …«
»Aber haben Sie George auch mal nackt mit Ihrer Freundin erwischt?«, platzt es aus mir heraus.
»Was?« Jetzt werden Mrs. Daniels’ blaue Augen eulenrund. »Nein! Also – nein. Oh, das ist … also, das ist …« Sie mustert die Vase mit einem Blick, der Schlimmes befürchten lässt.
»Aber die schönen Blumen können ja nichts dafür«, beeile ich mich zu beschwichtigen und bereue schon, ins Detail gegangen zu sein.
»Nein. Das stimmt.« Ein kummervolles Nicken begleitet diese Worte. »Die schönen Rosen. Aber ich muss trotzdem sagen …« Sie kommt zwei Trippelschritte näher und beugt sich vor. »Es gibt gewisse Dinge – da sollte jede Frau sich gut überlegen, ob sie sie verzeihen will.«
Damit hat sie vollkommen recht.
In meiner Wohnung öffne ich sämtliche Fenster, und erst als ich das Gefühl habe, dass jedes einzelne Luftmolekül ausgetauscht worden ist, schließe ich sie wieder.
Außerdem inspiziere ich meinen Kühlschrank und die Küchenschränke, und während die Klimaanlage sich ächzend ins Zeug legt, um die aufgewärmten Zimmer wieder herunterzukühlen, gehe ich einkaufen.
Danach reicht die Zeit sogar noch für ein Avocado-Tomaten-Gurken-Sandwich, und ich gebe mein Bestes, mich darüber zu freuen, dass ich für Bennett kein Thunfisch-Zwiebel-Sandwich belegen muss. Das werde ich auch nie wieder tun, für keinen Mann dieser Erde.
Keine Thunfisch-Zwiebel-Sandwiches mehr und keine Anchovis auf der Pizza. Und in Restaurants werde ich den Kellnerinnen zukünftig immer ein großzügiges Trinkgeld hinterlassen, auch wenn ich mal etwas länger auf das Essen warten muss.
Überhaupt werde ich ab sofort lauter Dinge tun, die ich schon viel zu lange nicht mehr getan habe. Weil Bennett keine Lust dazu hatte oder weil sie mit ihm nicht mehr so viel Spaß gemacht haben. Dinge, die ohne Männer eigentlich sowieso viel lustiger sind.
Ich hole das Buch hervor, in das ich all meine Listen schreibe. Grandma hat es mir geschenkt, kurz vor ihrem Tod. Als sie es mir gab, wussten wir beide nicht, dass es ihr letztes Geschenk an mich sein würde. Sie hat das Buch selbst gestaltet, mit getrockneten Blüten aus ihrem Garten, und ich wollte unbedingt, dass es von innen so wunderschön wird wie von außen – es sollte mich an sie erinnern. Lange hatte ich überlegt, wofür ich es verwenden will, bis ich eines Abends meine erste Liste verfasste.
10 Dinge, für die ich dankbar bin.
Ich hatte in einem Ratgeber gelesen, dass es inneren Frieden bringe, sich diese Dinge bewusst zu machen, aber was ich vor allem feststellte, war, dass es mir inneren Frieden schenkte, Listen zu schreiben. Sie gaben meinem Leben etwas zurück, das mit Grandmas Tod ein Stück verloren gegangen war: eine Form von Struktur, einen Überblick über das, was wichtig war. Wenn ich in dieses Buch schrieb, fühlte ich mich Granny nahe und ihrer besonderen Gabe, den kleinen Dingen im Alltag eine Bedeutung zukommen zu lassen. Es war, als könne ich ihre Stimme hören.
Und so lautete der erste Punkt auf meiner ersten Liste: Ich bin dankbar, dass Granny mein Leben so lange begleitet hat.
Mittlerweile sind es dreiundsechzig Listen, und ich bin sicher, Granny hätte bei der vierundsechzigsten gelächelt.
10 Dinge, die ohne Männer mehr Spaß machen.
Ein wenig zuversichtlicher als noch vor wenigen Minuten lege ich kurz darauf den Stift beiseite und stecke das Buch ein, um die Liste Zara zu zeigen. Zum Schluss bestelle ich noch online eine neue Matratze und zwei Kopfkissen, und dann habe ich es auf einmal eilig, ins Unicorns, Starships & Bugs zu kommen, bevor am Ende tatsächlich noch Bennett vor meiner Tür auftaucht. Es ist eine Sache, seine Anrufe zu ignorieren und seine Nachrichten zu löschen – wie ich reagieren werde, sobald ich ihn das erste Mal wiedersehe, kann ich nicht einschätzen. Am Ende verzeihe ich ihm noch.
