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Daniela Felbermayr

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Beschreibung

Armes, reiches Mädchen ... Als Tochter eines millionenschweren Bankiers spielt Geld für Annabelle Taylor keine große Rolle. Sie hat Alles. Von Luxuskarossen über Designerklamotten bis hin zum Privatjet. Doch eines fehlt ihr: der richtige Mann an ihrer Seite. Als Annabelle nach der Trennung von ihrem Exfreund eine Auszeit nehmen möchte, gerät sie in einen Autounfall. Sie verliert dabei ihr Gedächtnis und wird von dem attraktiven, verwitweten Farmer Ben aufgenommen, den sie zuvor schwer beleidigt hat und der ihr nun vormacht, seine Ehefrau zu sein. So heißt es für Annabelle ab sofort den Haushalt führen, ihren Ehemann zu bekochen und jeden Cent zweimal umdrehen, anstatt Luxusmarken zu shoppen und Wochenendtrips auf die Malediven zu unternehmen. Annabelle findet überraschend schnell gefallen an ihrem neuen Leben und erkennt, dass man wahre Liebe und echtes Glück mit Geld nicht kaufen kann. Und auch der verschlossene Ben, der sehr unter dem Tod seiner Frau leidet, blüht langsam auf. Doch eine Liebe, die auf einer Lüge basiert, kann niemals gutgehen ...

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NUR DU AN MEINER SEITE

 

Ein Pink Powderpuff Books Roman

 

 

 

 

 

Copyright: 2018 Daniela Felbermayr

Covergestaltung: www.rausch-gold.com, Catrin Sommer

Unter der Verwendung von shutterstock_197952158 und shutterstock_295754756

Korrektorat: SW Korrekturen e.U.

 

www.pink.powderpuff-books.com

[email protected]

 

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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlungen sind frei erfunden, eventuelle Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markenname und Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum der rechtmäßigen Eigentümer.

INHALT

PROLOG

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EPILOG

LESEPROBE – LESEPROBE – LESEPROBE

PROLOG

 

 

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5 – 8 – 2

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Annabelle Taylor seufzte und klickte die Website weg, bei der sie soeben eine neue Louis Vuitton Speedy 30 und eine Clutch von Gucci gekauft und dafür ein kleines Vermögen ausgegeben hatte. Beides Dinge, die sie gar nicht brauchte und von denen sich Artgenossen schon zuhauf in ihrem Ankleidezimmer befanden. Aber für den Moment, als sie die beiden Taschen ausgesucht, sie in den virtuellen Einkaufswagen der Website gelegt und bezahlt hatte, bis zu dem Moment, als sie die Bestellbestätigung angezeigt bekam, fühlte sie sich zufrieden und erfüllt. Neben den beiden Taschen hatten an diesem Abend zwei Kleider von Prada, Pumps von Christian Louboutin und eine Gesichtsmaske von La Prairie für sage und schreibe sechshundert Dollar ihren Weg in Annabelles virtuellen Einkaufswagen gefunden. Danach surfte sie zu der Online-Boutique, bei der sie für gewöhnlich ihre Chanel-Outfits kaufte, und sah sich Dinge an, die sich ebenfalls bereits mehrfach in ihrem Besitz befanden und von denen sie trotzdem nicht genug bekam. Ein Gefühl der Unruhe überkam sie. Sie wollte einkaufen. Sie fühlte sich gut, wenn sie Dinge aussuchte, sich durch die möglichen Varianten und Muster klickte, doch dieser verdammte Shop hatte nichts im Angebot, was sie nicht entweder schon besaß oder was so hässlich aussah, dass sie es gar nicht erst haben wollte. Sie klappte ihr Notebook zu, seufzte und ließ ihren Blick durch ihr Appartement schweifen.

 

Annabelle Taylor war vierunddreißig Jahre alt, und hätte man ihre Lebensweise „Normalsterblichen“ gezeigt, so hätte der Großteil mit Sicherheit entschieden, dass sie auf die Glücksseite des Lebens gefallen war. Als einzige Tochter eines reichen Bankiers kannte sie finanzielle Sorgen nicht und war bereits mit einem Silberlöffel im Mund und höchst behütet aufgewachsen. Sie hatte Jura in Harvard studiert und nach ihrem Abschluss eine leitende Position im Familienunternehmen eingenommen. Sie bewegte sich in der Gesellschaft der oberen Zehntausend New Yorks sicher, war mit Prominenten auf Du und Du und es fehlte ihr an nichts. Und dennoch verspürte sie oftmals diese Leere in sich, die sie nicht in Worte zu fassen vermochte. Ihr Appartement glich einem Luxus-Warenhaus. Ihr Ankleidezimmer wirkte wie eine Boutique und enthielt nicht nur Designerklamotten, sondern auch Handtaschen, die den Wert von Kleinwagen trugen, und Schmuckteile, für die man sich ein kleines Häuschen hätte kaufen können. Alles, was Annabelle jemals in ihrem Leben angepackt hatte, war ihr aufgegangen. Sie hatte einen erstklassigen Uniabschluss gemacht und war erfolgreich ins Berufsleben eingestiegen. Es fiel ihr nicht schwer, neue Kontakte zu knüpfen, sie hatte genügend Freunde und auch sonst alles, was sie sich wünschte. Und doch … gab es Momente, in denen sie nicht in Worte fassen konnte, wie einsam und leer sie sich fühlte, Momente, in denen all ihre Kleider, ihr Schmuck, ihre Handtaschen und ihre Schuhe nichts wert waren. Momente, in denen sie diese Leere mit einkaufen zu füllen versuchte, was ihr regelmäßig misslang. Sie ging in ihre knapp siebzig Quadratmeter große Küche hinüber und öffnete den Kühlschrank, in dem sich nicht sehr viel Essbares fand. Es gab einige Sandwiches, die ihre Haushälterin ihr vorbereitet hatte, und etwas Sushi, das sie sich früher an diesem Abend liefern lassen hatte. In dem Bereich, der für Champagner vorgesehen war, reihte sich eine Flasche Dom Perignon an die nächste. Annabelle nahm eine davon heraus, öffnete sie und trank aus der Flasche, während sie zurück ins Wohnzimmer ging.

