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Was geschieht, wenn eine unglaubliche Erfindung in falsche Hände gerät, wenn auf der Rückreise vom Mars zwei Astronauten ihre Liebe zueinander entdecken, wenn sich ein legendärer Geheimdienstchef plötzlich wie ein Tölpel benimmt ...? Was passiert, wenn ein Potentat durch einen Staatsstreich unverhofft mit der rauhen Wirklichkeit seines Landes konfrontiert wird ...? Fragen, auf die Gert Prokop (1932 -1994) in vierzehn spannenden, kurzweiligen Erzählungen, die im Weltraum oder auf unserer Erde spielen, verblüffende, hintergründige, ernste oder vergnügliche Antworten gegeben hat.
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Seitenzahl: 440
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Impressum
ISBN 978-3-360-50071-7
© 2014 (1990) Verlag Das Neue Berlin, Berlin
Covergestaltung: Verlag
Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft mbH
Neue Grünstraße 18, 10179 Berlin
Die Bücher des Verlags Das Neue Berlin
erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.
www.eulenspiegel-verlagsgruppe.de
Gert Prokop
Null minus
unendlich
Phantastische Geschichten
Das Neue Berlin
Null minus unendlich
»Sie haben es gut«, seufzte Bärliman, »Sie können noch Auto fahren.«
»Ja.« Sredzki nickte ein wenig und lächelte bescheiden, wie er es immer gegenüber einem Vorgesetzten tat.
Ich fürchte, ich kann bald nicht mehr mit der Metro …« Bärliman sperrte den Mund auf, holte keuchend Luft, riß ein großes, in den hochmodischen Farben Altrosa und Lila gewürfeltes Taschentuch aus der Hosentasche und schneuzte sich kräftig. »Sie entschuldigen – das Mentadon.«
Sredzki lächelte wieder, diesmal verständnisvoll und mitleidig.
Er empfand wirklich Mitleid mit seinem Abteilungsleiter, er hatte selbst monatelang Mentadon genommen und kannte die Mühsal der unvermeidlichen Begleiterscheinungen, das ewige Schneuzen, Hüsteln, Tränen wischen. Ja, dachte er, Bärliman wird das Medikament ganz offensichtlich nicht mehr lange nehmen können. Die Intervalle zwischen seinen Schneuzanfällen wurden immer kleiner; er war schon nicht mehr in der Lage, einen kurzen Anruf des Direktors entgegenzunehmen, ohne zwei-, dreimal um Unterbrechung zu bitten und sein Taschentuch zu zücken.
»Und dann?« Bärliman blickte Sredzki an, als läge bei ihm all seine Hoffnung. »Wenn ich die Metro nicht mehr benutzen kann? Glauben Sie, ich komme in die Kategorie S-1? Mir würde ja schon die S-2 genügen, ein Taxi zum Bahnhof, aber …« Bärliman schüttelte traurig den Kopf, sehneuzte sich erneut.
»Was dann werden soll …« Er sah Sredzki aus seinen rotunterlaufenen Augen an. »Sie sind ein Glückspilz, Sredzki. Ich hoffe, Sie wissen das zu schätzen.«
Er verabschiedete sich mit einem müden Lächeln und ging mit hängenden Schultern in Richtung Ausgang, fädelte sich in den Strom der Angestellten ein, die dem Metro-Eingang neben dem Portal zustrebten.
Armer Bärliman, dachte Sredzki. Er bedauerte seinen Chef, weniger, weil er seinen Posten verlieren würde, als wegen der Entzugsqualen, die ihm bevorstanden. Mit Schaudern erinnerte er sich an die Wochen, da er das Mentadon absetzen mußte, an die Todesangst, die ihn gepackt hatte, ihn drei Wochen lang keine Nacht schlafen ließ, eine alles verschlingende Angst, die ihn zu zerreißen, zu zerquetschen drohte, dazu unentwegt Schweißausbrüche, Muskelzittern, Krämpfe, Herzrasen. Und Halluzinationen: Stühle und Tische schienen sich zu bewegen, der Fußboden wölbte sich, die Zimmerwände blähten sich auf, rückten mit peristaltischen Wellen näher und näher, bis er verzweifelt die Augenlider zusammenpreßte … Er hatte die Wohnung nicht mehr verlassen können, weil die Fassaden auf ihn zuzukriechen, die Straßen zu schmalen Schluchten zu werden schienen, die ihn zu zerdrücken drohten. Er fand sich wie ein verendendes Tier auf dem Fußboden: schreiend und spuckend, suchte unter den Möbeln nach einer heruntergefallenen Mentadon-Tablette, verabschiedete sich jeden Morgen von Marianne, als würde er sie nie wiedersehen, glaubte tatsächlich, jede Minute sterben zu müssen …
Bärliman war wirklich nicht zu beneiden. Sredzki sah ihm nach, bis sein Kopf in der Masse untertauchte. Glückspilz? dachte er dann. Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige, Herr Kollege! Dann erschrak Sredzki.
Wenn Bärliman demnächst unfähig war, ins Institut zu kommen, ob man dann ihn zum Abteilungsleiter machen würde? Er war der Dienstälteste. Und wenn, dachte er, wie sollte er sich verhalten? Eine Beförderung lehnt man nicht ab. Nicht, ohne sich tausend Fragen oder unausgesprochenen Verdächtigungen auszusetzen: Was gab es da, das den so Ausgezeichneten zur Ablehnung zwang? Eine verschwiegene Krankheit? Wußte der Vorgesehene, daß er den Posten nicht ausfüllen könnte? Und warum hatte das Direktorium nichts davon erfahren? Was war falsch in den Daten des Beförderungsunwilligen? Also erneute Sicherheitsüberprüfung, mehr oder weniger diskrete Erkundigungen der Personalabteilung bei den Kollegen, den Nachbarn, den Ärzten … Wenn er jedoch den Posten annahm, hatte er überhaupt keine Zeit mehr.
Er mußte sofort vorbeugen, sagte sich Sredzki. Morgen bereits würde er Plögel seine Idee für die Lösung der Krabol-Konstruktion unterschieben, so unauffallig, daß Plögel sie für seine eigene Idee halten und einreichen konnte.
Sredzki schmunzelte. Plögel wäre ein guter Nachfolger für Bärliman. Er würde nicht wagen, Sredzki zu beaufsichtigen, dann könnte er auch tagsüber ungeniert an dem tectabel arbeiten, nicht nur heimlich während der Pausen oder in den Viertelstunden, die er abends Marianne unter dem Vorwand abhandelte, er habe noch etwas Dienstliches zu erledigen – nicht länger müßte er ihr Gequengel ertragen, früher habe er seine Arbeit immer in der Dienstzeit geschafft.
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