***
»Du musst es visualisieren«, sagt Zara, als ich ihr von dieser Sorge erzähle. »Du musst richtig vor dir sehen, wie du Bennett eiskalt abblitzen lässt.«
Zara, Tobey und ich stehen im Laden hinter dem Verkaufstresen und überprüfen die heute eingetroffenen Bücher. Während Tobey eine Kiste öffnet und einen Stapel Dragons love Tacos herausholt, stelle ich mir den reuigen Bennett vor und wie ich mich kühl von ihm abwende. Dann allerdings bricht Bennett in meiner Phantasie reumütig weinend zusammen, und ich kann meine Phantasie-Alice nicht davon abhalten, ihn in den Arm zu nehmen.
»Ich habe eine Liste geschrieben«, sage ich in dem Versuch, fürs Erste gar nicht mehr an Bennett zu denken. »Mit lauter Sachen, die ohne Männer mehr Spaß machen.«
»Eine Anti-Männer-Liste?« Tobey legt die Bücher zur Seite, die er gerade ausgepackt hat. »Zeig her.«
»Keine Anti-Männer-Liste, mehr so etwas wie … es ist einfach eine … na gut, vielleicht ist es doch eine Art Anti-Männer-Liste.«
Das bringt mir ein breites Grinsen von Tobey ein. Auch Zara tritt zu uns, und während die beiden lesen, sehe ich über ihre Schulter.
»Also, ich weiß nicht«, sagt Zara. »Wieso sollte es denn schöner sein, allein auf einem Dach zu liegen und sich die Sterne anzuschauen? Findest du nicht, es wäre viel romantischer, es mit jemandem zusammen zu tun?«
»Vielleicht will ich es ja gar nicht romantisch, sondern einfach nur ruhig und friedlich. Ohne dass jemand die ganze Zeit von seinem harten Arbeitstag redet oder sich plötzlich so romantisch fühlt, dass er lieber ins Bett gehen will.«
Tobey tippt auf einen anderen Punkt. »Aber allein verreisen? Wirklich? Das ist doch langweilig.«
»Nein, es wäre entspannt«, betone ich. »Weil ich dann nämlich nicht zehn Sehenswürdigkeiten am Tag abklappern müsste. Es geht darum, einfach mal nur Dinge zu machen, die ich will.«
»Dann solltest du aber den Titel ändern. In 10 Dinge, die ohne Bennett viel mehr Spaß machen«, sagt Tobey, und Zara nickt.
»Wie auch immer.« Ich stecke das Buch zurück in meine Tasche. »Auf jeden Fall gibt es jede Menge Dinge, die man prima ohne Männer tun kann, und ich werde sie alle tun. Alle! Und ich werde dabei so viel Spaß haben, dass ich mich davon werde erholen müssen.«
»Darf ich beim Serien-Binge-Watching mitmachen?«, fragt Zara.
»Du darfst überall mitmachen. Und du auch«, wende ich mich an Tobey. »Für dich mache ich eine Ausnahme.«
»Sie sieht mich nicht als Mann«, sagt Tobey und legt sich theatralisch die Hand auf die Brust.
Ich verpasse ihm einen Stoß in die Seite. Es ist schier unmöglich, Tobey, der fünfmal in der Woche Kraft- und Ausdauertraining betreibt, nicht als Inbegriff sogenannter Männlichkeit zu sehen. Ich habe einige Frauen in Verdacht, sich die Kinder ihrer Freundinnen auszuleihen, nur um einen Grund zu haben, regelmäßig bei uns vorbei- und ihn anzuschauen. Allerdings ist Tobey seit über einem Jahr mit Matt zusammen, auch wenn er das im Allgemeinen nicht an die große Glocke hängt. Selbst Zara und ich haben erst davon erfahren, als Matt eines Tages plötzlich im Laden auftauchte, fast genauso riesig wie Tobey und mit Oberarmen, die einen zweiten Blick wert waren. Vielleicht sogar einen dritten.