 

Sie linste verstohlen auf ihr Handy, doch das vermeldete weder einen Anruf noch eine SMS oder eine WhatsApp-Nachricht von Dan. Das war mitunter einer der Nachteile daran, wenn man eine Beziehung mit einem – noch – verheirateten Typen hatte. Man war die Nummer zwei und hatte kein Anrecht darauf, Anrufe, SMS oder WhatsApp-Nachrichten zu erwarten, auch dann nicht, wenn die Ehe bereits in Scherben lag und es nur noch eine Frage der Zeit war, bis die Scheidungspapiere unterschrieben wurden.

„Sobald die Scheidung durch ist, wird alles besser“, sagte sie zu sich selbst, so, als müsse sie sich versichern, dass sie das Richtige tat. Eigentlich hatte Annabelle längst aufgehört, nach der großen Liebe zu suchen. Früher oder später hatten all die Typen, die sie bisher gedatet hatte, es auf ihr Geld abgesehen gehabt. Holten sie ihr zu Anfang noch die Sterne vom Himmel, gingen sie bald schon dazu über, Annabelle Restaurantbesuche und sogar Urlaube bezahlen zu lassen, was noch nicht einmal das Problem gewesen wäre. Das Schlimme an der Sache war, dass Annabelle genau wusste, dass die Kerle vorrangig an ihrem Geld interessiert waren und nicht an ihr. Einer hatte ihr sogar einmal vorgeschlagen, seine Telefonrechnung und die Leasingrate für seinen Wagen zu übernehmen, weil sie eben „reich“ war und es ihr finanziell doch nicht wehtat. Oft schon hatte sie sich gewünscht, einfach eine normale Frau zu sein. Ohne ein millionenschweres Imperium im Nacken zu haben. Eine Frau in einem kleinen Appartement irgendwo im Village mit einem normalen Job. Natürlich war es für Annabelle nicht einfach, ihre Herkunft zu verbergen. In Manhattan war sie bekannt wie ein bunter Hund und New Yorks Junggesellen umwarben sie zuhauf. Doch es gelang ihr eigentlich immer sehr schnell, herauszubekommen, ob jemand sie um ihrer selbst willen mochte oder aber ihres Geldes wegen. Sie schien ein Händchen für Mistkerle erster Klasse zu haben und konnte ein Repertoire an Arschlöchern anbieten, wie es seinesgleichen suchte. Da waren Kerle gewesen, die sie mit ihren Sekretärinnen betrogen, welche, die längst verheiratet waren und ihr das Blaue vom Himmel erzählten, selbstverliebte Typen, die es darauf anlegten, auf Annabelles Kosten ein schönes Leben zu führen, und Typen, die darum gewettet hatten, sie vor den Traualtar zu bekommen und Teil des Taylor-Imperiums zu werden. Mit einunddreißig hatte Annabelle dann beschlossen, auf eine feste Beziehung im herkömmlichen Sinne zu verzichten. Sie hatte es satt, immer wieder irgendwelchen Mistkerlen aufzusitzen. Mit Dan Bradshaw, einem verheirateten Broker aus dem Büro, hatte sie sich zwar auf ziemlich dünnes Eis begeben, doch die Sache zwischen ihnen beiden lief nun bereits seit über einem halben Jahr – und sie lief mehr als gut. Dan war der Erste, bei dem sie nicht das Gefühl hatte, er wäre hinter ihrem Geld her. Er ließ sie nicht für Abendessen bezahlen, wenn sie unterwegs waren, er war liebevoll und an ihr interessiert und bei ihm fühlte sie sich richtig geborgen und geliebt. Sie und Dan ergänzten sich perfekt und waren ziemlich auf einer Wellenlänge, nicht nur, was ihr Privatleben betraf, sondern auch, was ihre Zukunftswünsche und ihre Karriereplanung anging. Wäre Dans Noch-Ehefrau nicht gewesen, hätten sie das Paradebeispiel eines Powercouples dargestellt. Aber das war ohnehin nur mehr eine Frage der Zeit. Dans Ehe stand unter keinem sehr guten Stern, und es hatte den Anschein, als stünde eine Trennung unmittelbar bevor – was Dan auch immer wieder betonte. Erst am Vortag hatte er ihr von einem Gespräch mit seinem Scheidungsanwalt erzählt, der angeblich gerade dabei war, das Scheidungsabkommen aufzusetzen, und es so schnell wie möglich seiner Frau zustellen sollte. Ihre Ehe hatte ein Ablaufdatum, so Dan, und er selbst habe keine Zeit mehr für Spielereien und Kinderkram. Er war fast vierzig und musste langsam Nägel mit Köpfen machen. Seinen Aussagen zu Folge würde die Sache im nächsten Monat über die Bühne gehen und ihrer gemeinsamen Zukunft stand so nichts mehr im Weg.