»Hi«, hat er sich damals vorgestellt, »ich bin Matt, ein guter Freund eures Mitarbeiters hier.«
Und während ich noch über die eigenartige Betonung dieses Satzes nachdachte, beugte er sich über den Tresen und wuschelte Tobey durch die Haare.
Das Ganze hatte mit Sicherheit Folgen, und Tobeys Gesichtsausdruck nach zu urteilen, keine guten.
»Ich will einfach nicht auf meine Sexualität reduziert werden«, erklärte er später, und Zara und ich haben es sofort kapiert und verständnisvoll genickt.
»Ich glaube nicht, dass dieser Matt ein Typ ist, der Tobey ewig durchgehen lässt, dass er es mit Berührungen in der Öffentlichkeit nicht so hat«, sagte Zara allerdings abends, als wir bei einem Italiener gerade wagenradgroße Pizzas in Angriff nahmen, und dem stimme ich zu.
Jetzt tätschele ich beruhigend Tobeys Unterarm. »Ich sehe dich als Freund«, beruhige ich ihn.
»Okay, das kann ich gelten lassen.« Er wendet sich einer Kundin zu, die an den Tresen herangetreten ist. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich suche ein Buch für meine Nichte. Sie ist dreizehn. Und sie mag … Romantasy? Das gibt es doch, oder? Vielleicht haben Sie eine Empfehlung für mich?«
»Na klar.« Tobey schlängelt sich an Zara und mir vorbei.
»Ich finde, deine Liste hört sich gut an«, sagt Zara. »Du dürftest übrigens auch gern mal mit mir ins Fitnessstudio gehen.«
»Ins Fitnessstudio?« Gerade wollte ich mich wieder den neuen Büchern zuwenden, jetzt jedoch starre ich Zara entgeistert an. »Hast du Tobey schon gefragt?«
»Nein, ich frage dich. Heute Abend ist zum Beispiel Cardio Dance – Tobey sehe ich da eher nicht, aber dir würde es bestimmt gefallen. Du könntest damit gleich Punkt acht auf deiner Liste abhaken.«
»Bei Punkt acht hatte ich mehr an Kino gedacht.«
Sie zuckt mit den Schultern. »Überleg’s dir.«
»Ich habe nicht mal Sportklamotten dabei.«
»Du kannst doch einfach etwas früher gehen und sie noch holen.«
Als Zara das letzte Mal zu mir gesagt hat, ich könne ruhig etwas früher gehen, habe ich Bennett mit Mindy erwischt. Das scheint ihr in diesem Moment auch einzufallen, denn sie wirft mir ein mitfühlendes Lächeln zu. »Na ja, oder vielleicht ein andermal.«
»Nein, weißt du was? Ich komme mit.«
Besser Cardio Dance als heute Abend allein auf dem Sofa sitzen. Es reicht, wenn ich ab morgen Spaß haben werde wie verrückt.
»Echt jetzt? Super!«, ruft Zara, und dann wird ihr Lächeln plötzlich ein bisschen leuchtender und ihre Haltung ein bisschen aufrechter.
Ich folge ihrem Blick und sehe gerade noch, wie sich die Ladentür hinter Fred Baker schließt.
»Hi, Fred!«
Zara winkt ihm zu, und er lächelt höflich, hebt die Hand um einige Zentimeter und beugt sich dann über den Büchertisch mit den Neuerscheinungen.
Fred ist ein harter Brocken, obwohl er in seinen Shirts mit Nerd-Aufdrucken eigentlich ganz harmlos wirkt. In einem der seltenen Momente, in denen er mehr von sich gab als Hi und Bye, hat er Zara gegenüber erwähnt, dass er als Englischlehrer an der Henderson Elementary School arbeitet und zuständig für die Schulbibliothek ist. Mehr jedoch hat sie bisher nicht aus ihm herausbekommen, denn genauso lange, wie Zara schon für seine wunderschönen Hände, seine immer etwas ungebändigten, dichten Haare und seine Stimme – »O Gott, Alice, diese Stimme!« – schwärmt, hat er jeden weiteren ihrer Versuche umschifft, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
Zara fährt sich schnell noch einmal mit allen Fingern durch ihre dunkelbraunen Locken, dann greift sie sich wahllos einige Bücher vom Tresen und steuert damit den Tisch mit den Neuerscheinungen an. Heute trägt Fred ein verwaschenes Ghostbusters-Shirt, und er tritt mit einem Buch in der Hand ein paar Schritte beiseite, während Zara einen Platz freiräumt und ihn dabei auf ein neues Restaurant in der Columbus Avenue anspricht.
»Warst du schon dort?«, höre ich sie fragen. »Sie sollen da unglaublich leckere Dosas machen.«
»Nein, bisher noch nicht«, sagt Fred.
»Ich liebe Dosas.« Darauf erwidert Fred nichts, weshalb Zara hinzufügt: »Und du?«
Fred sieht auf, einen Finger zwischen die Buchseiten geklemmt. »Doch, ich auch«, sagt er, lächelt unverbindlich und widmet sich wieder seiner Lektüre.
»Vielleicht treffen wir uns dort ja mal zufällig«, wagt Zara sich einen Schritt weiter vor.
»Das wäre wirklich ein Zufall.« Fred legt das Buch zurück. Kurz sieht es so aus, als wolle er noch etwas sagen, dann jedoch nickt er nur knapp und geht ein paar Schritte weiter zu einem der Bücherregale.
Nicht mehr ganz so fröhlich wie noch vor einigen Minuten kehrt Zara zum Tresen zurück, wo ich inzwischen die Kartons flach gedrückt habe.
»Übernimm du ihn«, sagt sie halblaut und schichtet dabei die Pappen übereinander. »Vielleicht will er ja lieber mit dir ausgehen. Ich bin im Lager.« Sie steckt ein Teppichmesser in ihre hintere Jeanstasche und balanciert den Stapel an mir vorbei.
»Ich glaube ja, der will mit niemandem ausgehen«, sagt Tobey halblaut. Gerade hat er der Frau, die nach einem Buch für ihre Nichte gesucht hat, noch einen schönen Tag gewünscht. Jetzt stellt er sich mit verschränkten Armen neben mich. »Der will sich hier einfach nur in Ruhe umschauen.«
Ich nicke. Auch ich würde darauf tippen, dass Fred zu den Menschen gehört, die es lieben, stundenlang in Buchhandlungen herumzustöbern, und es hassen, dabei unterbrochen zu werden.
»Kann ich dir irgendwie helfen?«, frage ich ihn trotzdem nach ein paar Minuten.
»Danke, ich seh mich nur um.«
Tja.
Für Fred zu schwärmen ist definitiv eine frustrierende Geschichte, und Zara ist deshalb den ganzen Nachmittag über in gedämpfter Stimmung.
»Was soll ich denn noch tun, damit er auf mich aufmerksam wird?«, beklagt sie sich. »Ich bin nett, ich bin freundlich, ich habe ein verdammtes Ich bin Groot-T-Shirt getragen – warum will er nicht mit mir Dosas essen gehen?«
»Warum fragst du ihn nicht einfach selbst, statt darauf zu warten, dass er es tut?«
»Alice.« Zara verdreht die Augen. »Vorhin habe ich mich ihm quasi in einem Dosafladen gewickelt angeboten – viel deutlicher kann man nicht werden.«
Das stimmt allerdings.
»Vielleicht ist er ja schon vergeben. Hak diesen Typen doch endlich ab, Zara«, sagt Tobey und spricht damit aus, was ich mir auch schon einige Male gedacht habe. Wenn ich Zara allerdings richtig einschätze, hat diesen Punkt noch längst nicht erreicht.
»Ja, vielleicht sollte ich das tun«, erwidert sie daher zu meiner Überraschung, bevor sie sich einer Frau zuwendet, die mit mehreren Büchern an die Kasse getreten ist.
»Hi«, sagt sie, dreht sich dann aber noch einmal zu uns um. »Oder vielleicht mag er einfach lieber Pizza.«
***
»Also dann, bis gleich!«, ruft Zara, als ich mich auf den Weg nach Hause mache, um meine Jogginghose zu suchen. Das letzte Mal hatte ich sie an, während ich frühmorgens neben Bennett hergekeucht bin – die Sonne war noch nicht einmal richtig aufgegangen –, und ich hoffe, ich finde das Teil jetzt im Kleiderschrank und nicht stinkend ganz unten im Wäschekorb.