 

 

Annabelle warf den Kopf in den Nacken und seufzte noch einmal. Sie hasste Abende wie diese, an denen sie absolut nichts mit sich anzufangen wusste und auch keine Möglichkeit fand, sich irgendwie abzulenken. Sie klappte ihr Notebook zu und legte es neben sich auf die Couch. Eigentlich waren Dan und sie für diesen Abend zum Essen verabredet gewesen, doch dann hatte seine Frau einen auf Migräne gemacht und ihn offenbar dazu verdonnert, bei ihr zu bleiben. Was für eine Ziege. Ihre Ehe lag ohnehin schon in ihren letzten Atemzügen und sie hatte seit über einem Jahr kein Interesse mehr an Dan – weder geistig noch körperlich. Dan hatte Annabelle sogar erzählt, dass seine Frau ihn bereits zweimal betrogen hatte. Infos, die er seinem Scheidungsanwalt natürlich brühwarm zur Verfügung gestellt hatte. Die Sache zwischen ihm und seiner Frau war vorbei. Was es da bringen sollte, zwanghaft noch zu versuchen, sie wiederzubeleben, konnte Annabelle sich nicht erklären. Dass Dan ihr auch noch nachgegeben hatte und seine Verabredung mit Annabelle hatte sausen lassen, machte sie ebenfalls wütend. Noch am Vortag hatte er ihr versichert, dass die Scheidung so gut wie in trockenen Tüchern war, und keine vierundzwanzig Stunden später musste er also den treusorgenden Ehemann spielen, der sich um seine migränegeplagte Ehefrau kümmerte.

 

Annabelle stand auf und ging zu der Fensterfront ihres Appartements, wo sie auf das im Regen liegende, triste Manhattan hinabschaute. Ihr war langweilig, und sie war – wenn sie ehrlich mit sich selber war – ziemlich sauer, dass Dan ihr so kurzfristig abgesagt hatte. Sie fühlte wieder einmal diese Leere in sich, die sich so oft bemerkbar machte, wenn sie mit sich allein war und Zeit zum Nachdenken fand. Etwas in ihrem Leben fehlte, trotz allem, was sie hatte. Mit einem Mal war sie sich nicht mehr ganz sicher, ob Dan diese Lücke tatsächlich füllen konnte. Vielleicht war es das Beste, die Sache mit ihm gleich zu beenden. Sie beide hatten zwar ziemlich viel Spaß miteinander, waren auf einer Wellenlänge und ergänzten sich im Bett perfekt, doch die WhatsApp, die er ihr vorhin geschickt hatte, von wegen, er müsse sich um seine Frau kümmern, hatte ihn meilenweit zurückgeworfen. Sie schüttelte kurz den Kopf. Sie selbst hatte sich auf diese Affäre eingelassen und zugelassen, dass mehr daraus wurde. Ihr war von Anfang an bekannt gewesen, dass Dan verheiratet war, und von vornherein war klar gewesen, dass es nicht gleich so laufen würde wie in einer normalen Beziehung. Genau das hatte sie doch auch haben wollen. Außerdem konnte sie nicht von Dan verlangen, dass er seiner Frau die Scheidungspapiere einfach so vor den Kopf knallte. Es gehörte eben auch etwas Fingerspitzengefühl dazu, so eine heikle Sache professionell zu lösen, zumal es ziemlich böse enden könnte, würde herauskommen, dass Dan seine Frau betrog.

 

Annabelles Blick fiel auf die Pakete mit dem Chanel-Logo, die der Concierge auf ihre Anweisung hin neben der Veloursledercouch im Wohnzimmer abgestellt hatte. Sie hatte die Pakete – es waren zwei Kostüme, ein Kleid, zwei Paar Schuhe und eine Handtasche darin, ein eher kleiner Einkauf für ihre Verhältnisse – noch nicht einmal ausgepackt. Andere Frauen hätten vermutlich ihren linken Arm für nur ein einziges Chanel-Teil gegeben, doch für Annabelle waren all ihre Designerklamotten, die teuren Handtaschen, die Schuhe und der Schmuck mittlerweile zu etwas geworden, was sie nur mehr kurzfristig glücklich machte. Sehr kurzfristig. Sie ließ ihren Blick über ihr Appartement gleiten. Fast vierhundert Quadratmeter Wohnfläche in einem der teuersten Appartementkomplexe Manhattans nannte sie ihr Eigen. In der Tiefgarage fanden sich ein neuer Audi A6, ein zwei Jahre alter Porsche 911 Carrera und ein nigelnagelneuer Jeep-Geländewagen, dessen Reifen noch nie die Straßen Manhattans berührt hatten, sondern den sie einfach aus einer Laune heraus gekauft hatte, als sie zwischen zwei Terminen bei einem Jeep-Händler vorbeigekommen war. Der Privatjet und der Helikopter der Taylor National Private Bank standen ihr jederzeit uneingeschränkt zur Verfügung und in der Bank ihres Vaters hatte sie einen leitenden Posten inne. Um Geld musste Annabelle Taylor sich keine Sorgen machen. Sie hatte liebevolle Eltern, einen großen Freundeskreis und doch … fühlte sie sich einsam. Etwas in ihrem Leben fehlte, was ihr weder Geld noch all der Luxus geben konnten, der sie einhüllte. Gar nichts in ihrem Appartement, weder die Designermöbel noch die sündhaft teuren Handtaschen, nicht die Autos, der Schmuck oder die Parfums, die sie kaufte, um diese Leere in sich irgendwie ausfüllen zu können, schafften es mittlerweile, sie auch nur annähernd zufriedenzustellen.

 

1

 

 

„Bella, meine Hübsche, na, hattest du einen schönen Abend gestern? Mum und ich fanden es sehr schade, dass du unsere Einladung zum Essen abgesagt hast.“

John Taylor, Annabelles Vater, kam in den Besprechungsraum und begrüßte seine Tochter herzlich. John war groß und sportlich und hatte trotz seiner zweiundsechzig Jahre nichts von seiner Attraktivität eingebüßt. Die Taylor National Private Bank hatte er von seinem Vater übernommen und sie zu dem gemacht, was sie jetzt war: einer der führenden Kreditgeber für mittlere und große Unternehmen in den Vereinigten Staaten.

„Alles bestens, Dad“, sagte Annabelle, die ihrem Vater nicht sagen konnte, dass sie das Abendessen gestern wegen ihrer Affäre abgesagt hatte, dass die Affäre wiederum sie versetzt hatte und dass sie deswegen zwar einen freien Abend, aber dafür keine Lust auf Gesellschaft gehabt hatte. Sie erwiderte die Umarmung ihres Vaters.

„Ich hätte den Abend auch sehr gerne mit euch verbracht, aber ich hatte derartige Kopfschmerzen, dass ich es nicht vor die Tür geschafft hätte.“

„Du warst ja auch wieder ganz schön lange im Büro, nicht wahr?“

„Na ja, es gibt eben immer etwas zu tun.“

„Und deine Kopfschmerzen?“ John sah seine Tochter fragend an.

„Wie weggeblasen.“ Sie lächelte.

„Wie schön, dass es dir heute wieder besser geht. Übrigens, der Grund, warum wir dich gestern Abend so spontan eingeladen haben, war jener, dass Doyle Connors uns mit seiner neuen Kollektion einen Besuch abgestattet hat.“„Doyle Connors? Der Juwelier?“„Genau. Deine Mutter wird im nächsten Monat sechzig, da sollte sie sich etwas Hübsches aussuchen.“„Schön. Und ist sie fündig geworden?“„Du kennst doch deine Mutter.“ John lächelte liebevoll. „Übrigens haben wir auch etwas Schönes für dich ausgesucht.“ Er reichte ihr eine weiße Tüte aus stabilem Karton, auf der in goldenen Lettern das Emblem von Doyle Connors eingeprägt war.

„Was ist das?“, fragte Annabelle.„Mum sagte mir, dass dir beim letzten Mal, als du mit ihr shoppen warst, diese goldfarbene Rolex Daytona aufgefallen ist, die Doyle im Schaufenster hatte. Dummerweise war sie vorbestellt, und du wolltest nicht darauf warten, bis er eine neue für dich ordert. Er hat es trotzdem getan und sie gestern Abend mitgebracht.“

„Danke, Dad.“ Annabelle umarmte ihren Vater.

„Wie läufts beim Windham-Projekt?“, erkundigte John sich. Sein Ton hatte etwas Geschäftsmäßiges angenommen. Die Windham-Unternehmensgruppe hatte vor, die ersten fünfzehn von weit über einhundert kleinen Fachmarktzentren in Kleinstädten im Mittleren Westen hochzuziehen. Ein unglaubliches Geschäft, würde es – so wie es geplant war – zustande kommen.

„Alles im grünen Bereich. Wir haben die Finanzierungsvorschläge bereits unterschrieben zurückerhalten. Es ist alles in trockenen Tüchern und der Abschluss eigentlich nur noch eine Formalität.“ Tatsächlich hatte es Annabelle einiges an Verhandlungsgeschick gekostet, den Deal mit der Windham-Gruppe an Land zu ziehen. Einer der Vorstände hatte sich quergestellt und wollte unbedingt durchsetzen, dass die Finanzierungen mit unterschiedlichen Geldgebern durchgeführt würden. Er war der Meinung, dass Windham nicht zu sehr von einem Geldinstitut abhängig sein sollte, weil das dann alle Fäden in der Hand hielt, was Zinsanpassungen etc. anbelangte, doch Annabelle hatte ihn letztlich doch noch auf ihre Seite ziehen und den Deal holen können.„Unglaublich. Das müssen wir feiern, Liebes. Ich weiß ja, dass ich mich auf meine Tochter verlassen kann.“ John lächelte und nahm am Kopfende des Besprechungstisches Platz, während die anderen Teammitglieder in den Raum strömten und sich ebenfalls setzten. Unter ihnen war auch Dan Bradshaw.

 

„Hey, Dannyboy, ich habs gerade eben erfahren. Gratuliere“, sagte Wayne Kellar, einer der Teamleiter, und klopfte Dan freundschaftlich auf die Schulter.

Annabelle hob fragend den Kopf und zog eine Augenbraue in die Höhe. Wozu gratulierte Wayne Dan? Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, Dan zu ignorieren. Er hatte sie am Vorabend versetzt, also würde er auch Wiedergutmachung leisten müssen. Doch jetzt sah sie ihn neugierig an. Dan bemerkte sie gar nicht.

„Danke, Mann“, sagte er und grinste wie ein Honigkuchenpferd.

Annabelle versuchte, Dans Blick einzufangen, doch der wich ihr geschickt aus, fast so, als habe er etwas ausgefressen. Bestimmt hatte er ein unglaublich schlechtes Gewissen, weil er sie am Vorabend versetzt hatte.

„Danny, Mann“, rief Doug Saunders, der bei TNP die Immobilienprojekte für private Investoren betreute, „wann ist es denn so weit?“

Annabelles Aufmerksamkeit war jetzt ganz auf die Männer gerichtet, die sich im Eingangsbereich des Besprechungsraumes um Dan scharten und ihn ansahen wie einen Ölgötzen.

„Im September“, sagte Dan lächelnd.

Annabelle fiel ein Stein vom Herzen. Sie wusste, worum es ging. Dan hatte ihr erzählt, dass er im September an einem Motorradrennen teilnehmen wollte, für das er schon ewig trainierte, zu dem aber nur eine bestimmte Anzahl an Teilnehmern zugelassen wurde. Die ganzen letzten Wochen hatte er wie verrückt auf die Zusage der Rennleitung gewartet, sich benommen wie ein quängeliges Kleinkind und das Büro deswegen halb verrückt gemacht. Bestimmt hatte er die Zusage jetzt erhalten und freute sich deshalb einen Ast ab.

 

„Meine Herrschaften, können wir beginnen?“, fragte John nach einigen Augenblicken.

Die Mitarbeiter wurden still, nahmen ihre Plätze ein und hefteten ihre Blicke auf ihren Boss. Stumm setzte Dan sich neben Annabelle auf den letzten freien Platz im Raum. Er versuchte nicht, sie – wie sonst immer – „zufällig“ zu berühren, und streifte auch nicht wie üblich unmerklich über ihren Unterarm. Diesmal drückte er nicht sein Bein unter dem Tisch an ihres. Vermutlich war es ihm unangenehm, dass er sie am Vorabend so billig versetzt hatte. Das würde der gute alte Danny-Boy wiedergutmachen müssen, nahm Annabelle sich selbstsicher grinsend vor.

„Hast du die Zusage für das Rennen endlich bekommen?“, fragte sie flüsternd.

Dan tat so, als habe er sie nicht gehört, sagte nichts und war John in diesem Augenblick vermutlich unendlich dankbar, dass dieser das Meeting eröffnete. Annabelle sah Dan verständnislos an. Irgendetwas war hier eigenartig.

 

„Vielen Dank, dass ihr alle zu unserem Statusmeeting erschienen seid“, begann John und öffnete die braune Ledermappe, die vor ihm auf dem Tisch lag. „Wie ihr bestimmt wisst, finanzieren wir den Bau eines Hotels in der Kleinstadt Loxeley in Arkansas. Das Projekt ist sozusagen die Generalprobe für eine großartige Zusammenarbeit mit Uphill Incorporated, der landesweit bekannten Baufirma, deren CEO ganz zufällig einer meiner ehemaligen Kommilitonen ist.“

John grinste.

„Es gibt einen Vorvertrag darüber, dass TNP künftig alle Uphill-Projekte finanziert, wenn der Bau des Hotels in Loxeley erfolgreich ist. Dazu zählen außerdem noch Finanzierungen eventueller Wohnungen von zukünftigen Eigentümern sowie diverse weitere Finanzierungen für Wohneigentum et cetera. Walter Newman, der Vorstandsvorsitzende von Uphill, ist einer unserer A-Kunden, sodass ich mir natürlich wünsche, dass dieses Projekt erstklassig abgearbeitet wird. Ich habe deswegen mit Walter vereinbart, dass jemand aus dem Team für die nächsten Wochen nach Loxeley reisen wird, um den Bau vor Ort zu überwachen, finanzielle Dinge zu regeln und als Ansprechpartner zu fungieren, sollten sich Fragen ergeben.“

Gemurmel ging durch die Reihen. Mehrere Wochen in einer Kleinstadt mitten im Nirgendwo festzusitzen und dem ehemaligen Uni-Kumpel von John Taylor Honig ums Maul zu schmieren, war nicht gerade das, was die Projektleiter und Junior-Manager der Bank in der nächsten Zeit tun wollten.

„Ich habe auch schon jemanden auserkoren, der uns in Loxeley vertreten wird“, fuhr John fort und sah Dan an.

„Daniel, ich hätte gerne, dass du diese Sache für uns übernimmst.“Dan sah John mit großen Augen an und Annabelles Laune stieg. Sie würde bestimmt an dem einen oder anderen Tag nach Loxeley reisen, um Dan etwas bei der Arbeit zu „unterstützen“. Vielleicht konnten sie hin und wieder ein Wochenende gemeinsam verbringen, ein paar schöne Stunden waren aber auf alle Fälle drin. Und für Dans Frau hatten sie das perfekte Alibi – wenn die Scheidung bis dahin immer noch nicht über die Bühne gegangen oder zumindest angestoßen worden war. Geschäftsreisen hatten eben Priorität, und wenn es sein musste, dann musste man nunmal ab und zu auch ein Wochenende dafür opfern.

„John, ich … ähm … ich fürchte, ich kann diese Aufgabe dieses Mal nicht übernehmen“, sagte Dan plötzlich. Er wirkte peinlich berührt und fuhr sich unentwegt durch die Haare, was ihn wie einen nervösen Schuljungen wirken ließ.

Annabelle sah ihn genauso irritiert an, wie ihr Vater es tat.

„Warum nicht?“, fragte John.

„Nun …“ Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf Dans Lippen ab, und er vermied es geflissentlich, Annabelle anzusehen. „Ich … Meine Frau hat mir gestern Abend eröffnet, dass wir ein Baby bekommen. Sie ist im vierten Monat schwanger. Ich würde die Zeit der Schwangerschaft über lieber in ihrer Nähe bleiben, als quer durchs Land zu reisen.“

Im nächsten Moment setzten Applaus und Jubelrufe ein, während Annabelle sich fühlte, als hätte man ihr einen harten Schlag in die Magengrube versetzt. Sie rutschte ein Stück auf ihrem Stuhl hinunter, so, als hätte diese Info sie persönlich getroffen, und schaffte es nicht, ihren Kollegen ins Gesicht zu sehen. Obwohl niemand von der Affäre zwischen Dan und Annabelle wusste, fühlte sie sich, als würden alle im Raum sie verhöhnen und Bescheid wissen.

„Er hat die ganze Zeit über nur mit dir gespielt, Bella“, sagte eine Stimme in ihrem Kopf. „Hat dir erzählt, dass er seit über einem Jahr nicht mehr mit ihr schläft, dass es nicht läuft, dass du dir keine Sorgen machen musst, weil ihre Beziehung aus und vorbei ist, und jetzt ist sie – o Wunder – im vierten Monat schwanger und er der Vaters des Jahrtausends.“

„Oh, Daniel, das freut mich außerordentlich. Ich gratuliere dir und Eve. Es ist immer wieder großartig, einen kleinen Erdenbürger zu erwarten“, sagte John. „Ich werde meiner Sekretärin auftragen, deiner Frau Blumen und meine persönlichen besten Wünsche zu schicken.“

„Ich danke dir, John“, erwiderte Dan und wagte immer noch nicht, Annabelle anzusehen. Dieser verlogene, hinterhältige Mistkerl.

 

Das war es also gewesen. Dans Frau hatte keine Migräne gehabt, sie hatte ihm von dem Baby erzählt, und dieser Schlappschwanz hatte ihr vorgelogen, dass er sie zu Hause gesundpflegen musste. Und dass ihre Ehe ohnehin längst vorbei war. Aber … hatte sie tatsächlich erwartet, dass Dan sich ihretwegen von Eve trennen würde? Hatte sie wirklich geglaubt, ausgerechnet Daniel Bradshaw wäre anders als die anderen? Männer erzählten einem bisweilen, was man hören wollte, solange sie bekamen, was sie wollten. Jetzt bemerkte sie dieses merkwürdige Gefühl, das sich seinen Weg aus ihren Tiefen hoch in ihre Magengrube bahnte. Was war das? Eifersucht? Neid? Missgunst? Eine Mischung aus allem? Sie hatte die Zeit, die sie zu zweit verbracht hatten, genossen und sich einfach dem Augenblick hingegeben, Dan vertraut und ihm geglaubt, wenn er sagte, seine Ehe sei vorbei. Er hatte so verdammt aufrichtig geklungen. Jetzt traf es sie wie ein Schlag, dass Dan und seine Frau ein Kind erwarteten und diese Beziehung, von der sie tatsächlich geglaubt hatte, sie könnte Bestand haben, ab sofort der Vergangenheit angehörte. Auf einmal wurde ihr übel. Sie musste hier raus und ertrug mit einem Augenblick Dans Anblick nicht mehr.

„Dad … ich … Entschuldige mich, ich habe vergessen, dass ich eine Telefonkonferenz mit Mr. Wang von Kim Enterprises habe – du weißt ja, wie bedacht er auf Pünktlichkeit ist“, sprudelte es aus Annabelle heraus, bevor sie aus dem Besprechungsraum stürzte.

 

Wie vom wilden Affen gebissen stürzte Annabelle durch den offenen Bereich des Büros, in dem die Sekretärinnen und Assistentinnen sich befanden, bis hin zu ihrem Büro, öffnete die Tür, schloss sie hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken daran. Sie atmete mehrmals tief ein und aus und war völlig durch den Wind. Was sollte das? Sie hatte schon mehrere Affären mit Kollegen aus dem Büro gehabt, die ihr das Blaue vom Himmel erzählten, und auch welche beendet. Dan war nur einer von vielen, und an seine Stelle würde bestimmt bald jemand Neues, jemand Besseres treten. Jemand, mit dem es wieder aufregend und heiß war und … Und dennoch … tat es weh. Sie hatte Dan gerngehabt, sie hatte ihm vertraut, und sie hatte ihm geglaubt, wenn er davon sprach, sich scheiden zu lassen, das musste sie sich eingestehen. Ganz weit hinten in ihrem Kopf hatte sich tatsächlich der Gedanke manifestiert, dass aus ihr und Dan ein Paar werden konnte, sobald seine Scheidung durch war. Die Scheidung. Sie lachte. Die Scheidung, die anscheinend nie wirklich im Raum gestanden und nur dazu gedient hatte, um ihr das Gefühl zu geben, dass doch mehr möglich war als nur eine Affäre. Es klopfte an ihre Tür.

„Annabelle? Bist du da drin?“Das war Dan. Sie überlegte kurz, ob sie tatsächlich aufmachen sollte oder ob es die bessere Wahl war, sich aus dem Fenster zu stürzen, doch sie durfte ihm gegenüber jetzt keine Schwäche zeigen. Es hatte als Affäre begonnen und so würde es nun auch enden. Egal, was zwischendrin gesagt worden war. Annabelle atmete noch einmal tief durch, versuchte, sich in Sekundenschnelle zu beruhigen, drehte sich um und öffnete die Tür.

„Gratuliere zum Baby“, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen, nachdem Dan eingetreten war und die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte. Sie hätte Schauspielerin werden können.

„Danke.“

Er wirkte fast verlegen und all die Chemie, die sexuelle Anziehungskraft, die noch am Vortag zwischen ihnen bestanden hatte, als sie sieben Stockwerke allein im Lift gewesen waren, schien wie weggeblasen. Annabelle setzte sich auf ihren Stuhl und sah ihn an. Hinter ihrem Schreibtisch – auf dem Dan sie hin und wieder genommen hatte – fühlte sie sich etwas sicherer.

„Tut mir leid, dass ich es dir nicht gleich gesagt habe, aber Eve hat mich überrascht. Ich habe selber nicht damit gerechnet. Sie hat ein Abendessen für mich veranstaltet, Es gab Babykarotten und Babyspinat, Babybrötchen, Minimuffins und …“

„Oh, Eve hat es wohl damit, einem Dinge auf subtile Art zu vermitteln, was?“, konnte Annabelle es nicht lassen.

„Bella. Tut mir leid. Ich meine, das mit uns beiden war doch sowieso nichts.“Er sah sie an und im ersten Moment war sie schockiert. Als „nichts“ hätte sie die fast elf Monate andauernde Affäre auch nicht abgetan. Erst recht nicht, wenn sie an die vielen liebevollen Worte dachte, die sie sich zugeflüstert hatten, wenn sie Zeit miteinander verbrachten.

„Du hast recht. Es war nichts und es ist nie etwas gewesen“, sagte sie trotzdem mit bestimmter Stimme.

„Ähm … Bella, ich … wir …“, begann Dan, und Annabelle wusste ganz genau, worauf er hinauswollte. Er war dabei, sie abzuservieren – unter den gegebenen Umständen nur logisch. Doch so einfach wollte sie ihn auch nicht davonkommen lassen.

„Was?“, fragte sie und sah ihn an. Er war ein attraktiver Typ, groß, männlich, dunkelhaarig, sportlich, der jede hätte haben können. Was er mit dieser Schnepfe Eve, einer klapperdürren Rothaarigen, wollte, die Annabelle von den Gesichtszügen her immer an ein Skelett erinnert hatte, erschloss sich ihr nicht.

„Ich glaube, ich meine … ich denke, es wird das Beste sein, wenn wir … wir sollten diese Sache zwischen uns beiden …“ Er wand sich wie ein Wurm.

Fragend sah Annabelle ihn an.

„Ich weiß nicht, was du meinst, Daniel“, sagte sie und war über ihre eigene Gehässigkeit überrascht.

„Ich glaube, wir sollten diese Affäre beenden“, rang Dan sich schließlich doch durch. Er sah aus, als müsste er sich gleich übergeben.

„Klar, sicher“, entgegnete Annabelle gleichgültig und stellte in diesem Moment fest, dass sie Dan doch lieber gehabt hatte, als sie sich zunächst eingestand. Es schmerzte sie, ihn jetzt zu verlieren.

„Wirklich? Ist es kein Problem für dich?“„Warum sollte es ein Problem sein? Ich wusste doch, dass du verheiratet bist und dass das zwischen uns nichts Ernstes wird. Mir war klar, dass du deine Ehe niemals für eine Affäre aufs Spiel setzt.“ All die liebevollen Worte der letzten Monate, die er ihr oft ins Ohr geflüstert hatte, prasselten in Gedanken auf sie ein.

„Ich finde es gut, dass du das so locker siehst“, sagte Dan und wirkte erleichtert. „Ich meine, wir beide, das war doch nichts. Das wäre auch niemals etwas geworden. Nur sinnlose Spielerei.“Er grinste und sah dabei dämlich aus, und Annabelle fragte sich, wie sie für diesen Typen jemals so etwas wie Zuneigung empfinden hatte können. Er war der gefühlloseste, peinlichste und einfältigste Mensch, der ihr jemals unter die Augen gekommen war.

„Ja. Nur Spielerei“, sagte sie und machte gar keinen Versuch, ihren gekränkten Unterton zu verstecken, „und der Sex war ohnehin auch übel.“Dan lachte. Was für ein unsensibler Trampel er doch war.

„O mein Gott, ging es dir auch so? Ich fands mit Eve auch immer besser als mit dir. Weißt du, du bist toll, Annabelle, aber ich stehe wirklich auf richtig dünne Frauen. Ich muss ja zugeben, dass du mir ein kleines bisschen zu dick gewesen bist die ganze Zeit über.“ Er krümmte Daumen und Zeigefinger, um „das bisschen“ zu visualisieren. „Ich wollte dir das schon öfters sagen, aber dann hab ichs doch immer wieder gelassen. Schließlich war das zwischen uns ja nur fürs Bett, und dafür hat es schon ausgereicht.“

Was für ein Arschloch. Dan war zu dumm, den Sarkasmus in Annabelles Stimme zu erkennen, und begann obendrein auch noch, sie zu beleidigen.

„Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“, fragte sie. Am liebsten hätte sie Dan beim Kragen gepackt und ihn aus ihrem Büro geworfen. Und die Zeit zurückgedreht, um sich nur ja nie auf ihn einzulassen.

„Nein. Ich meine ja. Eve kommt nachher vorbei mit Champagner und Kuchen, wenn du Lust hast, kannst du mit rauskommen und auf das Baby anstoßen.“„Tut mir leid, ich muss auf meine Linie achten, mir wurde gesagt, dass ich zu dick sei“, stichelte sie.

„Bella, nimm das nicht allzu ernst. Aber ich steh nun mal auf ganz Dünne. Du hast mich mit deinem Charme eingewickelt. Das ist doch auch was.“Er zwinkerte ihr zu.

„Dan, ich habe zu arbeiten. Würdest du mich jetzt wohl alleine lassen?“„Oh, klar. Dann … danke für den schlechten Sex.“ Dan grinste und verließ Annabelles Büro.

 

Tränen standen in ihren Augen und am liebsten hätte sie ihr Notebook mit voller Wucht vom Schreibtisch gefetzt. Sie war selbst schuld. Sie hätte sich auch einen Kerl suchen können, der nicht bereits vergeben und verheiratet war, und eigentlich geschah es ihr ganz recht, dass sie jetzt als Sitzengelassene zurückblieb. Immerhin war sie „die andere Frau“, hatte Sex mit verheirateten Männern und trug dazu bei, dass liebende Ehefrauen betrogen wurden. Annabelle fühlte sich eingeengt. In ihrem großen Manhattaner Büro im 52. Stockwerk, in ihrem 400-m²-Apartement in Uptown, in der ganzen Stadt. Sie wollte weg und atmen können. Dan vergessen und nicht Gefahr laufen, sich in die nächste Affäre mit einem verheirateten Typen zu stürzen, der sie nach einer Weile fallen ließ wie eine heiße Kartoffel. Sie wollte sich endlich darüber klar werden, was sie von ihrem Leben erwartete. Und sie wollte dort ankommen, wo sie hingehörte. Sie schnappte sich ihre Handtasche, eilte aus ihrem Büro und informierte die Sekretärin ihres Vaters, dass sie die nächste Woche über Urlaub brauchte. Dann verließ sie das Gebäude der Taylor National Private Bank.

 

 

2

 

 

Annabelle war den ganzen Freitag über gefahren. Nachdem sie die Bank verlassen hatte und zu Hause angekommen war, hatte sie eine ganze Woche in einem SPA in Richmond, Virginia, gebucht und wollte dort alles um sich herum vergessen. In den letzten Wochen war ihr mehr als sonst bewusst geworden, dass etwas in ihrem Leben fehlte. Dass sie unzufrieden war mit dem, was sie erreicht hatte, und dass sie sich trotz allem, was das Leben ihr bot, leer fühlte. Ihr war klar geworden, dass das Einkaufen, das sie nahezu schon wie eine Sportart betrieb, für etwas stand, was ihr im Lebe fehlte, dass es sich dabei um eine Art Ersatzbefriedigung handeln musste. Ob dies für eine Beziehung stand, für eine berufliche Veränderung oder für etwas völlig anderes, wusste sie nicht. Bisher hatte ihr eine feste Beziehung nicht gefehlt. Vor Jahren schon hatte sie sich dazu entschlossen, auf feste Bindungen zu verzichten, weil sie nicht an die große Liebe glaubte. Mit einundzwanzig hatte sie den Sohn eines Geschäftspartners ihres Vaters kennengelernt und sich ein Jahr darauf mit ihm verlobt. Zwei Monate vor der geplanten Hochzeit – Annabelle war damals vierundzwanzig gewesen – hatte sie ihren Verlobten mit dem Hausmädchen im Bett erwischt. Der überraschte Romeo hatte ihr dann auch noch ins Gesicht gesagt, dass er nur wegen ihres Namens, nicht aber ihretwegen mit ihr zusammen gewesen war und dass die Ehe mit ihr in erster Linie seinem eigenen Ansehen und Vermögen gedient hätte. Seither war sie dazu übergegangen, selbst die „andere Frau“ zu sein anstatt diejenige, die betrogen wurde. Doch auch diese Variante machte sie nicht glücklich. Etwas in ihrem Leben fehlte, und etwas musste geändert werden, jetzt galt es nur noch, herauszufinden, was das denn war. Dan war eigentlich nur der Tropfen gewesen, der das Fass letztendlich zum Überlaufen gebracht hatte. Annabelle wollte die kommende Woche dazu nutzen, ihr Leben neu zu ordnen, es in die richtige Richtung zu lenken, und endlich den Schritt ins Ungewisse tun, der längst überfällig war. Eine Woche in einem abgelegenen, ruhigen Wellnesstempel ohne Handy, Notebook und sonstigen Kontakt zur Außenwelt schien ihr dazu gerade recht.

 

Gegen Abend hatte sie in einem kleinen Ort namens Little Pines angehalten, um etwas zu essen. Sie wollte es sich nicht eingestehen, doch sie glaubte, sich heillos verfahren zu haben. Ihr Navi hatte, als es noch funktionierte, eine Fahrtzeit von knapp sechs Stunden berechnet, Annabelle war jedoch schon weit über sieben Stunden unterwegs. Das Navi selbst hatte sich irgendwo zwischen New Jersey und Delaware verabschiedet. Erst hatte es begonnen, in einem fremdsprachigen Kauderwelsch daherzuplappern, danach war der Bildschirm völlig schwarz geworden und hatte sich nicht mehr einschalten lassen. Der Versuch, den Routenplaner ihres Handys zu aktivieren, war ebenfalls kläglich gescheitert und hatte damit geendet, dass der Akku leer gesaugt wurde und auch das Handy sich abschaltete. Annabelle war tapfer weitergefahren und hatte beschlossen, in Richmond nach dem Weg zu fragen. Es konnte ja nicht so schwer sein, den richtigen Weg in einen Bundesstaat zu finden. Wenn sie schon nicht das SPA direkt finden konnte, würde sie es wenigstens in den Bundesstaat Virginia und dann nach Richmond schaffen. Irgendjemand dort sollte das „Beyond Silence“-SPA bestimmt kennen, immerhin war es der größte Wellnesstempel in ganz Virginia.

 

Jetzt befand sie sich in einem Diner namens „Rosie’s“ und studierte die Speisekarte. Ganz offensichtlich starben die Einwohner von Little Pines alle an einem Herzinfarkt mit Mitte vierzig, verursacht durch einen zu hohen Cholesterinspiegel, und waren zuckerkrank. Annabelle konnte sich nicht erinnern, überhaupt jemals eine Speisekarte gesehen zu haben, auf der es ausschließlich derart Ungesundes zu bestellen gab. Vor Fett triefende Burger, wahlweise mit Speck, Käse oder beidem, ganze Eimer mit Fritten und Zwiebelringen, Steaks so dick wie Annabelles Handfläche mit Kartoffeln und Bohnen, Sandwiches aus ganzen Weißbrotstangen, belegt mit Salami und Käse, garniert mit literweise Mayonnaise. Und zum Nachtisch ein Double-Chocolate-Kuchen, übergroße Muffins mit Sahnetoppings oder Eisbecher in Badewannengröße.

---ENDE DER LESEPROBE---